Archiv: November 7, 2021

Nicht ohne mein Auto. Jetzt erst recht nicht.

Von Larissa Fußer | „In Berlin braucht man doch kein Auto!“, sagt eine Kommilitonin zu mir. Zusammen mit ein paar anderen Studenten guckt sie mich irritiert bis streng an. Ich hatte angeboten, meine Kollegen ein Stück mit meinem kleinen Flitzer mitzunehmen. Unsere Uni verteilt sich auf drei Standorte, manchmal müssen wir am selben Tag zwischen den verschiedenen Campus wechseln. Ein junger Mann mit Häkelmütze schnaubt – ob es ein Lachen oder ein Zeichen der Ablehnung war, kann ich durch seine Maske nicht erkennen. „Ich fahre viel lieber Fahrrad“, sagt er – die anderen stimmen ihm betont nickend zu. „Auch bei Regen und Schnee?“, frage ich. „Ja klar, auch bei Regen“, sagt der Anfang dreißigjährige Familienvater, der auf den letzten Drücker noch Hautarzt werden möchte, und erklärt: „Ich habe mir erst neulich neue Regenklamotten gekauft, das geht klar. Nur bei Schnee ist es kritisch – da fahre ich dann U-Bahn.“ Allgemein zustimmendes Gemurmel. „Wohnst du so weit weg?“, fragt mich eine blonde Studentin und guckt mich an, als sei das der einzige legitime Grund, in Berlin ein Auto zu besitzen. „Nö“, antworte ich. „Ich fahre einfach gern Auto. Ich mag es, bei Regen überall trocken hinzukommen und bei Kälte meine Autoheizung anmachen zu können. Außerdem wohne ich in einer Gegend, in der man nachts lieber nicht ohne Auto unterwegs ist.“ Allgemeine Stille. Themenwechsel.

Als Studentin, die nicht auf der links-grünen Welle mitreitet und dadurch eh öfter unter Gleichaltrigen aneckt, bin ich so ein Gemecker schon gewohnt. Gerade als junger Mensch wird man in der Hauptstadt gerne mal schräg angeguckt, wenn man erzählt, dass man mit dem Auto gekommen ist. Manchmal blitzt auch etwas Verachtung in den Augen eines Gesprächspartners auf. Ich wurde schon mal von einem Studenten gefragt, ob ich etwa zu diesen „Klimaleugnern“ gehöre. Denn wie sonst, hat er sich wohl gedacht, könnte ich es mit meinem Gewissen vereinbaren, rücksichtslos Abgase in die Luft zu ballern.

Das ganze grüne Gehabe wäre mir ja ziemlich egal, gäbe es nicht ein Problem: der Autohass hat in Berlin inzwischen System. Schon seit Jahren wird hier unter der Rot-Rot-Grünen Regierung Autofahren immer drastischer erschwert. Eine Zeit lang ging das nur schleichend voran: Hier wurde mal eine 30er-Zone errichtet, da ein Radweg vom Gehsteig auf die Straße verlegt. Doch seit Beginn der Corona-Pandemie haben die Autohasser im Berliner Senat bei ihrem augenscheinlichen Plan, Autofahrer aus Berlin zu verdrängen, drei Gänge hochgeschaltet.

Als ich nach dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 endlich mal wieder länger durch die Stadt cruiste, habe ich meinen Augen nicht getraut: Plötzlich waren auf vielen zwei- bis dreispurigen Hauptstraßen dicht hintereinander Baustellenabsperrungen platziert worden – über lange Strecken machten diese eine Autospur unbefahrbar. Die Berliner Politik hatte in einer man kann schon sagen Guerilla-Aktion die berüchtigten Pop-up-Radwege geschaffen. Oft war auf dreispurigen Straßen zusätzlich eine zweite Spur durch eine Baustelle blockiert. Resultat: Aus großen Hauptstraßen, auf denen Autos je nach individueller Angst vor Blitzern zwischen 50 und 70 km/h gefahren waren, sind nun ständig zugestaute Schneckenwege geworden.

Abgesehen von dem seitdem garantiert signifikant gestiegenen Blutdruck bei Autofahrern, hat sich schnell ein anderes, im Zweifelsfall lebensbedrohliches, Problem gezeigt: Die neuen Straßen sind so eng, dass es absolut unmöglich geworden ist, Rettungsgassen für Krankenwägen zu bilden. Bis heute passiert es mir immer wieder, dass ich in einer dieser verunstaltet engen Straßen stehe, von hinten einen Krankentransport kommen höre und mich einfach nicht bewegen kann. Links das Baugitter aus Metall, rechts der Pop-up-Radweg, der inzwischen mit Pollern und anderen massiven Begrenzungen derartig fest installiert ist, dass ein Auto auch im Notfall nicht auf sie fahren kann. Ich will nicht wissen, wie viele Krankenwägen wegen dieser unmöglichen Straßenführung schon zu spät zum Verletzten oder ins Krankenhaus gekommen sind. Bekanntlich zählt bei Notfalleinsätzen manchmal jede Sekunde, um einen Patienten am Leben halten zu können.
Doch die Hauptstraßen sind nicht das einzige Kampfgebiet der Auto-Gegner. In mehreren Bezirken in Berlin sieht man inzwischen mitten auf Kreuzungen oder am Anfang von kleinen Straßen Metall-Poller stehen. Immer mehr Straßen werden dadurch unbefahrbar gemacht. Bei mir in der Nähe gibt es eine Straße, die durch so einen Poller plötzlich zur Fußgängerzone gemacht wurde. Seitdem stehen da Tischtennisplatten, auf denen nie jemand Tischtennis spielt und Bänke, die meistens von Obdachlosen belegt sind. Ein paar Meter weiter kann man bewundern, wie die Berliner Politik systematisch Parkplätze reduziert und damit Autofahrer zwingt, entweder weiter weg zu parken oder ordentlich Kohle für die Begleichung von Strafzetteln auszugeben.

In einigen Berliner Straßen, auch bei mir um die Ecke, sind inzwischen meterlange Blumenkübel auf Parkplätzen errichtet worden, die keine andere Funktion haben, als dort Parken unmöglich zu machen. Anderswo blockieren zunehmend Holzbänke, große Steine, Fahrradständer und vieles mehr die Parkplätze – die Liste der Parkplatz-„Verschönerungen“ ist lang.
Diese massiven Eingriffe in die Straßenführung und den Verkehr durch die Politik sind in den letzten anderthalb Jahren so dreist geworden, dass ich vor zwei Monaten noch eine gewisse Hoffnung hatte, dass die Berliner endlich genug vom Autohasser-Terror ihrer Rot-Rot-Grünen Regierung haben und ihr Kreuz bei der Landtagswahl im Oktober 2021 bei einer autofreundlicheren Partei setzen. Doch Pustekuchen – SPD, Grüne und Linke haben zusammen wieder 54 Prozent der Zweitstimmen bekommen und können damit weiter regieren.

Die Berliner Autofahrer können sich also darauf einstellen, noch mehr Wutanfälle in ihren mobilen vier Wänden zu bekommen. Denn natürlich schreiben sich die Regierungsparteien den Kampf gegen das Auto auch in der neuen Legislaturperiode auf die Fahne. Sie selbst nennen das natürlich anders – im aktuellen Sondierungspapier des neu gewählten Senats haben sich SPD, Grüne und Linke zum Beispiel „zu einer gerechten Verteilung der Flächen des öffentlichen Raumes“ bekannt. Ebenso wollen sie unter anderem das Berliner Mobilitätsgesetz unterstützen. Klingt erst einmal gar nicht so wild – aber dieses 2018 durch das Abgeordnetenhaus von Berlin beschlossene Gesetz besagt nicht weniger, als dass in Zukunft bei der Verkehrsplanung Fahrräder und öffentliche Verkehrsmittel vorrangig vor dem Autoverkehr behandelt werden müssen.

Welche konkreten Verkehrsmaßnahmen die neue Berliner Regierung beschließen wird, ist noch offen. Guckt man sich aber die Wahlprogramme an, mit denen unsere Regierungsparteien zur Landtagswahl angetreten sind, kriegt man das Gruseln. Grüne und Linke schämen sich nicht, offen anzukündigen, dass sie bis 2030 komplett den Benziner (und damit auch meinen treuen täglichen Begleiter) aus Berlin verbannen wollen. Die Linken planen das umzusetzen, indem ab 2030 keine Verbrenner mehr zugelassen werden sollen (entsprechend dürften die Besitzer eines Verbrenner-Autos dieses aber noch weiter fahren). Das ist den Grünen zu nett – sie wollen ab 2030 einfach sämtliche Verbrenner in der Innenstadt verbieten, ab 2035 sollen in ganz Berlin keine Verbrenner mehr erlaubt sein. 2030 – das ist schon in neun Jahren. Da bin ich gerade mal mit meiner Facharztausbildung fertig. Ich werde zur Arbeit und, wer weiß, vielleicht irgendwann mal meine Kinder zur Schule fahren müssen. Das soll ich laut den Grünen Diktatoren dann mit Fahrrad und Öffis machen. Den Teufel werd ich tun, schutzlos als Frau durch die immer gefährlicheren und versiffteren Straßen Berlins zu fahren – da müssen sie mich schon abholen und auf einem E-Bike festbinden. 

