Archiv: Januar 31, 2021

„GameStop“: Wie Kleinanleger milliardenschwere Hedgefonds bezwangen

Von Max Roland | Ein 10-Jähriger Junge aus Texas gewinnt gegen große Spekulanten an der Börse. Er ist unwahrscheinlicher Profiteur eines Internetphänomens am Aktienmarkt, welches Medien vor Wut über angebliche „Trumpnazis“ schäumen und Hedgefondsmanager in Panik verfallen lässt.

Als Jaydyn Carr acht Jahre alt war, schenkte ihm seine Mutter zehn Aktientitel des amerikanischen Videospielhändlers „GameStop“. Damals, vor zwei Jahren, kostete eine einzelne Aktie sechs Dollar. Wenn Jaydyn sich damals über Anteile an seinem Lieblingsgeschäft gefreut hat, so wird die Freude am vergangenen Mittwoch wohl noch größer gewesen sein: Dem Tag, an dem Jaydyn seine Anteile an der Firma für 3.200 Dollar wieder verkauft hat, nachdem er an der Börse gegen riesige Hedgefonds-Spekulanten gewonnen hatte.

Zugegeben – der kleine Junge aus Texas verfügt nicht etwa über unwahrscheinliche Trading-Skills. Er ist ein unwahrscheinlicher Profiteur eines Internetphänomens am Aktienmarkt, welches Hedgefondsmanager zur Zeit in wilde Panik verfallen lässt. Denn sie hatten gegen Gamestop gewettet. Doch von Dienstag auf Mittwoch legte die Aktie des Konzerns um über 100% zu und war die mit Abstand meistgehandelte Börse auf dem US-Aktienmarkt, überholte sogar die Tech-Giganten des Silicon Valley. Haben all diese erfolgreichen Marktakteure, wie der New Yorker Top-Hedgefonds „Point74“, sich einfach komplett verwettet? Streng genommen: Ja. Aber jeder Aktienberater hätte vom Kauf von „GameStop“-Titeln abgeraten – der Konzern steckt in Schwierigkeiten, der Kurs entwickelte sich nicht gut. Eigentlich waren sich alle Experten schon lange einig: Das Business-Modell sei veraltet und habe keine Zukunft.

Nachdem ein Hedgefonds im vergangenen Herbst jedoch öffentlich kommunizierte, gegen „GameStop“ zu wetten, beschloss eine Community von Online-Tradern, den Managern einen Strich durch die Rechnung zu machen. Auf der Social-Media-Plattform „Reddit“ organisieren sich Nutzer, die man eigentlich als Hobbytrader bezeichnen könnte. Ihr Forum, den sogenannten „Subreddit“, nennen sie „Wallstreetbets“ – auch ein deutscher Ableger mit dem Namen „Mauerstraßenwetten“ existiert, der Name eine ironische Wort-für-Wort-Übersetzung des englischsprachigen Gegenstücks. Dort und in ähnlichen Foren gibt man sich „Geheimtipps“ und spricht über eigene Erfolge und Misserfolge beim Spekulieren mit Summen, die man in den Chefetagen der Hedgefonds nicht mal mehr als „Peanuts“ bezeichnen würde. Doch wenn Mitglieder einer 5,4 Millionen Nutzer starken Community gemeinsam in eine Aktie investieren, kommen Ergebnisse heraus, die man in der „Augsburger Allgemeinen“ als „durch-die-Decke gehen“ und bei „4investors.de“ als „turbulenten Wahnsinn“ betitelt. Die Kleinanleger kaufen koordiniert „GameStop“-Aktien und tun so angeblich das, was Kritiker den großen Hedgefonds schon seit Jahren vorwerfen – sie machen sich der Marktmanipulation verdächtig oder schuldig. Das Ergebnis: Der Kurs von „GameStop“ stieg an der Börse vom 26. auf den 27. Januar um 242%.

Es ist persönlich geworden

Es sind ähnliche Internet-Communities wie diese, die 2016 durch viele Mainstream-Medien kontrafaktisch als „russische Trump-Trolle“ verkauft wurden. Die dort aktiven User sind häufig jung und erfreuen sich ihres sehr eigenen Nischenhumors. „Wir teilen keine Motive“, erklärt ein Nutzer: „Wir alle haben unsere eigenen Gründe, GameStop und andere Firmen zu unterstützen“. Ein anderer, der sich per Privatchat zum Gespräch bereit erklärt, meint, er habe ursprünglich wegen des Geldes mitgemacht: „Ich möchte meine Studienkredite abbezahlen und für die Rente sparen. Ich bin 36 und habe noch nichts wirklich zurückgelegt“. Doch aus diesen rationalen Motiven heraus entstand dann etwas größeres. Obwohl der Wert seiner „GameStop“-Aktien an einem Tag um rund 13,000 US-Dollar zugenommen hatte, verkaufte er nicht: Er wollte die anderen Käufer unterstützen: „Je länger wir halten, desto stärker können wir das Establishment quetschen. Nun, mit ihren dreisten Manipulationen, haben wir den Anreiz, weiter dranzubleiben“. Nicht wenige Investoren scheint eine Ablehnung der großen Hedgefonds anzutreiben. Insbesondere, seitdem diese massiven Druck auf die Community ausüben. Denn das, was viele vielleicht nicht zu Unrecht als „Marktmanipulation“ bezeichnen, schlägt mittlerweile richtiger Widerstand entgegen. Online-Trading-Anbieter haben den Verkauf von „GameStop“-Aktien gestoppt: Wer dort Titel hält, kann sie zur Zeit lediglich veräußern, was zur Zeit folglich zu Verlusten führt. Einige Nutzer berichten in den sozialen Medien davon, dass ihr Aktienbestand in „Gamestop“-aktien ohne Einwilligung oder ohne ihr aktives Zutun veräußert wurden und posten Screenshots der Mitteilungen. Träfe dies zu, wäre das ein weiterer skandalöser Vorgang. Eine Tradingapp namens „Robinhood“, die von den „Redditern“ gerne genutzt wurde, twitterte 2016 noch großspurig „Let the people trade“ – heute sperrt sie genau diesen Massenhandel der vielen, der sich organisiert hat. Wohl auf Druck großer Hedgefonds wie „Melvin Capital“, die ihren Einfluss auf das junge Unternehmen ausüben.

Vielleicht aber auch, weil das ganze sonst das Zeug zur handfesten Krise hätte werden können, zumindest für einige Hedgefonds. Durch das Floppen der Leerverkäufe gerieten einige Häuser in eine gefährliche Schieflage. Der zuvor erwähnte „Point74“ und sein Besitzer musste „Melvin Capital“ eilig eine Liquiditätsspritze zukommen lassen – bei massiven Leerverkäufen hatte sich nicht nur „Melvin Capital“ gehörig verbrannt und benötigte eine drei Milliarden schwere finanzielle Hilfestellung.

Für die User von „wallstreetbets“ ist die Sache klar: Die Großen haben sich gegen die Kleinen Verschworen. Aber was wie eine E-Börsen-Version von „David gegen Goliath“ klingt, hat jetzt auch den US-Kongress auf den Plan gerufen. Dort, wo die Spaltung zwischen Demokraten und Republikanern eigentlich unüberbrückbar tief erscheint, sind sich jetzt plötzlich Abgeordnete aller Lager und Parteien einig: Dieser „Crackdown“, dieses Vorgehen gegen die einzelnen Normalverbraucher, die vom „GameStop“-Phänomen profitieren wollten, verstößt gegen geltendes Recht. Ein Kongressmitglied verfasste bereits einen Brief an den US-Generalstaatsanwalt, in dem von „wettberwerbswidrig“ motivierten Schritten die Rede ist. Und in der Kritik an „Robinhood“ stehen die sozialistische Linksaußen-Politikerin Ocasio-Cortez der Demokraten und der Trump-Verbündeten und Ultra-Konservativen Ted Cruz, der als Republikaner Texas im Senat vertritt, auf einmal auf einer Seite. Das erfüllt erstere natürlich mit Unbehagen – sie distanziert sich direkt von Cruz, der sie als Verantwortlicher für den „Kapitol-Putsch“ ja habe tot sehen wollen – zeigt aber, dass die Fragen um das, was da an der Wallstreet passiert ist, Parteiübergreifend mit Sorge lauter werden.

