Archiv: Dezember 5, 2021

2G diskriminiert – und hat nicht einmal einen Nutzen

Von Michael Friese | Die politische Klasse in Deutschland ist seit geraumer Zeit ganz heiß auf 2G-Regelungen. Man muss schließlich diese bösen, unsolidarischen Ungeimpften von den Geimpften fernhalten. Es ist ja auch mittlerweile eine Impfpflicht im Gespräch beziehungsweise für Pfleger bereits beschlossene Sache. Dass solche Regeln nicht nur Diskriminierung wie aus dem Lehrbuch darstellen, sondern für die derzeitige Corona-Lage überhaupt keinen Mehrwert bieten, fällt den Politikern und „der Wissenschaft“ überhaupt nicht auf. Sie sind zu sehr damit beschäftigt, ihren neu entdeckten Sündenbock durch den Dreck zu ziehen und haben dann eben keine Zeit mehr dafür, sinnvolle und verhältnismäßige Maßnahmen zu treffen.

Ich bin ja bekanntermaßen ungeimpft. Ich habe diese Entscheidung anfangs vor allem aus zwei Gründen getroffen: Die Gefahr, die Corona für mich darstellt, ist exorbitant gering und ich warte darauf, dass der Impfstoff länger auf dem Markt ist. Ich möchte mir nichts spritzen lassen, das nur eine kurze Zeit lang entwickelt und dann hastig an die Bevölkerung verteilt wurde. Ich wollte vor allem auf Langzeitfolgen warten. Es hat sich nun etwas anderes ergeben: Während die Impfung am Anfang der Impfkampagne für gewöhnlich mit zwei Dosen erledigt war und einem eine vollkommene Immunität versprochen wurde (man also weder angesteckt werden noch anstecken kann), sind wir nun ganz woanders: Der Impfschutz ist mangelhaft im Vergleich zur versprochenen Wirkung, Geimpfte stecken sich gegenseitig an, weil sie denken, dass sie geschützt sind und wir sind von einer einmaligen Doppel-Impfung zum Konzept einer halbjährigen „Booster-Impfung“ gewechselt. Das offenbarte mir Folgendes: Es hat sich mehr als gelohnt, zu warten. Und ich werde weiter warten, bis wir einen akzeptablen Impfstoff haben.

Die Politiker scheinen dies aber nicht sehen zu wollen. Für sie ist die Impfung die Lösung aller Probleme und jeder, der das anders sieht, ist eben ein unsolidarischer Schwurbler. Sie sehen nicht, dass Geimpfte das Virus weiterhin übertragen können und auch selber daran erkranken können, teilweise mit schweren Verläufen. Anstatt nun also der Pharma-Industrie zu sagen, dass sie gefälligst die Forschung an den Impfstoffen fortsetzen und die Probleme ausmerzen soll, deklarieren sie die Ungeimpften als Ursache für hohe Infektionszahlen. Fauler geht es einfach nicht. Man könnte nun als allgemeine Regel eine 1G-Regel einführen, wie es der Stahlkonzern Thyssenkrupp tun möchte. Jeder – auch die Geimpften – müsste sich dann einem Corona-Test unterziehen, um sicherzustellen, dass niemand das Virus in sich trägt und weiterverbreiten kann. Das wäre eine logisch begründbare Strategie, um die Infektionszahlen zu drücken. Stattdessen setzt man auf 2G oder „2G+“, was nicht minder unsinnig ist. Wenn ein negativ getesteter Geimpfter ins Kino darf, warum dann kein Ungeimpfter unter gleichen Konditionen?

Ich selber weiß durch diese 2G-Regeln nun nicht, wo ich hindarf und wohin nicht. Ich gehöre nämlich zu einer ganz besondere Demographie: Volljähriger Schüler. Klingt erstmal unbedeutend, aber die Kommunikation in den Medien und in den offiziellen Stellen ist so miserabel, dass ich wirklich nicht weiß, ob für mich nun 3G oder 2G gilt. Für Schüler gilt nämlich 3G und für Volljährige 2G. Und was ist nun mit volljährigen Schülern? Ich nehme Nachhilfe im Fach Mathematik – ein Schülerklischee – und die Leute dort konnten mir bis jetzt nicht sagen, ob ich da überhaupt hin darf, weil auch sie nicht wissen, ob jetzt die 2G-Regel für mich gilt oder nicht. Es ist nirgendwo explizit vermerkt. Man behält mich nun da, weil in nächster Zeit eine Arbeit bei mir ansteht. Das ist aber nicht die einzige Situation dieser Art, der ich mich gerade stellen muss. Ich habe neulich mit den theoretischen Fahrschulstunden angefangen; ich muss insgesamt 14 Stunden absolvieren. Ich habe zwei Stunden hinter mir und nun soll in der Fahrschule 2G herrschen. Aber auch hier hat niemand eine Ahnung, ob nun volljährige Schüler reindürfen oder nicht.

Dieses Theater ist einfach nur noch nervig. Und wieso wird das alles gemacht? Prinzipiell wegen nichts. Ungeimpfte stellen nachweislich keine große Gefahr für Geimpfte dar, sie sind aber trotzdem „das Böse“, wie Meerjungfraumann von Spongebob sagen würde. Es wird ein riesiger Zirkus um etwas veranstaltet, was überhaupt keinen Nutzen hat. Denn das Einzige, was 2G hervorbringt, ist die sinnlose Diskriminierung ungeimpfter Bürger.


Michael Friese, Schüler aus Schleswig-Holstein, Baujahr 2003 und Sozialschädling vom Dienst. Schreibt hier auf Apollo hauptsächlich über gesellschaftliche Themen wie Kultur oder – derzeit ganz prominent – Corona. Auch andere Themen wie Migration oder Gender gehören dazu. Hat ein durch und durch freiheitliches Gemüt und versucht immer, anderen Meinungen gegenüber offen zu sein. Leider sieht sich diese freiheitlich Denke seit ungefähr eineinhalb Jahren großem Artilleriebeschuss ausgesetzt; das zu adressieren und zu kritisieren ist aktuell der Fokus. Schreibt gerne in Bildnissen.


