Archiv: Juni 30, 2022

Die Inflation ist sozialer und politischer Sprengstoff

Von Michel Valtey | Die Inflation frisst sich immer weiter in die Geldbeutel der breiten Gesellschaft. Monate wurde sie geleugnet, danach für „nur vorübergehend“ erklärt, dann für gut verkauft und schließlich Putin in die Schuhe geschoben. Vor allem Geringverdiener, die proportional einen hohen Anteil ihres verfügbaren Einkommens für Güter des täglichen Bedarfs ausgeben sind stark betroffen. Um das zu erfahren, reicht ein einfacher Gang in den Supermarkt oder die Fahrt zur Tankstelle. Preissteigerungen von teilweise mehr als 50% sind keine Seltenheit mehr. Staatliche Subventionen wie das Energiegeld, der Tankrabatt oder das 9-Euro Ticket ändern an der sich immer weiter zuspitzenden Lage nur wenig. 

Doch wie soll es weitergehen? Die kommenden Monate und Jahre werden für einen großen Teil der Bevölkerung wohl durch einen spürbaren Wohlstandsverlust in der Erinnerung bleiben. Hohe Inflationsraten sind darüber hinaus in der Geschichte bisher häufig mit sozialen Unruhen oder starken Verwerfungen einhergegangen. Um das zu erkennen, reicht ein Blick auf die Weimarer Republik und die dortige Hyperinflation von 1923. Es ist leicht zu verstehen, dass Inflation in keiner Weise verharmlost werden darf. Mit Rückblick auf die damals folgende soziale und politische Katastrophe des sich daraus entwickelnden Nationalsozialismus, scheint es fast absurd, wie wenig Bedeutung die Thematik in der Politik heute wirklich einnimmt. Es scheint der Politik im Moment wichtiger zu sein, Toiletten für das dritte Geschlecht zu schaffen, als die Probleme der breiten Bevölkerung ernst zu nehmen.


Woran liegt es, dass sich Politik nicht mit vollem Einsatz dafür sorgt, das Problem anzugehen? Wahrscheinlich schlichtweg daran, dass es sich bei der Inflation nicht um ein durch Corona oder den Krieg in der Ukraine ursächlich ausgelöstes Problem handelt. Seit der Euro-Einführung sagten  schon dutzende Experten steigende Inflationsraten voraus. Schon früh wurde als Problem des Euros benannt, dass viele Länder mit stark unterschiedlicher Wirtschaftskraft auf Dauer nicht die gleiche Währung haben können, da ihnen sonst die Möglichkeit der Auf- und Abwertung fehlt. Dazu kommen die andauernden Rettungsorgien der südeuropäischen Länder, die ohne das massive Aufkaufen von Staatsanleihen durch die europäische Zentralbank längst bankrott gegangen wären, um nur zwei Grundprobleme des Euros zu nennen. Doch zu schön war es aus politischer Sicht, viele europäische Staaten mit einer einzelnen Währung zu beglücken und sie somit näher zusammenzubringen. Das Infragestellen des Euros würde das Scheitern eines der entscheidenden Projekte auf europäischem Boden bedeuten. Dies scheint aus Brüsseler Sicht keineswegs hinnehmbar zu sein.


Doch so unangenehm das Eingestehen von Fehlern auch sein mag – es muss nun endlich entschlossen gehandelt werden. Die EZB muss aus der unverantwortlichen Nullzinspolitik aufwachen, um größeren Schaden abzuwenden. Ihre aktuellen Pläne, den Leitzins auf 0,25 Prozentpunkte zu erhöhen, sind zwar ein guter Anfang. Jedoch im Vergleich zu anderen Ländern zaghaft (Apollo berichtete). Grundsätzlich gilt: Das Konzept des heutigen Euros sollte dringend überdacht werden. Ländern, denen der Euro als Währung zu stark ist, wäre es wohl besser anzuraten, das Projekt für ihr Land als gescheitert zu erklären und die Reißleine des Austritts zu ziehen. Sollte dies alles aus politischer Sicht nicht umsetzbar sein, sollte sich Deutschland letztendlich überlegen, den Euro selbst als gescheitert zu erklären und zu verlassen. Damit könnte die Geldwertstabilität wieder in eigene Hände genommen werden, wie es die Bundesbank viele Jahrzehnte vorgemacht hat. Geldwertstabilität korreliert nämlich nicht ohne Grund mit Wohlstand und sozialem Frieden – sie stellt eine der Grundlagen der heutigen Gesellschaft dar. 


Video: Wer steckt hinter Apollo?

Uns wird ja immer wieder vorgeworfen, dass wir bei unserem Alter lügen würden. Jetzt kommt’s endlich raus: Eigentlich sind wir alle peinliche ü50er, die sich die Jugendsprache nur angeeignet haben. Sehen Sie selbst in diesem Video!

Anmerkung: Manche Autoren haben so lange ihre Nase gepudert, dass der Kameramann schon verschwunden war, als sie aus der Kabine gekommen sind. Eine vollständige Autorenliste finden Sie unter diesem Link: https://apollo-news.net/das-apollo-team/.


9-Euro-Ticket – Welcher Irre hat sich das ausgedacht?

Von Moritz Klein | Sie wollen umweltbewusster sein und das Auto mal stehen lassen? Der Zug ist abgefahren! Wo noch vor einigen Wochen die Maskenpflicht und Abstandsregeln herrschten, drängeln sich heute mehrere 100 Leute in einen Waggon. Das reinste Chaos. Züge fallen aus oder müssen gestoppt werden, Menschen, die zur Arbeit müssen, kommen nicht in den Zug hinein und manch anderer entscheidet sich dann doch für’s Auto.

Gedacht war das Neun-Euro-Ticket als Entlastung für die stark gestiegenen Energiekosten und als Anreiz, das Auto stehen zu lassen. Blöd nur, dass das Ticket ausschließlich für den Nahverkehr gilt. Das heißt, wenn das Nahverkehr-System auf Grund der Überlastungen kollabiert und kein Zug (bzw. nur mit halber Besatzung, wie in der Berliner Morgenpost berichtet) fährt, dann ist man gerade zu gezwungen, mit dem Auto zu fahren. Und wer keins hat und auf die öffentlichen Nahverkehrsmittel angewiesen ist, der kann gucken, wo er bleibt. Höchstwahrscheinlich zuhause. Von Solidarität nicht ein Hauch einer Spur.

Da gerade Deutschland der Solidarität immer zu nacheifert, wundert es mich um so mehr. Von Solidarität wurde auch immer gesprochen, als es um die Corona-Abstandsregeln ging. Man solle den Kontakt zu anderen meiden und Abstand halten, da das ja sonst, laut Politik und öffentlich Rechtlichen, das Todesurteil für die eigene Oma sein hätte können. Doch wenn es eine Fahrkarte für neun Euro gibt, kann man auch mal seine Prinzipien über Bord werfen. Des Weiteren steht in den Deutsche-Bahn-Hygieneregeln, man solle auf ein Händeschütteln verzichten. Wenn ich ehrlich bin, schüttle ich lieber den 100 Leuten die Hand, anstatt mich mit ihnen auf engstem Raum durch die Gegend fahren zu lassen!