In einschlägigen Medien verkennt man das, was man sieht, derweil komplett, und vermutet finstere Kräfte am Werk. Laut „CNN“ sind es „Trumpisten“, die hier „den Eliten“ den Mittelfinger zeigen wollen. Und Nathaniel Weixel, der bei der amerikanischen Newswebsite „The Hill“ arbeitet, vermutet sogar, dass „White Supremacists“, rassistische Neonazis, involviert sind. Doch das sind Spekulationen und Reflexhandlungen einer gewissen Medienkaste, die mit der Realität wenig oder gar nichts gemein haben.

Wie es jetzt weitergeht, ist offen. Auf „wallstreetbets“ wird dazu aufgerufen, die Anteile zu halten und sich nicht in den Verkauf zwingen zu lassen. Doch die Aktie ist jetzt offensichtlich überbewertet – Anfang der Woche kostete ein Titel gerade mal 43 Dollar, Freitagmorgens vor Börsenöffnung liegt der Kurs bei knapp mehr als 197 Dollar. An dem Unternehmen ist nach wie vor nichts von Substanz dran, was einen solchen Kurszuwachs rechtfertigen könnte: Gamestop verzeichnete zuletzt 471 Millionen Dollar Verluste und gehört nicht zu den Zukunftsträgern im Markt. Das wissen auch die Aktionäre von „wallstreetbets“: Vielen geht es jetzt darum, es den Großen zu Zeigen. Für die „Degenerierten“, wie sie sich selbst ironisch nennen, ist es persönlich geworden.

Dieser Artikel von Max Roland erschien zuerst auf TichysEinblick.


Clubhouse-App: die neue Plattform für die Moralelite

Von Elisa David | Der eine oder andere, der seine Zeit nicht mit so niederen Dingen wie dem Erarbeiten von Steuergeldern verbringt, mag ihn vielleicht mitbekommen haben – den neuen großen Hype unserer Politik-Elite: Clubhouse. Bei Clubhouse handelt es sich um eine App, die ausschließlich auf Audioinhalten basiert – böse Zungen bezeichnen es als das Twitter für Legastheniker und Schreibfaule. Man kann es sich als interaktiven Podcast oder öffentliches Telefonieren vorstellen.

Was das Format so anziehend macht? Nun, ob es – wie die Betreiber der App behaupten – aus Versehen so gekommen ist, oder doch so geplant war: Die App ist hoch exklusiv. Man kann sich die App zwar im App-Store herunterladen, benutzen kann man sie aber erst, wenn man die Einladung eines Users hat, der schon „im Club ist“. Aktiven Nutzern stehen allerdings nur zwei Einladungen zur Verfügung – der Stoff an dem Freundschaften zerbrechen. Hat man keine Einladung, wird man auf eine Warteliste gesetzt. Die Betreiber begründen das damit, dass sie die noch neue App nicht mit zu vielen Usern auf einmal zu überfordern wollen und lieber qualitativ nach und nach Kapazitäten für mehr Nutzer schaffen. In Wahrheit geht es wohl um High-Society-Simulation für Wichtigtuer im Lockdown.

Gerade die Exklusivität ist es, was Clubhouse für so viele so anziehend macht. Die Betreiber können sich nicht beschweren, denn aktuell ist Clubhouse auf Platz 1 der meistheruntergeladenen Social-Media-Apps im Apple App Store.

Aber selbst wenn man gute Verbindungen hat, gibt es noch einen Haken – denn bis jetzt ist Clubhouse nur für Apple-Nutzer verfügbar. Ein interessantes Detail, denn dafür, dass Apple so gerne als böser kapitalistischer Megakonzern gebrandmarkt wird, der chinesische Kinder ausnutzt und enteignet gehört, ist es doch bemerkenswert, wie viele linke Kapitalismuskritiker dort ihre viele Zeit verdaddeln können.

Auch wenn Clubhouse erst seit kurzem ein Hype in Deutschland ist, so hat die Anwesenheit vieler namenhafter Politiker auf der Plattform bereits für Skandale gesorgt. Wie zuletzt Bodo Ramelow. Der hat wohl noch nicht ganz verstanden, dass man bei Clubhouse eben nicht mit Freunden oder Bekannten telefoniert und höchstens der persönliche KGB-Agent Wladimir das Gespräch mit abhört. Neben Wladimir, der vielleicht trotzdem mitgehört hat, hatte Bodo eine Zuhörerschaft von mehreren tausend Personen – unter anderem zahlreiche Journalisten und andere Politiker, wie Manuela Schwesig – als er letzte Woche nachts davon sprach, dass er in der Ministerpräsidentenkonferenz auf dem Handy Spiele zockt. Bis zu „zehn Level Candy Crush“ schafft er da, während über die Grundrechte, Existenzen und Leben seiner Wähler diskutiert und entscheidet.

Gut, vielleicht ist es nur der Unaufmerksamkeit des Linken-Politikers zu verdanken, dass zum Schutz der Bevölkerung vor Corona noch keine Mauer aufgebaut wurde und zur Rettung der Wirtschaft alle Firmen zum Bevölkerungseigentum gemacht wurden. Trotzdem sind die Äußerungen mehr als bezeichnend. Ob Bodo Ramelow das große Publikum nicht bewusst, es ihm egal war oder er sich vor Journalisten einfach immer so entspannt äußern kann, ohne dass etwas passiert, ist dabei egal. Ramelow und seine Anhänger versuchen sich aktuell gegen einen großen Shitstorm zu verteidigen, denn Johannes Boie von der Welt hat einen Artikel draus gemacht. Dass Ramelow Angela Merkel an dem Abend als „das Merkelchen“ bezeichnete, ist das einzige, für das der sich bisher entschuldigt hat. „Den Namen der Bundeskanzlerin zu verniedlichen war ein Akt männlicher Ignoranz. Dafür meine ehrliche Bitte um Entschuldigung.“

Vielleicht hatte er auch einfach Angst, dass die Rückgängigmachung ebenfalls rückgängig gemacht wird.

Dorothy hat es so schwer

Ein anderer Welt-Artikel, der sich mit Bodos Läster-Podcast, seinem „Candy Crash“ und der immer noch ausstehenden Entschuldigung an die Bürger befasste, prallt völlig an ihm ab. Er retweetet lieber Tweets von Parteikollegen und -anhängern, die sich nun das Maul über einen Welt-Artikel vom 1. März 2012 zerreißen. Damals war Schäuble im Bundestag dabei erwischt worden, wie er Sudoku spielte und die Welthat das in ihrem Artikel verteidigt. Deshalb darf sich natürlich heute keiner mehr über Bodo Ramelow beschweren. Dass Anfang 2012 schon ein bisschen her ist, hat wohl keiner mitbekommen – ich für meinen Teil war damals elfeinhalb und wusste weder wer Ramelow, noch wer Schäuble ist. Aber gut, die haben ja noch nicht mal mitbekommen, dass der Sozialismus gescheitert ist.