 


Ein Erfahrungsbericht von den Studentenprotesten gegen die 2G-Pflicht in Erlangen

 

Von Simon Rabold | Die Initiative „Studenten stehen auf“ hatte zum Protest an die Universität Erlangen geladen. Grund dafür war die vor kurzem dort eingeführte 2G-Regelung für Studenten. Diese besagt, dass jeder, der weder geimpft noch genesen ist, sein Studium nicht in Präsenz fortführen kann, sondern auf Online-Angebote ausweichen muss. Ein Besuch von Hörsälen, Übungen und anderen Präsenzveranstaltungen an der Universität ist dann fortan für Ungeimpfte – selbst mit Test – nicht mehr möglich.

Genau diese Regelung war denn auch der größte Kritikpunkt der Demonstranten, die sich gegen diesen indirekten Impfzwang wandten. Unter den Demonstranten waren aber nicht nur Studenten, sondern auch ein paar ältere Teilnehmer – so hielt beispielsweise ein Universitätsprofessor eine Rede auf der Kundgebung und auch besorgte Eltern konnte ich unter den Demonstranten antreffen. Von den laut Polizeiangaben 700 Teilnehmern waren aber der Großteil Studenten.

Diese Masse von Studenten war sehr heterogen – sowohl ökonomisch als auch politisch. So sah man linke Sozialwissenschaftsstudenten mit zerfetzten Jeans und Alnatura-Bio-Riegeln, Geschichtsstudenten mit Karohemd und Hosenträgern sowie stinknormale BWL-Studenten. Alle vertraten die Ablehnung der 2G-Regel.

Die Gründe, die sie dagegen anbrachten, waren ebenso vielfältig. Viele äußerten, dass sie keine Angst vor Corona haben müssten, da es für ihr Alter ungefährlich sei. Auch bemängelten die allermeisten den generellen Druck des Staates auf den eigenen Körper, den Gruppenzwang, der von solchen Regelungen ausging, ebenso unerforschte – eventuell auftretende – Langzeitfolgen. Auch, dass man nur noch mit eben diesem Pass überall reinkommt, machte vielen Demonstranten große Sorgen, oft hörte man Vergleiche der aktuellen Lage in Deutschland mit dem Social-Credit-System in China.

Doch es gab auch Gegenprotest: So stellte ein riesiges Plakat entlang des Demonstrationszugs fest: „2G is ok“. Ein anderes forderte: „Queerdenken statt Querdenken“. Es wurde deutlich, wie unversöhnlich sich die beiden Lager gegenüberstehen. Mit Kreide wurde auf die Einfahrt zu einem Universitätsgebäude geschrieben: „Ungeimpfte haben keinen Zutritt“.

Die Demonstration blieb indes friedlich. Ob die Demonstranten etwas bewirken konnten, bleibt zweifelhaft. Dazu waren es wohl zu wenige. Generell sind wohl die meisten Studenten geimpft – das hörte man auch von vielen Teilnehmern, die aufgrund ihrer „Nicht-Impfung“ ihren Freundeskreis oder große Teil von diesen verloren haben. Viele waren glücklich, in Erlangen endlich auch mal Gleichgesinnte zu treffen.


Simon Rabold, im Jahr 2000 geboren, studiert Jura in Frankfurt am Main. Möchte zukünftig gerne als Anwalt gegen links-autoritäre Regierungen und deren Gesetze klagen. Diskutiert gerne und macht sich unbeliebt bei Kommilitonen und Autoritäten. Reagiert als Kind von DDR-Flüchtigen allergisch auf neue Freiheitsbeschränkungen, ein Auseinanderfallen des Rechtsstaats und sozialistische Bestrebungen in der Bundesrepublik. Schreibt über Politik, Recht und die Absurditäten unserer Zeit.


Wenn man der einzige Ungeimpfte in der Klasse ist

Von Michael Friese | Der Druck auf Ungeimpfte steigt von Tag zu Tag und beschränkt sich lange nicht mehr auf die Maßnahmen der Regierung – seien es die „G-Regeln“ oder gar eine Impfpflicht, wie es sie in Österreich geben soll. Auch im hiesigen Klassenzimmer wird der soziale Druck auf Ungeimpfte stetig größer. Ich selber bin glücklicherweise noch nie aufgrund meines Impfstatus in einer respektlosen Art und Weise von meinen Klassenkameraden angegangen worden. Dass das aber nicht selbstverständlich ist, zeigt die Geschichte einer Freundin von mir, die durch ihre Klassenkameraden zurück in den Fernunterricht gegruselt wurde.

Es fing bereits an, als das neue Schuljahr startete. Man musste sich vor versammelter Mannschaft und vorne am Pult testen lassen und bereits da kamen die ersten Kommentare auf wie „Seid ihr etwa immer noch nicht geimpft?“. Zu der Zeit war Laura* noch nicht die einzige, die nicht geimpft war, jedoch hatten die anderen beiden bereits ihre eigenen Impftermine ausgemacht, sodass sie bald alleine unter Geimpften war. Und da Minderheitenschutz in der Klassengemeinschaft alles andere als groß geschrieben wird, kann man sich bereits denken, wie die Stimmung in der Klasse in der nächsten Zeit gewesen ist.

Die Missgunst der Klassenkameraden zeigte sich immer weiter über die nächste Zeit. Meistens handelte es sich dort um aufstachelnde Kommentare, warum man denn noch nicht geimpft sei. Aber auch Sprüche wie „Nur wegen euch haben wir noch diesen Scheiß!“ waren keine Seltenheit. Es ging aber auch subtiler: Wenn man in seinen Gesprächen über die Impfung redet, erwähnt man einfach in einem abfälligen Ton, dass manche Leute sich immer noch nicht haben impfen lassen. In solchen Situationen fühlte es sich für Laura* dann immer an, als würde sie von allen angestarrt werden. Sie wurde mit diesem herabwürdigendem Ton schließlich indirekt angesprochen. In solch einer Situation braucht man die betroffene Person nicht einmal anstarren, damit sie sich beobachtet und verurteilt fühlt. Zu allem Überfluss kommt noch hinzu, dass dieses Verhalten nicht nur von Mitschülern ausging, mit denen sie zuvor nichts zu tun hatte oder vielleicht vorher schon Streit hatte. Selbst die Leute, mit denen sie sich vor Corona sehr gut verstanden hatte, schlossen sich dem Gezeter an.

