Archiv: November 7, 2021

Öffi-Hölle Berlin: Gewalt, Gestank, Gedränge – es gibt 1.000 gute Gründe, die Öffis zu hassen

Von Pauline Schwarz | Wenn man sich dicht gedrängt und hektisch an fremden Menschen vorbeiquetschen muss, im Hintergrund jemand lauthals durch die Gegend schreit und man im Slalom schlafenden Obdachlosen ausweicht, während einem der süße Geruch von Urin und Erbrochenem um die gerümpfte Nase weht, ist man weder in einem Slum in Indien noch in einem Ghetto in Kambodscha – man ist mitten in der Berliner Innenstadt. Genauer gesagt: In einem der zahlreichen öffentlichen Verkehrsmittel, die uns die grünen Autohasser nur allzu gerne schmackhaft machen möchten. Wir sollen auf das gemütliche und gepflegte Herumtuckern im eigenen Auto verzichten, um uns in der Öffi-Hölle durchzuschlagen. Dabei gibt es neben dem schlichten Komfort, der Zeitersparnis und der Freiheit, die einem das eigene Auto bietet, mehr als tausend gute Gründe, die Öffentlichen Verkehrsmittel schon für sich zu hassen. Ich bin die längste Zeit meines Lebens mit den Öffis gefahren – heute würde ich freiwillig keinen Fuß mehr in eine U- oder S-Bahn setzen.

Achselgeruch und Gegrapsche im Bus zur Schule

Als waschechter, rundum links-grün sozialisierter Kreuzberger Zögling, bin ich schon als Schülerin lieber mit dem Fahrrad zur Schule gefahren, als auf den ollen BVG-Bus zu warten – und das wäre wahrscheinlich auch so geblieben, wenn mir nicht plötzlich die Pubertät dazwischengefunkt hätte. Fahrradfahren zerstört die Frisur und ist anstrengend, Schweißflecken und Körpergeruch konnte ich aber bei Gott nicht riskieren, deswegen stieg ich der Schönheit zuliebe doch lieber in das dicke gelbe Ungetüm – zumindest, wenn ich reingekommen bin. Die Kreuzberger Buslinie, in die ich mich jeden Morgen mit Gewalt und Anlauf quetschte, hielt an den letzten fünf Haltestellen häufig überhaupt nicht mehr an. Denn jedes Mal, wenn sich die Tür öffnete, purzelten Kinder heraus. Zumindest ein Gutes hatte es aber doch: war man erstmal im Bus, musste man sich wenigstens nicht festhalten, die Masse hielt einen statisch an Ort und Stelle – Umfallen einfach unmöglich. Während ich so feststeckte, amüsierte ich mich – fies und klein, wie ich nun mal war – über die Leute, die mit Koffern an der Bushaltestelle Richtung Ostbahnhof standen und mit offenem Mund oder vor Zorn geröteten Gesichtern dem vorbei rasenden Bus hinterher sahen und schimpften.

Leider war ich damals nicht nur ein Grünschnabel, sondern auch körperlich ziemlich klein und mit meinem Gesicht deshalb zielgenau auf Mundgeruch und Achselhöhe der mehrheitlich türkischen, pubertierenden Jungs, die einem mit ihrem jugendlichen Moschus nicht nur halb erstickten, sondern auch ganz gerne schubsten und ab und an zum Beweis ihrer Männlichkeit an den Hintern langten. Als kleiner Kreuzberger Pöbel wollte ich das damals nicht auf mir sitzen lassen und riskierte in meinem jugendlichen Übermut mehr als einmal ein blaues Auge. Ich warf dem Übeltäter und seinen fünf bis sechs Freunden jedes nur erdenkliche Schimpfwort an den Kopf, das ich mal irgendwo aufgeschnappt hatte. Ich habe wirklich Glück gehabt, dass ich mir von den leicht reizbaren (und immer „Stress“ bereiten) Gruppen nie eine eingefangen habe – Freunden von mir erging es da wegen weniger schon ganz anders.