Doch während die einen Politiker möglicherweise die Reichweite von Clubhouse unterschätzen, sind da andere die sie entschieden überschätzen. Unsere Lieblingsministerin Dorothee Bär zum Beispiel. Die zeigt sich als riesiger Fan von der neuen App und teilt auf ihrem Twitter-Account unentwegt, dass sie auf Clubhouse tatsächlich aus jeder Büchse gesprungen kommt. Ihr Terminkalender scheint zur Zeit sehr spärlich befüllt zu sein, denn ihrer Clubhouse-Aktivität nach zu urteilen, hat sie massig Zeit um sich über jedes erdenkliche Thema auszulassen, dass sie sich aus den Fingern saugen kann.

Am Mittwoch will sie mit Helge Braun zum Thema „Daten als Chance – die Datenstrategie der Bundesregierung“ diskutieren (also hält sie den auch noch vom Arbeiten ab, aber das ist vielleicht auch besser so). Am Dienstagabend unterhielt sie sich mit einer Reihe von Politikern zu dem Thema „Mut im Blut – braucht Politik mehr Führung?“, aber nicht ohne am Mittag am Sprechkreis „Bitkom Tacheles #1: Digitale Bildung“ mitgewirkt zu haben. Die Tage zuvor nahm sie an den Clubhouse-Räumen „Trump weg, Biden übernimmt! Wird jetzt alles anders“, „Auf welche Technologien wir warten!“ oder „Diversity Talk – wird 2021 das Diversity Jahr?“ teil. Bodo Ramelow hat vielleicht respektlos herumgepoltert, aber er hatte wenigstens noch den Anstand, das mitten in der Nacht zu tun. Dorothee Bär dagegen macht gar keinen Hehl daraus, dass sie den halben Tag damit verbringt, mit ihren mehr oder weniger besten Freundinnen zu schnattern.

Vielleicht denkt sie aber auch man könne das als Arbeit bezeichnen, weil sie es ja schließlich in digital und hipp tut. Wäre eigentlich keine große Überraschung, denn wenn sie tatsächlich 24/7 hart und wertschöpfend arbeiten würde, hätte es – das sage ich als Frau – wohl nicht ihren ultraengen Latexrock gebraucht, damit man realisiert, dass sie Staatsministerin im Bundeskanzleramt für Digitalisierung ist und dass es diesen Posten überhaupt gibt. Für Deutschland ist das Internet an sehr, sehr vielen Stellen noch Neuland, wo andere Länder schon wieder darüber hinaus sind – Stichwort Faxgeräte zum Beispiel. Gerade zu Coronazeiten wäre Digitalisierung ein wichtiges Thema, denn für viele Schüler ist Homeschooling ein Desaster. Dabei braucht Bär gar nicht auf Technologien warten, wie in ihrem genannten Clubhouse-Gespräch, sondern die Technologien zur Verfügung stellen, die es schon gibt. Aber sie ist ja zu beschäftigt, Öffentlichkeitsarbeit auf einer Plattform zu betreiben, die exklusiver kaum sein könnte.

Im Grunde beweist Clubhouse nur, was wir schon immer wussten. Wie damals in der Schule, wo Clarissa und Lara hinter vorgehaltener Hand über Josephine gelästert haben, Neele das mitbekommen und Josephine erzählt hat und Clarissa und Lara sich dann verteidigt haben, dass sie ja nicht wussten, dass ihnen jemand zuhören könnte. Nur damals ging es um die peinliche Frisur oder heimliches Verknalltsein und jetzt – naja, um Politik für Millionen Menschen.

Währenddessen hält Dorothy als Schulsprecherin einen Vortrag vor der Politik-AG. Es geht darum, was sie machen würde und könnte, wenn sie wollte. Ihre Pflicht scheint damit erfüllt zu sein. Morgen wird sie sich dann bei ihren Freundinnen beschweren, wie viel sie doch zu tun hat und dass sie das ja alles nur für sie tut, damit die blöden Jungs nicht unbeaufsichtigt bleiben.
„Kinder an die Macht“ ist vielleicht gar nicht so fiktional, wie wir dachten.

Dieser Artikel von Elisa David erschien zuerst auf TichysEinblick.


Restauration in Washington – Mit Bidens Amtsantritt ist die Obama-Politik zurück

Von Sebastian Thormann | Nach seiner Amtseinführung als 46. Präsident der USA kam von Joe Biden bis dato eine Rekordzahl an neuen Anordnungen, sogenannten executive orders, zu verschiedensten Themen.

Auf seine Anweisung hin tritt die USA bald wieder dem Pariser Klimaabkommen bei. Ursprünglich von Obama mitausgehandelt und unterzeichnet, trat die Trump-Administration mit Verweis auf zukünftige amerikanische Jobverluste und zu geringer Auswirkung aufs Klima aus. Dieses exekutive Ping-Pong ist darin begründet, dass Obama das Pariser Abkommen nie als Vertrag dem Senat vorgelegt hat – so kann jeder neue Präsident per Federstrich ein- und wieder aussteigen.

Auch andere Politik aus der Obama-Ära kommt nun zurück, etwa das DACA-Programm. DACA, das ist “Deferred Action or Childhood Arrivals”, ein auch rechtlich hochumstrittenes Obama-Programm. Im Zuge der Debatte um Amnestien für illegale Einwanderer ging es immer wieder um minderjährige illegale Einwanderer – und nachdem keine entsprechende Einigung per Gesetz zustande kam, erließ Obamas Regierung die Exekutivverordnung DACA, die die per Gesetz vorgeschriebene Abschiebung minderjähriger Illegaler Einwanderer einfach stoppte. De facto wurden damit der illegale Aufenthalt von Millionen Menschen legalisiert.

Auch wenn Trumps Regierung eine Bleibeperspektive für Minderjährige im Rahmen einer Einwanderungsreform per Gesetz befürwortete, leitete sie das Ende des aus Sicht vieler Juristen illegalen Programms ein. Wegen Klagen rund um das prozeduale Vorgehen verzögerte sich das bis zuletzt – und bleibt nun unter Biden stattdessen in Kraft. Nicht mehr in Kraft ist stattdessen der von Trumps Regierung ausgerufene nationale Notstand an der US-Südgrenze. Damit hatte seine Regierung Gelder zum Bau des Grenzzauns freigegeben – mit dem Weiterbau ist jetzt, wie von Biden zuvor versprochen, also Schluss. Biden schrieb in der Anordnung: “Es soll die Politik meiner Regierung sein, dass keine amerikanischen Steuergelder mehr für den Bau einer Grenzmauer umgeleitet werden”.

Als 2020 bekannt wurde, dass US-Bundesbehörden und einige Vertragspartner identitätspolitische “Critical Race Theory”-Trainings abhielten, erließ Trump eine Anordnung, die solche Kurse verbietet. Darin heißt es: “Es soll die Politik der Vereinigten Staaten sein, Rassen- oder Geschlechtsstereotypen in der Bundesbelegschaft oder in den uniformierten Diensten nicht zu fördern und die Verwendung von Zuschussmitteln für diese Zwecke nicht zuzulassen.” Was ist nun eine der ersten Amtshandlungen der Biden-Administration? Genau diese Anweisung rückgängig zu machen, unter dem Banner des Anti-Rassismus.

Biden erließ außerdem eine weitere Anordnung zu “Anti-Diskriminierung” und zwar zum Thema “Geschlechtsidentität”. Die Anordnung verlangt, dass niemand “auf Grund seiner Geschlechtsidentität diskriminiert werden darf”, Anwendung findet das auf Bundesbehörden und Bundesprogramme. Das mag zunächst harmlos klingen, kann aber nicht weniger als das Ende des Frauensportes in vielen Bildungseinrichtungen, von denen viele Bundesmittel erhalten und damit dem unterliegen, bedeuten. Denn ein biologischer Mann, der sich als Frau identifiziert, hätte damit ein Anrecht darauf, genauso wie biologische Frauen behandelt zu werden – mit fatalen Auswirkungen im Sport etwa bei Umkleiden oder gerade in Wettkämpfen, wo Männer grundsätzlich schlicht bessere physische Voraussetzungen haben, genau das ist schließlich einer der Gründe, Männer und Frauen getrennt antreten zu lassen.