All dies spielte sich im Zeitraum von nur einer Woche ab. Danach zog sie die Reißleine und bat darum, wieder in den Fernunterricht gehen zu können – sie hatte keine Lust mehr auf das respektlose Verhalten ihrer Klassenkameraden. Der Fernunterricht wurde auch gebilligt und seitdem muss sie nicht mehr in dieser toxischen Klassen“gemeinschaft“ lernen. Wer übrigens denkt, dass die Lehrer etwas gegen diese desaströsen Zustände unternommen hätten, denkt falsch. Die Lehrer an ihrer Schule waren diesbezüglich so nützlich wie ein Löffel beim Kanupaddeln. Von deren Seite aus kam nur, dass man dagegen ja „nichts machen“ könne, was vermutlich die wackeligste, aber auch bekannteste Ausrede eines Lehrers überhaupt ist.

Das ein solcher Zustand inakzeptabel ist, brauche ich vermutlich nicht zu erwähnen. Es ist die freie Entscheidung eines jeden Bürgers, sich gegen das Corona-Virus impfen zu lassen und es gibt valide Argumente für die eine und die andere Seite. Wer sich aber nun etwas auf seinen „richtigen“ Impfstatus einbildet und andere Leute – vor allem, wenn diese in der Unterzahl sind – aufgrund dessen herabwürdigt und anmacht, etabliert ein Gesellschaftsbild, welches eine Menschengruppe pauschal über eine andere stellt. Das ist die klassische Definition des Chauvinismus. In diesem Fall ist es der Chauvinismus der Geimpften: Der Impfchauvinismus.

* Name wurde von der Redaktion geändert


Michael Friese, Schüler aus Schleswig-Holstein, Baujahr 2003 und Sozialschädling vom Dienst. Schreibt hier auf Apollo hauptsächlich über gesellschaftliche Themen wie Kultur oder – derzeit ganz prominent – Corona. Auch andere Themen wie Migration oder Gender gehören dazu. Hat ein durch und durch freiheitliches Gemüt und versucht immer, anderen Meinungen gegenüber offen zu sein. Leider sieht sich diese freiheitlich Denke seit ungefähr eineinhalb Jahren großem Artilleriebeschuss ausgesetzt; das zu adressieren und zu kritisieren ist aktuell der Fokus. Schreibt gerne in Bildnissen.


 


Soziale Triage in der Jugendhilfe

Von Pauline Schwarz | Die Zahl der psychischen Störungen unter Kindern und Jugendlichen ist seit Beginn der Pandemie und der damit verbundenen Maßnahmen drastisch angestiegen. Die völlige Auflösung einer normalen Tagesstruktur, die soziale Isolation und die fehlenden Freizeitmöglichkeiten haben tiefe Wunden hinterlassen. Es gab einen enormen Anstieg von depressiven Erkrankungen, Ess- und Schlafstörungen, Entwicklungsverzögerungen, Suchtstörungen und sogar von Suiziden. Laut Caritas leidet inzwischen fast jedes dritte Kind unter den Folgen der Corona-Maßnahmen und zeigt psychische Auffälligkeiten. Besonders betroffen sind Kinder aus schwierigen sozialen Verhältnissen, die häufig in sehr engen Wohnverhältnissen leben, wenig Unterstützung von ihren Eltern bekommen und auch sonst Schwierigkeiten haben, Anschluss zu finden. Sie brauchen schon unter normalen Verhältnissen besonders viel Hilfe, um ihren Alltag zu meistern. Doch genau diese könnte jetzt erneut wegbrechen. Schon im Mai, als die Zahl der Infizierten wesentlich geringer war als heute, fand eine soziale Triage in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe statt.

Kurz nach dem zweiten Lockdown, dank dem wir ganze sechs Monate auf große Teile unserer Grundrechte verzichten mussten, lagen die Nerven bei vielen blank. Der Ansturm auf Jugendeinrichtungen war dementsprechend groß und die Hilfe besonders nötig. Es gab nur ein Problem: die Hygiene-Maßnahmen. In Einrichtungen wie dem Kinder- und Jugendhaus „Bolle“ in Berlin-Marzahn können unter normalen Umständen täglich bis zu 120 Hilfebedürftige ihrem Familienalltag entfliehen, die Probleme etwas vergessen und mit den anderen Kindern toben, kickern oder bei der Hausaufgabenhilfe mitmachen. Im Mai waren es dann plötzlich nur noch 50 Kinder im Schichtsystem, aufgeteilt in Fünfergruppen. Vivien Rosen, vom zugehörigen Verein Straßenkinder e.V., sagte gegenüber dem Tagesspiegel, dass das schrecklich gewesen sei: „Wir mussten täglich neu entscheiden, welche Kinder und Jugendlichen den größten Betreuungsbedarf haben. Eine Art soziale Triage, denn Bedarf haben sie alle.“

