Archiv: März 8, 2022

Realitätsschock Krieg – Wie der Ukraine-Konflikt die Weltsicht vieler junger Leute erschüttert

Von Larissa Fußer | In den letzten Tagen sehe ich in den Sozialen Medien immer wieder Posts von jungen Leuten zum Ukraine-Krieg. Da war dieses Mädchen, das mit bedrückter Miene ihren Pulli in die Kamera hält, auf dem „Nie wieder Krieg“ steht und dieser junge Sänger, der mit leeren, abwesenden Augen rappt: „Manchmal ist die Wahrheit zu krass dafür, dass ich mein harmoniesüchtiges Hirn darin vertiefen will. Und deshalb steht mein Instagram in jeder Krise still. Ich halt die ganze Scheiße einfach nicht aus, passier mein Leben oder schneid mich da raus.“ Ich glaube, dieser Junge bringt auf den Punkt, wie sich viele junge Menschen im Moment fühlen: Verängstigt und unfähig, damit umzugehen.

Auch für mich waren die Nachrichten über Putins Angriff auf die Ukraine ein Schock. Ich bin gerade auf dem Weg zum Supermarkt gewesen, da habe ich plötzlich vor einem Kiosk die Schlagzeilen gesehen. Angriff, Bomben, Einmarsch. Mir ist kurz das Herz stehen geblieben. Später zuhause habe ich mir Videos angeschaut – von den Luftangriffen, einschlagenden Bomben, fliehenden Menschen. Natürlich hatte ich solche Videos schon mal gesehen, zuletzt aus Afghanistan. Aber das war weit weg gewesen. Jetzt aber fühlte es sich sehr nah an. Und auch wenn es übertrieben sein mag, natürlich kam auch mir der Gedanke: Was, wenn Putin bei der Ukraine nicht halt macht? Was, wenn seine Truppen irgendwann auch in Deutschland einmarschieren? Meine Sorgen wurden nicht gerade beruhigt, als ich die emotionslose Rede unseres Bundeskanzlers sah. Dieses Fähnchen im Wind soll uns verteidigen? Zum ersten Mal, so muss man es wirklich sagen, hatte ich in meinem Leben ernsthafte Angst vor Krieg.

Ich denke, so ging es vielen jungen Leuten. Fast alle sind wir aufgewachsen in dem Glauben, dass es bei uns nie wieder Krieg geben würde. Ich selbst kann mich noch allzu gut daran erinnern, dass ich in der Schule immer, wenn es um Kriege ging, gedacht habe: Warum haben diese Menschen überhaupt Krieg geführt? Ich verstand es einfach nicht und außerdem kamen mir die Weltkriege damals unvorstellbar lang her vor. Ich fand sie grausam, beängstigend – aber darüber hinaus haben sie mich ehrlich gesagt lange nicht berührt. Weil sie mir eben unfassbar weit entfernt erschienen und weil uns kein Lehrer die Kriege ernsthaft erklärte. Wir haben Eckdaten gepaukt, Bücher über die Judenverfolgung gelesen. Aber wir haben zum Beispiel nie versucht zu verstehen, wie es überhaupt dazu kommen konnte, dass die Deutschen 6 Millionen Juden ermordet haben. Hitler war ein Teufel, die Deutschen waren dumm, grausam und antisemitisch – das war es, was bei mir zum Thema Krieg hängen blieb.