Und was ist mit dem Wahlsieger, der Giffey-Partei? Im Wahlprogramm der SPD liest man angenehm wenig irre Verkehrspläne, ein Bekenntnis zum Verbrenner oder Autos allgemein fehlt aber auch. Bedeutet: Die zukünftige Verkehrspolitik in Berlin ist wahrscheinlich davon abhängig, wie gut sich Grüne und Linke mit ihren radikalen Forderungen gegen eine indifferent wirkende SPD durchsetzen können. Wetten werden angenommen. Ich überlege indessen, einen Unternehmen aufzubauen, das Stressbälle, Aggression- Bewältigungs-Musik und Boxsäcke speziell für Autofahrer vertreibt. Wer weiß, vielleicht kann ich mir mit meinen Einnahmen ja dann irgendwann einen Helikopter leisten, von dem ich genüsslich meinen Arztkollegen auf dem Lastenfahrrad zuwinken kann.


Öffi-Hölle Berlin: Gewalt, Gestank, Gedränge – es gibt 1.000 gute Gründe, die Öffis zu hassen

Von Pauline Schwarz | Wenn man sich dicht gedrängt und hektisch an fremden Menschen vorbeiquetschen muss, im Hintergrund jemand lauthals durch die Gegend schreit und man im Slalom schlafenden Obdachlosen ausweicht, während einem der süße Geruch von Urin und Erbrochenem um die gerümpfte Nase weht, ist man weder in einem Slum in Indien noch in einem Ghetto in Kambodscha – man ist mitten in der Berliner Innenstadt. Genauer gesagt: In einem der zahlreichen öffentlichen Verkehrsmittel, die uns die grünen Autohasser nur allzu gerne schmackhaft machen möchten. Wir sollen auf das gemütliche und gepflegte Herumtuckern im eigenen Auto verzichten, um uns in der Öffi-Hölle durchzuschlagen. Dabei gibt es neben dem schlichten Komfort, der Zeitersparnis und der Freiheit, die einem das eigene Auto bietet, mehr als tausend gute Gründe, die Öffentlichen Verkehrsmittel schon für sich zu hassen. Ich bin die längste Zeit meines Lebens mit den Öffis gefahren – heute würde ich freiwillig keinen Fuß mehr in eine U- oder S-Bahn setzen.

Achselgeruch und Gegrapsche im Bus zur Schule

Als waschechter, rundum links-grün sozialisierter Kreuzberger Zögling, bin ich schon als Schülerin lieber mit dem Fahrrad zur Schule gefahren, als auf den ollen BVG-Bus zu warten – und das wäre wahrscheinlich auch so geblieben, wenn mir nicht plötzlich die Pubertät dazwischengefunkt hätte. Fahrradfahren zerstört die Frisur und ist anstrengend, Schweißflecken und Körpergeruch konnte ich aber bei Gott nicht riskieren, deswegen stieg ich der Schönheit zuliebe doch lieber in das dicke gelbe Ungetüm – zumindest, wenn ich reingekommen bin. Die Kreuzberger Buslinie, in die ich mich jeden Morgen mit Gewalt und Anlauf quetschte, hielt an den letzten fünf Haltestellen häufig überhaupt nicht mehr an. Denn jedes Mal, wenn sich die Tür öffnete, purzelten Kinder heraus. Zumindest ein Gutes hatte es aber doch: war man erstmal im Bus, musste man sich wenigstens nicht festhalten, die Masse hielt einen statisch an Ort und Stelle – Umfallen einfach unmöglich. Während ich so feststeckte, amüsierte ich mich – fies und klein, wie ich nun mal war – über die Leute, die mit Koffern an der Bushaltestelle Richtung Ostbahnhof standen und mit offenem Mund oder vor Zorn geröteten Gesichtern dem vorbei rasenden Bus hinterher sahen und schimpften.

Leider war ich damals nicht nur ein Grünschnabel, sondern auch körperlich ziemlich klein und mit meinem Gesicht deshalb zielgenau auf Mundgeruch und Achselhöhe der mehrheitlich türkischen, pubertierenden Jungs, die einem mit ihrem jugendlichen Moschus nicht nur halb erstickten, sondern auch ganz gerne schubsten und ab und an zum Beweis ihrer Männlichkeit an den Hintern langten. Als kleiner Kreuzberger Pöbel wollte ich das damals nicht auf mir sitzen lassen und riskierte in meinem jugendlichen Übermut mehr als einmal ein blaues Auge. Ich warf dem Übeltäter und seinen fünf bis sechs Freunden jedes nur erdenkliche Schimpfwort an den Kopf, das ich mal irgendwo aufgeschnappt hatte. Ich habe wirklich Glück gehabt, dass ich mir von den leicht reizbaren (und immer „Stress“ bereiten) Gruppen nie eine eingefangen habe – Freunden von mir erging es da wegen weniger schon ganz anders.

Obdachlose und Junkies in den U-Bahnhöfen

Trotzdem ist eine Busfahrt in Berlin (meist) vergleichsweise harmlos. Richtig übel wird es erst, wenn man sich dem U- und S-Bahnfahren nicht mehr entziehen kann. Gerade in Kreuzberg sind die Bahnhöfe eine Katastrophe. Am Moritzplatz etwa schliefen im großen Durchgangsbereich jedes Jahr im Winter zwanzig bis dreißig Obdachlose, die es sich mit Matratzen, Schlafsäcken und ihren Einkaufswägen inmitten von tonnenweise Müll und Fäkalien richtig gemütlich gemacht hatten. Man kann sich vielleicht vorstellen, dass es nicht nur bestialisch stank, sondern verdammt bedrohlich war. Ich hatte als junges Mädchen große Angst, mich allein an den häufig sturzbesoffenen, teils völlig psychotischen Männern vorbei zu stehlen. Zumal die Anwohner sich zu dieser Zeit erzählten, dass in kurzer Zeit gleich zwei junge Frauen in dem U-Bahnhof vergewaltigt worden waren.  

Die Alternativen waren aber leider auch nicht besser. Rund um den Bahnhof am Kottbusser Tor sammelte sich schon immer die traurige Resterampe der Gesellschaft. Als ich klein war, gab es direkt am Kotti noch einen Drogenstrich, an dem Tag und Nacht völlig heruntergekommene Prostituierte – die vermutlich selbst süchtig waren und ihren Körper für Drogen anboten – auf ihre Freier warteten. Aber auch nachdem dieser verschwunden war, wurde auf der Straße und im U-Bahnhof kräftig weiter gedealt und offen konsumiert: Haschisch, Speed, Benzos, Kokain und Heroin – alles, was das Junkie-Herz begehrt. An jeder Ecke humpelten oder saßen obdachlose Süchtige mit offenen, suppenden Verletzungen an Armen und Beinen, mit völlig schief geheilten Brüchen, fehlenden Zähnen und blauen Augen. Es gab Tage, an denen ich schwarzfahren musste, weil vor dem BVG-Automat gerade ein Junkie sein Heroin auf einem Löffel kochte oder ein anderer wutentbrannt mit den Stimmen in seinem Kopf diskutierte.

Einmal folgte mir ein Mann bis zur Haustür

Neben den Drogenverkäufern und -konsumenten drückten sich aber noch einige weitere ominöse Gestalten rund um den Bahnhof rum, die es nicht selten auf Handtaschen und Portemonnaies abgesehen hatten. Nachts begegnete man außerdem häufig Gruppen junger arabischer Männer, die einem als junge Frau besonders viel Aufmerksamkeit zu Teil kommen ließen. Eines der letzten Male, dass ich als Jugendliche nachts über den Kotti nachhause gefahren bin, werde ich nie vergessen. Als ich aus dem Bahnhof kam, rannte plötzlich ein völlig aufgebrachter junger arabischer Mann auf mich zu. Er sah aus, als würde er mir gleich ins Gesicht springen, als ihn seine Freunde in letzter Sekunde von mir wegrissen und mit Gewalt festhielten.