 In der Marzahner Plattenbausiedlung rund um die Einrichtung leben 70 Prozent aller Haushalte von Hartz IV, etwa 40 Prozent haben einen Migrationshintergrund und genauso viele sind alleinerziehend. Laut Rosen sind in solchen Familien sehr viele Eltern „nicht in der Lage, ihren Kindern beim Homeschooling zu helfen, auch Freizeitaktivitäten finden zu Hause kaum statt. Zahlreiche Kinder hier würden einfach den ganzen Tag vor dem Fernseher oder Monitor hocken“. Über die Aussage der Sozialarbeiterin hinaus, droht aber leider noch viel Schlimmeres, das weiß ich aus meiner Arbeit für einen Berliner Erziehungsbeistand. Kinder, die Einrichtungen wie das Freizeithaus oder andere, etwa stationäre, Hilfsangebote annehmen, stammen häufig aus Familien, in denen massive Verwahrlosung und Gewalt drohen. Die Kinder sind den psychischen Krankheiten oder Drogenproblemen ihrer Eltern häufig völlig schutzlos ausgeliefert. Und das hat Folgen: Die Kleinen leiden unter Entwicklungsstörungen, sozialen Inkompetenzen, psychischen Krankheiten sowie fehlender Impulskontrolle, nehmen Drogen und geraten nicht selten auf die schiefe Bahn. Ich habe schon Zwölfjährige gesehen, die dickere Strafakten hatten als so mancher 40-jährige Berufsverbrecher und 17-Jährige, die lieber hinter Heizungsrohren schliefen, als wieder nach Hause zu gehen.

Dank der Corona-Maßnahmen brach für viele auch noch das letzte bisschen Halt weg, das sie durch Einrichtungen wie dem „Haus Bolle“ oder der „Arche“ hatten. Auch bei der „Arche“, einem Hilfsangebot des Christlichen Kinder- und Jugendwerks, schrumpfte die Betreuungsmöglichkeit per Dekret von 300 auf gerade mal 40 Kinder und Jugendliche pro Tag. Bernd Siggelkow, Gründer der Einrichtung, beklagte sich damals über die mangelnde politische Unterstützung seiner Schützlinge und anderer Kinder aus bildungsfernen Familien. Er prophezeite sogar „einen 25 prozentigen Anteil an funktionalen Analphabeten nach der Pandemie“ und warnte vor Verwahrlosung und der Zunahme an Verhaltensauffälligkeiten – wie etwa bei einer Achtjährigen, die nachts versuchte, ihre Mutter zu erwürgen oder neun- und zehnjährigen Jungen, die Zigarettenstummel von der Straße aufsammelten und rauchten.

Laut statistischem Bundesamt ist die Zahl der Kindeswohlgefährdungen 2020 im Vergleich zum Vorjahr um neun Prozent gestiegen – der höchste Stand seit Beginn der Erhebung im Jahr 2012. Dabei kamen 1,5 Prozent weniger Hinweise von den Schulen, was angesichts der Schulschließungen wenig überraschend ist. Es ist aber durchaus problematisch. Lehrer sind meiner Erfahrung nach mit am meisten an Jugendschutzmeldungen beteiligt, etwa weil sie merken, dass ein Kind im Winter nur mit T-Shirt in die Schule kommt, offene Wunden hat oder sich mit zehn bis zwölf Jahren immer wieder im Unterricht einnässt. Nachbarn oder Fremde müssen die Verwahrlosung oder Misshandlung erst einmal mitbekommen und dann noch den Mut oder überhaupt den Willen aufbringen, eine Meldung beim Jugendamt abzugeben. Ich fürchte also, dass die Zahl an Kindeswohlgefährdungen im letzten Jahr in Wirklichkeit noch deutlich höher gewesen seien könnte. Dank der Schulschließungen, dem folgenden Wechselunterricht und der sozialen Triage in Jugendhilfeinrichtungen, werden einige Kinder wohl keine Möglichkeit gehabt haben, sich einem Erwachsenen außerhalb ihres schädlichen Umfelds anzuvertrauen.

Und diese Sorge wurde durch eine kürzliche Pressemitteilung des statistischen Bundesamtes leider nur bekräftigt. 2020 gab es nämlich nicht nur mehr Gefährdungsmeldungen, sondern gleichzeitig auch fünf Prozent weniger erzieherische Hilfen – also ganze 53.600 Fälle weniger, in denen Kinder- und Jugendhilfemaßnahmen in Anspruch genommen wurden. Was erstmal gut klingt, ist fatal. Es bedeutet nämlich nicht, dass es weniger Bedarf gab, sondern nur, dass weniger Hilfe angeboten wurde – so wie in den Tagesstätten „Bolle“ und „die Arche“. Es haben also wahrscheinlich über 53.000 Kinder, Jugendliche und Eltern auf Beratung und Betreuung verzichten müssen, weil die Hygienemaßnahmen nur Hilfen für einen kleinen Teil der Schlimmsten aller Schlimmen zugelassen haben oder weil die Angebote dank Lockdown gleich völlig eingestellt wurden.

Umso länger die Corona-Pandemie unser aller Leben bestimmt, desto schlechter wird es Kinder und Jugendlichen gehen – allen, aber denen aus sozial schwachen Familien, die unsere Politik angeblich ach so unbedingt schützen will, besonders. Der Hilfebedarf steigt ins unermessliche, während ungeimpfte Kinder durch 2G-Reglungen vom sozialen Leben und Unterstützungsmaßnahmen ausgeschlossen werden, der nächste Lockdown droht und auch danach wohl wieder soziale Triage in allen möglichen Einrichtungen vorherrschen wird. Das alles wird fatale Folgen auf die Gesundheit, Entwicklung, Bildung und den Werdegang der Kleinsten und gleichzeitig größten Opfer der Corona-Politik haben.

 


Pauline Schwarz, geboren 1995, ist Senior und Psychotante von Apollo News. Sie studiert Psychologie, um irgendwann nicht mehr nur unter Verrückten zu leben, sondern auch Geld mit ihnen zu verdienen. Schreibt gerne über Autos, Kriminalität und psychische Leiden von Kindern und Jugendlichen, die auch dank unserer (selbst nicht ganz dichten) Regierung zu echten Volkskrankheiten werden. Kennt sich aber auch mit den richtig Bekloppten aus: Bei ihrer Arbeit für ein Berliner Betreuungsbüro hat sie es mit waschechten Aluhüten zu tun – denen, die Stimmen hören und denken, die Aliens oder CIA wären hinter ihnen her. Und dann ist sie zu allem Übel auch noch unter Grünen, Hippies und Linksextremisten in Berlin-Kreuzberg aufgewachsen, über deren Wahnsinn sie sich besonders leidenschaftlich bei Apollo aufregt.