Obdachlose und Junkies in den U-Bahnhöfen

Trotzdem ist eine Busfahrt in Berlin (meist) vergleichsweise harmlos. Richtig übel wird es erst, wenn man sich dem U- und S-Bahnfahren nicht mehr entziehen kann. Gerade in Kreuzberg sind die Bahnhöfe eine Katastrophe. Am Moritzplatz etwa schliefen im großen Durchgangsbereich jedes Jahr im Winter zwanzig bis dreißig Obdachlose, die es sich mit Matratzen, Schlafsäcken und ihren Einkaufswägen inmitten von tonnenweise Müll und Fäkalien richtig gemütlich gemacht hatten. Man kann sich vielleicht vorstellen, dass es nicht nur bestialisch stank, sondern verdammt bedrohlich war. Ich hatte als junges Mädchen große Angst, mich allein an den häufig sturzbesoffenen, teils völlig psychotischen Männern vorbei zu stehlen. Zumal die Anwohner sich zu dieser Zeit erzählten, dass in kurzer Zeit gleich zwei junge Frauen in dem U-Bahnhof vergewaltigt worden waren.  

Die Alternativen waren aber leider auch nicht besser. Rund um den Bahnhof am Kottbusser Tor sammelte sich schon immer die traurige Resterampe der Gesellschaft. Als ich klein war, gab es direkt am Kotti noch einen Drogenstrich, an dem Tag und Nacht völlig heruntergekommene Prostituierte – die vermutlich selbst süchtig waren und ihren Körper für Drogen anboten – auf ihre Freier warteten. Aber auch nachdem dieser verschwunden war, wurde auf der Straße und im U-Bahnhof kräftig weiter gedealt und offen konsumiert: Haschisch, Speed, Benzos, Kokain und Heroin – alles, was das Junkie-Herz begehrt. An jeder Ecke humpelten oder saßen obdachlose Süchtige mit offenen, suppenden Verletzungen an Armen und Beinen, mit völlig schief geheilten Brüchen, fehlenden Zähnen und blauen Augen. Es gab Tage, an denen ich schwarzfahren musste, weil vor dem BVG-Automat gerade ein Junkie sein Heroin auf einem Löffel kochte oder ein anderer wutentbrannt mit den Stimmen in seinem Kopf diskutierte.

Einmal folgte mir ein Mann bis zur Haustür

Neben den Drogenverkäufern und -konsumenten drückten sich aber noch einige weitere ominöse Gestalten rund um den Bahnhof rum, die es nicht selten auf Handtaschen und Portemonnaies abgesehen hatten. Nachts begegnete man außerdem häufig Gruppen junger arabischer Männer, die einem als junge Frau besonders viel Aufmerksamkeit zu Teil kommen ließen. Eines der letzten Male, dass ich als Jugendliche nachts über den Kotti nachhause gefahren bin, werde ich nie vergessen. Als ich aus dem Bahnhof kam, rannte plötzlich ein völlig aufgebrachter junger arabischer Mann auf mich zu. Er sah aus, als würde er mir gleich ins Gesicht springen, als ihn seine Freunde in letzter Sekunde von mir wegrissen und mit Gewalt festhielten.

Als ich weglief, war ich so verängstigt, dass ich erstmal nicht bemerkte, dass mir ein anderer Mann gefolgt war. Als er mich eine Straße weiter mit ekelhaften Sprüchen beglückte, konnte ich aber zum Glück noch rechtzeitig reißausnehmen. Einen anderen Tag, nur kurze Zeit später, gelang mir das nicht. Ein offenbar psychotischer Mann folgte mir bis zur Haustür, begrapschte mich brutal und versuchte sich mit in den Hauseingang zu drängen. Nach einem wahrscheinlich nur sekundenlangen, aber gefühlt ewig dauerndem Kampf um die Eingangstür, brabbelte er etwas völlig Unverständliches, entschuldigte sich bei mir und verschwand zu meinem großen Glück wieder. Danach war ich völlig fertig, verängstigt und fühlte mich schmutzig. Ich fühlte noch Stunden später seine Hand auf meinem Hintern, traute mich über Wochen nicht mehr allein nachhause und fuhr nie wieder über das Kottbusser Tor.

Berliner U-Bahntreter? Leider kein Einzelfall

Kreuzberger Bahnhöfe wie der Kotti, der Moritzplatz, der Görlitzer Bahnhof (an dem nicht nur etliche Drogendealer stehen, sondern inzwischen eine ganze Penner-Stadt den Eingang blockiert) und das Schlesische Tor gehören sicher zu den schlimmsten in Berlin. Obdachlose, Heroinbesteck, Dreck, Gestank, Kriminalität und Gewalt sind aber generell fester Bestandteil der Berliner Bahnhofskultur. Etwa in Neukölln: Vielleicht erinnert sich der ein oder andere noch an das viral gegangene Video einer jungen Frau, die von einem Mann völlig willkürlich in den Rücken getreten wurde, die Treppe am U-Bahnhof Herrmannstraße herunterstürzte und sich dabei den Arm brach und den Kopf aufschlug – leider kein Einzelfall. Ich habe bei meiner Arbeit für ein Berliner Betreuungsbüro diverse ähnliche Vorfälle in ganz Berlin mitbekommen und habe einmal selbst miterlebt, wie ein Obdachloser eine junge Frau die Treppe runterstürzte.