Im Geiste der in seiner Amtsantrittsrede versprochenen Einheit und Überparteilichkeit, erließ Biden aber noch eine andere Anordnung. Neben der Rückkehr eines rechtlich fragwürdigen Abschiebestopps, hochumstrittener “Critical Race Theory”-Trainings, und wie einige sagen, dem Ende des Frauensports, erklärte er seinen ersten Tag im Amt zum “Nationalen Tag der Einheit” – bravo!

Joe Biden hat einen großen Selbstanspruch: Das gespaltene Land zusammen zu führen, die Ideen und Sorgen der 74 Millionen Trump-Wähler zumindest zu berücksichtigen. Amerika braucht jetzt in der Tat einen starken Anführer – aber Biden startet stattdessen, indem er einfach Obamas 10 Jahre alte Politik wieder einsetzt, ohne Rücksicht auf Verluste. Seine größte Mission scheint es zu sein, die Uhr einfach zurückzudrehen und die vier Jahre Trump auszuradieren. „Heilung und Vereinigung“, wie er seine Agenda immer so gerne nennt, sieht anders aus.

Dieser Artikel von Sebastian Thormann erschien zuerst auf TichysEinblick.


Der Erschütterer

Von Sebastian Thormann | Gestern wurde Joe Biden als neuer Präsident vereidigt und die Ära Trump nahm vorerst ihr Ende. Der Abgang ist chaotisch, erstmals sieht sich ein Präsident nach Amtsende einem Impeachment-Verfahren ausgesetzt. Wie wird man den Präsidenten Trump in Erinnerung behalten? Vor allem als unermüdlicher Kämpfer: gegen die Medien, die Demokraten und am Ende gegen seine eigene Niederlage. 

Wenn man sich das Tempo der politischen Debatte in den USA anschaut, kommt es einem oft so vor, als hätte man eine acht-jährige Präsidentschaft in vier Jahren erlebt. Gerade weil der Präsident eben im politischen Dauerkampfmodus war. Werfen wir also einen Blick auf die letzten vier Jahre.

Der Grund, warum er unter Republikanern so populär war, ist sein Auftreten als aggressiver Verfechter für die Anliegen der eigene Basis – und die Realität, dass er viele seiner Wahlversprechen tatsächlich umgesetzt hat. Romney, der vorherige Präsidentschaftskandidat 2012, war anders als Trump ein freundliches Gesicht, ein eher ruhiger Herausforderer. Trump dagegen war bereit, mit Konventionen zu brechen, im Wahlkampf und in seiner Präsidentschaft. Um die Versprechen an seine Anhänger zu halten, wagte er Dinge, die sich keiner seiner Vorgänger traute. In der Außenpolitik etwa bedeutete es, dass er das konventionelle Denken im Nahostkonflikt umwarf und die historische Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem vollzog – allen Warnungen eines Flächenbrandes zum Trotz. Am Ende stellte er mit dem vermittelten Friedensabkommen Israels mit arabischen Ländern große Friedensschwätzer wie Ex-Außenminister John Kerry bloß, die beteuerten, so ein Frieden sei nur möglich, wenn man mit der antisemitischen Palästinenserführung verhandele. Trump hat recht behalten. 

Auch innenpolitisch kämpfte Trump wie in den letzten Jahren kaum ein anderer. Besonders bei den entscheidenden Richternorminierungen zeigt sich das: vor allem die bitter geführte Auseinandersetzung um Richter Brett Kavanaugh, die die republikanische Partei, Trump-Anhänger und Trump-Kritiker zusammenschweißte. Er und seine Partei hätten die Nominierung einfach zurückziehen und jemand anderen vorschlagen können – das wäre opportun gewesen, das hätten wohl die meisten anderen so gemacht. Das wäre allerdings auch eine insgeheime Bestätigung für die unbelegten Missbrauchsvorwürfe gegen Kavanaugh gewesen, die hochrangige Demokraten in letzter Sekunde hervorzogen, um den Richterkandidaten zu stoppen. Trump hielt zu Kavanaugh und setzte ihn durch. 

Ähnlich war es im letzten Jahr bei Richterin Amy Coney Barrett, die für ihren Glauben und den Zeitpunkt der Nominierung attackiert wurde. Beide brachten Trump und die Republikaner gegen alle Widerstände durch und so ernannte Trump in nur vier Jahren insgesamt drei Supreme-Court-Richter. Seit Ronald Reagan konnte kein anderer Präsident so viele nominieren. Auch bei den Richtern der wichtigen Bundesberufungsgerichte ernannte Trump in vier Jahren fast so viele Richter wie sein Vorgänger Obama in acht Jahren. Beides liegt auch daran, dass der republikanische Senatsführer Mitch McConnell vakante Richterstellen unter Obama offenhielt und dann unter Trump seine Mannschaft im Senat zusammenhielt und wie ein Uhrwerk Richter nach Richter bestätigte. 

Das alles bedeutet, dass er für Konservative mehrere historische Erfolge einfahren konnte, einfach nur weil er derjenige war, der es sich getraut hat. Er hat dabei aber rhetorisch oft über die Stränge geschlagen und das hat seiner Partei auch geschadet. Trumps Bilanz als Wahlkämpfer nach vier Jahren im Amt ist im Rückblick enttäuschend für die Republikaner: Er hat zwar seine glühenden Anhänger in großem Maße mobilisiert, aber gleichzeitig mit seinem Verhalten Moderate abgeschreckt. Als er 2017 sein Amt antrat, kontrollierten die Republikaner beide Kongresskammern und das Weiße Haus. Vier Jahre später ist all das vorbei, die Mehrheiten in beiden Kongresskammern sind verschwunden.

Nicht verschwunden allerdings ist Trumps Ego und sein Umgang mit der Wahrheit. Es macht eben einen großen Unterschied, ob man über Dinge wie die Publikumsgröße lügt, oder ob sich der Präsident weigert, seine eigene Wahlniederlage anzuerkennen, auch wenn er es selbst nicht glauben kann. Die letzten Monate waren dabei der Tiefpunkt seiner Präsidentschaft. 

Er posaunte immer lauter „Wahlfälschung“, konnte sie aber nie belegen. Es gab große Bedenken im Vorfeld der Wahl hinsichtlich der Wahlsicherheit. Aber jetzt ist die Wahl gelaufen, jetzt muss er sie akzeptieren, er konnte vor Gericht den angeblichen systematischen Wahlbetrug nicht beweisen.Aber in Trumps Mentalität gibt es nur ein Gewinnen, ein Weiterkämpfen, kein Aufgeben.

Kein Idealist, kein Opportunist – einfach Trump

Bei seinem Abgang könnte man denken, Trump wollte in seinen letzten Monaten vielen Kritikern beweisen, er könne wirklich so radikal sein, wie sie es all die Jahre sagten. Der Abgang Trumps wird nun seine Präsidentschaft auf verheerende Weise überschatten. 

Nun sind in Washington tausende Soldaten der Nationalgarde, um eine friedliche Amtsübergabe zu gewährleisten. In den Hallen des Kongresses schlafen sie teilweise unter Büsten der Gründerväter. Einige Nationalgardisten ruhen sich in der Rotunda des Kapitols aus, wo vor kurzem Tränengas geschossen wurde. 