 


Wer ist wirklich überrascht über den Vertrauensverlust in die Politik?

Von Sebastian Thormann | Seit Jahren schon reden die Medien darüber, dass immer mehr Deutsche das Vertrauen in die Politik verlieren. Man grübelt über die Ursachen – von Globalisierung, dem schlechten Einfluss Sozialer Medien und Politikverdrossenheit hört man alles Mögliche. Dabei sind die vergangenen zwei Corona-Jahre ein Paradebeispiel dafür, wieso immer mehr Menschen unseren Institutionen misstrauen: Nämlich, wenn diejenigen, die uns regieren, das eine sagen und sich dann Wochen später umdrehen und etwas völlig anderes tun.

Während der Pandemie haben wir beobachten können, wie die Verschwörungstheorien von gestern der Regierungsstandpunkt von heute wurden. 

Zu Beginn galt es noch als Panikmache, sich Sorgen um das Corona-Virus zu machen, wegen dem in China ganze Städte abgeriegelt wurden. Maskenträger wurden vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk verspottet und die Bundesregierung erklärte zukünftige Einschränkungen des öffentlichen Lebens zu „Fake News“. Binnen Wochen war all das Realität. 

Nun gut, über COVID-19 war zunächst kaum etwas bekannt, man hatte sich eben geirrt und hat dann sein Handeln angepasst, kann man jetzt sagen – und da ist etwas dran, so eine Pandemie haben wir schließlich nicht alle paar Jahre. Jetzt wissen wir allerdings weit mehr über das Virus – es geht nun schon das zweite Corona-Jahr zu Ende. Wie kann es da sein, dass alle möglichen Beteuerungen und Versprechen innerhalb von Wochen wertlos sind?

Noch im Juni 2021 sagte etwa Kanzleramtsminister Helge Braun: „Wenn wir jedem in Deutschland ein Impfangebot gemacht haben, dann können wir zur Normalität in allen Bereichen zurückkehren.“ Er versprach in diesem Fall nicht etwa eine halbe Rückkehr, sondern eine Rückkehr zur Normalität im „vollen Umfang“. „Alle Einschränkungen“ würden fallen. Davon sind wir weit entfernt. Stattdessen gibt es einen Lockdown für Ungeimpfte und auch für den Rest gelten bereits die ersten Regeln auf dem Weg zum Lockdown, etwa in Bayern. Ministerpräsident Söder hatte dort noch vor drei Monaten noch eine „eine neue Form von Freiheit“ angekündigt und versichert, es werde „definitiv keinen Lockdown mehr geben oder Beschränkungen, wie wir sie hatten“.

Söder ist es auch derjenige, der wohl den Rekord für die schnellste 180-Grad-Wende hält. Innerhalb von zwei Wochen schaffte er es, seine Ansichten zur Impfpflicht auf den Kopf zu stellen. Am 8. November schloss er eine allgemeine Impfpflicht noch aus, auf den Tag genau 14 Tage später forderte er dann explizit eine solche. Niemand kann einem erzählen, dass sich der Wissenstand zu Impfungen innerhalb dieser zwei Wochen geändert hat, aber dennoch hat sich seine Position geändert – und das war nicht das erste Mal. Bereits vor einem Jahr hatte er eine Impfpflicht ins Spiel gebracht und dann wieder verworfen, nachdem er feststellte, dass es „keine Mehrheit dafür“ gäbe. Damals erklärte Söder: „Das gilt es auch einfach zu respektieren. Es ist auch ein starker Grundrechtseingriff.“

Wenn die Politik also wieder Vertrauen zurückgewinnen will, wäre sie gut damit beraten, sich vielleicht wenigstens für sechs Monate an das zu halten, was man zuvor kategorisch festgelegt hat. Denn wenn einige der größten „Fake News“ während der Pandemie von offizieller Seite stammen und Irre aus den entferntesten Ecken des Internets derweil teilweise als Propheten dastehen, wäre das für Politiker doch Anlass, einmal den eigenen Umgang mit der Öffentlichkeit zu reflektieren.


Sebastian Thormann (*2000) ist Student aus Passau und Chef vom Dienst des Jugendmagazins Apollo News. Er schreibt vor allem über US- und Außenpolitik. Er publiziert auch in amerikanischen Medien, so z.B. Lone Conservative und Washington Examiner.


 


Apollo Videobotschaft: Schluss mit dem Lockdown-Gejammer!

Seit über anderthalb Jahren schlittern wir in Deutschland von Lockdown zu Lockdown. Und immer hören wir dieselbe Leier: Die Jugend vereinsamt und wird immer depressiver, sie hängt nur vor dem Bildschirm und verblödet in der Isolation. Wir von Apollo haben genug von dieser Unterstellung. Bei uns jammert niemand! Wir hatten eine richtig gute Zeit – mit Vodka unter der Dusche.

Hier ist unser Statement im Video.


Rapunzel neu verfilmt – nur deprimierender und ohne Glitzer

Von Selma Green | Rapunzel war eine meiner Lieblingsprinzessinnen. Ich wollte früher wie sie sein. Das hat auch fast geklappt. Wie sie in ihren Turm, wurde ich in mein Zimmer gesperrt. Wussten Sie, dass Rapunzel in der Disney-Verfilmung die Prinzessin von einem Königreich namens Corona ist? Ist wirklich wahr, Sie können es googeln, wenn Sie mir nicht glauben. Und der Film wurde schon 2010 gedreht! Und da soll noch mal jemand sagen, Disney sei weltfremd. Nur anders als bei Rapunzel bescherte mir der Lockdown haufenweise Hausaufgaben, Augenringe, fehlende soziale Kontakte und blasse Haut. Ich hatte etwas zu viel Zeit im Lockdown und entdeckte meine Leidenschaft für’s Backen – Hefezöpfe, Brötchen, ein Erdbeerkuchen, zwei oder drei New York-Cheesecakes, Cupcakes mit Frosting und ein paar Macarons füllten unseren Kühlschrank aus.