Das war in Friedrichshain – ein Bezirk, dessen Gewalts- und Kriminalitäts-Hotspot mit Sicherheit die Warschauer Straße ist. Hier stößt man häufig auf sogenannte Antänzer, die im Team vornehmlich Touristen ausrauben. Einer stellt den Opfern ein Bein oder tanzt sie wortwörtlich an und der andere nutzt die Ablenkung, um sich an seinen Taschen zu bedienen. Ich war am Görlitzer Park selbst mal dabei, als einem Freund direkt neben mir das Portemonnaie aus der Hosentasche „getanzt“ wurde und war so perplex, dass ich nichts davon bemerkte – und dass, obwohl ich als Kreuzberger durchaus sensibilisiert für Taschendiebe bin.

An Orten wie der Warschauer, dem Alexanderplatz und dem Gleisdreieck kommt es neben solchen Tricks immer wieder zu Schlägereien und sogar Messerstechereien. Ein Bekannter von mir war mal in eine Schlägerei verwickelt, bei der einer der Jungs im Gemenge zwischen Bahnsteig und S-Bahn fiel und mit seinem Bein in das Rad geriet – er verlor es. Ein anderer durfte zusehen, wie direkt vor ihm jemand abgestochen wurde und blutüberströmt aus der sich öffnenden Tür fiel. Ich bin in meinem Öffi-Leben selbst Zeuge zahlreicher Schlägereien, Übergriffe und Unfälle geworden. Einmal hätte ich beinah mitansehen müssen, wie ein Obdachloser zwischen Bahn und Tunnel zerquetscht wird. Der Mann war in der Tür eingeklemmt, hing zur Hälfte außerhalb und zur Hälfte in der Bahn und konnte nur in aller letzter Sekunde von einem jungen türkischen Mann befreit werden, bevor die Bahn an einer Engstelle vorbeifuhr. Ich bin in Berliner Bahnhöfen außerdem zahllose Male sexuell belästigt und/oder begrapscht worden und habe mehr als einmal große Blutlachen vor S- und U-Bahnhöfen gesehen, an denen sich Leute tags zuvor die Köpfe eingeschlagen haben.

„Ringbahnsaufen“ und S-Bahn-Surfen

Die Gewalt und Kriminalität – also meine Sicherheit – sind für mich der gravierendste Grund, nicht mehr mit den Öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren. Es gibt aber noch zahlreiche mehr – etwa die ständige Belästigung. Alle drei Minuten möchte jemand einem eine Obdachlosenzeitschrift verkaufen, ein anderer erzählt lautstark seine Lebensgeschichte oder lädt einen zu einem rumänischen Blaskapellenkonzert ein – ob man will oder nicht. Mir wurde mitten am Tag vor die Füße gekotzt und ich durfte dran teilhaben, wie sich besoffene Obdachlose bei diversen Stürzen den Kopf aufschlugen. Abends und nachts sind außerdem haufenweise besoffene junge Leute unterwegs, die ihre Absturz-Partys gleich mit in die Bahn bringen. Ich kann (leider) nicht leugnen, dass ich mich früher selbst das ein oder andere Mal am „Ringbahnsaufen“ beteiligt habe, wenn es zu kalt war, um in den Parks herumzulungern. Die Ringbahn fährt nämlich nonstop im Kreis – man muss also nur noch seine eigene Musik mitbringen, sein Schamgefühl zu Hause lassen und schon hat man die perfekte mobile Partylounge. In der zum Leidwesen aller normalen Fahrgäste nicht selten auch noch geraucht und gekifft wird.