Unser Autor hat sich das Chaos in den Bahnen selbst angeguckt.

Über sieben Millionen Tickets wurden seit Verkaufsstart verkauft. Ein Großteil davon fährt nun mit dem Nahverkehr durch ganz Deutschland und schaut sich Sehenswürdigkeiten an. An sich eine schöne Sache, völlig alltäglich. Auf der anderen Seite jedoch treffen sich Punks und andere, nicht in die Gesellschaft integrierbare, zu großen Scharen, um den „bösen Reichen“ eins auswischen zu können. Dabei sagte ein Punk in einem Straßeninterview: „Wir sind hier um Remmidemmi zu machen“, seine Freundin, ebenfalls ein Punk, korrigierte und meinte: „Ne, eigentlich wollen wir nur saufen…“.

Das Verschleiern des eigentlichen Motivs hat leider nicht funktioniert. Schade. Nach dem Pfingstwochenende, sah Sylt aus wie das Wohnzimmer einer Wohnung in der Berliner Liebigstraße 34. Wo man auch hinguckt – auf den Bahnhöfen, in den Zügen oder auf Sylts schönsten Promenaden – überall schaut man in dasselbe von Frustration und Fassungslosigkeit geprägte Gesicht. Eine Ruhigstellung des Volkes, welches unter den Spritpreisen und der Inflation leidet. Den Menschen, die sich nun in die Schlangen der Tafel einreihen müssen, ist mit einem Ticket, welches nur im Nahverkehr gilt, wenig geholfen.

Nicht nur die Umsetzung, sondern auch die Zeit sind einfach undurchdacht. Aufgebrachte Fahrgäste streiten sich auf Bahnhöfen und in Zügen, Menschen, die normalerweise mit dem Nahverkehr unterwegs zur Arbeit oder Uni sind, kommen nicht in Züge rein oder müssen sich zu fünft einen Sitzplatz mit Punks teilen. Bürger, die sich dazu entschlossen haben, das Auto mal stehen zu lassen, werden überzeugt, dass diese Entscheidung eine Schnapsidee war. Zum Glück müssen wir das nur für drei Monate aushalten. Dann fährt jeder wieder schwarz oder mit dem Auto. 


Schön war’s! Unsere Apollo Akademie im Rückblick

Endlich mal wieder treffen, ohne Corona-Auflagen, bei bestem Wetter und mit hochkarätigen Referenten. Unsere 11. Apollo Akademie war  der Sommerausflug, den wir alle noch vor ein paar Monaten im Lockdown vermisst hatten. 

Mit 25 Teilnehmern zwischen 15 und 27 Jahren waren wir so viele wie noch nie. Unser Mission: Gut recherchierte Artikel schreiben. Gemeinsam haben wir geübt, Themen zu durchdringen, Ideen und Ahnungen nachzugehen und Fakten zu sammeln. Unterstützt wurden wir dabei durch Vorträge von Roland Tichy, Peter Hahne und Holger Douglas. 

In den Pausen haben wir eine alte Apollo-Tradition wieder aufleben lassen und sind in einer Auto-Kolonne zum nahgelegnen See gefahren. Dort gab’s freies Eis für alle – es gibt ihn eben doch, den „Free Lunch“, Herr Friedman. Abends wurde die Gitarre ausgepackt – in großer Runde sangen wir Oldies wie „Don’t stop me now“ von Queen. Wünsche, „Cold Heart“ von Elton John und Dua Lipa zu singen, wurden mit Verweis auf den guten Geschmack abgewiesen.

Am Ende sind eine ganze Reihe von Artikel entstanden, die sich sehen lassen können. Sie werden in den nächsten Tagen hier und bei TE erscheinen. Blieben Sie also dran und gucken Sie immer wieder auf unsere Seite! (Wenn Sie es nicht eh schon tun)

Unser nächstes Seminar ist für Anfang Oktober geplant. Interessierte können uns schon jetzt eine Mail an info@apollo-news.net schreiben.


Das Erdbeben in Kalifornien. Eine Kurzgeschichte aus Lockdown-Zeiten

Von Jonas Kürsch | An einem frühen Montagmorgen, als die Woche noch unberührt und daher voller Möglichkeiten zu sein schien, erwachte ein junger Mann inmitten eines unwirklich anmutenden Getöses auf unangenehmste Art aus seinem süßen Schlaf.

Denn sowie sich seine schweren Lider geöffnet hatten – der Verstand war ihm von der lieblichen Träumerei noch leicht benebelt – musste er voller Entsetzen feststellen, dass sich die kargen Wände seines kleinen Zimmers bedrohlich auf ihn zubewegten und der Boden unter seinen Füßen beunruhigend zu wackeln begonnen hatte.

Geistesgegenwärtig rollte er sich aus seinem eben noch gemütlichen Bett und floh aus dem engen Kämmerlein, bevor er unter einem Haufen aus grauer Asche und bei lebendigem Leibe begraben werden konnte.

Durch den aufgewirbelten Staub waren die Umrisse des Hausflures inzwischen nur noch zu erahnen. Er zwängte sich entlang der grauen Wohnungswände, und als er dann die Eingangstür erreicht hatte, gelang ihm schließlich die Flucht aus dem nun unkontrolliert und in alle Richtungen zerberstenden Gebäude. 

Der Schrecken war groß: es schien, als sei die gesamte Welt dazu verurteilt worden, in einem geradezu brachialen Inferno bis auf ihr Fundament niederzubrennen! 

Die sterbende Sonne tränkte den Horizont in ein blutiges Rot und die einst von Leben erfüllte Stadtluft war durch die dicken Rauchschwaden verdorben, so dass ein jeder Atemzug sogleich zur reinsten Höllenqual verkam.

Es flossen die Tränen aus seinen entzündeten Augen; er konnte nicht genau erkennen, welche Grauen sich um ihn herum abspielten, doch die im Laufe der Zeit verstummenden Schreie ließen darüber ohnehin nur wenig Zweifel.

Die Erde bebte auf ein Neues; das panische Gewimmer raunte abermals auf. Eine sich auftuende Erdspalte riss die kalifornische Allee entzwei und verschlang einen in sich zusammenstürzenden Häuserzug ohne Erbarmen.

Der junge Mann taumelte orientierungslos umher, während die langsam schmelzenden Augäpfel ihm verbrannt aus den Höhlen zu laufen drohten.