Im zweiten Lockdown beschäftigte ich mich mit Schminken, insbesondere meiner Augen. Ich probierte Eyeshadow und Eyeliner in den verschiedensten Farbkombinationen und Formen aus. Glauben sie’s mir oder nicht – ich wurde wieder rassistisch diskriminiert. Nach stundenlanger, harter Arbeit des Auftragens vom Eyeshadow sah ich in den Spiegel: Mein Lid, auf das ich fast alle Farben meiner Palette ausgekippt hatte, sah genauso aus wie das Lid ohne Lidschatten. Ich mag hoch pigmentiert sein, meine Schminke ist es jedenfalls nicht. Aus Rache verbannte ich die rassistische Farbpalette in meinen Schrank, wo sie nun einstaubt.

Auch wenn mich meine Bemühungen als Bäckerin und Schminkprofi ablenkten, machte mich die Coronapolitik wütend. Aus der Schule gerissen und in einen Lockdown gesteckt, mussten wir uns Themen selbst erarbeiten. Es kam kein Prinz und auch kein Lehrer, der uns dabei half. Mit dem Stoff lag meine Klasse in den meisten Fächern zurück. Die Plattform, auf der alle Aufgaben von den Lehrern für die Schüler hochgeladen wurden, stürzte alle zwei bis drei Tage ab. Selbst für Streber wie mich war es kaum möglich, die Lösungen rechtzeitig abzugeben. In Berlin investierte man lieber in grüne Projekte, als in einen funktionierenden Online-Unterricht. Naja, wer braucht schon Bildung in einer Welt, in der es Pop-up-Radwege gibt?

Nicht Corona, sondern die Maßnahmen machen mich krank.

Als würde man mit uns Schülern Mühle spielen, wurden wir hin und her geschoben: vom Lockdown zum Präsenzunterricht zum normalen Unterricht zum Hybridmodell und am Ende wieder in einen Lockdown. Auf die Idee, uns in der Schule zu testen und Luftfilter zu besorgen, kam man erst nach anderthalb Jahren Corona. Schüler sind keine Risikogruppe, warum dieses Rumgeeiere mit den Maßnahmen?
Wir sitzen jetzt mit Luftfilter im Rücken und Teststäbchen in der Nase im Unterricht und sollen brav unsere Masken tragen. Durch die offenen Fenster nimmt der Klassenraum Kühlschranktemperaturen an. Ich sitze dann mit in einem Schal eingewickelten Beinen, Winterjacke, Handschuhen und Maske im Unterricht. „So, jetzt entspricht mein Aussehen endgültig dem eines Obdachlosen”, denke ich mir dabei. Von der Maske wird mir regelmäßig schlecht und von den Coronatests bekomme ich Nasenbluten. Nicht Corona, sondern die Maßnahmen machen mich krank.

In der Coronapolitik stehen wir Schüler an letzter Stelle. Man machte sich keinerlei Gedanken über einen funktionierenden Online-Unterricht und schickte uns in mehrere Lockdowns. Genauso wenig scherte man sich darum, uns einen normalen Schulalltag genießen zu lassen.
Es gelten nutzlose Maßnahmen und Druck durch Moralkeulen wie: die Jugendlichen müssten die Alten schützen. Am Anfang verstand ich das. Jetzt, da es eine Impfung gibt und ich mich regelmäßig teste, kann ich die vielen Einschränkungen nicht mehr nachvollziehen. Ich will als Jugendliche, genauso wie Rapunzel, etwas außerhalb meiner vier Wände entdecken. Ich möchte nach Malle fliegen, mit Spaniern flirten und in der Schule ohne Maske und Frieren Unterricht haben.


Selma Green, 2006 geboren und Schülerin eines Berliner Gymnasiums. Hat die Nase voll von der Klimawandel- und Coronapanikmache in der Schule und schreibt über die linken Mitschüler und Lehrer, gelegentlich über ihr Moped. Möchte Jura studieren und viel Geld als Chefin einer Anwaltskanzlei verdienen.


 


Willensbrecherpolitik statt Wellenbrecherpolitik

Von Jonas Aston | Eigentlich wollte ich mich Ende des Sommers gegen Corona impfen lassen. Nicht aus persönlichen gesundheitlichen Gründen, sondern vor allem, um meine Großeltern zu schützen. Eine Impfung verhindere das Risiko der Infektion und Übertragung, so hieß es. Dies stellte sich als Märchen heraus. Das Risiko der Infektion und Übertragung ist bestenfalls marginal geringer. Mit steigender Impfquote werden die Freiheiten steigen, so hieß es. Für mich als Ungeimpten stellte sich das genaue Gegenteil heraus. Die Einführung einer Impfpflicht werde es nicht geben. Auch nicht durch die Hintertür. Personen, die dies behaupteten, seien Verschwörungstheoretiker und würden „böswillige Unterstellungen“ verbreiten, so hieß es. Ein weiteres Märchen. Inzwischen sind wir von Verkündung einer allgemeinen Impfpflicht nur noch eine Ministerpräsidentenkonferenz entfernt.

Ich möchte nicht Teil eines Systems sein, in dem entrechtet wird, wer sich dem staatlichen Willen nicht fügt, auch nicht mittelbar durch eine Impfung.

In der Impfdebatte wird das Narrativ von den solidarischen Geimpften und den egoistischen Ungeimpften gesetzt. Meine Entscheidung, mich nicht impfen zu lassen, fiel am 10.08.2021. An diesem Tag wurde verkündet, dass die Tests kostenpflichtig werden. Fortan hieß es nicht mehr impfen für die Gesundheit, sondern impfen für den Geldbeutel, impfen für Rechte, impfen für die Freiheit. Ich stehe hinter dem Ziel, Corona zu bekämpfen, aber nicht hinter den Methoden. Die Impfung wird zu einem Akt der Gehorsamkeit hochstilisiert, der über gut und böse entscheidet. Meine Angst vor dem Staat ist mittlerweile viel größer als die vor Corona. Ich möchte nicht Teil eines Systems sein, in dem entrechtet wird, wer sich dem staatlichen Willen nicht fügt, auch nicht mittelbar durch eine Impfung.