In meiner Schulzeit gab es außerdem einen weiteren traurigen Trend unter Jugendlichen, der dem ein oder anderen sogar das Leben kostete: Das S-Bahn-Surfen. Bei dieser Mischung aus lebensmüder Mutprobe und Adrenalin-Kick, klettert man auf das Dach der fahrenden S-Bahn oder hängt sich seitlich an den Waggon. Häufig geraten die Surfer dabei unter den Zug, prallen gegen Brücken- und Tunnelteile oder kriegen einen tödlichen Stromschlag. Ich bin froh, dass ich nie Zeuge werden musste, wie so etwas passiert, hatte in meinem Bekanntenkreis aber gleich zwei solcher Todesfälle junger unbedachter Männer im Alter zwischen 13 und 19 Jahren.

Tödliche Unfälle, Suizide und Verrückte auf Gleisen sind in Berlin leider nicht selten der Grund dafür, wenn die Bahn zu spät kommt oder nicht mehr weiterfährt. Ich saß mal eine Dreiviertelstunde wegen eines „Polizeieinsatzes“ mitten auf der Strecke in der Hochbahn fest. Später hörte ich, dass sich ein Stück weiter jemand vor den Zug geworfen hatte. Was meinen Sie, wie froh ich war, als ich das nächste Mal in der Bahn feststeckte, weil die Polizei einen Schwan von den Gleisen retten musste und etwas mehr Zeit benötigte, um mit dem geretteten Tier Selfies zu machen.

Wenn grüne Politiker, wie unsere ehemalige Bezirksbürgermeisterin Monika Hermann, sagen, dass die meisten Menschen ihr Auto nicht brauchen, scheinen sie also schlicht nicht zu wissen, wovon sie eigentlich reden. Jeder, der sich nicht das ganze Elend, die Verwahrlosung und die Belästigung in den Öffentlichen Verkehrsmitteln antun will, ist mehr als nur dringend auf sein Auto angewiesen. Ich würde mich besonders abends ohne mein Auto überhaupt nicht mehr aus dem Haus trauen, weil ich – dank der grün-roten Politik der letzten Jahrzehnte – in der Bahn, auf den Bahnhöfen, an den Haltestellen und auf der Straße Angst um mein Leben habe. Wenn an jeder Ecke Drogendealer, Obdachlose, Junkies, Kriminelle und besoffene Idioten herumrennen, sind die Öffis für mich keine Option. Mal ganz abgesehen davon, dass ich leidenschaftlich Auto fahre und lieber zehnmal im künstlich erzeugten Stau stehe, als mich mit fremden Menschen in die Bahn oder den Bus zu quetschen.

 

 


ÖPNV auf dem Land: Frust kommt auf, denn der Bus kommt nicht

Von Michael Friese | Wenn man wie ich auf dem Land lebt und (noch) nicht im Besitz eines Führerscheins ist, ist die Fortbewegung ein ziemliches Kreuz. Insbesondere die Busverbindungen lassen zu wünschen übrig, was das Auto für weite Strecken unabdingbar macht. Von der Anti-Auto-Fraktion wird vehement gepredigt, dass man den ÖPNV auch auf dem Land ausbauen müsse und das ist theoretisch auch eine gute Sache. Aber ist das überhaupt möglich?

In der Großstadt ist es vollkommen normal, dass die Bus-, S-Bahn oder U-Bahn-Linie, welche man z. B. auf dem Weg zur Schule nimmt, alle fünf oder zehn Minuten fährt. Das heißt, wenn man mal den Anschluss nicht kriegt, weil man den Wecker mal wieder überhört hat, kommt man noch rechtzeitig (oder vielleicht mit etwas Verspätung) im Unterricht an. Nicht bei mir: Wenn ich meinen Bus am Morgen verpasse, kommt der nächste Bus genau zwei Stunden später. Das bedeutet, dass ich die ersten beiden Schulstunden verpasse, wenn meine Eltern mich morgens nicht fahren können. Es ist mir zum Glück noch nie passiert, wenn ich eine Klausur schreiben sollte, trotzdem besteht die Gefahr und es nervt wirklich.