Als ich weglief, war ich so verängstigt, dass ich erstmal nicht bemerkte, dass mir ein anderer Mann gefolgt war. Als er mich eine Straße weiter mit ekelhaften Sprüchen beglückte, konnte ich aber zum Glück noch rechtzeitig reißausnehmen. Einen anderen Tag, nur kurze Zeit später, gelang mir das nicht. Ein offenbar psychotischer Mann folgte mir bis zur Haustür, begrapschte mich brutal und versuchte sich mit in den Hauseingang zu drängen. Nach einem wahrscheinlich nur sekundenlangen, aber gefühlt ewig dauerndem Kampf um die Eingangstür, brabbelte er etwas völlig Unverständliches, entschuldigte sich bei mir und verschwand zu meinem großen Glück wieder. Danach war ich völlig fertig, verängstigt und fühlte mich schmutzig. Ich fühlte noch Stunden später seine Hand auf meinem Hintern, traute mich über Wochen nicht mehr allein nachhause und fuhr nie wieder über das Kottbusser Tor.

Berliner U-Bahntreter? Leider kein Einzelfall

Kreuzberger Bahnhöfe wie der Kotti, der Moritzplatz, der Görlitzer Bahnhof (an dem nicht nur etliche Drogendealer stehen, sondern inzwischen eine ganze Penner-Stadt den Eingang blockiert) und das Schlesische Tor gehören sicher zu den schlimmsten in Berlin. Obdachlose, Heroinbesteck, Dreck, Gestank, Kriminalität und Gewalt sind aber generell fester Bestandteil der Berliner Bahnhofskultur. Etwa in Neukölln: Vielleicht erinnert sich der ein oder andere noch an das viral gegangene Video einer jungen Frau, die von einem Mann völlig willkürlich in den Rücken getreten wurde, die Treppe am U-Bahnhof Herrmannstraße herunterstürzte und sich dabei den Arm brach und den Kopf aufschlug – leider kein Einzelfall. Ich habe bei meiner Arbeit für ein Berliner Betreuungsbüro diverse ähnliche Vorfälle in ganz Berlin mitbekommen und habe einmal selbst miterlebt, wie ein Obdachloser eine junge Frau die Treppe runterstürzte.

Das war in Friedrichshain – ein Bezirk, dessen Gewalts- und Kriminalitäts-Hotspot mit Sicherheit die Warschauer Straße ist. Hier stößt man häufig auf sogenannte Antänzer, die im Team vornehmlich Touristen ausrauben. Einer stellt den Opfern ein Bein oder tanzt sie wortwörtlich an und der andere nutzt die Ablenkung, um sich an seinen Taschen zu bedienen. Ich war am Görlitzer Park selbst mal dabei, als einem Freund direkt neben mir das Portemonnaie aus der Hosentasche „getanzt“ wurde und war so perplex, dass ich nichts davon bemerkte – und dass, obwohl ich als Kreuzberger durchaus sensibilisiert für Taschendiebe bin.

An Orten wie der Warschauer, dem Alexanderplatz und dem Gleisdreieck kommt es neben solchen Tricks immer wieder zu Schlägereien und sogar Messerstechereien. Ein Bekannter von mir war mal in eine Schlägerei verwickelt, bei der einer der Jungs im Gemenge zwischen Bahnsteig und S-Bahn fiel und mit seinem Bein in das Rad geriet – er verlor es. Ein anderer durfte zusehen, wie direkt vor ihm jemand abgestochen wurde und blutüberströmt aus der sich öffnenden Tür fiel. Ich bin in meinem Öffi-Leben selbst Zeuge zahlreicher Schlägereien, Übergriffe und Unfälle geworden. Einmal hätte ich beinah mitansehen müssen, wie ein Obdachloser zwischen Bahn und Tunnel zerquetscht wird. Der Mann war in der Tür eingeklemmt, hing zur Hälfte außerhalb und zur Hälfte in der Bahn und konnte nur in aller letzter Sekunde von einem jungen türkischen Mann befreit werden, bevor die Bahn an einer Engstelle vorbeifuhr. Ich bin in Berliner Bahnhöfen außerdem zahllose Male sexuell belästigt und/oder begrapscht worden und habe mehr als einmal große Blutlachen vor S- und U-Bahnhöfen gesehen, an denen sich Leute tags zuvor die Köpfe eingeschlagen haben.

„Ringbahnsaufen“ und S-Bahn-Surfen

Die Gewalt und Kriminalität – also meine Sicherheit – sind für mich der gravierendste Grund, nicht mehr mit den Öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren. Es gibt aber noch zahlreiche mehr – etwa die ständige Belästigung. Alle drei Minuten möchte jemand einem eine Obdachlosenzeitschrift verkaufen, ein anderer erzählt lautstark seine Lebensgeschichte oder lädt einen zu einem rumänischen Blaskapellenkonzert ein – ob man will oder nicht. Mir wurde mitten am Tag vor die Füße gekotzt und ich durfte dran teilhaben, wie sich besoffene Obdachlose bei diversen Stürzen den Kopf aufschlugen. Abends und nachts sind außerdem haufenweise besoffene junge Leute unterwegs, die ihre Absturz-Partys gleich mit in die Bahn bringen. Ich kann (leider) nicht leugnen, dass ich mich früher selbst das ein oder andere Mal am „Ringbahnsaufen“ beteiligt habe, wenn es zu kalt war, um in den Parks herumzulungern. Die Ringbahn fährt nämlich nonstop im Kreis – man muss also nur noch seine eigene Musik mitbringen, sein Schamgefühl zu Hause lassen und schon hat man die perfekte mobile Partylounge. In der zum Leidwesen aller normalen Fahrgäste nicht selten auch noch geraucht und gekifft wird.

In meiner Schulzeit gab es außerdem einen weiteren traurigen Trend unter Jugendlichen, der dem ein oder anderen sogar das Leben kostete: Das S-Bahn-Surfen. Bei dieser Mischung aus lebensmüder Mutprobe und Adrenalin-Kick, klettert man auf das Dach der fahrenden S-Bahn oder hängt sich seitlich an den Waggon. Häufig geraten die Surfer dabei unter den Zug, prallen gegen Brücken- und Tunnelteile oder kriegen einen tödlichen Stromschlag. Ich bin froh, dass ich nie Zeuge werden musste, wie so etwas passiert, hatte in meinem Bekanntenkreis aber gleich zwei solcher Todesfälle junger unbedachter Männer im Alter zwischen 13 und 19 Jahren.

Tödliche Unfälle, Suizide und Verrückte auf Gleisen sind in Berlin leider nicht selten der Grund dafür, wenn die Bahn zu spät kommt oder nicht mehr weiterfährt. Ich saß mal eine Dreiviertelstunde wegen eines „Polizeieinsatzes“ mitten auf der Strecke in der Hochbahn fest. Später hörte ich, dass sich ein Stück weiter jemand vor den Zug geworfen hatte. Was meinen Sie, wie froh ich war, als ich das nächste Mal in der Bahn feststeckte, weil die Polizei einen Schwan von den Gleisen retten musste und etwas mehr Zeit benötigte, um mit dem geretteten Tier Selfies zu machen.

Wenn grüne Politiker, wie unsere ehemalige Bezirksbürgermeisterin Monika Hermann, sagen, dass die meisten Menschen ihr Auto nicht brauchen, scheinen sie also schlicht nicht zu wissen, wovon sie eigentlich reden. Jeder, der sich nicht das ganze Elend, die Verwahrlosung und die Belästigung in den Öffentlichen Verkehrsmitteln antun will, ist mehr als nur dringend auf sein Auto angewiesen. Ich würde mich besonders abends ohne mein Auto überhaupt nicht mehr aus dem Haus trauen, weil ich – dank der grün-roten Politik der letzten Jahrzehnte – in der Bahn, auf den Bahnhöfen, an den Haltestellen und auf der Straße Angst um mein Leben habe. Wenn an jeder Ecke Drogendealer, Obdachlose, Junkies, Kriminelle und besoffene Idioten herumrennen, sind die Öffis für mich keine Option. Mal ganz abgesehen davon, dass ich leidenschaftlich Auto fahre und lieber zehnmal im künstlich erzeugten Stau stehe, als mich mit fremden Menschen in die Bahn oder den Bus zu quetschen.

 

 


ÖPNV auf dem Land: Frust kommt auf, denn der Bus kommt nicht

Von Michael Friese | Wenn man wie ich auf dem Land lebt und (noch) nicht im Besitz eines Führerscheins ist, ist die Fortbewegung ein ziemliches Kreuz. Insbesondere die Busverbindungen lassen zu wünschen übrig, was das Auto für weite Strecken unabdingbar macht. Von der Anti-Auto-Fraktion wird vehement gepredigt, dass man den ÖPNV auch auf dem Land ausbauen müsse und das ist theoretisch auch eine gute Sache. Aber ist das überhaupt möglich?