Markus Söder sagte kürzlich, er freue sich über jeden, der sich impfen ließe, ihn könne man dann in der „Gemeinschaft willkommen heißen“. Bisher bin ich davon ausgegangen, durch meinen Nationalpass einer Gemeinschaft anzugehören. Doch ohne Impfpass bin ich anscheinend ein Aussätziger. Dies spüre ich auch jeden Tag. Der Alltag gleicht einem Spießrutenlauf. Mit der S-Bahn benötige ich fünf Minuten bis zur Uni. Der 3G-Regel sei Dank benötige ich nun 25 Minuten – zu Fuß. Den ÖPNV kann ich faktisch nicht mehr nutzen und das, obwohl mein Semesterbeitrag zu einem nicht unerheblichen Teil in ein Bahnticket fließt. An der Uni angekommen, heißt es dann testen. Erst anstellen und dann noch einmal 15 Minuten auf das Ergebnis warten. Wird man in einer Vorlesung ohne 3G-Nachweis „erwischt“, droht laut Uni-Website ein Bußgeld von bis zu 25.000€. In den Semesterferien habe ich ein Gerichtspraktikum absolviert. Dort wurde ein Mann wegen Körperverletzung verurteilt – zu einer Geldstrafe von 10.000€. Abseits der Uni und von Supermärkten wird Deutschland für mich zum Freiluftgefängnis erklärt. Ich komme zwar raus – jedoch nirgendwo rein. Dies gilt aber auch nur von 5 bis 22 Uhr. Dann gilt die Ausgangssperre und selbst die Freiluft fällt weg.

Ebenso belastend sind die Unsicherheiten, mit denen man zu kämpfen hat. Wer garantiert mir, dass die Tests von meiner Uni weiterhin gestellt werden müssen? Wer garantiert mir, dass meine Uni nicht auf 2G umstellt? Leben und Schicksal hängen vom erlauchten Kreis der Ministerpräsidentenkonferenz ab. Ich würde gerne ein Auslandssemester machen. Dafür benötige ich jedoch ein Empfehlungsschreiben meines Dozenten. Dieser ist bisher nicht durch besondere Toleranz gegenüber Ungeimpften aufgefallen. Erhält er Kenntnis über meinen Impfstatus (diesen darf er abfragen), kann ich mir eine gute Note und das Empfehlungsschreiben abschminken.

Der Druck, sich impfen zu lassen, wird mit jedem Tag größer. Wenn Weltärztepräsident Montgomery von einer „Tyrannei der Ungeimpften“ spricht, dann spricht aus seinem Munde der pure Hass. Dass in einem System, in dem per Mehrheitsentscheid regiert wird, eine Minderheit tyrannisieren könnte, erscheint mir absurd. Ich halte es da eher mit Tocqueville, der die „Tyrannei der Mehrheit“ als die große Gefahr der Demokratie bezeichnet hat.

Ich habe das Gefühl, dass es Gesellschaft und Politik nicht darum geht Wellen, sondern Willen zu brechen. Ich musste in den letzten Tagen oft an Orwells „1984“ denken. Im dritten und letzten Teil landet die Hauptfigur Winston Smith als politischer Gefangener im Ministerium für Liebe. Dort wird er mit grausamen Methoden umerzogen und sein Widerstand gegen das autoritäre System gebrochen. Am Ende liebte er den großen Bruder. Dieser personifizierte den Staat. Heute gibt es keine politischen Gefangenen. Nur außergewöhnlich viele Menschen, die wegen Urkundenfälschung verurteilt werden. Ein Ministerium für Liebe gibt es auch nicht. Doch im Alltag spürt man in jeder Minute seine Andersartigkeit und den Druck, der auf einem lastet. Die Impfung ist dann das einzig legitime Bekenntnis, sich des kollektiven Ziels der Bekämpfung des Virus zu verschreiben. Zugleich ist sie Erlösung, nach der man in der „Gemeinschaft“ wieder „willkommen geheißen“ wird.

Neulich saß ich in einer Grundrechtsvorlesung. Unser Professor führte wortgewaltig über den Allgemeinen Gleichheitsgrundsatz aus. Dieser sei das Fundament, auf dem die westliche Welt stehe, meinte er. Seit der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung sei der Mensch „born equal“. Er werde gleich geboren. Deswegen stünden jedem Bürger sämtliche Menschen- und Grundrechte von Geburt an zu – durch seine schlichte Existenz, ohne weitere Voraussetzungen. Zehn Minuten vorher wurde einem Kommilitonen der Zutritt zur Vorlesung verwehrt. Er konnte keinen 3G-Nachweis vorbringen. Entweder bin ich verrückt oder hier läuft etwas gewaltig schief.


Jonas Aston, 20 Jahre alt, Student der Rechtswissenschaften in Jena. Hofft darauf später als Richter Regierungsgesetze für verfassungswidrig erklären zu dürfen. Treibt Kommilitonen mit seinem ewiggestrigen Geschwätz zur Weißglut. Schreibt über Politik, Recht und Gesellschaft.



Wie war das nochmal? Damals vor Corona?

Von Gesche Javelin | Vorweihnachtszeit 2019 – es ist erst zwei Jahre her, fühlt sich aber an wie ein völlig anderes Leben. Man hat sich persönlich getroffen, einfach so, im realen Leben. Ohne darüber nachzudenken, ob man gleich eine Ordnungswidrigkeit kassiert, weil man sich nicht an die Corona-Regeln hält. Heiserkeit, Schniefnase und Husten hin oder her.