Dort hängt ein Gemälde, das den späteren ersten US-Präsidenten, damals Oberbefehlshaber General George Washington zeigt, wie er zum versammelten US-Kongress zurückkehrt und seine Befehlsgewalt über die Truppen der Kontinentalarmee abgibt. Mit seinem Ansehen, seinen Truppen und seinem Heldenstatus hätte er damals wohl auch als Monarch über Amerika herrschen können, die Republik war damals jung – so jung, dass die US-Verfassung noch gar nicht existierte. Aber Washington gab seine Macht ab, in einem Akt, der, wie sein Feind King George III. von Großbritannien sagte, “ihn in ein Licht des bedeutendsten aller lebenden Menschen setzt” und ihn zum “größten Charakter der Zeit” machte.

Washington war auch ein Kämpfer, aber ein anderer. Er war ein Feldherr, der durch besonders gewagte Unterfangen wie der Überquerung des vereisten Delaware in die Geschichte einging, aber im entscheidenden Moment hatte er die nötige Demut.

Am Ende bleibt: Trump hat nicht für höhere Ideale gekämpft, nicht für eine schwer zu fassende Ideologie, die Unterstützer wie Kritiker und Gegner gerne im Nachgang um sein Handeln konstruieren. Er war aber auch kein glatter Opportunist, der nur die Karriereleiter kannte wie die meisten anderen Politiker. Er hat für sich, seine Art, seinen Weg gekämpft und für seine Unterstützer und Anhänger. Seine Unterstützer hat er nie im Stich gelassen, das sieht man allein an seiner Botschaft während des Kapitol-Sturms, als er seinen Anhängern im Kapitol trotz allem seine Liebe erklärt. Schließlich distanziert er sich, aber es zerreisst ihn sichtlich. I never ever let you down, das ist sein Credo.

Er hatte damit immer schon eine besondere Authentizität, er redet anders als Politiker, weil er an das, was er sagt, auch glaubt – selbst wenn es eben Unwahrheiten sind. Damit einher geht auch ein eigenes Verständnis von Loyalität. Es fällt ihm sehr schwer, seine Anhänger oder Bewunderer zu kritisieren – auch wenn die gewalttätig werden. Er fühlt sich ihnen extrem zugehörig, er kämpft für sie, weil sie ihn unterstützen, ihm loyal sind. Das machte ihn aber auch blind für vermeintlich “illoyale” Kritik am eigenen Handeln. Trump twitterte mal ein Bild mit dem Motto ”In Wahrheit sind sie nicht hinter mir her. Sie sind hinter euch her, ich bin nur im Weg.” Nichts beschreibt die Verbundenheit besser, die der harte Kern seiner Anhänger zu ihm hat – und er zu ihnen.  

Aber dieser Blick allein durch die Linse der persönlichen Loyalität führt auch dazu, dass er Verrat wittert, wenn “seine” Richter gegen ihn entschieden oder “sein” Vizepräsident die Stimmenauszählung verfassungsgemäß durchführt, nicht mal, weil sie ihn hassen oder bekämpfen wollen, sondern schlicht weil bei ihnen Trump als Person eben nicht an erster Stelle steht. Sie sehen sich dem Gesetz verpflichtet – nicht Trump, auch wenn sie ihm ihre Posten zu verdanken haben, und das kann er nicht nachempfinden. 

Viele seiner einstigen Mitstreiter in der Partei sehen sich hingegen verraten von ihm und vor allem seinem Verhalten in den letzten Wochen. Die republikanische Abgeordnete Nancy Mase fasste es folgendermaßen zusammen: “Alles, wofür Republikaner in den letzten vier Jahren gearbeitet haben, wurde absolut zerschlagen.” Trumps Präsidentschaft endet mit seiner Nicht-Aufgeben-Haltung in einem chaotischen, unwürdigen Abgang und er hinterlässt neben erkämpften Erfolgen, wie den Friedensdeals im Nahen Osten, vor allem das politische Washington und seine Partei in Trümmern.

Insofern hat er sein Ziel erreicht. Was vor fast sechs Jahren auf der Rolltreppe im Trump Tower begann und damals unmöglich klang, endet heute. Sein politisches Vermächtnis wird überschattet von der Attacke aufs Kapitol. Doch nach Trumps Abtritt ist eins klar: Er hat Washington erschüttert und die US-Politik auf den Kopf gestellt – im Guten wie im Schlechten. Die Polarisierung ist damit nicht vorbei, sie fängt gerade erst an. Die Fronten sind klar und die Schlacht wird brutal.

Dieser Artikel von Sebastian Thormann erschien zuerst auf TichysEinblick.

 


Bundesländer planen Zwangseinweisung für Quarantäne-Brecher und Maßnahmenverweigerer

Von Pauline Schwarz | Seit das Corona-Virus in unserem Land sein Unwesen treibt, werde ich immer wieder eines Besseren belehrt – dass unser Staatsapparat nämlich doch gar nicht so handlungsunfähig ist wie er immer tut. Die Grenzen zu schließen oder Kriminelle zur Rechenschaft zu ziehen, war früher ein Ding der Unmöglichkeit. Jetzt klappt das ganz wunderbar – zumindest dort, wo es politisch opportun ist. Mir nichts, dir nichts wurde unser ganzes Land dicht gemacht, und bei der Verfolgung und Enttarnung von Corona-Leugnern und Quarantäneverweigerern werden wir auch immer besser. Das geht nach einem Bericht der Welt am Sonntag jetzt sogar so weit, dass hartnäckige Quarantäne-Brecher künftig per Zwangseinweisung in Sammelstellen, Kliniken oder Jugendarrestanstalten untergebracht werden sollen.

Laut ntv sollen in Schleswig-Holstein schon in den kommenden Wochen die ersten Corona-Sünder eingewiesen werden. Brandenburg und Sachsen errichten ganz fleißig geeignete Unterbringungsstellen und auch die Bayern sehen die Zwangsunterbringung „als letztes Mittel“ für notwendig an. Berlin darf dabei natürlich nicht fehlen: unsere Gesundheitsverwaltung schließt die Zwangsmaßnahme „zum Beispiel auch in einem Krankenhaus“ nicht aus. Und das in einer Stadt, in der seit Jahren völlig psychotische Menschen – also Menschen die wirklich Eigen- und Fremdgefährdend sind – völlig ungehindert in der Gegend herumspazieren. Bisher galt bei uns immer die Devise: Die Freiheitsrechte eines jeden noch so verrückten müssen unbedingt gewahrt werden, komme was wolle.

Dabei schien egal zu sein, wie gefährlich jemand ist und was er schon alles getan hat – das muss ich bei meiner Arbeit in einem Berliner Betreuungsbüro seit Jahren mit ansehen. Ein Psychotiker, der mit einer Machete durch die Gegend läuft, unseren Briefkasten drangsaliert und an der Klingelanlage mein Leben bedroht? Kein Anlass zur Sorge. Ein divers vorbestrafter, geistig und psychisch eingeschränkter junger Mann, der an U-Bahnsteigen Frauen tritt und schubst? Ebenfalls kein Grund für eine Unterbringung. Bis überhaupt mal einer unserer Klienten wegen seines Gefährdungspotentials per Zwangseinweisung in der psychiatrischen Station eines Berliner Krankenhauses untergebracht wird, müssen umfangreiche Formalitäten erledigt werden. Wir müssen einen Antrag im Amtsgericht stellen, es werden ärztliche Stellungnahmen eingeholt und ein Gutachter beauftragt – erst dann treffen die Amtsträger eine Entscheidung, die im Zweifelsfall immer zugunsten „des Angeklagten“ ausfällt. Wie im Fall eines psychisch kranken Flüchtlings, der sich grade in einer akut exerzierenden depressiven Phase befand und damit drohte sich in die Luft zu sprengen. Sein Sozialarbeiter traute ihm die Tat zu und war der Überzeugung, dass der junge Mann wüsste, wo er sich Sprengstoff besorgen könnte. Trotz engen Kontaktes mit der Polizei und obwohl wir alle Hebel in Bewegung setzten, passierte am Ende was? Richtig: gar nichts.