In der Großstadt ist es vollkommen normal, dass die Bus-, S-Bahn oder U-Bahn-Linie, welche man z. B. auf dem Weg zur Schule nimmt, alle fünf oder zehn Minuten fährt. Das heißt, wenn man mal den Anschluss nicht kriegt, weil man den Wecker mal wieder überhört hat, kommt man noch rechtzeitig (oder vielleicht mit etwas Verspätung) im Unterricht an. Nicht bei mir: Wenn ich meinen Bus am Morgen verpasse, kommt der nächste Bus genau zwei Stunden später. Das bedeutet, dass ich die ersten beiden Schulstunden verpasse, wenn meine Eltern mich morgens nicht fahren können. Es ist mir zum Glück noch nie passiert, wenn ich eine Klausur schreiben sollte, trotzdem besteht die Gefahr und es nervt wirklich.

Aber nicht nur der Morgen gestaltet sich knifflig. Wenn die Schule dann irgendwann auch mal ihr Ende findet, ist der Takt, in welchem die Busse abfahren, auch nicht immer ideal. Ich habe das Glück, dass an den meisten Tagen der Bus etwa 40 Minuten nach Schulschluss abfährt. Glück ist es, weil ich so noch etwas Zeit habe, um in die Stadt zu gehen. Sonst würde ich die Warterei am ZOB vermutlich nicht überleben. Wenn ich aber nun einen langen Schultag und um ca. 16:30 Uhr Schluss habe fährt der nächste Bus etwas mehr als eine Stunde später. Und klar, man könnte die Zeit auch wieder dazu nutzen, um durch die Stadt zu schlendern, aber ich bin ein sehr „kauffauler“ Mensch und die Stadt ist nicht die größte, sodass die wenigen, immer gleichen Schaufenster auf Dauer langweilig werden. Da trifft die Liedzeile von Peter Fox: „Frust kommt auf, denn der Bus kommt nicht“, den Nagel wirklich auf den Kopf. Deshalb holt mich meine Mutter an solchen Tagen mit dem Auto ab.

Es geht jedoch noch viel schlimmer: Ich kann froh sein, dass ich in einem etwas größeren, vom Touristenverkehr geprägten Ort lebe, der dadurch eine zweistündige Busverbindung ermöglicht. Wie sieht es aber nun in einem Dorf aus, welches weder von Touristen besucht (oder zumindest für die Durchreise benötigt) wird noch wirklich viele Einwohner sein Eigen nennen kann? Nun ja, da wären wir dann bei einer Freundin von mir, die mir schilderte, dass in ihrem Ort zwei Buslinien fahren. Und auf beiden dieser Linien fahren jeweils genau zwei Busse – pro Tag! Wenn sie also den Bus am Morgen verpasst, fährt der nächste um ca. 16 Uhr. Ich denke, ich brauche nicht zu erwähnen, dass man da nicht nur die ersten beiden Stunden verpasst. Hinzu kommt, dass ihre Erziehungsberechtigten sehr widerspenstig sind, was das „Herumkutschieren“ angeht. Für sie heißt es also dann: Bus verpasst, Schule verpasst.

Ich hätte gegen einen regelmäßiger fahrenden Busverkehr eigentlich nichts einzuwenden. Er würde mir meine Fahrten zur Schule oder in eine andere Stadt enorm erleichtern. Jedoch werde ich, wenn alles glatt läuft, im nächsten Jahr meinen Führerschein in meinen Händen halten. Brauche ich dann noch den Bus? Das Auto ist doch noch mobiler als der Bus; es ist nicht an Haltestellen und Fahrzeiten gekoppelt. Für meinen Vater beispielsweise wäre die Abschaffung von Verbrennungsmotoren eine große Einschränkung. Er arbeitet in einem Industriebetrieb, welcher sich vor der Stadt befindet und dieser wird nicht von einer geeigneten Buslinie angefahren, das heißt, er müsste mehrere Buslinien benutzen und Umwege fahren. Zudem sind seine Arbeitszeiten so gestaltet, dass er sowohl manchmal früh morgens (ca. 6 Uhr) und spät Abends (ca. 23 Uhr) unterwegs ist. Insbesondere am so späten Abend fährt längst kein Bus mehr.

Um mich davon zu überzeugen, dass der Bus die ideale Transportmöglichkeit ist, müsste ich mit ihm genau so flexibel sein, wie mit dem Auto. Idealerweise würde er dann alle fünf oder zumindest 15 Minuten fahren. Sobald er im Halbe-Stunde-Takt oder nur stündlich fährt, würde es schwieriger werden, meine Fahrten zu planen oder auch etwas spontan zu unternehmen, und ich würde immer mal wieder zu meinem Wagen herüberschielen.

Aber ist so ein Busverkehr überhaupt realistisch? Überhaupt nicht. Wenn wir mal an das Dorf von meiner Freundin zurückdenken: Sie erzählte mir, dass sie über den Zeitraum mehrerer Haltestellen so gut wie die Einzige ist, die in den Bus einsteigt. Der Bus fährt also theoretisch nur für sie allein den Umweg durch den Ort. Und so sind eben auch die Fahrzeiten gestaltet – sie richten sich nach dem Fahrverhalten der Fahrgäste. Man versuche nun bitte, die Autokraft oder irgendeine andere Firma davon zu überzeugen, den Bus doch mal öfter durch den Ort fahren zu lassen. Zu Zeiten, in welchen niemand einsteigt und teurer Treibstoff trotzdem verbrannt wird. So etwas wäre mit einer eklatanten Kostenexplosion verbunden und somit nur möglich, wenn man den Busverkehr verstaatlichen würde. Aber ich möchte, offen gesagt, nicht irgendwann mein Steuergeld für leere Busse ausgeben.


Mal eben 50€? Geht’s noch? Wie die DB sich bei jungen Leuten unattraktiv macht

Von Jerome Wnuk | Nach der Schule alleine oder mit Freunden verreisen und die Welt entdecken. Diesen Wunsch haben die allermeisten jungen Menschen. Doch bei den meisten jungen Erwachsenen ist das Reisebudget in den ersten Jahren nach der Schule noch begrenzt. Ein bisschen Geld von den Eltern, eigenes Gespartes und das erste verdiente Geld reichen bei den meisten noch nicht, um einmal um die ganze Welt zu reisen. Da reicht es dann auch erstmal, wenn man in Europa herumreist – oder wenigstens aus dem Heimatstadtteil raus. In Zeiten von Billigflügen ist es auch ganz normal, dass man für zwanzig Euro mal eben für ein Wochenende nach Mallorca oder nach London fliegen kann. Soweit so gut, allerdings ist das ständige Hin-und-Her-Jetten bekanntermaßen schlecht für den berüchtigten CO₂-Fußabdruck. Und deswegen sollen uns diese ganzen verrückten Alternativen angedreht werden. Und das vor allem auf kurzen Strecken, bei denen der Zeitvorteil des Flugzeugs noch keine essenzielle Rolle spielt oder es sogar gar keine Flüge gibt.

Ist ja ein legitimer Vorschlag, nur sollte man uns dann auch was bieten – mindestens eine Alternative, die gleich gut ist, wenn nicht besser. Doch alles, was wir vor die Füße gelegt bekommen, hört auf den Namen Deutsche Bahn. Die Deutsche Bahn ist nicht interessiert an den Interessen junger Menschen, das musste ich am eigenen Leib erfahren. Junge Menschen reisen gerne spontan, man guckt in den Terminkalender, sieht das ein paar Tage frei sind und zack sitzt man schon im Zug. Denkt man – doch spontan verreisen? Mit der Deutschen Bahn unmöglich. Im Sommer wollte ich mit einem Freund spontan nach Hamburg fahren. Also erkundigten wir uns einen Tag bevor wir fahren wollten, nach Bahntickets auf der Website der Bahn.

50 Euro pro Person hätten wir als Schüler bezahlen sollen. Unverschämt. Und so ist es bei der Deutschen Bahn leider immer. Möchte man spontan mal zu seinen Großeltern auf das Land fahren oder muss wegen der Arbeit irgendwo hin, muss man immer mit 50 – 100 Euro Fahrpreis rechnen. (Noch schlimmer wird es, wenn man ins Ausland möchte, aber das ist ne ganz andere Geschichte.) Im Mai diesen Jahres wollte ich auch mit einem Freund nach Stettin fahren, um während Corona wenigstens mal ein bisschen raus zu kommen. Als wir uns damals am DB-Schalter informieren wollten, wollte uns der Bahn-Mitarbeiter Tickets für 120 € andrehen.