Vor genau zwei Jahren lief ich quatschend mit meinem fünf Freunden durch die Europa-Passage. Wir lachten und freuten uns schon auf den Weihnachtsmarkt, auf den wir geradewegs zusteuerten. Im Vorbeigehen sahen wir einen Ständer mit Hüten – ob die uns wohl stehen würden? Ich blieb stehen, setzte einen besonders opulenten Hut auf und posierte albernd mit meinen Freundinnen, bis wir die Hüte lachend wieder zurücklegten. Ein paar Meter weiter kam mir schon der köstliche Geruch von gebrannten Mandeln und das Gedudel der Weihnachtslieder entgegen.
Voller Vorfreude drängten wir uns in die Menschenmassen. Mir lief schon das Wasser im Mund zusammen. Also schnell zu den gebrannten Mandeln und, nicht zu vergessen, zum Schmalzgebäck.

Nachdem wir die schier endlose Schlange überwunden hatten, kuschelten wir uns dicht aneinander gedrängt in eine Ecke und genossen unsere reichliche Beute. Die Tüten wurden herumgereicht und jeder aß beim Anderen mit, bis wir nicht mehr konnten.
Kurz darauf hetzten wir zum Bahnhof, um in letzter Minute in die Bahn zu springen. Schwer atmend quetschen wir uns auf einen Vierer-Sitz. In der Bahn war es brechend voll – die Menschen standen dicht gedrängt beieinander. Kaum zu glauben, dass der Vierer-Platz noch frei war. Um uns herum erfüllten Quatschen und Lachen, Kindergeschrei, Tütenknistern und viel zu laute Kopfhörer-Musik den Waggon.

Heute scheint mir diese Erinnerung völlig fremd. Die Straßen sind zwar immer noch voll, aber von der vorweihnachtlichen Fröhlichkeit und Leichtigkeit ist kaum noch etwas zu spüren. Stattdessen herrschen Abstand, Angst und Masken. In ein Geschäft und auf den Weihnachtsmarkt kommst du nur noch mit QR-Code, der deinen „G-Status“ nachweist. Ach ja, und – fast hätte ich es vergessen – die Maske muss hier natürlich auch getragen werden. Die Dinger kann man sich ja gar nicht mehr wegdenken, auch wenn ich aus gesundheitlichen Gründen selbst keine tragen kann.

Ist das schon das neue „normal“?
Ich beobachte mit Erschrecken, dass es mir immer unbekannter wird, wie mein Leben früher einmal war. Es scheint so fremd, dass ich im ersten Moment richtig verwirrt bin, wenn ich in einem Film Menschen ohne Maske und Abstand im Supermarkt sehe. Freunde wollen sich nicht mehr umarmen, manche nichtmal mehr treffen: Geimpft vs. ungeimpft ist der neuste Trennungsgrund. Derweil heißt der Werbeslogan für Weihnachten 2021: „Weiße Weihnachten auch im Gesicht. Für jeden fünf FFP2 Masken.“

Das Absurde wird normal und das Normale immer absurder. Manchmal frage ich mich, wo das noch enden soll. Wird die Welt irgendwann wieder normaler? Kann ich irgendwann wieder, mit Heiserkeit und einer wetterbedingten Schniefnase durch die Gegend laufen, ohne Angst haben zu müssen, schräg angeguckt oder gemieden zu werden? Ich hoffe es.


Gesche Javelin, im Jahr 2005 geboren, ist froh, wenn sie 2024 die Schule verlassen kann. Träumt davon die Welt zu bereisen, ihren eigenen Reiseblog zu starten und eine bessere und vor allem freiere Zukunftsversion zu erschaffen. Liebt gute Bücher und offenen Diskurs, der leider auch immer mehr zu einem Traum wird. Sammelt Stifte und schreibt gerne über gesellschaftliche Themen, wie zum Beispiel die Schule und den Umgang mit uns Jugendlichen.



So, wir übernehmen jetzt – Apollo News gestaltet heute Tichys Einblick Online

Von Redaktion | In eigener Sache: Wir haben uns heute mal erlaubt, die TE-Online Seite zu übernehmen. Wir finden, wir das haben verdient, wo wir doch jetzt schon wieder in den Lockdown verfrachtet wurden. 
Eigentlich hatten wir für dieses Wochenende eine dreitägige Veranstaltung in Berlin geplant – um unsere TE-Jungautoren zu trainieren und auszubilden. Daraus wurde nichts – die spontanen Eingebungen des Berliner Senats machten Reisen für Nicht-Geimpfte in die Hauptstadt quasi unmöglich. Wir haben uns dazu entschieden, keine Veranstaltung durchzuführen, bei der nicht alle unsere Leute dabei sein können.

Darum haben wir jetzt den Cyber-Angriff gestartet. Auf Zoom spielen wir Redaktionskonferenz, auf Tichys Einblick veröffentlichen wir, was dabei bereits zu Stande gekommen ist. Alles unter der Aufsicht von der echten TE-Konferenz, versteht sich. 

Hier die Artikel, die wir bisher schon veröffentlicht haben:

Heute schreibt hier die Jugend!
Von Max Mannhart

Transsexuellengesetz: Wie die Ampel die Gesundheit von Kindern aufs Spiel setzt
Von Pauline Schwarz

Ärztepräsident Montgomery fordert Impfpflicht für Kinder – „Wir impfen 98 Prozent der Neugeborenen“ 
Von Benjamin Bugante

„Menschen ohne Penis“ oder: Der Sexismus des Missoirs
Von Elisa David 

Bei über zwei Dritteln der gemeldeten ungeimpften Infizierten ist der Impfstatus unbekannt
Von Michael Friese

In Wien verhandelt der Westen über einen neuen Iran-Deal – und knickt erneut vor Teheran ein
Von Sebastian Thormann

NRW-Justizminister fordert Berufsverbot für Ungeimpfte
Von Max Roland

Der Willensbrecherlockdown: Die totale Gemeinschaft kennt kein Pardon mehr
Von Jonas Aston

Massive Proteste gegen Impfpflicht in Wien
Von Jerome May und Max Zimmermann

Stiko-Chef positioniert sich gegen Impfpflicht
Von Benjamin Bugante