Eine Zwangsunterbringung wird in vielen Fällen erst eingeleitet, wenn es eigentlich schon zu spät ist – also erst, wenn schon jemand zu Schaden gekommen ist. Wenn zum Beispiel eine Frau einen Säugling fast zu Tode würgt, weil sie ihn für eine Latexpuppe und eine Marionette der Nazis gehalten hat. Wenn ein Mann versucht einer jungen Frau ein Messer in den Hals zu rammen, weil die Stimmen in seinem Kopf ihm das befohlen haben oder wenn tatsächlich jemand vor die U-Bahn gestoßen wurde. Aber selbst, wenn ein Psychotiker in der Unterbringung ist, heißt das noch lange nicht, dass er dort wirklich festgehalten wird. Wenn der Hof des Krankenhauses nicht groß genug ist – was in keinem Berliner Krankenhaus, dass ich kenne, gegeben ist – dann hat der Patient nämlich das Recht auf (unbegleiteten) Ausgang. Sie dürfen dreimal raten, wie viele von ihnen freiwillig wieder zurückkehren.

Psychotische Menschen, die eine ständige und schwere Bedrohung für sich und andere sind, dürfen also ungehindert auf unseren Straßen herumlaufen. Weil man ihre Rechte wahren muss und weil eine Unterbringung sowieso etwas ganz Böses und Menschenverachtendes ist – außer eben bei Quarantäne-Brechern. Dass jetzt ernsthaft Menschen, die auch nur eventuell Träger eines Virus seien könnten, eingesperrt werden sollen, weil sie illegal einkaufen gegangen sind oder aus sonstigen Gründen das Haus verlassen haben, ist völlig abseits von jeglicher Realität oder Verhältnismäßigkeit. Es ist gerade zu lächerlich – gleichzeitig aber auch extrem besorgniserregend. Wenn man daran denkt, wie in Berlin und in vielen anderen Teilen Deutschlands mit echten Gefahren umgegangen wird, drängt sich der Gedanke förmlich auf, dass es hier in Wahrheit darum geht politische Querulanten aus dem Weg zu schaffen, unglaubwürdig zu machen und zu entmündigen – dieselbe Diskussion gab es schließlich schon um „Klima-Leugner“.

Dieser Artikel von Pauline Schwarz erschien zuerst auf TichysEinblick.


„Dann lege ich den Strafbescheid zu den anderen Rechnungen“

Von Max Roland | Bianca Orpel blickt in ihrem Friseursalon in die Kamera. Sie trägt Maske und einen Pullover, auf dem „Es gibt keinen Planet B“ steht. „Rechts“ sieht diese Frau wirklich nicht aus, auch nicht wie einer der medial vorgeführten „Covidioten“, der die Existenz des Virus leugnet und sich irgendwo zwischen „QAnon“-Verschwörungsmythen und Reichsbürgermilieu herumtreibt. „Natürlich gibt es Corona und was gerade in den Kliniken passiert, ist schlimm“, sagt die Friseurmeisterin.

Dennoch wagt sie den Widerstand gegen die Lockdown-Maßnahmen. Sie öffnete ihr Geschäft am Montag wieder und will auch Strafen in Kauf nehmen. Sie habe nichts mehr zu verlieren, erklärt sie im Interview mit der „Ostseezeitung“. „Ich stehe vollkommen mittellos da. Ich bekomme keinen Kredit und weiß nicht mal, wie ich nächsten Monate das Schulgeld für meinen Sohn bezahlen soll.“

Frau Orpel steht symbolisch für die Situation vieler Selbstständiger. Denn dank Lockdown und vergeigter staatlicher Coronahilfen stehen Einzelhändler, Unternehmer, Gastronomen und Hoteliers mit dem Rücken zur Wand. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband teilte am Montag mit, jeder vierte Unternehmer erwäge, seinen Betrieb aufzugeben. Und laut dem Handelsverband HDE ständen 50.000 Geschäfte mit mehr als 250.000 Arbeitsplätzen vor dem Aus. Zwei von drei Kaufleuten sehen nach einer Schnellumfrage des Handelsverbands unter 700 Händlern ihre wirtschaftliche Existenz in Gefahr. Drei Viertel der Händler gaben an, dass die staatlichen Hilfen nicht ausreichen, um eine Insolvenz abzuwenden. Die „Novemberhilfen“, die mehrere Monate danach noch immer nicht richtig fließen, sind unter Unternehmern nur noch Stoff für beißenden Spott und bitteren Humor.

https://twitter.com/whytongmusic/status/1349273503317553152

Die Initiative „Wir machen auf“ soll als ein Hilferuf verstanden werden. Mit zivilem Ungehorsam wollen Geschäfte gegen den Lockdown protestieren. Auch der Kopf hinter der Aktion, Macit Uzbay, wird dem Namen nach zu vermuten wahrscheinlich kein Nazi sein. „Ich bin einfacher Mensch, ohne jeglichen Politischen Hintergrund. Es geht hier weder um Querdenken, noch irgendwelche anderen Bewegungen, Seiten, Kanäle… Ich bin ein einfacher Kosmetikstudio-Besitzer, der alles umsetzte, was erwartet wurde, und am Ende seiner Existenz ist und die Nase voll hat“, behauptet er.

Viele sehen das ähnlich: Telegramkanal und -gruppe der Aktion „Wir machen auf“ zählen tausende Mitglieder. Die Angst vor Anzeigen und Verfolgung scheint bei vielen groß zu sein: Nicht ganz unbegründet. Auf Twitter bildete sich als Reaktion auf #WirMachenAuf der Gegen-Hashtag #WirMachenEuchDicht. Dort wird geifernd gehofft, dass möglichst bald das Ordnungsamt mit tausenden Euro Strafe vor der Tür stehe – natürlich um „tausende Tote“ zu verhindern. Vor allem, so scheint es, äußern sich dort diejenigen, die von der Situation der Betroffenen keine Ahnung haben.

Die Häme der Twitter-Musterbürger steht in krassem Kontrast zu dem, was Unternehmer berichten. So zum Beispiel Udo Siebzehnrübl. Der Bayer betreibt fünf Sportfachgeschäfte und beschäftigt knapp 100 Mitarbeiter. Wie der 60-Jährige berichtet, liege sein Corona-Schaden bei 1,5 bis 2 Millionen Euro. Dem Gegenüber stehen die nur 15.000 Euro Hilfszahlungen, die der Selbstständige seit März vom Staat erhalten habe. Seine Teilnahme an #WirMachenAuf zog er trotzdem wieder zurück: Aus Angst vor Konsequenzen, nachdem es Zuspruch aus der „rechten Szene“ gab.

Die Sorge um negative Reaktionen aus einer Öffentlichkeit, die weitgehend hinter den Maßnahmen zu stehen scheint, oder gar vor Antifa und Co., scheint zumindest weitgehend schwerer zu wiegen, als die Angst vor den Strafzahlungen von bis zu mehreren zehntausend Euro, die bei der Öffnung des Geschäfts drohen. Friseurin Bianca Orpel erklärte auf die Frage, was sie im Falle einer Strafzahlung machen würde, ganz einfach: „Dann lege ich den Bescheid zu den anderen Rechnungen, die ich auch nicht bezahlen kann.“

Dieser Artikel von Max Roland erschien zuerst auf TichysEinblick.