Zum Glück konnten wir im Internet herausfinden, dass man mit einem sogenannten Berlin-Brandenburg-Ticket deutlich billiger nach Stettin kommen kann. Von dem Personal der Bahn wurde uns das verheimlicht. Spontan und preiswert Reisen ist mit der Bahn also bedauerlicherweise nicht möglich. Deswegen ist es auch nicht verwunderlich, dass viele tagtäglich etwa von Berlin nach Köln fliegen, anstatt auf der gleichen Strecke die Bahn zu nehmen. Denn oft, gerade wenn man nicht im Voraus bucht, ist ein Flug auf dieser Strecke billiger als ein Bahnticket.

Die Bahn muss in Zukunft deutlich mehr Anreize, gerade für junge Menschen schaffen, damit mehr Menschen die umweltfreundlichere Bahn nutzen. Das einfachste wäre, endlich verhältnismäßige Ticket-Preise zu etablieren. Klar, nach Mallorca und London wird man immer noch fliegen, aber eine Senkung der Preise könnte sicher dafür sorgen, dass man Strecken wie Berlin-Köln oder Berlin-Paris und so weiter in Zukunft mit der Bahn statt mit dem Flugzeug fährt (um noch auf meinen Hamburg-Ausflug zurückzukommen). Und das wäre definitiv machbar. Wir haben schließlich bei einem anderen Bahnanbieter gebucht. Dort haben wir 10 Euro, anstatt 50 Euro bezahlt. Günstig und spontan mit dem Zug reisen geht also doch, nur nicht beim Staatsunternehmen DB. 


Mein geliebtes Moped – wie in einer Lenorwerbung – und kein Grüner kann mir das wegnehmen

Von Selma Green | Als Schüler hat man zwei Optionen, zur Schule zu kommen: entweder man fährt mit dem Fahrrad oder mit den Öffentlichen Verkehrsmitteln. Eine Stunde lang mit meinem Damenrad zur Schule zu strampeln, war mir etwas zu sportlich. Also bin ich, jetzt zwei Jahre lang, mit den Öffentlichen Verkehrsmitteln zur Schule gefahren. Ich lernte: Der BVG (Berliner Verkehrsbetriebe) Fahrplan ist so zuverlässig wie ein Kleinkind mit seiner ersten Schokoeiskugel. Ob der Bus überhaupt noch kommt, musste ich oft erraten. Beim Umstieg vom Bus zur U-Bahn musste dann noch ein kleiner Sprint hingelegt werden. Mein Sechs-Kilo-Rucksack machte die Sache nicht leichter.

Die BVG machte mich asozial. Manchmal waren es zehn, manchmal 30 Minuten – je nach Lust und Laune – , die ich auf den Bus wartete. Nach sieben Stunden Schule will ich meine Ruhe haben. Aber Nein: Es gibt immer eine Oma mit Krückstock. Ich entscheide mich also für Solidarität und biete ihr hilfsbereit meinen Platz an, damit diese zehn Augen im Bus aufhören, mich so vorwurfsvoll anzustarren (die könnten ja auch selbst aufstehen, aber das wäre ja mit Anstrengung verbunden). Dann muss ich eben stehen. Dabei vergesse ich dieses eine Kleinkind mit seinem Roller. Es unterschätzt den Bus beim Anfahren, kommt ins Rollen und hinterlässt eine gerade Schmutzspur auf meinem Schuh. Als Krönung gibt es immer einen besoffenen Penner, der mir irgend etwas hinterher lallt.

Ein Moped ist für mich die Lösung. Zu der praktischen Fahrübung für meinen Mofaführerschein sollte ich mein eigenes, neues Moped mitbringen. Es ist übrigens eine sie. Sie ist beige – nicht beige, wie Spaghetti – sondern beige wie der Sand am Meer. Ihre Form ist geschwungen, wie die einer Vespa. Die Marke, mit den Farben der italienischen Flagge, klebt vorne am Lenker. Eine wahre Schönheit eben. Ich fühle mich darauf wie eine vornehme Italienerin, die anders als das Fußvolk (meine Mitschüler) nicht mit der U-Bahn zur Schule fahren muss.

Ohne Helm, ohne Jacke sprang mein Fahrlehrer auf mein Moped, um mir zu zeigen, wie man sich damit in die Kurven legt. Als ich zusah dachte ich mir: “Das sieht ganz schön gefährlich au-…”. Dann passierte es schon: der Fahrlehrer rutschte aus und schlitterte mit dem Moped über den Asphalt. Zitternd fuhr der Lehrer zu mir zurück. Ich starrte auf mein zerschrammtes Moped. Na toll! Mein Moped-Fahrlehrer kann kein Moped fahren und deswegen habe ich eine Ein-Meter-Schramme in meinem schönen neuen Moped. Der Schaden wird jetzt von Anwälten geklärt.

Andererseit: Jetzt habe ich auch meinen Mofaführerschein! Trotz Schramme im Moped macht es mir Spaß, mit 25 km/h durch die Stadt zu düsen. Im Sommer mag ich es besonders, mit einem Kleidchen durch ruhige Straßen zu sausen und meine Haare im Wind flattern zu lassen. Fällt mir die Decke auf den Kopf, kriege ich ihn beim Mopedfahren frei. Mit nur 25 km/h habe ich auch längere Augenblicke, um mit dem anderen Geschlecht zu flirten. Naja durch den Helm höre ich nicht viel, wenn, dann nur Fetzen wie: ”Hey, Kleine … kommen?”

Keine Omas, denen ich den Platz stehle, keine Kleinkinder, die meine Füße dem Erdboden gleich machen und auch keine besoffene Penner mehr. Späteres Aufstehen, weniger Rückenschmerzen und vor allem: keine Maske mehr tragen! Spaß beim Düsen durch die Stadt und Flirten mit den Jungs.
Klingt, wie eine Lenorwerbung? Das soll es auch. Ich bin zufrieden mit meinem Moped.


Impfdruck – Apollo Edition 3

Lieber Leser,

für die Schüler und Studenten dieses Landes beginnt jetzt wieder der Ernst des Lebens. Das neue Schuljahr und das neue Semester beginnen – doch zu neuem Stoff, neuen Deadlines und seltsamen Lehrern ist ein neuer Faktor dazugekommen, der uns allen das Leben schwer macht: der Impfdruck. Bei den einen durch panische Mitschüler, bei den anderen durch hochideologische Lehrer. Lernen unter dem Damoklesschwert, das nur darauf wartet zuzupieksen.

Deshalb haben wir uns in unserer dritten Edition diesem ewigen Thema gewidmet, auch wenn wir es alle eigentlich nicht mehr hören können. Neben einer Reihe von Erfahrungsberichten über das neue Schuljahr/Semester unter dem sozialen Impfzwang – einer war für mich erschreckender als der andere – auch Analysen und Meinungsbeiträge. Alle reden von der Impfpflicht – aber wäre das in Deutschland rechtlich überhaupt möglich? Was sind die psychischen Folgen, die diese nun schon zwei Jahre lang durchgehenden Corona-Maßnahmen auf unsere Generation haben? Wie wird das ganze im Ausland handgehabt? Als Trump noch im Amt war, haben wir täglich ein Update der Todeszahlen aus Amerika bekommen, doch jetzt ist Biden an der Macht und man hört nix mehr.

Wir können es alle nicht mehr hören, aber es muss darüber gesprochen werden. Denn wir sind am wenigsten gefährdet, müssen aber auf die grundlegendsten und prägendsten Erlebnisse verzichten – und wenn wir uns darüber beschweren wollen, wird unser Protest totgeschwiegen. Mit dieser Edition wollen wir uns Gehör verschaffen: Wir wollen raus! Selbst die Drogendealer am Frankfurter Hauptbahnhof sind nicht so erpicht darauf, uns irgendwelche Spritzen anzudrehen.

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Elisa David

Stv. Chefredakteurin
impf dich doch alleine“

Zeichnungen von Elisa David
Die andere Seite



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Alle reden über die Impfpflicht – aber ist die überhaupt rechtlich zulässig? (Spoiler: nö)

Von Jonas Aston | „Geht das denn nicht?”, fragte Jan Josef Liefers mit großen Augen. Seiner Frage zuvorgegangen war ein Gedankenspiel von Maybrit Illner, ob es nicht „fairer“ sei eine Impfpflicht einzuführen, da das Impfen die Menschheit erlöse“. Dass ausgerechnet der Vatikan als einziger europäischer Staat eine Impfpflicht für alle Erwachsene eingeführt hat, scheint Illners Erlösungsargument zu bestätigen. In anderen europäischen Ländern wie Frankreich, Italien oder Griechenland gilt eine Impfpflicht für bestimmte Gruppen. Da stellt sich die Frage, ob eine (teilweise) Impfpflicht auch hierzulande juristisch zulässig wäre.