Eine Palme ragte im Zentrum dieses Armageddons unbeschadet aus dem rissigen Bürgersteig empor. Der Herr lehnte sich gegen das standhafte Gewächs, während der schwere Rauch ihm zunehmend die Luft abschnürte. Er sah hilfesuchend um sich: da fiel sein Blick auf die Gestalt eines apokalyptischen Wahrsagers, der auf den zertrümmerten Resten eines chinesischen Kinos aus einem alten Buch deklamierte:

„Und wer entflieht 
Vor dem Geschrei des Schreckens,
Der fällt in den Schacht;
Und wer entkommt aus dem Schacht,
Der wird in der Schlinge gefangen-“

Plötzlich stürzte ein gewaltiger Stahlträger aus dem Himmel und erschlug den gottlosen Schwätzer.

Alleingelassen irrte der Glücklose weiter durch die untergehende Metropole, bis seine nackten Fußsohlen auf dem glühenden Asphalt wie zwei blutige Blasen zerplatzten. Die Knochen wurden ihm schwerer und immer schwerer; und seine Zehen zerrieben sich am rauen Straßenbeton allmählich in kleine Stücke.

Einige Meter weiter fiel er dann zu Boden, ließ sich vom Schmerze niederringen, gestattete sich, ein wenig zu ruhen und ein bisschen zu bluten. Letztendlich hatte er sich selbst in all der Hysterie verloren. Es würde ihm nicht mehr gelingen, aus dieser Psychose befreit zu werden.

Et mors venit.  


Kurzarm-Hemden verbieten, jetzt! Eine Stilkritik 

Von Simon Rabold | Es mag bizarr anmuten, dass gerade auf Apollo News, das Jugendmagazin, welches bekanntlich wie kein anderes für die Freiheit steht, ein Verbot gefordert wird. Aber ich denke, es ist nötig. Pro forma sei erwähnt, dass nicht alle von Apollo diese Botschaft teilen, ich spreche hier in erster Linie für mich – wenn gleich es auch ähnlich Denkende geben mag. Aber es wurde Zeit und ich kenne nun mal keinen anderen Ausweg, als ein Verbot zu fordern. Also, liebe Politiker, die ihr da im Bundestag sitzt: die Zeit drängt!

Worum geht es genau? Es geht um nichts anderes als die Rettung des guten Geschmacks und das Ansehen von Deutschland als Kulturnation, wenn davon noch ein kleiner Rest übrig sein sollte. Und der Feind breitet sich schnell aus. Generationenübergreifend, sowohl alt als auch jung tragen mittlerweile kurzarm. Selbst vor dem eigentlichen schönen Geschlecht wird kein Halt gemacht, auch Frauen sind mittlerweile in Kurzarm-Hemden bzw. Blusen zu sehen.Große Modehäuser bringen ihre Kollektionen heraus und auf dem Laufsteg laufen Männer mit halbnackten Arm! Egal ob reich oder arm, Freizeit oder Arbeit, vor Nichts und Niemanden macht das Kurzarmhemd Halt!

Wie konnte es nur so weit kommen?

Es fing wohl alles an durch den Schreiber des Hits „You’re my Heart, you’re my soul“, niemand geringeren als Dieter Bohlen und seine unsägliche Partnerschaft mit „Camp David“ – wenn es in der Modeindustrie den einen ranzigen Bösewicht gäbe – hier, bitteschön. Ab dann war es nicht mehr weit bis Gabi und Uwe im Karstadt die Dinger sahen, anprobierten, die Verkäuferin meinte, diese Kurzarmhemden seien nun „fesch“ und zack, beim Grillfest am Samstag wurde die neue Errungenschaft stolz Heike und Karsten vorgeführt. So breitete sich das Feuer weiter aus, und dank des Internets sind Kurzarmhemden binnen wenigen Tagen theoretisch in jedem Haushalt.

Prinzipiell heißt es ja immer, der Markt regelt das selbst. Hier aber versagt der Markt! Hayek, Mises, Hoppe und Co. konnten diese scheußliche Entwicklung wohl nicht voraussehen. Der Feind ist aber nun nicht anders aufzuhalten. Staat, bitte hilf.

Nun werden manche fragen, was man denn dann machen solle, sollte es warm werden. Die Lösung liegt für mich auf der Hand, aber trotzdem, noch mal für alle zum Mitschreiben: Ist man auf Hawaii, dann mea culpa, dort ist der einzige Ort, an dem man ein Kurzarmhend tragen kann. Viel Spaß dabei! Wenn nicht: nicht mal darüber nachdenken! Entweder ist es noch gar nicht so warm, dass ein Kurzarmhemd in irgendeiner Weise notwendig wäre, dann bleibt man beim Langarm. Ist es tatsächlich heiß, empfiehlt sich ein Hemd aus Leinen, der Stoff ist kühl und gerade im Sommer eine Empfehlung. Ist der Anlass sowieso kein besonders schicker, greift man auf ein Polohemd zurück – dies ist in der Regel aus Pikee und daher besonders atmungsaktiv und angenehm zu tragen. Und für alle Kurzarmfetischisten: Ja, ein Polohemd darf auch kurzärmlig getragen werden!

 

Hinweis der Redaktion: Es tauchten nun alte Videos auf, in denen unser Herausgeber Max Mannhart, in eben solchen Kurzarm-Hemden zu sehen ist. Wir möchten klar stellen, dass dies keineswegs unsere Blattlinie und die Grundsätze von Apollo News wieder spiegelt, es handelt sich dabei um einen Jugendfehler. Max Mannhart hat sich bereits förmlich entschuldigt. Wir stehen gemeinsam im Kampf gegen das Kurzarm-Hemd.


Muss die Fünf-Prozent-Hürde weg? – das große Apollo Battle

Lesen Sie hier: Das große Debattenduell. Safety-first-Simon vs. Anarcho-Jonas. Sollte die Fünf-Prozent-Hürde zum Wohle der Demokratie abgeschafft werden? Oder stürzt das unser ohnehin schon wackeliges System nur vollständig ins Chaos? Sperr-Klausel ja oder nein – wer überzeugt Sie mehr?

Achtung: Dieser Beitrag könnte vereinzelt Spuren von Humor enthalten. Weder Stabilität-Fanatiker noch Chaos-Liebhaber wurden bei der Produktion dieser Kolumne ernsthaft verletzt. Dieser Austausch spiegelt in keiner Weise das Arbeitsklima bei Apollo News wieder, sondern dient schlichtweg Unterhaltungs- und Ausbildungszwecken. Seelsorgerische Unterstützung stand den Autoren zu jeder Zeit zur Verfügung.


Ja zur Hürde – Stabile Demokratie statt Chaos à la Weimar!