Aber nicht nur der Morgen gestaltet sich knifflig. Wenn die Schule dann irgendwann auch mal ihr Ende findet, ist der Takt, in welchem die Busse abfahren, auch nicht immer ideal. Ich habe das Glück, dass an den meisten Tagen der Bus etwa 40 Minuten nach Schulschluss abfährt. Glück ist es, weil ich so noch etwas Zeit habe, um in die Stadt zu gehen. Sonst würde ich die Warterei am ZOB vermutlich nicht überleben. Wenn ich aber nun einen langen Schultag und um ca. 16:30 Uhr Schluss habe fährt der nächste Bus etwas mehr als eine Stunde später. Und klar, man könnte die Zeit auch wieder dazu nutzen, um durch die Stadt zu schlendern, aber ich bin ein sehr „kauffauler“ Mensch und die Stadt ist nicht die größte, sodass die wenigen, immer gleichen Schaufenster auf Dauer langweilig werden. Da trifft die Liedzeile von Peter Fox: „Frust kommt auf, denn der Bus kommt nicht“, den Nagel wirklich auf den Kopf. Deshalb holt mich meine Mutter an solchen Tagen mit dem Auto ab.

Es geht jedoch noch viel schlimmer: Ich kann froh sein, dass ich in einem etwas größeren, vom Touristenverkehr geprägten Ort lebe, der dadurch eine zweistündige Busverbindung ermöglicht. Wie sieht es aber nun in einem Dorf aus, welches weder von Touristen besucht (oder zumindest für die Durchreise benötigt) wird noch wirklich viele Einwohner sein Eigen nennen kann? Nun ja, da wären wir dann bei einer Freundin von mir, die mir schilderte, dass in ihrem Ort zwei Buslinien fahren. Und auf beiden dieser Linien fahren jeweils genau zwei Busse – pro Tag! Wenn sie also den Bus am Morgen verpasst, fährt der nächste um ca. 16 Uhr. Ich denke, ich brauche nicht zu erwähnen, dass man da nicht nur die ersten beiden Stunden verpasst. Hinzu kommt, dass ihre Erziehungsberechtigten sehr widerspenstig sind, was das „Herumkutschieren“ angeht. Für sie heißt es also dann: Bus verpasst, Schule verpasst.

Ich hätte gegen einen regelmäßiger fahrenden Busverkehr eigentlich nichts einzuwenden. Er würde mir meine Fahrten zur Schule oder in eine andere Stadt enorm erleichtern. Jedoch werde ich, wenn alles glatt läuft, im nächsten Jahr meinen Führerschein in meinen Händen halten. Brauche ich dann noch den Bus? Das Auto ist doch noch mobiler als der Bus; es ist nicht an Haltestellen und Fahrzeiten gekoppelt. Für meinen Vater beispielsweise wäre die Abschaffung von Verbrennungsmotoren eine große Einschränkung. Er arbeitet in einem Industriebetrieb, welcher sich vor der Stadt befindet und dieser wird nicht von einer geeigneten Buslinie angefahren, das heißt, er müsste mehrere Buslinien benutzen und Umwege fahren. Zudem sind seine Arbeitszeiten so gestaltet, dass er sowohl manchmal früh morgens (ca. 6 Uhr) und spät Abends (ca. 23 Uhr) unterwegs ist. Insbesondere am so späten Abend fährt längst kein Bus mehr.

Um mich davon zu überzeugen, dass der Bus die ideale Transportmöglichkeit ist, müsste ich mit ihm genau so flexibel sein, wie mit dem Auto. Idealerweise würde er dann alle fünf oder zumindest 15 Minuten fahren. Sobald er im Halbe-Stunde-Takt oder nur stündlich fährt, würde es schwieriger werden, meine Fahrten zu planen oder auch etwas spontan zu unternehmen, und ich würde immer mal wieder zu meinem Wagen herüberschielen.

Aber ist so ein Busverkehr überhaupt realistisch? Überhaupt nicht. Wenn wir mal an das Dorf von meiner Freundin zurückdenken: Sie erzählte mir, dass sie über den Zeitraum mehrerer Haltestellen so gut wie die Einzige ist, die in den Bus einsteigt. Der Bus fährt also theoretisch nur für sie allein den Umweg durch den Ort. Und so sind eben auch die Fahrzeiten gestaltet – sie richten sich nach dem Fahrverhalten der Fahrgäste. Man versuche nun bitte, die Autokraft oder irgendeine andere Firma davon zu überzeugen, den Bus doch mal öfter durch den Ort fahren zu lassen. Zu Zeiten, in welchen niemand einsteigt und teurer Treibstoff trotzdem verbrannt wird. So etwas wäre mit einer eklatanten Kostenexplosion verbunden und somit nur möglich, wenn man den Busverkehr verstaatlichen würde. Aber ich möchte, offen gesagt, nicht irgendwann mein Steuergeld für leere Busse ausgeben.