In der Debatte um eine Corona-Impfpflicht, wird oft darauf verwiesen, dass es bereits gesetzlich verankerte Impfpflichten, namentlich die Masern-Impfpflicht gebe. Folglich handele es sich um eine gewöhnliche staatliche Maßnahme. Tatsächlich gilt seit dem 01.03.2020 eine Impfpflicht gegen Masern für Personen, die in Gemeinschaftseinrichtungen, wie dem Kindergarten oder der Schule, betreut werden oder beschäftigt sind. Ob die Masern-Impfpflicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist, ist jedoch nicht abschließend geklärt, hierzu ist noch eine Entscheidung beim Bundesverfassungsgericht anhängig. Doch selbst wenn die Masernimpfpflicht mit dem Grungesetz vereinbar sein sollte, kann hiervon nicht auf eine Vereinbarkeit der Corona-Impfpflicht mit dem Grundgesetz geschlossen werden. Die Coronaimpfung unterscheidet sich nämlich wesentlich von der Masernimpfung (hierzu später mehr).

Eine Impfpflicht schränkt zahlreiche Grundrechte ein. Insbesondere zu nennen ist das Recht der freien Entfaltung der Persönlichkeit, der körperlichen Unversehrtheit und der Berufsfreiheit. Eingriffe in Grundrechte sind unter hohen Anforderungen grundsätzlich zulässig. Hierzu muss der Eingriff einen legitimen Zweck verfolgen, geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sein.

Die Corona-Impfung auf dem juristischen Prüfstand 

Zweck der Impfpflicht ist der Schutz des gemeinschaftlichen Guts der Gesundheit. Dieser Zweck könnte als legitim gelten.

Bei der Geeignetheit wird es hingegen schon kniffliger. Geeignet ist die Impfpflicht dann, wenn sie die weitere Ausbreitung eines gefährlichen Virus eindämmt. Hierzu müssten die Impfstoffe wirksam sein und weitere Übertragungen verhindern. Die in der Europäischen Union zugelassenen Impfstoffe sollen schwerere Verläufe verhindern können. Allerdings kann mit den vorherrschenden Impfstoffen – im Gegensatz zur Masernimpfung – keine Herdenimmunität erreicht werden. Damit ist die Impfpflicht nicht geeignet.

Die Impfpflicht müsste außerdem erforderlich sein. Die Erforderlichkeit liegt dann vor, wenn ein milderes Mittel zum Erreichen des Zwecks nicht ersichtlich ist. Als milderes Mittel sind Maßnahmen des Hygieneschutzes, wie dem Tragen von Masken, Abstand halten und das Einhalten allgemeiner Hygieneregeln denkbar (ob man dies zum jetzigen Zeitpunkt noch für erforderlich hält, ist eine andere juristische Frage). Die Einführung einer allgemeineImpfpflicht ist somit nicht erforderlich. Man könnte jedoch argumentieren, dass eine Impfpflicht für Risikogruppen erforderlich ist. Dafür müsste das Gesundheitssystem aufgrund dieser Gruppe dem Risiko der Überlastung ausgesetzt sein. Das Überlasten der Gesundheitssysteme erscheint bei der vorherrschenden Immunisierungsquote und den bisherigen Erfahrungen jedoch als sehr unwahrscheinlich. Somit ist die Einführung einer Impfpflicht für bestimmte gesellschaftliche Gruppen ebenfalls nicht erforderlich.

Um eine Impfpflicht zu begründen, müsste das Risiko einer Erkrankung weit über dem von potenziellen Impfschäden liegen. Dies kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht behauptet werden.

Die Einführung einer Impfpflicht ist auch nicht verhältnismäßig. Wie schon oben beschrieben, kann mit der Impfpflicht keine Herdenimmunität erreicht werden. Darüber hinaus ist die Coronaimpfung – etwa im Vergleich mit der Masernimpfung – mit deutlich mehr auftretenden Nebenwirkungen behaftet. Auch liegen bisher kaum Studien vor, die die Langzeitnebenwirkungen einer mRNA-Impfung untersuchen. Um eine Impfpflicht zu begründen, müsste das Risiko einer Erkrankung weit über dem von potenziellen Impfschäden liegen. Dies kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht behauptet werden. Zudem genügt bei der Masernimpfung eine einzige Impfung, um ein Leben lang voll immunisiert zu sein. Die Wirksamkeit der Coronaimpfung lässt nach einiger Zeit nach. Folglich würde der Bürger im Rahmen der Impfpflicht zu einem mehrmaligen staatlichen Eingriff gezwungen werden.

Die Coronaimpfung ist überwiegend Individual-, nicht Kollektivschutz. Es ist nicht Aufgabe des Staates die Bürger vor sich selbst zu schützen. Daher ist der Eingriff in die Grundrechte weder geeignet, noch erforderlich, noch verhältnismäßig.

Die Antwort ist also nein, Herr Liefers. Die Einführung einer Impfpflicht und sei es nur für bestimmte Gruppen geht nicht!

 


Corona-Föderalismus in den USA: Red States gegen Blue States – und das Weiße Haus

Von Sebastian Thormann | Im Dezember 2020 wurde der zukünftige US-Präsident Joe Biden von einem Reporter gefragt, ob eine Corona-Impfung verpflichtend sein sollte. Biden erwiderte damals: „Nein, ich denke nicht, dass es obligatorisch sein sollte, ich würde es nicht fordern.“

Neun Monate später hieß es dann von ihm aus dem Weißen Haus: „Wir waren geduldig, aber unsere Geduld lässt nach und Eure Weigerung hat uns alle gekostet.“ Biden kündigte eine de facto Impflicht für alle Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitern an. Zuvor hatte er bereits eine Impfpflicht für Angestellte der US-Bundesregierung verhängt. Damit geht er auch auf Konfrontationskurs mit vielen republikanisch regierten Bundesstaaten. 

Die haben nämlich vielerorts überhaupt keine staatliche Impfpflicht und verbieten teilweise eine solche sogar explizit Privatunternehmen und Kommunen. In Florida etwa, müssen Geschäfte auch ungeimpfte Kunden akzeptieren und kommunale Behörden dürfen ihre Mitarbeiter nicht zur Impfung zwingen. Solche Vorschriften gibt es auch in vielen anderen Red States. Ähnlich sieht es mit der Maskenpflicht aus: Während demokratisch regierte Staaten wie Kalifornien fast überall in Innenräumen Masken vorschreiben, haben Red States wie Arizona, Florida, Texas die Maskenpflicht komplett aufgehoben und für kommunale Behörden verboten.

Wie schon bei Lockdowns kann eigentlich jeder US-Bundesstaat selbst seine Corona-Politik festlegen – wenn da nicht Joe Biden wäre, dessen geplante Impfpflicht in vielen Punkten sogar direkt lokalen Vorschriften widerspricht, die teilweise Mitarbeitern erlaubt sich einer Impfvorschrift privater Unternehmen zu verweigern. Für das Weiße Haus ist klar: Bundesrecht bricht Staatsrecht. Das Problem ist nur, sein Vorhaben ist womöglich illegal und die Chancen stehen nicht schlecht, dass es vor Gericht gestoppt wird.

Noch im Juli sagte Bidens Pressesprecherin z.B. gefragt nach einer Bundesimpfpflicht: „Das ist nicht die Aufgabe der Bundesregierung“. Aber nun will Biden sie doch in Form einer Notfall-Gesundheitsvorschrift des US-Arbeitsministeriums einführen. Dafür müsste laut Gesetz allerdings feststehen, dass die Mitarbeiter einer „großen Gefahr“ ausgesetzt sind und eine solche Regel tatsächlich „notwendig“ ist, um sie davor zu schützen. In der Vergangenheit haben Gerichte diesen Paragraphen sehr eng interpretiert. Auch angesichts der Tatsache, dass Bidens Regel z.B. natürliche Immunität durch frühere Infektionen ignoriert, ist es gut möglich, dass es diese Vorgaben nicht erfüllt. Daneben haben Bundesstaaten eigentlich die volle Zuständigkeit über Gesundheitsangelegenheiten und ob eine solche Bundesvorgabe sich am Ende auf die Verfassungsklausel berufen kann, nach der „Geschäfte zwischen Bundesstaaten“ reguliert werden können, um dann Millionen von Amerikanern zur Impfung zu drängen, darf zweifelhaft gesehen werden. 