Und aus dieser Sicht heraus, war ich natürlich immer „gegen Krieg“. So wie man als Kind eben gegen Hass und Tod ist – und für Liebe und Freundschaft. Nur: Krieg war in meiner Kindheit eben überhaupt kein aktuelles Thema, mit dem ich mich hätte auseinandersetzen müssen. Ich wurde 2004 eingeschult. Bis zur Krim-Krise 2014 gab es in Europa keine militärischen Konflikte, von denen ich überhaupt etwas mitbekommen habe. Ich musste erst erwachsen werden, um zu merken, welch naive Sicht auf die Welt mir in der Schule beigebracht worden war. Und ich bin immer noch dabei, das „Make Love, Not War“-Geschnurzel meiner Alt-68er-Hippie-Lehrer und Bekannten abzuschütteln.
Weil ich eben irgendwann, vielleicht war es in einer spätnächtlichen Apollo-Diskussionsrunde, verstanden habe: Wenn die USA keinen Krieg gegen das Hitler-Deutschland geführt hätten, gäbe es das Deutschland, in dem ich heute so gut lebe, nicht. Vielleicht hätte es überhaupt kein Deutschland mehr gegeben, vielleicht hätte es sogar kaum noch Deutsche gegeben. Und ich habe begriffen, dass ein Israel, wenn es nicht in dauerhafter Kampfbereitschaft wäre und sich nicht immer wieder mit voller Härte gegen Angriffe seiner Nachbarn verteidigen würde, nicht existieren könnte. Heißt: Ich weiß nun, dass es die Freiheit und Werte der westlichen Welt nur gibt, weil sie erkämpft wurden. Und dass wir sie ganz schnell verlieren können, wenn wir sie nicht verteidigen. Nicht zuletzt deswegen berührt mich auch der Ukraine-Krieg: Auch den Ukrainern geht es um nicht weniger, als ihre Freiheit und Souveränität zu verteidigen. Und das werden sie – anders als mein früheres Hippie-Ich geglaubt hätte – nicht schaffen, indem sie Auge in Auge mit den russischen Panzern „Give Peace a Chance“ singen.

Wer von euch „Matrix“ geguckt hat, kennt sicher die Szene, in der die Hauptfigur Neo vor die Wahl gestellt wird, eine blaue oder eine rote Pille zu schlucken. Die blaue Pille lässt ihn weiter in einer konstruierten Scheinwelt leben, in der alles schön und angenehm ist. Die rote Pille aber holt ihn in die reale Welt, die gefährlich, beängstigend und unangenehm ist. In der er aber – im Gegensatz zur Traumwelt – etwas verändern kann. Ich glaube, dass der Ukraine-Krieg die rote Pille für viele von uns jungen Leuten war. Jetzt ist es an uns, einen Umgang mit der Realität zu finden – und uns nicht, so wie der am Anfang erwähnte Sänger, von der Welt abzuschneiden und weiter zu träumen.


Gestern noch umgeben von Pazifisten, heute mitten im Krieg

Von Jerome Wnuk | Seit dem letzten Donnerstag ist vieles anders. Der Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine hat uns alle sprachlos gemacht. Der Alltag in Schule und Freizeit ist aktuell nur mit einem Wort zu beschreiben: anders. Normalerweise mache ich mein Handy vor der Schule nie an. Gerade an diesem Tag wollte ich mich nicht noch unnötig morgens in irgendwelchen sozialen Medien verlieren und eher die übrige Zeit sinnvoll nutzen, um nochmal alles für meine anstehende Politikklausur durchzugehen. Das ging an diesem Morgen nicht. Nicht mal frühstücken konnte ich richtig und schon gar nicht an irgendwelche Begriffe aus der Politikwissenschaft denken.

Wie ein Schlag in den Bauch hatte die Nachricht, dass russisches Militär die Ukraine angreift, mich erwischt. Das Gefühl an diesem Morgen war ein völlig neuartiges, ein tief bedrückendes. Schon die Tage davor, in denen sich das ganze Unheil anbahnte, fühlte sich der Alltag surreal an. Fast minütlich hatte man auf den News-Feed geguckt, mit Freunden gesprochen und noch bis in die Nacht verschiedenste Berichte über das Geschehen gelesen und gehört. Trotzdem ging man noch ganz normal seinen Alltag nach. Noch am Abend davor war ich zum Beispiel noch mit einer Freundin im Theater gewesen.

Das ist seit dem Donnerstag anders. Das alltägliche Leben mit Schule und Hobbys geht zwar weiter, fühlt sich jedoch völlig anders als sonst an. Aktuell fühlt es sich surreal an, in einer Schule zu sitzen oder irgendwo ein Kaffee trinken zu gehen, während 1000 Kilometer von hier gerade ein Staat von einem anderen militärisch attackiert wird und unschuldige Menschen sterben. Dass dort Menschen wie wir, die bis vor Kurzem noch dieselben Dinge wie wir getan haben, nun auf einmal um ihr Leben fürchten müssen, ist eine unerträgliche Tatsache und ein Fakt, der einen den Alltag anders erleben lässt. Oft wird man aktuell an das schreckliche Geschehen erinnert.