Von Simon Ben Schumann | Ich war noch nie in Thüringen – und ich bin ehrlich: bisher hat mich das nicht besonders traurig gemacht. Aber ich hab meine Meinung geändert. Denn vielleicht würde ich meinen Kollegen Jonas dann endlich besser verstehen. Die beschwingende Atmosphäre im Bundesland der Würstchen beflügelt einen bestimmt zu ein paar guten Ideen. Ich meine: gefangen zwischen Björn Höcke, DDR-Apologeten und Rostbratwürsten muss man schon kreativ sein, um nicht wahnsinnig zu werden. Während Jonas auf den endlosen Kuh-Wiesen seines einsamen Heimatdörfchens liegt und an einem Thüringer-Würschtel knabbert, kommen ihm so wahrscheinlich eine Menge Gedanken in den Sinn – ein paar gute und ein paar bekloppte. Letzteres Kaliber ist sein Wunsch nach Chaos – oder in seinen Worten: dem nach der Abschaffung der Fünf-Prozent-Hürde. 

 

Die Hürde abschaffen – das könnte fatal enden

Bevor du anfängst zu toben und mich mit einem getunten Moped über den Haufen fährst: Es gibt ein paar einzelne solide Argumente für ein Wegfallen der Fünf-Prozent-Hürde, das will ich ja gar nicht bestreiten. Aber die werden von der Gegenseite nunmal überwogen und der Rest ist Mist. Das fängt schon beim Kassenschlager Nr. 1 an: Dem Willkür-Argument. „Wer hat sich ausgedacht, dass es genau 5 Prozent sein sollen? In Österreich gibt es eine Vier-Prozent-Hürde. Warum nehmen wir nicht 4,5 oder 3,78 Prozent? Die Grenzsetzung ist doch reine Willkür!“ – Deshalb sollte man, laut Leuten wie Jonas, das Sperrquorum doch wenigstens etwas senken. Immerhin könnte man so doch mehr Vielfalt im Bundestag gewährleisten. Außerdem würden nicht-vertretene Stimmen von Wählern wieder repräsentiert, was zu weniger Politik-Verdrossenheit führen würde.

Bei genauerem Hinsehen wird jedoch klar, dass die Vielfalt in unserem 736-köpfigen Bundestag schon gewährleistet ist. In seinen Häuslichkeit findet man alles: Von Stimmungskanone Claudia Roth, über das brüll-begeisterte AFD-Mitglied Gottfried Curio, bis zu Informatikgenie Philipp Amthor, der in der Mensa versucht parteiübergreifend Mitgründer für seine neueste KI-Firma in Luxemburg anzuwerben. Damit ist doch wohl das ganze Bevölkerungsspektrum vertreten – von einem Extrem zum anderen. 

Aber Spaß beiseite: Eine bessere Repräsentation würde durch eine Absenkung der Hürde auch nicht erreicht. Wenn eine Partei die Vier-Prozent erreicht, aber nicht die Fünf knackt, wird das nach der langen Geschichte unseres Quorums als Klatsche des Wählers verstanden. Außerdem wären entsprechende Fraktionen so klein, dass sie nur wenig bewegen könnten. Der Anteil der unberücksichtigten Zweitstimmen schwankt gerade mal um die fünf Prozent, es kommt nur selten zu Ausreißern. Parteien werden durch die jetzige Sperrklausel nur in Ausnahmen ausgeschlossen.

Jetzt würde der Jonas entgegnen: „Dann ganz weg mit der Hürde! So würde mal wieder etwas Leben in die Bude kommen – und jeder wird vertreten!“ Aber das hat leider schon in der Weimarer Republik nicht funktioniert. Damals gab es keine Hürde, nur eine Mindestanzahl an Stimmen, die für einen Sitz genügten. Theoretisch war das die perfekte Volksvertretung. Stimmen fielen nicht einfach „ungehört“ weg, im Reichstag wurde es aber umso lauter. Es waren nicht nur andauernd zahllose Kleinparteien, wozu auch die Nazis zählten, vertreten. Auch die Koalitionsbildung wurde deutlich erschwert, eine tragende Regierung kam selten zustande. Wenn es wirklich „der Wählerwille“ wäre, einen zersplitterten und arbeitsunfähigen Bundestag zu haben,  sollten wir das dann wirklich machen?

Und ich weiß, als nächstes kommt die Argumentation um die Gleichheit der Wahl nach Art. 38 des Grundgesetzes. Nach aktueller Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist diese aber nicht verletzt; ein funktionsfähiges Parlament sei wichtig genug, um die Klausel zu rechtfertigen. Das Gestaltungsvermögen der Parteien, die es in Parlamente schaffen, würde durch einen Einzug vieler Kleinparteien ebenfalls gefährdet.

Feucht-fröhlicher Stammtisch im Bundestag? Nein Danke!

Eigentlich bin ich ein Fan von mehr Bürgerbeteiligung. Nicht aber, wenn sie das ohnehin gespaltene Deutschland endgültig an die Wand fahren könnte. Die Eltern des Grundgesetzes werden sich schon bewusst dafür entschieden haben, von Anfang an auf Sperrklauseln zu setzen. Zwar wurde die Fünf-Prozent-Hürde auf Bundesebene erst 1954 eingeführt, von Anfang an war aber klar: Deutschland braucht funktionierende Parlamente. Aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen, war ein Muss. Selbst in Landtagen gilt die Hürde, weil in auf mehrere Jahre gewählten Parlamenten einfach eine gewisse Grundstabilität da sein muss. Dass dadurch viele Bürger weniger Einfluss haben, ist ein hoher Preis – um explodierende Kosten, chaotische Parlamente und Weimarer Verhältnisse zu vermeiden, sollten wir ihn bezahlen. Ich verstehe, dass du nicht so tief in die Tasche greifen willst, Jonas – aber ich finde, es muss sein.

Ich will ja gar nicht heraufbeschwören, dass bald irgendein NPD- oder MLPD-Mensch im Bundestag seine Hetzreden vorträgt und dafür noch vom Steuerzahler Moneten zugeschoben bekommt. Den Bundestag für Hinz und Kunz zu öffnen, halte ich aber doch für ein wenig leichtsinnig. Also: Arbeiten wir lieber an wirklichen Verbesserungen, statt unsere Demokratie noch mehr zu riskieren, als das während der Pandemie ohnehin getan wurde.

 


Mehr Volkssouveränität, weniger Stabilitäts-Fanatismus – die Fünf-Prozent-Hürde muss weg!

Von Jonas Aston | Als ich neulich erwähnte, dass ich gegen die Fünf-Prozent-Hürde bin, stand Simon die Angst ins Gesicht geschrieben. Man konnte förmlich dabei zusehen, wie vor seinem inneren Auge großangelegte Fackelmärsche durchs Land zogen und das vierte Reich ausgerufen wurde – ich hab mir kurz Sorgen gemacht, dass der Ruhrpotter-Jung, mit dem Herz aus Kohle und Stahl, mir gleich vor Schreck vor die Füße fällt. Deshalb fühle ich mich dazu verpflichtet, dem Simon zu erklären, dass die Abschaffung der Sperr-Klausel mehr bietet, als das angstbesetzte Totschlagargument Weimarer Republik.