Mal eben 50€? Geht’s noch? Wie die DB sich bei jungen Leuten unattraktiv macht

Von Jerome Wnuk | Nach der Schule alleine oder mit Freunden verreisen und die Welt entdecken. Diesen Wunsch haben die allermeisten jungen Menschen. Doch bei den meisten jungen Erwachsenen ist das Reisebudget in den ersten Jahren nach der Schule noch begrenzt. Ein bisschen Geld von den Eltern, eigenes Gespartes und das erste verdiente Geld reichen bei den meisten noch nicht, um einmal um die ganze Welt zu reisen. Da reicht es dann auch erstmal, wenn man in Europa herumreist – oder wenigstens aus dem Heimatstadtteil raus. In Zeiten von Billigflügen ist es auch ganz normal, dass man für zwanzig Euro mal eben für ein Wochenende nach Mallorca oder nach London fliegen kann. Soweit so gut, allerdings ist das ständige Hin-und-Her-Jetten bekanntermaßen schlecht für den berüchtigten CO₂-Fußabdruck. Und deswegen sollen uns diese ganzen verrückten Alternativen angedreht werden. Und das vor allem auf kurzen Strecken, bei denen der Zeitvorteil des Flugzeugs noch keine essenzielle Rolle spielt oder es sogar gar keine Flüge gibt.

Ist ja ein legitimer Vorschlag, nur sollte man uns dann auch was bieten – mindestens eine Alternative, die gleich gut ist, wenn nicht besser. Doch alles, was wir vor die Füße gelegt bekommen, hört auf den Namen Deutsche Bahn. Die Deutsche Bahn ist nicht interessiert an den Interessen junger Menschen, das musste ich am eigenen Leib erfahren. Junge Menschen reisen gerne spontan, man guckt in den Terminkalender, sieht das ein paar Tage frei sind und zack sitzt man schon im Zug. Denkt man – doch spontan verreisen? Mit der Deutschen Bahn unmöglich. Im Sommer wollte ich mit einem Freund spontan nach Hamburg fahren. Also erkundigten wir uns einen Tag bevor wir fahren wollten, nach Bahntickets auf der Website der Bahn.

50 Euro pro Person hätten wir als Schüler bezahlen sollen. Unverschämt. Und so ist es bei der Deutschen Bahn leider immer. Möchte man spontan mal zu seinen Großeltern auf das Land fahren oder muss wegen der Arbeit irgendwo hin, muss man immer mit 50 – 100 Euro Fahrpreis rechnen. (Noch schlimmer wird es, wenn man ins Ausland möchte, aber das ist ne ganz andere Geschichte.) Im Mai diesen Jahres wollte ich auch mit einem Freund nach Stettin fahren, um während Corona wenigstens mal ein bisschen raus zu kommen. Als wir uns damals am DB-Schalter informieren wollten, wollte uns der Bahn-Mitarbeiter Tickets für 120 € andrehen.

Zum Glück konnten wir im Internet herausfinden, dass man mit einem sogenannten Berlin-Brandenburg-Ticket deutlich billiger nach Stettin kommen kann. Von dem Personal der Bahn wurde uns das verheimlicht. Spontan und preiswert Reisen ist mit der Bahn also bedauerlicherweise nicht möglich. Deswegen ist es auch nicht verwunderlich, dass viele tagtäglich etwa von Berlin nach Köln fliegen, anstatt auf der gleichen Strecke die Bahn zu nehmen. Denn oft, gerade wenn man nicht im Voraus bucht, ist ein Flug auf dieser Strecke billiger als ein Bahnticket.

Die Bahn muss in Zukunft deutlich mehr Anreize, gerade für junge Menschen schaffen, damit mehr Menschen die umweltfreundlichere Bahn nutzen. Das einfachste wäre, endlich verhältnismäßige Ticket-Preise zu etablieren. Klar, nach Mallorca und London wird man immer noch fliegen, aber eine Senkung der Preise könnte sicher dafür sorgen, dass man Strecken wie Berlin-Köln oder Berlin-Paris und so weiter in Zukunft mit der Bahn statt mit dem Flugzeug fährt (um noch auf meinen Hamburg-Ausflug zurückzukommen). Und das wäre definitiv machbar. Wir haben schließlich bei einem anderen Bahnanbieter gebucht. Dort haben wir 10 Euro, anstatt 50 Euro bezahlt. Günstig und spontan mit dem Zug reisen geht also doch, nur nicht beim Staatsunternehmen DB. 