Diese dauerhafte Präsenz dieses Krieges und der verbundenen Sorgen in unserem Alltag ist eine Neuheit für mich und für große Teile meiner Generation. Klar, wir haben auch schon den Syrienkonflikt oder Corona erlebt, aber, dass alle so gebannt, wie die meisten in den letzten Tagen, die Nachrichten verfolgt haben und alle den Drang hatten, über die Ukraine zu sprechen, gab es noch nie. Man spürt eine Angst vor einer Bedrohung, die noch nie in unserem Leben konkreter war als jetzt. Noch nie war die Sorge vor einer Eskalation, vor einem Angriff auf all das, was uns wichtig ist, größer. Noch mal um ein großes Stück schlimmer als bei mir, ist es bei einer meiner besten Freunde, der aus Lettland kommt, dort immer seine Ferien verbringt und engste Familie in Lettland hat. Er kennt von seinen Eltern und Großeltern noch die schlimmen Geschichten aus der Zeit russischer Besatzung. Die Angst, dass sich diese Zeiten bald wiederholen werden, ist bei ihm und bei den meisten Nachbarstaaten Russlands akuter denn je und mit kaum einer Angst, die er bisher erlebt hat, vergleichbar. Dieser Krieg, dieser Angriff auf die Ukraine betrifft Europa wie kein anderer seit dem Zweiten Weltkrieg. Es sind Menschen wie wir, die ein Leben wie wir geführt haben, die dort nun um ihr Leben fürchten müssen. Es ist so nah wie nie und so bedrohlich wie nie. Dieses Gefühl ist nicht zu vergleichen oder zu beschreiben, es ist einfach da und es fühlt sich schlimm an.

 


Weiter Dienst nach Vorschrift: Der falsche Umgang mit diesem Krieg in der Schule

Von Gesche Javelin und Johanna Beckmann | Wir, die Jugend, kennen den Krieg nur aus Erzählungen und dem Geschichtsunterricht. Ein Krieg war für uns noch nie so nah, er war noch nie in Europa. Genau aus diesem Grund beschäftigt der Konflikt in der Ukraine viele von uns. Jedoch wissen wir nicht, wie wir die Situation einschätzen sollen, da wir so etwas noch nie erlebt haben. Sobald wir einen Blick auf Nachrichten werfen, sehen wir brennende Häuser, Panzer und weinende Familien in der Ukraine. Uns fällt es oft schwer, diese Bilder richtig einzuordnen.

Die aktuellen Nachrichten lassen sich für viele nur schwer verarbeiten und alles dreht sich um die Frage: „Wird es einen dritten Weltkrieg geben?“ Durch die erschreckenden Bilder ist das Interesse, mehr über den Ukraine-Russland Konflikt zu erfahren, bei vielen geweckt. Um weitere Informationen zu finden, müssen wir uns nun in der Vielzahl von Medien orientieren. Das ist oft gar nicht so einfach. Grundlegende Informationen findet man oft schon auf Social Media. Bei der weiteren Recherche geben viele dann auf, da sie sich von der Masse an Informationen erschlagen fühlen und diese nicht wirklich einordnen können. Viele Jugendliche bleiben bei der Information Russland greift die Ukraine anstehen. 

Bei Gesprächen zum Thema Ukraine in der Klasse fiel uns nicht nur der stark unterschiedliche Informationsstand auf, auch die Sorgen und Ängste unserer Mitschüler waren unterschiedlich. Wir saßen im Klassenraum und hatten Pause. Wie es zu erwarten war, kam das Gesprächsthema Russland-Ukraine Konflikt auf:

 

Emily, die Hysterische, sagt: ,,Leute, denkt ihr, dass es zu einem dritten Weltkrieg kommen wird?

,,Ich habe auf meiner TikTok for you page gesehen, dass der Zeitreisende einen 3. Weltkrieg vorhersagt., wirft Eileen ein.

,,Nö, glaube ich nicht.,  murmelt Ben und isst weiter sein Brötchen.