Es wäre auch nicht das erste Mal, dass Biden mit einer vor Gericht scheitert. So bereits geschehen bei seinem Räumungsmoratorium, bei dem Biden auch zunächst zugab, er habe die Befugnis dafür nicht, nur um dann Wochen später genau so etwas vorzuschreiben, das dann schließlich vom Supreme Court als illegal einkassiert wurde.


Psychische Krankheiten und Suizide – die katastrophale Bilanz der Corona-Politik

Von Pauline Schwarz | Es ist inzwischen mehr als anderthalb Jahre her, dass das Corona-Virus in Deutschland ausgebrochen ist und unser aller Leben über Nacht auf den Kopf stellte: Schule, Uni, Party und Arbeit adé, dafür Lockdowns, Kontaktverbote und Masken wohin man sieht. Kinder und Jugendliche wurden von den Maßnahmen am härtesten getroffen. Obwohl sie selbst nur im geringen Maße durch das Virus gefährdet sind, wurden die Schulen und Kitas geschlossen und die Kleinen damit in die Isolation und Einsamkeit gestürzt.

Für viele bedeutete das, sich von einer normalen Entwicklung und der Chance auf gute Bildung zu verabschieden – mit gravierenden Folgen: Über die Lockdowns stieg die Zahl psychischer Krankheiten und Suizide schon bei den Kleinsten massiv an. Statt sich mit diesem Problem auseinanderzusetzen, will man Kinder, Jugendliche und junge Leute nun dazu nötigen, sich als eine Art Solidarakt impfen zu lassen – und ob offen kommuniziert oder nicht: wem seine eigene Gesundheit wichtiger ist, droht der Rückfall in die soziale Isolation und Ausgrenzung.

Dabei ist inzwischen sehr gut belegt, was die soziale Isolation mit jungen Menschen machen kann. Bereits im Juli 2020 stellte man im Rahmen der COPSY-Studie bei 31 Prozent aller untersuchten 7-17-Jährigen deutliche psychische Auffälligkeiten fest – ein Plus von 13 Prozent in Bezug auf die Referenzdaten. Ängste, emotionale Probleme und psychosomatische Beschwerden nahmen deutlich zu. Eine Umfrage der Pronova BKK unter 150 Kinderärzten stützte diese traurigen Erkenntnisse. 89 Ärzte berichteten einen Anstieg von psychischen Problemen, 37 Prozent diagnostizierten eine Zunahme körperlicher Beschwerden und 4 von 5 beobachteten Entwicklungsverzögerungen bei ihren kleinen Patienten. Die Pädiater machten die fehlende Tagesstruktur, die Isolation, Konflikte in den Familien und mangelnde Freizeitmöglichkeiten neben Handy- und Computerkonsum für die Beschwerden verantwortlich.

Deutsche Kinderärzte meldeten offiziell, was schon länger zu befürchten stand – eine Triage in der Kinder- und Jugendpsychiatrie.

Im Mai diesen Jahres kam dann die Schreckensbotschaft: Deutsche Kinderärzte meldeten offiziell, was schon länger zu befürchten stand – eine Triage in der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Die gefürchtete Corona-Triage auf den Intensivstationen blieb aus, dafür wurden Kinder, die „nur“ Depressionen hatten und (noch) nicht suizidgefährdet waren, in den Psychiatrien überhaupt nicht mehr aufgenommen. Laut DAK wurden schon im ersten Halbjahr 2020 fast doppelt so viele Kinder und Jugendliche in der Psychiatrie behandelt wie noch 2019 – spätestens im Mai 2021 übertraf der Andrang dann die Behandlungskapazitäten.

Dabei sind Klinikaufnahmen laut dem Direktor der Kinder- und Jugendpsychiatrie auf dem Charité Campus in Berlin Mitte, Christoph Corell, „nur die Spitze des Eisbergs“. Man lässt sich schließlich nicht wegen irgendwelcher Befindlichkeiten oder weil es einem mal ein bisschen schlecht geht in eine Klinik einweisen. Es geht um schwere Krankheiten wie Essstörungen, Schlafstörungen, Substanzabhängigkeiten und Depressionen – wenn solche Störungen nicht behandelt werden, können sie chronifizieren, gravierende psychosoziale Einschränkungen mit sich bringen und das Auftreten weiterer psychischer Krankheiten im Erwachsenenalter begünstigen. Unbehandelte Essstörungen können zu Stoffwechselstörungen und Organschäden führen. Auf Dauer droht bei vielen unbehandelten Krankheitsbildern sogar Suizidalität.

Und der überwältigende Ansturm beschränkte sich leider nicht nur auf die stationären Behandlungsmöglichkeiten. Nach Angaben der Deutschen Psychotherapeuten-Vereinigung (DPtV) ist die Zahl der ambulanten Therapieanfragen von Kindern und Jugendlichen im Vergleich zum Vorjahr um 60 Prozent gestiegen. Das Ärzteblatt versuchte damit zu trösten, dass man immerhin 25 Prozent der jungen Therapieanwärter innerhalb von zwei Wochen und mehr als der Hälfte innerhalb eines Monats ein Erstgespräch bei einem Therapeuten vermitteln konnte – man verschwieg aber, dass ein solches Gespräch kein Garant für einen freien Behandlungsplatz ist. Zumindest im Erwachsenen-Bereich sind Therapeuten verpflichtet Erstgesprächstermine anzubieten, auch wenn sie keine freien Behandlungskapazitäten haben. Viele Patienten bringen deshalb etliche Gespräche hinter sich, bevor sie endlich einen der wenigen heiß begehrten Plätze ergattern oder die Suche aus lauter Frustration wieder aufgeben.

Trotz der katastrophalen Versorgungslage, dem immensen Zuwachs psychisch kranker Kinder und Jugendlicher und deutlich erhöhter Suizidzahlen, hielt man lange an der Lockdown-Politik und strikten Corona-Maßnahmen wie den Schulschließungen fest. Die deutschen Schüler mussten landesweit für 14 Wochen komplett und für 20 Wochen teilweise die Schulbank im Distanzunterricht drücken – laut Unesco deutlich häufiger als bei unseren westlichen europäischen Nachbarn wie Großbritannien, Spanien und Frankreich. Und das obwohl bei verschiedenen wissenschaftlichen Untersuchungen kein Zusammenhang zwischen dem Pandemiegeschehen und der Dauer der Schulschließungen gefunden werden konnte.


Folgen noch gravierender als bislang angenommen 

Immer wieder bestätigt wurde nur der Zusammenhang zwischen Schulschließungen und dem Anstieg psychischer Krankheiten. Zuletzt kamen Forscher des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) im Juli zu dem traurigen Ergebnis, dass die Folgen noch gravierender sind als bislang angenommen. Laut den Wissenschaftlern leiden unglaubliche 477.000 zusätzliche Jugendliche im Alter von 16 bis 19 an depressiven Symptomen. „Wir sehen, dass sich bei einem von sechs Jugendlichen während des Lockdowns eine depressive Symptomatik entwickelt hat.“, sagte Studienmitautor und Wissenschaftler Dr. Martin Bujard. Dabei sind Mädchen mit einem Anstieg von 13 auf 35 Prozent am schwersten betroffen. Aber auch bei den Jungs stieg die Zahl betroffener Jugendlicher von 7 auf 15 Prozent.

Inzwischen sind unsere Schulen zum Glück wieder geöffnet – doch die Angst, sich bald wieder von Freunden und Lehrern verabschieden zu müssen, wenn die Inzidenzwerte im Winter steigen, bleibt. Gleichzeitig steigt der Impfdruck und damit bei vielen sicherlich auch die Sorge, auf diesem Weg abermals vom sozialen Leben ausgeschlossen zu werden. Bei Studenten ist das durch die hohen Testkosten für Umgeimpfte bereits zu Teilen der Fall. Man kann nur hoffen, dass wenigstens die Schüler auch auf Dauer vor der Entscheidung zwischen dem angeblich so heilbringenden Piks oder der Rückkehr in die soziale Isolation und all dem damit verbundenen Leid bewahrt werden.


Netflix und Zoom statt wildes Studentenleben – „Wer niest oder hustet fliegt raus“

Von Larissa Fußer | Stricken im Hörsaal, Rauchen im Seminar; abends mit den Kommilitonen in die Studentenkneipe und dann in der Disco die Nacht durchtanzen. Am nächsten morgen Schlaf in der Gruppenarbeit nachholen und sich vor dem Kommilitonen verstecken, mit dem man neulich auf der Party geflirtet hat, jetzt aber doch lieber nicht näher kennenlernen möchte. „Das Studium war die aufregendste Zeit unseres Lebens!“, haben mir meine Eltern schon vorgeschwärmt, als ich noch zur Schule gegangen bin. Als ich 18 Jahre alt war, konnte ich es daher kaum erwarten, endlich in die Uni zu gehen.