 


Großes Chaos für Nichts – das lächerliche Hin und Her der Schulschließung in Berlin

Von Jerome Wnuk | Bildungspolitik und Berlin, das ist so eine Sache. Seit dem 15. Dezember. 2020 sind die Schüler in Berlin nun wieder – wie schon im Frühjahr letzten Jahres – im sogenannten „Homeschooling“. Die erste Schulschließung letztes Jahr war noch ein wenig aufregend gewesen. Auf einmal konnte man Ausschlafen und man musste nicht morgens früh in die Schule fahren, wie man es sonst machen musste. Man konnte einfach zu Hause bleiben, mit dem Kühlschrank immer in Reichweite. Doch auch schon damals waren fast allen Schüler die Probleme des „Homeschoolings“ klar.

Jetzt im Winter und der zweiten Schulschließung sind viele und dazu gehöre auch ich, ziemlich genervt davon. Nicht nur, weil man gefühlt nur die Hälfte lernt, von dem was man ansonsten in der Schule lernen würde, was gerade für die Abschlussklassen (10,11,12) fatal ist, sondern auch weil man natürlich die sozialen Kontakte vermisst, die man ansonsten in der Schule hat. Es ist klar, dass die Schüler oft keine große Lust auf Schule haben. Aber wenn man dazu noch weiß, dass man seine Zeit umsonst verschwendet, weil man eh kaum etwas lernt und dazu auf noch der positive Teil weg fällt, dass man seine Freunde treffen kann, landet die Motivation in den Keller. 

Etwas Normalität im Ausnahmezustand 

Dieses Gefühl wird dann noch dadurch verstärkt, dass man im Sommer und im Herbst noch normal zur Schule gehen konnte und damit wenigstens was die Schule betrifft ein wenig Normalität, in diesen Zeiten hatte. Einen geregelten Tagesablauf und einmal am Tag einen Tapetenwechsel tut gut, wenn die Welt um einen herum lahm liegt. Jetzt ist diese Normalität nun auch wieder weg. Und man konnte bzw. musste sich darauf einstellen den Winter, ohne Präsenzunterricht zu durchleben.

Umso größer war die Verwunderung am Mittwochabend, als es hieß, dass hier in Berlin ab Montag wieder Präsenzunterricht für Abschlussklassen stattfinden soll. Das zwar nur im Wechselunterricht, aber immerhin richtiger Präsenzunterricht. Schritt für Schritt sollten dann auch die andern Jahrgangsstufen wieder zur Schule kommen.

Diese Nachricht am Mittwoch war überhaupt nicht voraussehbar gewesen, im Gegenteil. Am Dienstag erklärte der regierende Bürgermeister Berlins Michael Müller sich noch gegen Schulöffnungen aus und stellte sich damit gegen den Hygienebeirat aus Lehrer, Schülern und Wissenschaftlern, die sich am Montag für eine weitgehende Schulöffnung aussprachen. Michael Müller und der Berliner Senat hatten also genau einen Tag später das beschlossen, was sie am Tag davor ausgeschlossen hatten. Der erste Kurswechsel in diesem Hin und Her. Doch das plötzliche Wechseln des Kurses sollte noch weitergehen.

Aber erstmal konnte man sich als Schüler darauf vorbereiten, dass man am Montag wieder zur Schule ginge. Und auch die Schulleiter Berlins erschufen in kürzester Zeit und unter enormen Zeitdruck ein Konzept für die Wiedereröffnung der Schulen. Die Schüler mussten in mehrere Gruppen eingeteilt werden, es mussten neue Stundenpläne gemacht werden und so weiter. Das alles nur dafür, dass am Freitagabend, zur noch größeren Verwunderung, alles wieder abgeblasen wurde. Doch keine Schulöffnung am Montag, sondern weiterhin Homeschooling.

Das Finale des ganzen Chaos um die Schulöffnung.

Ein geniales Beispiel dafür, dass der Senat Berlins keine klare Richtung mehr hat und noch viel klarer, kein Rückgrat hat.

Der Berliner Senat ist bei dem kleinsten Widerstand dann doch eingeknickt.

Doch zwischendurch, also am Donnerstag und Freitagmittag, war sich der Senat doch so sicher. Bildungssenatorin Scheereszeigte sich von dem Widerstand von Schulen und Lehrer sowie von den Unterschriften der Onlinepetition gegen den Präsenzunterricht völlig unbeeindruckt. Noch am Freitag lehnte sie Eilanträge mehrerer Schulen ab. Dann, gut eine Stunde später, war dann doch wieder nichts mit Schulöffnung. Verantwortung für das Öffnen trugen nun die Schulleiter alleine für ihre Schulen. Mit Verantwortung kann der Berliner Senat also nichts anfangen.

Meine Schule hat jetzt bis zu den nächsten Ferien auf alle Fälle zu und natürlich ist diese Entscheidung vertretbar die Schulen nicht zu öffnen, dennoch uns Schülern erst die Hoffnung zu machen, dass die Schule wieder öffnet und den Schulleitern die Mammutsaufgabe zu geben alles zu organisieren, um dann wieder Rückgratlosigkeit zu zeigen und alles wieder zu verwerfen ist ein Desaster des Senates.


Einmal harter Lockdown, einmal nicht – nahezu gleiche Corona-Zahlen in Kalifornien und Texas

Von Sebastian Thormann | In den USA liegt die Entscheidung über Lockdowns und andere Restriktionen wie auch hier in der Bundesrepublik alleine bei den einzelnen Teilstaaten. Anders jedoch als mit der Ministerpräsidentenkonferenz in Deutschland, ging dabei jeder Bundesstaat seinen eigenen Weg und einigte sich nicht auf ein national einheitliches Vorgehen mit anderen.

Kalifornien und Texas ginge hierbei diametral verschiedene Wege: Die Kalifornische Regierung implementierte einen sehr harten Lockdown mit strengen Beschränkungen. Der Lockdown in Texas dagegen kam später und war nicht so streng, der Staat überlies viele der Entscheidung über Corona-Regeln den einzelnen Geschäften, inzwischen gelten zwar auch Beschränkungen zur Personenobergrenze in Restaurants und die Schließung der Bars wurde angeordnet, trotzdem ist alles viel liberaler als in Kalifornien. Jetzt, fast ein Jahr nach dem Corona-Ausbruch hat Bloomberg Businessweek Bilanz gezogen und kommt zu dem Schluss: „Kalifornien und Texas kämpften auf ihre eigene Art und Weise und litten gleich“. Das Wochenmagazin mit fast einer Millionen Auflage gilt als eine der renommiertesten Wirtschaftsmagazine der Welt.

In beiden Staaten starben ca. 30.000 Menschen am Corona-Virus, je 100.000 Einwohner sind das bisher etwa 103 in Texas, und 75 in Kalifornien. Die Arbeitslosenquote in Texas liegt bei 8,1%, in Kalifornien bei 8,2%. Der Vorsitzende des Fachbereichs Medizin an der University of California in San Francisco vermutet, dass viel an dem individuellen Verhalten der Bürger liegt. Er wird von Bloomberg zitiert: “Es sind 20 Entscheidungen, die jemand pro Tag trifft: Trage ich eine Maske, gehe ich in den Laden, versammle ich mich? […] Das einfache Argument ‚Kalifornien gut, Texas schlecht‘ passt nicht sehr gut.“

Texas hatte also mit ähnlichen leicht höheren Sterbezahlen zu kämpfen als Kalifornien – obwohl man den ultraharten Lockdown wegließ. Die Wirksamkeit eines harten Lockdowns, für dessen Legitimation in den USA der Gegensatz Texas-Kalifornien immer herbeigezogen wurde, stellen diese Zahlen mindestens in Frage.