Achim, der Militärstratege, philosophiert: ,,Die Russen haben doch am Anfang schon so viele taktische und operative Fehler gemacht. Kein Wunder, wenn man denkt, dass man ohne Schutz einfach in ukrainische Dörfer fahren kann. Da glaubst du doch nicht wirklich, dass es zu einem 3. Weltkrieg kommen wird.

,,Naja, wir werden sehen., nuschelt Ben.

,,Ich habtrotzdem Angst. Hat irgendwer von euch vielleicht einen Bunker zu Hause? Ich würde mich auch um die Essensvorräte kümmern., bringt Emily vor.

,,TikTok sagt, dass man auf einen Ernstfall immer vorbereitet sein sollte., versichert Eileen.

,,Bestimmt., raunt Ben.

Achim erklärt: ,,In Deutschland brauchen wir dafür unbedingt eine Baugenehmigung und die Wände müssen mindestens 1,5 Meter dick sein. Am Besten aus Stahlbeton.

Emily gibt zu bedenken: ,,Aber der schützt mich auch vor Atombomben, oder?“

Also TikTok empfiehlt, dass man heutzutage sowieso nur noch Bunker mit Schutz vor Atombomben bauen sollte., trägt Eileen vor.

Ben schmatzt: ,,Ja, das ist total wichtig.

Achim unterrichtet: ,,Wenn Putin Atombomben werfen würde, wäre das doch nur eine unnötiger und eskalierender militärischer Aufwand. Außerdem pflegt er eine sehr gefährliche und unverantwortliche Rhetorik, deswegen glaube ich kaum, dass ein Atomkrieg im Bereich des Möglichen liegt.

Frau Wagner unterbricht energisch: „Können wir jetzt mal bitte mit dem Unterricht anfangen! Ich muss den Lehrplan schaffen, sonst seid ihr nicht gut auf´s Abitur vorbereitet. Und Achim, ich finde nicht gut, dass du in meinem Unterricht deine Militärtheorien verbreitest, das schwächt das Arbeitsklima.” 

 

Wie soll Emily produktiv arbeiten, wenn sie sich solche Sorgen macht?  Wenigstens die Angst vor einem Atomkrieg könnte eine Lehrkraft ihren Schülern doch nehmen, ohne dass gleich der Abischnitt in den Keller fällt. Doch so wie bei Emily und ihren Mitschülern sieht es bei vielen von uns aus. Ja, die Mehrheit der Schüler in unserem Alter weiß nicht einmal genau, wo die Ukraine auf der Karte ist. Oder welche Sprache dort gesprochen wird, wie Minsk genau geschrieben wird und erst recht nicht, welche Geschichte dieses Gebiet hat. Ja, Emily mag übertreiben, vielleicht ist sie auch etwas zu hysterisch. Doch, wer will ihr oder uns einen Vorwurf machen? Wir werden da einfach rausgehalten, wir erfahren nur das Mindeste. Wir können die Informationen gar nicht richtig einordnen, Influencer auf Tiktok und Co. nutzten das gerne aus, um die Panik der Jugendlichen für Klicks und Likes noch anzufeuern. Jetzt wäre es die Möglichkeit von Erwachsenen, – und vor allem von denen, die dafür bezahlt werden, uns zu unterrichten – endlich mal zu erklären, was zur Hölle hier los ist. Dann würden wir im Geographie-Unterricht auch in Zukunft besser aufpassen.


Sprachverwüstung und Scheingleichberechtigung – warum ich gendern unnötig finde

Von Anna Graalfs, 15 Jahre | „Liebe Bürger*innen, liebe Schüler*innen, liebe Stadtbewohner*innen, ich begrüße Sie ganz herzlich zu der heutigen Bürger*innen-meister*innen-Wahl!” So oder so ähnlich könnte eine Begrüßung für eine – nein, ich gendere privat nicht – Bürgermeisterwahl stattfinden. Gendern im Sinne der Gerechtigkeit und als reine Gewöhnungssache – das ist im Moment ziemlich kontrovers. Im Folgenden möchte ich erklären, warum ich Gendern, zumindest in der Extremform, für nicht weniger als selbstsüchtigen Zeitvertreib halte. 