Ich war sehr aufgeregt, als ich schließlich meine Immatrikulationsbescheinigung in der Hand hielt und mich an meinem ersten Uni-Tag in einen völlig überfüllten Hörsaal setzte. Neugierig guckte ich mir all die neuen Gesichter an. Alles Leute in meinem Alter, die nervös ihren neu gekauften Schreibblock mit ihrem Namen beschrifteten und Textmarker in verschiedenen Farben aus ihren Federmäppchen kramten. Die Dozenten überfluteten uns mit Informationen – es gab zahlreiche Webseiten, die man kennen musste, und unzählige Fristen, die man nicht verpassen durfte. In den folgenden Wochen wuselten meine Kommilitonen und ich aufgedreht und verloren über den Campus, um versteckte Hörsäle und Seminarräume zu finden. Abends trafen wir uns bei Kabarett-Shows von Studenten aus höheren Semestern oder bei Studentenpartys wieder. In einem vollgedrängten Audimax wurden Bierflaschen herumgereicht. Wir tanzten, sangen, schäkerten, lachten und drängten uns ganz eng aneinander. Überall mischten sich Schweiß und Speichel – das kommt mir ewig her vor.


Vor allem für Studienanfänger waren die Corona-Semester eine herbe Enttäuschung

Seit über anderthalb Jahren sieht Studieren nun schon völlig anders aus. Vorlesungen, Seminare, Praktika – all das findet wegen Corona fast nur noch digital statt. Das Studentenleben bewegt sich für viele seitdem zwischen Zoom und Netflix. Junge Leute, die früher von morgens bis abends in Bewegung und unter Gleichaltrigen waren, hocken nun schon mehrere Semester zuhause alleine vorm Laptop auf dem Sofa.

Vor allem für Studienanfänger waren die Corona-Semester eine herbe Enttäuschung. Eine Bekannte von mir hat vor einem Jahr ihr Medizinstudium angefangen. Sie war damals ganz euphorisch, dass sie einen Platz ergattert hatte, zog nach Berlin, kaufte sich einen Arztkittel und ein Stethoskop und freute sich auf ihr erstes Semester als angehende Ärztin. Vor Corona hätten sie wöchentliche Laborpraktika und Unterrichtsstunden am Patienten erwartet – sie wäre aus dem Pipettieren nicht mehr herausgekommen und hätte geübt, wie man Herz, Lunge und Bauch untersucht. Sie hätte den Campus und ganz viele neue Leute kennengelernt und hätte vor Angst bis zum Abwinken für die erste Prüfung gelernt.

Doch bei ihr war alles anders. Einführungsveranstaltungen gab es für die „Erstis“ nur digital und spätestens mit dem „November-Lockdown“ wurde an ihrer Uni sämtliche Präsenz-Lehre eingestellt. Seitdem sitzt sie zu Hause. Von ihren Kommilitonen kennt sie nur wenige – ein paar hat sie mal auf ein Bier getroffen, aber auch das hat sich verlaufen. Inzwischen ist sie sogar zu ihren Eltern zurück in ihre Heimatstadt gezogen. Wenn doch einmal ein Praktikum in Präsenz stattfindet, reist sie mit dem Zug an. Erst neulich sagte sie mir, dass sie „überhaupt keine Lust“ mehr auf ihr Studium hat. Das geht vielen so. Ich kenne kaum einen Studenten, der mit der Online-Lehre etwas anfangen kann. Früher ist man ja immerhin noch in den Hörsaal gefahren, um dann dort zu schlafen.

Operationen per Videokonferenz

Heute loggt man sich nur noch kurz bei der Videokonferenz ein, macht Kamera und Mikrophon aus und lässt sich berieseln. Manche Studenten machen das von morgens bis abends, fünf Tage die Woche. Eine Freundin von mir studiert Biologie und hat regelmäßig Online-Praktika, die sechs Stunden am Stück gehen. Praktisch geübt wird da nichts – der Dozent redet einfach durch. Andere Dozenten sind da schlauer und lassen einfach die Studenten den Unterricht machen. Freundinnen von mir haben seit Corona fast nur noch Seminare, die von Kommilitonen geleitet werden. Jeder Seminarteilnehmer muss im Semester einmal einen Termin von vorne bis hinten planen und anleiten. Lernen tun sie dabei nichts – außer wie man bei sinnloser Arbeit die Nerven nicht verliert.

Auch mein Unterricht besteht seit Corona hauptsächlich aus Aufzeichnungen von Vorlesungen und interaktiven Online-Lernmodulen – da kann man anderthalb Stunden einer krächzenden Stimme zuhören, die sehr langsam Sätze von einer Folie abliest. Ungefähr einmal die Woche habe ich noch ein „Live“-Online-Seminar, bei dem meist ein gestresster Assistenzarzt bei abgehakter Internetverbindung versucht, uns chirurgische Nahttechniken per Video beizubringen. Oft hängt das Bild, sodass man leider nur den Anfang und das Ende der OP-Aufzeichnung sieht oder man hört plötzlich den Dozenten nicht mehr sprechen. Neulich hat ein frustrierter Chefarzt versucht, uns einen Luftröhrenschnitt per Videokonferenz zu erklären. „Normalerweise üben wir das am Modell, aber das geht jetzt wegen Corona nicht“, hat er gesagt und bedröppelt in die Kamera geguckt. „Wenn wir alle geimpft sind, könnt ihr gerne bei mir in der Klinik vorbeikommen und das nachholen“. Inzwischen hat sich so einiges angehäuft, das wir dann „später lernen“.


„Wer niest oder hustet fliegt raus“

Immerhin darf ich ab und zu mit einem Schnelltest zum Unterricht am Patienten ins Krankenhaus. Das Schöne dabei: nirgendwo vergisst man so sehr, dass es Corona gibt, wie auf der Station. Das ist kein Witz – für die Schnelltests oder die Einhaltung der Abstände hat sich noch nie ein Arzt interessiert. Allein die FFP2-Maske muss unbedingt ordentlich getragen werden – die scheint mit magischen Abwehrkräften belegt zu sein. Sobald wir unser Schutzschild vor den Mund gezogen haben, ist jede Virusgefahr vergessen und wir drängen uns zu zehnt um ein Patientenbett.

Meine Biologie-Freundin hat da nicht so viel Glück. An ihrem Mikroskopie-Praktikum durfte man nur mit einem offiziellen Nachweis über ein negatives Testergebnis teilnehmen. Selbsttests wurden nicht akzeptiert – eine Studentin, die das vergessen hatte und ihren negativen Selbsttest vorzeigte, wurde nach Hause geschickt. Die Dozentin begann das Seminar dann mit der charmanten Ansage: „Wer niest oder hustet fliegt raus“ – woraufhin sich alle anwesenden Studenten verkrampften und versuchten, möglichst wenig zu atmen. Man muss sich erinnern: alle Teilnehmer wurden vorher negativ getestet.

Mich kriegen diese Irren damit jedenfalls nicht.

Nach drei Semestern „Corona-Studium“ ist bei den Studenten inzwischen endgültig die Luft raus. Es gibt bald Viertsemester, die noch nie ihr Unigelände betreten haben – und nach wie vor ist unklar, ob und wann Studieren „wie früher“ möglich sein wird. Zwar haben viele Unis angekündigt, im vor Kurzem begonnenen Semester wieder mehr Präsenzlehre anzubieten. Die Sache hat nur einen entscheidenden Haken: bei den meistem Unis herrscht 3G – Ungeimpfte dürfen also nur mit Testzertifikat zum Unterricht erscheinen. Die Kosten für den Test müssen sie selbst übernehmen, was bei voraussichtlich ca. 20 Euro pro Test ganz schön teuer für ein Studentenportemonnaie ist.

Meine Uni hat sich sogar einen ganz besonderen Clue ausgedacht: Bei uns muss sich jeder, egal welches „G“, testen. Anders könne man die Patientenbesuche im Krankenhaus nicht verantworten, haben sie uns gesagt. Es sei ja wissenschaftlich erwiesen, dass auch Geimpfte das Virus übertragen können. Schön, dass meine Uni zumindest das mal begriffen hat. Doch zum Impfen drängen wollen sie uns trotzdem – ihre Taktik: die Geimpften bekommen die Tests von der Uni gestellt, die Ungeimpften müssen sie selbst bezahlen. Was soll man da noch sagen? Mich kriegen diese Irren damit jedenfalls nicht.