Dieser Artikel von Sebastian Thormann erschien zuerst auf TichysEinblick.


Die amerikanische Linke wickelt die Trump-Ära ab

Von Max Roland | Bereits seit Tagen gehen die Democrats mit allen möglichen Mitteln gegen den noch amtierenden US-Präsidenten vor. Nancy Pelosi, Sprecherin des Repräsentantenhauses, sprach sogar schon mit dem Generalstab im Pentagon, um Donald Trump den Zugang zu den Nuklearcodes zu entziehen – allein das ist ein einzigartiger Vorgang, der laut New York Times von Mitarbeitern des Verteidigungsministeriums mit einem „Putsch“ verglichen wird. Doch den finalen Schritt haben sie in der Nacht zum 9. Januar umgesetzt: Ein weiteres Trump-Impeachment. Der weitgehend unbekannte Abgeordnete David Cicilline hat sich an die Spitze einer Gruppe von Democrats gesetzt, der unter anderem auch die radikal-linken Sozialisten Alexandria Ocasio-Cortez und Ilhan Omar angehören. Die Abgeordneten wollen noch vor der Machtübergabe am 20. Januar einen Prozess gegen Trump eröffnen – mit einer pikanten Anklageschrift.

Der vorgelegte Entwurf würde den Präsidenten nicht nur wegen „schwerer Verbrechen und Vergehen“ – soweit die Standardformulierung in einem Impeachmentverfahren – aus dem Amt entheben, sondern auch konkret der „Vorsätzlichen Anstiftung zur Gewalt gegen die US-Regierung“ anklagen. Gemeint ist der Mob unter seinen Anhängern am Kapitol: Er habe bei seiner Rede zu den Demonstranten, die später das Gebäude besetzten, willentlich Aussagen getätigt, die  zu Gewalt ermutigt hätten. Sein Handeln habe im Einklang mit seinen Bemühungen gestanden, die offiziellen Ergebnisse der US-Wahl anzufechten und für ungültig zu erklären. Damit, so die Democrats, habe er die Sicherheit der Institutionen und die Vereinigten Staaten gefährdet. Die Resolution erklärt Präsident Trump zu einer „bleibenden Gefahr“ für die nationale Sicherheit, die Demokratie und die Verfassung, sollte er weiterhin im Amt bleiben. Außerdem enthält sie eine Klausel, die ihn für jedes öffentliche Amt disqualifiziert – und somit eine mögliche Trump-Kampagne 2024 ausschließen würde. Dass auf Trumps Veranstaltung, auf die sich der Antrag bezieht, explizit dazu aufgerufen wurde, vor dem Kapitol stehenzubleiben, wird dabei ignoriert.

Dass die Legislaturperiode kurz vor ihrem Ende steht, verschafft dem Verfahren eine weitere Besonderheit, die es in sich hat: Es könnte nach Trumps Amtszeit noch fortgesetzt werden. Zur Zeit macht der scheidende Mehrheitsführer im US-Senat, Republikaner Mitch McConnell, keine Anzeichen, eine schnelle Abstimmung anstreben zu wollen. Doch sobald die Fraktion der Democrats am 20. Januar die Mehrheit dort übernimmt, könnten sie den Beschluss des Repräsentantenhauses aufnehmen und ein erfolgreiches Impeachment-Verfahren einleiten. Dann würde dem „Zivilisten“ Donald Trump der Prozess vor dem Senat gemacht werden. Ein völlig anderes Bild als im ersten Impeachment-Verfahren: Hier säße ein Trump auf der Anklagebank, der in keinster Weise durch das Präsidentenamt geschützt wäre. Rechtliche Präzedenz oder Regelungen für ein Verfahren gegen einen ehemaligen Amtsinhaber gibt es nicht.

Verschiedene Republicans, auch solche, die sich nach den Randalen seiner Anhänger von Trump distanziert haben, äußerten sich kritisch gegenüber dem Verfahren. Senator Lindsey Graham sagte, es würde „mehr schaden als nützen“. Doch Sprecherin Pelosi soll laut CNN auch an mehrere Republican-Senatoren herangetreten sein – gerade an solche, die Trump als mögliche Konkurrenz 2024 vielleicht gerne aus dem Weg geräumt sehen würden. Deswegen könnte Rückhalt, sogar breiter Rückhalt unter den Republicans für ein Impeachment dieses mal denkbar sein.

Das Wording der Trump-Gegner, ob dies- oder jenseits des Atlantiks, ist auffallend scharf. Von einem „Putschversuch“ ist die Rede. President-elect Biden spricht von einem „Aufstand“, und die Impeachment-Vorlage klagt den Präsidenten der Anstachelung eines solchen gegen die US-Regierung an.

Die unentschuldbaren Handlungen der Trump-Anhänger auf dem Capitol Hill sollen jetzt offenbar der Anlass sein, um den Präsidenten und die, die ihn in den vergangenen Jahren unterstützt haben, auf politischer Ebene zu vernichten. Da ist alles erlaubt. Der Sender CNN hat sogar bereits US-Fernsehanbieter aufgefordert, den konservativen Sender Fox News aus ihrem Angebot zu verbannen und damit die wichtigste mediale Stimme der Konservativen auszuschalten. Und das, obwohl so ziemlich alles von Rang und Namen bei Fox die Ausschreitungen scharf verurteilt hat.

Auch die Social-Media Giganten haben in einer scheinbar koordinierten Aktion jegliche Präsenz des Präsidenten aus ihren Netzwerken getilgt. Nach einem Brief der Twitter-Mitarbeiter an CEO Jack Dorsey sperrte der Konzern den Account des Präsidenten, welcher bis dahin sein Hauptkommunikationsmedium darstellte, dauerhaft. Auch Facebook-Chef Mark Zuckerberg erklärte, sein Konzern habe Trump von all seinen Plattformen entfernt. Im 21. Jahrhundert wird ein Politiker von den sozialen Medien, welche ein unverzichtbarer Teil von Meinungsbildung und politischem Diskurs unserer Zeit geworden sind, verbannt – eine ungekannte Form von Zensur und ein Präzedenzfall.

Der bekannte russische Oppositionelle Alexej Navalny hat das in einer Reihe von Tweets kritisiert: „Ich glaube, dass das Verbot von Präsident Trump auf Twitter ein inakzeptabler Akt der Zensur ist. (…) Dieser Präzedenzfall würde von Feinden der Freiheit auf der ganzen Welt genutzt werden: Jedes Mal, wenn sie etwas blockieren müssen, werden sie sagen: Dies ist Weltpraxis, sie haben Trump auf Twitter blockiert.“ Trumps Verhalten, so Navalny, sei, wie geschehen, an der Wahlurne abzustrafen, nicht durch Willkürjustiz seiner Gegner.

Wie weit die Maßnahmen der amerikanischen Linken noch gehen, bleibt offen. Joe Biden hat erklärt, er werde dem Justizministerium nicht sagen, gegen wen sie ermitteln sollten. Der designierte Justizminister Merrick Garland, dem die Republicans durch ein politisches Manöver einen Sitz als Richter am Supreme Court verwehrten, wird wahrscheinlich so oder so motiviert genug sein, seine Arbeit aufzunehmen. Doch der moderate President-elect hat kaum Einfluss darauf, was seine radikalen Verbündeten in Partei und Presse anstreben werden. Die Forderung, Trump-treue Senatoren und Abgeordnete ihrer Ämter zu entheben, wurde bereits mehrfach geäußert. Das wäre nicht nur demokratisch fragwürdig, sondern könnte das Land auch weiter spalten.

Dieser Artikel von Max Roland erschien zuerst auf TichysEinblick.