Es gibt durchaus Argumente, die die Forderung nach gendergerechter Sprache plausibel erscheinen lassen. Der Grundgedanke dahinter, also das Sich-Sehnen nach Gerechtigkeit, ist nämlich an sich nachvollziehbar. Allerdings stellt sich doch vorerst die Frage, inwiefern die angesprochene Diskriminierung, zumindest in der Sprache, überhaupt vorliegt. Dazu lohnt es sich, sich mit der Unterscheidung von Genus und Sexus vertraut zu machen. Unter dem Eintrag „Personenbezeichnungen“ im Duden wird schnell klar, dass sich der Genus, also DER Baum oder DIE Pflanze, auf das grammatische Geschlecht bezieht und nichts mit dem Natürlichen zu tun hat. Die dritte Klasse des Genus’ besagt, dass das generische Maskulinum nicht nur Männer spezifisch bezeichnet, sondern auch „verallgemeinernd auf Frauen und Männer“ angewendet wird. Es dürfte also diesbezüglich kaum zu Missverständnissen kommen, wenn eine Gruppe von männlichen und weiblichen Schülern mit dem Substantiv „Schüler“ adressiert wird. Durch das generische Maskulinum entsteht also keine Diskriminierung. 

Doch selbst wenn es ein solches Problem gäbe oder man außersprachlichen Sexismus bekämpfen wollte, wäre die Doppelnennung dann eine erfolgreiche Maßnahme? Oder bräuchte es das Binnen-I? Meines Meinung dazu: Ein Wort an sich, ohne jegliche Gestik oder Mimik, verändert nicht das Denken. Es ist das Denken, das die Sprache verändert, die Intention hinter dem Gesagten ist das, was den Unterschied macht. 

Eine gute Sache bringt das Gendern, in Formen wie Gendergap oder Gendersternchen, ja doch mit sich: Die Hervorhebung von Menschen, die weder männlich noch weiblich sind. Aber zu welchem Preis kommt diese? Verständlichkeit geht durch unlesbare Satzungetüme zugrunde. Oder kann mir jemand erklären, wie ich die Genitivform „des Tischlers“ auch nur in irgendeiner verständlichen Weise gendern kann? Aber das Vorzeige-Problem des Genitiv-s ist nicht die einzige sprachliche Hürde, die Genderfanatiker übersehen. Selbst die Substantivierung bringt ihre Probleme mit sich. So stellt sich die Frage, was beispielsweise mit Possessivbegleitern wie „sein“ oder „ihr“ geschieht. Ein anderes Problem sind Substantive, die männliche Personenbeschreibungen enthalten, wie zum Beispiel „Schützenfest“ oder „Wirtshaus“. Wo fängt Gendern also an und wo hört es auf? 

Ich glaube, was vielen Genderbefürwortern nicht bewusst ist, ist diese erschreckende Größe des Eingriffes in unsere Sprache und das mit einhergehende Schwinden von Verständlichkeit. Wenn Gendern also mit großem Aufwand verbunden ist, zu unleserlichen Satzgewirren führt und das generische Maskulinum eh schon alle mit einbezieht, warum tun es dann einige Leute trotzdem? Ich erkläre mir das so: In der Genderdebatte geht es längst nicht mehr um Sprache und ihre Nachteile gegenüber Anderen, sondern vielmehr um ein sozial-politisches Statement, welches auf den Ruf des Einzelnen bedacht ist. Wenn ich gendere, sage ich automatisch: „Seht her! Ich bin Anti-Diskriminierung, ich bin modern, ich gehe mit der Zeit!“ Letztendlich geht es um einen selbst, anstatt um andere Personen.

Eine von „YouGov“ im Jahr 2016 durchgeführte Umfrage zeigt, dass rund 43 Prozent aller über 18-jährigen Deutschen der Meinung sind: „Geschlechtergerechte Sprache nervt mich.“ Und trotzdem glauben 52 Prozent, dass sich diese langsam durchsetzen wird. Wie hiermit im Privaten umgegangen wird, ist wohl jedem selbst überlassen, aber Gendern im öffentlichen Leben als Pflicht einzuführen, wäre – so muss ich doch sagen –  eine höchst undemokratische Bevormundung.