 

Die Hürde führt nicht zu Stabilität, sondern zu Versteifung

Erstmal zu was rein rechtlichem – das solltest du aus dem Jura-Studium kennen Simon, also keine Panik: Das Bundesverfassungsgericht hat die Fünf-Prozent-Hürde zwar abgesegnet, da hast du recht, aber sie bleibt verfassungsrechtlich dennoch umstritten. Die Sperrklausel steht im Konflikt mit dem Demokratieprinzip und beschränkt die Volkssouveränität. Denn: das Grundgesetz garantiert die Gleichheit der Wahl. Hierzu gehört neben der Zählwertgleichheit – jede Stimme wird genau einmal gezählt – auch die Ergebniswertgleichheit. Diese ist jedoch nicht mehr gegeben, wenn die von mir gewählte Partei an der Sperrklausel scheitert. Zur Freiheit der Wahl muss es jedoch gehören eine Partei wählen zu können, ohne Angst vor ihrem Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde zu haben. Hierdurch werden viele Bürger genötigt einer größeren Partei ihre Stimme zu geben, die ihre Meinung weniger repräsentiert. Andere Bürger gehen erst gar nicht mehr wählen.

Stabilitätsfanatiker und die „safety first“-Fraktion rund um Simon argumentieren dann immer mit der Stabilität, die die ach so geliebte Hürde bringe. Und ja: Stabilität ist wichtig. Es ist jedoch Aufgabe eines guten Staates und einer guten Verfassung einen vernünftigen Mix aus Stabilität und Flexibilität zu finden. In den letzten Jahren war die Fünf-Prozent-Hürde jedoch ein wesentlicher Grund der eben nicht zur Stabilisierung, sondern zur Versteifung der Demokratie geführt hat. Vier Parteien, namentlich FDP, CDU, SPD und Grüne, haben den Staat unter sich aufgeteilt und machen ihn sich zur Beute. Wenn Die Linke Glück hat und es rot-rot-grüne Mehrheiten gibt, dann darf sie auch nochmal ein Wörtchen mitreden.

Zwischen den großen politischen Blöcken hat sich in 70 Jahren tatsächlich relativ wenig verändert. Zur Bundestagswahl 1949 gab es eine knappe bürgerlich-konservative Mehrheit zugunsten der Union. Im jetzigen Bundestag gibt es erneut eine knappe Mehrheit von CDU/CSU, FDP und AfD. Mit dieser schließen CDU und FDP wegen einer Art parlamentarischer Selbstbeschränkung allerdings jegliche Zusammenarbeit aus. Gleichzeitig ringt die AfD der CDU und der FDP so viele Stimmen ab, das ein schwarz-gelbes Bündnis faktisch ausgeschlossen ist. In Schleswig-Holstein, dem einzigen Bundesland in dem Schwarz-Gelb – aufgrund des Ausscheidens der AfD – möglich wäre, begibt sich die CDU ganz freiwillig in eine Koalition mit den Grünen. Somit ist die Bundesrepublik auf Links- oder Mitte-Links-Koalitionen festgenagelt.

 

Was bleibt, ist Politikverdrossenheit

Für jemanden wie Bubatz-Simon, der ja bekanntermaßen ein großer Befürworter der Cannabis-Legalisierung ist, mag das kein Problem darstellen. Immer mehr Bürger wenden sich jedoch von den in den Parlamenten vertretenen Parteien ab. Bei der Bundestagswahl 2021 gaben über Viermillionen Bürger einer Partei ihre Stimme, die nicht im Bundestag vertreten ist. Dies ist der höchste Wert seit Gründung der Bundesrepublik, wenn man von der Wahl 2013 bei der AfD und FDP den Einzug knapp verpassten absieht. Bei den letzten Landtagswahlen wurde die Parteienverdrossenheit noch augenfälliger. Die Abwendung von den etablierten Parteien scheint nach dem letzten Corona-Herbst noch einmal drastisch zugenommen zu haben. In Schleswig-Holstein und in NRW haben bei bestem Wetter (!) knapp die Hälfte der Wahlberechtigten nicht von ihrem Stimmrecht Gebrauch gemacht. Die Grünen, die von grade mal etwas mehr als 10 Prozent der Stimmberechtigten gewählt wurden, stellen nun mit 20 Prozent die zweitgrößte Fraktion im Landtag von NRW. Hendrik Wüst, von der CDU, ließ sich für seinen angeblichen Wahlsieg feiern, obwohl die CDU absolut Stimmverluste verzeichnen musste. Doch das interessierte niemanden – schließlich hatte man an relativen Stimmen hinzugewonnen. 

Es ist also höchste Zeit die Fünf-Prozent-Hürde abzuschaffen. Meiner Meinung nach könnte bei Landtagswahlen auf eine Hürde gänzlich verzichtet werden. In den Parlamenten der Länder sitzen in der Regel „nur“ um die 100 Abgeordnete. Hierdurch ergibt sich eine implizite Hürde. Bei Bundestagswahlen könnte eine Hürde von ein Prozent gelten. So könnte die Arbeitsfähigkeit des Parlaments sichergestellt werden. Die Bombardierung des Parlaments durch zahlreiche rechtsmissbräuchliche Geschäftsordnungsanträge von destruktiven antiparlamentarischen Kräften könnte so weitgehend verhindert werden. Auch wäre weiterhin die sinnvolle Verteilung des Rederechts gewährleistet.

Das die Hürde tatsächlich beseitigt wird, ist aber höchst unwahrscheinlich.  Jene Parteien, die gerade ein Monopol auf Mandate und Ministerämter haben und sich im Staat so schön eingerichtet haben, müssten sich die Konkurrenz schließlich selbst herbeiwählen. Simon kann also wieder ruhig schlafen. Union, SPD, FDP und Grüne werden ihn in dieser Frage nicht im Stich lassen.


Die neuen 20er – Apollo Edition 9/2022

Lieber Leser, 

es gibt wohl kaum eine Ära, die so beliebt in Film und Fernsehen ist, wie die 20er. Die ganze Ästethik – Gold, Silber, Champagner, Perlen und Federn. Die Frauen in der typischen Silhouette mit kunstvoll drapiertem Haar, androgen aber doch verführerisch, die Männer sehen natürlich alle aus wie Leonardo Di Caprio in seiner Rolle in The Great Gatsby. Alle tanzen ausgelassen und mit Lebensfreude, lachen und feiern, die Sittenpolizei hat kaum eine Chance im Kampf gegen den Exzess. Es ist das goldene Jahrzehnt zwischen den zwei großen Kriegen, direkt nach einer großen Pandemie und mitten in der Inflation. Hatte das ausgelassene Partyvölkchen nicht ahnen können, was für dunkle Gräueltaten sie in Zukunft erleben oder zu welchen sie im Stande sein werden? Dass der von Hunger und Armut geschürte Hass sie in eine Zeit stürzten würde, die man nicht mit Feiern in die Vergangenheit verschwinden lassen kann? Oder war schon damals nicht alles gold, was glänzt?