Mein geliebtes Moped – wie in einer Lenorwerbung – und kein Grüner kann mir das wegnehmen

Von Selma Green | Als Schüler hat man zwei Optionen, zur Schule zu kommen: entweder man fährt mit dem Fahrrad oder mit den Öffentlichen Verkehrsmitteln. Eine Stunde lang mit meinem Damenrad zur Schule zu strampeln, war mir etwas zu sportlich. Also bin ich, jetzt zwei Jahre lang, mit den Öffentlichen Verkehrsmitteln zur Schule gefahren. Ich lernte: Der BVG (Berliner Verkehrsbetriebe) Fahrplan ist so zuverlässig wie ein Kleinkind mit seiner ersten Schokoeiskugel. Ob der Bus überhaupt noch kommt, musste ich oft erraten. Beim Umstieg vom Bus zur U-Bahn musste dann noch ein kleiner Sprint hingelegt werden. Mein Sechs-Kilo-Rucksack machte die Sache nicht leichter.

Die BVG machte mich asozial. Manchmal waren es zehn, manchmal 30 Minuten – je nach Lust und Laune – , die ich auf den Bus wartete. Nach sieben Stunden Schule will ich meine Ruhe haben. Aber Nein: Es gibt immer eine Oma mit Krückstock. Ich entscheide mich also für Solidarität und biete ihr hilfsbereit meinen Platz an, damit diese zehn Augen im Bus aufhören, mich so vorwurfsvoll anzustarren (die könnten ja auch selbst aufstehen, aber das wäre ja mit Anstrengung verbunden). Dann muss ich eben stehen. Dabei vergesse ich dieses eine Kleinkind mit seinem Roller. Es unterschätzt den Bus beim Anfahren, kommt ins Rollen und hinterlässt eine gerade Schmutzspur auf meinem Schuh. Als Krönung gibt es immer einen besoffenen Penner, der mir irgend etwas hinterher lallt.

Ein Moped ist für mich die Lösung. Zu der praktischen Fahrübung für meinen Mofaführerschein sollte ich mein eigenes, neues Moped mitbringen. Es ist übrigens eine sie. Sie ist beige – nicht beige, wie Spaghetti – sondern beige wie der Sand am Meer. Ihre Form ist geschwungen, wie die einer Vespa. Die Marke, mit den Farben der italienischen Flagge, klebt vorne am Lenker. Eine wahre Schönheit eben. Ich fühle mich darauf wie eine vornehme Italienerin, die anders als das Fußvolk (meine Mitschüler) nicht mit der U-Bahn zur Schule fahren muss.

Ohne Helm, ohne Jacke sprang mein Fahrlehrer auf mein Moped, um mir zu zeigen, wie man sich damit in die Kurven legt. Als ich zusah dachte ich mir: “Das sieht ganz schön gefährlich au-…”. Dann passierte es schon: der Fahrlehrer rutschte aus und schlitterte mit dem Moped über den Asphalt. Zitternd fuhr der Lehrer zu mir zurück. Ich starrte auf mein zerschrammtes Moped. Na toll! Mein Moped-Fahrlehrer kann kein Moped fahren und deswegen habe ich eine Ein-Meter-Schramme in meinem schönen neuen Moped. Der Schaden wird jetzt von Anwälten geklärt.

Andererseit: Jetzt habe ich auch meinen Mofaführerschein! Trotz Schramme im Moped macht es mir Spaß, mit 25 km/h durch die Stadt zu düsen. Im Sommer mag ich es besonders, mit einem Kleidchen durch ruhige Straßen zu sausen und meine Haare im Wind flattern zu lassen. Fällt mir die Decke auf den Kopf, kriege ich ihn beim Mopedfahren frei. Mit nur 25 km/h habe ich auch längere Augenblicke, um mit dem anderen Geschlecht zu flirten. Naja durch den Helm höre ich nicht viel, wenn, dann nur Fetzen wie: ”Hey, Kleine … kommen?”

Keine Omas, denen ich den Platz stehle, keine Kleinkinder, die meine Füße dem Erdboden gleich machen und auch keine besoffene Penner mehr. Späteres Aufstehen, weniger Rückenschmerzen und vor allem: keine Maske mehr tragen! Spaß beim Düsen durch die Stadt und Flirten mit den Jungs.
Klingt, wie eine Lenorwerbung? Das soll es auch. Ich bin zufrieden mit meinem Moped.