Die 20er sind eine mysteriöse Zeit für uns heutzutage und sicher auch stark romantisiert. Zum größten Teil lebt die Ära von der Legende, damals wie heute – genau 100 Jahre später. Wir sind ganz sicher nicht die ersten, die die 1920er mit den 2020ern vergleichen und wir werden auch ganz sicher nicht die letzten sein. Retrospektiv wird der Vergleich sicher noch sehr interessant werden. Doch auch schon heute lassen sich eindeutige Parallelen ausmachen – Pandemie, Inflation, sogar Krieg, wenn auch nicht annähernd in der gleichen Dimension, was hoffentlich so bleiben wird. Unsere Generation wird gerne als sehr behütet bezeichnet, doch wir sprechen wieder über die gleichen Themen. Die ganzen Schattenseiten wiederholen sich in Abwandlungen – doch eins wird ausgelassen: die Orgie. 

Es gibt keine Partys, obwohl die Masken gefallen sind, die Impfpflicht gescheitert. Es gibt keine Champagnertürme, obwohl die Währung sich schneller entwertet als man hinschauen kann und Sparen keinen Sinn mehr hat. Unser ganze Autorenschaft ist zurzeit eingenommen von der Auswertung der Akten der Berliner Wahl, doch wir haben uns etwas Zeit genommen, um in dieser kleinen Edition dem Mysterium der 20er auf den Grund zu gehen.

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Elisa David

Chefredakteurin

Orgien, Lebenslust und wilde Gelage – aber nur für die Kamera

Von Pauline Schwarz | Es ist so weit. Die Corona-Maßnahmen sind weg. Jetzt heißt es: endlich raus auf die Piste, in die Bars, Restaurants und Clubs. Also: Halleluja, wir können wieder leben! 

Die Frau der 20er Jahre – sexy und emanzipiert

Von Laura Werz | In den 20er Jahren, geprägt von politischen Unruhen, Inflation und Armut, hat sich die „moderne Frau“ in einer neuen gesellschaftlichen Rolle wiedergefunden.

Lieber Bubikopf als Jogginghose

Von Selma Green | Noch vor einiger Zeit kam ich durch kein Einkaufs-Center, ohne dass meine Hände vom Tragen der vielen Taschen schmerzten und meine Füße irgendwann schwer wie Blei wurden.

Movie Review: Downton Abbey 2 ,,A New Era’’ – man sollte aufhören, wenn es am schönsten ist 

Von Elena Klagges | Endlich war es mal wieder so weit: Ich war nach Ewigkeiten im Kino und habe mir als großer Downton Abbey Fan den lang ersehnten 2. Film ,,A New Era’’ ausgesucht. Eine Zeitreise in die britischen 1920er und 1930er Jahre. 

Sie ist wieder da – Die Inflation 

Von Jonas Aston | Als ich das letzte Mal über die Inflation schrieb, hatte die EZB gerade ihre Inflationsprognose von 1,7 % auf 3,1 % erhöht. Grund: Man hatte sich verrechnet und die explodierenden Energiepreise nicht einkalkuliert. 

Die Autoindustrie von heute: grün, grüner, am grünsten

Von Johanna Beckmann | Deutschland ist ein Land, welches bekannt für die Produktion der besten Autos ist. Noch. Dieser Industriezweig erlangte seinen hohen Rang in den 1920ern. 

Nach der Pandemie die Party? Die Feierwut der jungen Leute zeigt nur ihre innere Leere

Von Jonas Kürsch | Die staatlichen Zwangsmaßnahmen zur Bekämpfung der Coronapandemie haben tiefe und deutlich sichtbare Narben hinterlassen. 

Hat jeder Wohlstand ein Ende? Deutschlands Parallelen zu Japan

Von Simon Ben Schumann | Die Corona-Krise scheint sich langsam zu verflüchtigen. Mit ihr fallen weltweit starke Einschränkungen von Grundrechten, Hass gegen Andersdenkende ist zumindest momentan weniger zu vernehmen. 



Erinnerungen an den Corona-Wahn. Eine Kurzgeschichte

Von Marius Marx | Es muss Mitte Oktober gewesen sein, etwa gegen 10 Uhr abends. Es war dunkel, windig und kalt und trotzdem schwitzte ich. Das ist das nervigste an Herbst und Winter: Praktisch nie ist man richtig angezogen. Immer ist die Jacke entweder zu dünn und man friert oder man wähnt sich ausnahmsweise einmal der Kälte angemessen gekleidet, schwitzt dann aber bei den geringsten körperlichen Anstrengungen, sei es Fahrradfahren oder Treppensteigen, als hätte man soeben mindestens drei Stunden im Fitnessstudio zugebracht.

Daran muss ich zum wiederholten Male denken, als ich gerade aus dem Zug steige, der mich nach ausgedehnten Semesterferien in Schweden und Brandenburg soeben von Berlin zurück nach Göttingen gebracht hat.
Weil mein Bus nicht direkt vom Bahnhof fährt, laufe ich in den Händen mit je einer Sporttasche bewaffnet und einem Rucksack auf dem Rücken in Richtung Universität. In Abständen von rund 50 Metern eine Pause einlegend und unter den wahlweise mitleidigen, belustigten, zumindest aber skeptischen Blicken der Passanten, die unter der Woche zu dieser Zeit noch unterwegs sind, gehe ich, d.h. viel mehr schleppe ich mich vorbei an Amtsgericht, Finanzamt und schließlich auch dem Iduna-Zentrum gegenüber der Universität – dem größten Hochhaus der Stadt, das im Volksmund nur „Villa Kuntergrau“ oder „Bunker“ genannt wird – und erreiche gleichermaßen abgehetzt wie durchgeschwitzt die angesteuerte Bushaltestelle. Immerhin regnet es nicht mehr, denke ich und stelle meine Sporttaschen unter die digitale Anzeigetafel, die mir freundlicherweise verrät, dass mein Bus als Übernächstes kommen wird.

Endlich von dem Gewicht der Taschen befreit, setze ich meine Kopfhörer auf und mich in eine der Sitzschalen. Lange währt die Entspannung jedoch nicht, erblicke ich doch aus Richtung Altstadt schon die beiden angekündigten und nun im Augenwinkel herannahenden Busse. Also beginne ich zu kramen: Semesterticket? Maske? Wohnungsschlüssel? Alles da? Ja, also dann. Innerlich theatralisch aufstöhnend erhebe ich mich schwerfällig, ziehe schon mal die Maske übers Kinn, halte das Semesterticket vorzeigebereit in der Hand, greife die Sporttaschen, laufe zum hinteren der beiden Busse, steige unter prüfenden Blicken des Fahrers ein und setze mich schließlich kurz vor dem Gelenk, also in etwa auf mittlerer Höhe des Busses auf einen der blauen Sitze mit nicht weiter definierbaren gelben Akzenten.

Die Busfahrt verläuft weitgehend unspektakulär. Die wenigen Mitfahrer sind entweder in ihr Handy vertieft, dösen träge vor sich hin oder schauen unbeteiligt aus dem Fenster. Abgesehen vom Motorenbrummen ist es still, niemand unterhält sich, zumindest erreichen mich durch meine Kopfhörer nicht wie sonst vereinzelte Gesprächsfetzen. Alle – mir inklusive – erwecken den Eindruck, als befänden sie sich im menschlichen Äquivalent zum Energiesparmodus, alle scheinen einfach schnellstmöglich ihre Wohnungen erreichen, für sich sein, vielleicht noch du- schen gehen oder sich einen Tee kochen und dann erschöpft in ihr Bett niedersinken zu wollen. In solchen Augenblicken male ich mir gerne die Leben aus, die diese Menschen wohl führen mögen, stelle mir vor, womit sie ihr Geld verdienen und Überlegungen an, woher sie gerade kommen und fahren könnten, fantasiere über ihre Wohnverhältnisse und stelle mir die Frage, wer wohl auf sie wartet, wenn sie in wenigen Minuten ihre Wohnungstür aufschließen. Ich versuche abzuschätzen, worüber sie in diesem Moment wohl nachdenken, wie sie dem

Zeitgeschehen gegenüberstehen und bin gerade gedanklich damit beschäftigt, die Mitfahrer politischen Parteien zuzuordnen, als mein Gedankenfluss, meine verträumte Zeitvertreibsfantasterei jäh von einer scheinbar unbegründeten Fahrtunterbrechung gestoppt wird. Angestrengt aber erfolglos versuche ich mir einen Reim auf den unplanmäßigen Halt am Straßenrand zu machen. Ersatzhaltestelle? Nein, die Türen bleiben geschlossen, ich sehe nieman- den, der Anstalten macht ein- oder auszusteigen. Rote Ampel? Fehlanzeige. Was käme sonst in Frage? Vielleicht ein Krankenwageneinsatz? Auch diese Vermutung kann mit einem flüchtigen Blick auf die Straße nicht bestätigt werden. Was könnte es sonst sein, das uns hier nicht weiterfahren lässt? Geht es dem Busfahrer nicht gut? Braucht er möglicherweise medizinische Hilfe? Nein, offenkundig nicht. Denn just in dem Moment – als ich leicht verwirrt und mittel besorgt den Gang hinunter in Richtung des Fahrersitzes spähe – erhebt sich dort schwungvoll der Busfahrer von seinem Sitz, stößt sichtlich genervt seine Fahrertür auf und steigt auf den Gang herab. Der Grund für unser plötzliches Anhalten scheint offensichtlich also nicht außerhalb, sondern innerhalb des Busses zu liegen. Dem Anschein nach latent erregt, zumindest aber sichtlich unglücklich, schiebt sich der hagere Mann, den ich grob auf etwa Mitte Fünfzig schätzen würde, nicht sonderlich schnell aber durchaus bestimmt und gezielt Reihe um Reihe nach hinten. Schon beginne ich aufs Neue zu überlegen, was wohl vorgefallen sein könnte, das den Mann so energisch in den hinteren Bereich des Busses zieht, da bleibt er unvermittelt abrupt vor mir stehen und gibt mir mit fuchtelnden Armen zu verstehen, dass ich doch bitte meine Kopfhörer absetzen möge.

Nun beginne ich zu begreifen, dass mir offensichtlich seine ungeteilte Aufmerksamkeit gilt, sein Ausflug aus der Fahrerkabine anscheinend mir gewidmet ist, ja, dass ich womöglich der Grund für die Fahrtunterbrechung bin.
Ich nehme also die Kopfhörer ab und schon geht es los: „HIER HERRSCHT MASKENPFLICHT, ALSO HABEN SIE GEFÄLLIGST IHRE MASKE AUCH RICHTIG ÜBER NASE UND MUND ZU TRAGEN. ANSONSTEN KÖNNEN SIE HIER GLEICH AUSSTEIGEN, JUNGER MANN“.

Erst jetzt bemerke ich, dass ich wie vorgeworfen tatsächlich die Maske unter der Nase und nur über dem Mund trage. Unbewusst habe ich – nach wie vor durch das Taschengeschleppe durchgeschwitzt und überhitzt – die Maske Atemzug um Atemzug langsam unter die Nase abrutschen lassen, um zumindest für etwas Abkühlung zu sorgen.

Ohne jedoch eine rechtfertigende Erwiderung meinerseits ab- bzw. zu erwarten, macht der Mann (wohlgemerkt ohne selber eine Maske zu tragen) prompt wieder kehrt und strebt schlenkernd seinem Fahrersitz entgegen.
Ich bin so dermaßen überrascht über die Szene, die sich vor wenigen Sekunden abgespielt hat, dass ich zu keinem klaren Gedanken fähig bin, vermutlich sogar rot anlaufe und außer wirrem Gestammel vermutlich eh nichts herausbekommen hätte. Einigermaßen fassungslos darüber, dass diese Bagatelle tatsächlich Anlass für den Ausflug des Busfahrers war, versuche ich mich zu sammeln und meinen nun schwirrenden Kopf zu sortieren.

Die müden, durchdringenden und – sofern ich das durch die Masken beurteilen kann – unerfreulichen Blicke meiner Mitfahrer auf mich ziehend und damit also von der verträumten Beobachterrolle zum gepeinigten Beobachteten, zum allgemeinen Gegenstand der Aufmerksamkeit, werdend, versuche ich möglichst abgeklärt wirkend so zu tun als sei rein gar nichts geschehen und setze erst demonstrativ unbeteiligt die Kopfhörer und dann die Maske wieder richtig auf, tippe irgendetwas in mein Handy und hoffe mich so aus dem ungeliebten Zustand des im-Mittelpunkt-Stehens befreien zu können.


Heute weiß ich nicht mehr exakt, was mir damals durch den Kopf ging. Noch die recht frischen Erinnerungen aus den vollkommen maskenlosen Zug- und Busreisen durch Dänemark und Schweden (einzelne deutsche Touristen ausgenommen) im Hinterkopf, habe ich mich vermutlich über die völlig inkohärente deutsche Corona-Politik geärgert. Doch das größere Problem schien mir wahrscheinlich schon damals woanders, schien mir auf eher individueller Ebene zu liegen.

Wie kann es sein, fragte ich mich wohl, dass wir hier in Deutschland trotz modernster Kommunikationstechnologie noch nicht einmal über die banalsten Vorgänge, das Leben und den Umgang mit der Pandemie selbst in unseren Nachbarländern Bescheid wissen? Wie kann es sein, dass ganz Skandinavien und der größte Teil Osteuropas das Maskentragen in öffentlichen Verkehrsmitteln längst in die Hände der bürgerlichen Eigenverantwortung gelegt hat und es hier in Deutschland nicht nur nach wie vor verpflichtend ist, sondern diese Pflicht auch unter diesen Umständen noch unhinterfragt und aufbrausend von Busfahrern in ihren Fünfzigern verteidigt wird, als ginge es dabei um ihr eigenes Leben.

Es waren Gedanken über diesen genuin deutschen Untertanengeist, diese zwanghafte Obrigkeitshörigkeit, die unbedingte Verweigerung des Selberdenkens, es waren Überlegungen zu dieser Mentalität des nach-oben-Buckelns-und-nach-unten-Tretens, die mir damals durch den Kopf gingen.

Ja, zweifellos war es das, woran ich damals denken musste, nachdem ich wenig später aus dem Bus gestiegen bin, also endlich wieder befreit atmen und denken konnte und mich fragte, was den Busfahrer wohl im Innersten dazu angetrieben haben mag, seinen bequemen Fahrersitz zu verlassen, sich auf den Weg in den hinteren Bereich des Busses zu begeben und dem sein Ausflug tatsächlich so wichtig war, dass er dafür in Kauf nahm die Busfahrt unplanmäßig zu unterbrechen.

Es schien mir nicht allein das Erfüllen seiner behördlich angeordneten Aufgabe gewesen zu sein, die den Busfahrer antrieb. Ich meine, er glaubte zudem unbedingt an den Wert der Pflichterfüllung an sich, an die Pflicht als Selbstzweck. Ihn leitete ein unbedingter Glaube an die Pflicht als eine Orientierung gebende Instanz ohne die die Gesellschaft auseinanderfallen würde. Er war überzeugt, dass einer sich treu bleiben muss, dass einer seine Pflicht ausüben muss.

Es war diese regelgehorsame Pflichtethik, die ihn seinen Sitz verlassen ließ, und es ist dieser Pflichtbegriff, es ist diese kleingeistige deutsche Freude an der Pflicht, die mich ankotzt. Denn Siegfried Lenz` Maler in der „Deutschstunde“, Max Ludwig Nansen lehrt uns: „Gut (…), wenn du glaubst, dass man seine Pflicht tun muss, dann sage ich dir das Gegenteil: man muss etwas tun, das gegen die Pflicht verstößt. Pflicht, das ist für mich nur blinde Anmaßung. Es ist unver- meidlich, dass man etwas tut, was sie nicht verlangt.“

Der Maler hatte Recht: Denn das schlimmste aller Viren ist nicht irgendein Krankheitserreger, nein, das schlimmste aller Viren ist blinder Gehorsam.


Leitzinserhöhung: Die EZB wird mit der Realität konfrontiert

Von Jonas Kürsch | Auf diesen Entschluss haben viele schon lange gewartet: Die EZB kündigte in den vergangenen Wochen das Ende der jahrelang verfolgten Niedrigzinspolitik an. Damit wird der Leitzins der europäischen Notenbank erstmals seit etwa einem Jahrzehnt wieder angehoben. Der Leitzins gilt als zentrales Steuerinstrument für die Geldpolitik eines Währungsraumes, da er einen massiven Einfluss auf den Handel der Banken untereinander sowie mit deren Zentralbank ausübt.

Aber kann die geplante Änderung wirklich die von der Zentralbank gemachten Versprechen einhalten und die wachsende Inflation nachhaltig bekämpfen? Um diese Frage zu beantworten, lohnt sich ein kurzer Rückblick auf das vergangene Jahrzehnt.

2010-2014: Mario Draghi und die Geburt der „Whatever-It-Takes“-Doktrin

Die Anfänge der öffentlich weitgehend als „Politik des billigen Geldes“ bekannten EZB-Zinsmaßnahmen wurde durch den heutigen italienischen Premierminister und damaligen EZB-Präsidenten Mario Draghi begründet. Der Euro stand ab 2010 im Rahmen der (bereits ab 2008 beginnenden) europäischen Staatsschulden- und Bankenkrise kurz vor seinem Ende. Besonders in südeuropäischen Mitgliedsstaaten wie Griechenland stieg die nationale jährliche Neuverschuldung auf horrende Rekordsummen an, so dass eine Umschuldung ohne die Hilfe von Drittstaaten nicht länger möglich war: die europäische Währungsunion drohte an den unterschiedlichen Wirtschaftsstärken der einzelnen Länder zu zerbrechen.  

Die sensitiven Finanzmärkte reagierten darauf mit großer Verunsicherung. Um sie zu beruhigen versprach Präsident Draghi im Jahr 2012, die EZB würde alles tun „was auch immer nötig ist“ (im Original „whatever it takes“), um den Euro zu erhalten. Diese Aussage allein führte im Rahmen eines placeboartigen „Draghi-Effekts“ zu einer (zumindest kurzfristigen) Entspannung der Geldmärkte. Die europäische Union entwickelte sich infolgedessen immer mehr zu einer Schuldenunion, da die EZB durch stark ausufernde Wertpapierkäufe nun selbst zum Finanzier der jeweiligen Regierungen in Europa wurde: Hohe Haushaltsdefizite konnten ab sofort und vollkommen problemlos über die öffentliche Hand durch die günstigen Zinssätze finanziert werden. 

2015-2021: Christine Lagarde und der Frühling der „Modern Monetary Theory“

Schon früh warnten Kritiker vor den Nachteilen: nicht nur dass Schuldner langfristig von den Maßnahmen profitieren würden, Sparer und Konsumenten, auf der anderen Seite, würden eben durch diese niedrigen Zinsen gravierende Nachteile erfahren. Volkswirte prophezeiten bereits ab Mitte der 2010er die schleichende Entwertung unseres Geldes, die letztlich sogar in einer möglichen Hyperinflation enden könnte. Von der Politik wurden diese Warnungen als Unkenrufe belächelt und nur wenig ernstgenommen. Schließlich erlebte Europa doch gerade seinen neuen finanzpolitischen Frühling. Jedes Land konnte so viele Schulden aufnehmen wie es wollte, ganz frei nach dem Motto: „das europäische Schuldenkartell wird schon dafür blechen!“

Alle Staaten, aber vor allem die südeuropäischen, wurden durch diese Politik des billigen Geldes von der dringenden Notwendigkeit Sparmaßnahmen und Finanzreformen einzuleiten faktisch entbunden. Dadurch wurden Banken und Staaten (oder deren Regierungen?) temporär gerettet, die Finanzsysteme und die damit verbundenen übermächtigen Märkte künstlich am Leben gehalten, bei „Otto Normalverbraucher“ kam davon allerdings nur sehr wenig, um nicht zu sagen, gar nichts an. All diese Maßnahmen waren natürlich alternativlos und dienten einzig dazu noch größeren Schaden abzuwenden. Fragt sich nur, von wem? Draghi erkaufte der Staatengemeinschaft mit diesen Eingriffen Zeit, die Staaten ließen diese ungenutzt verstreichen.

Die europäische Politik verlor sich zunächst in den utopischen und grenzenlosen Versprechungen dieser sogenannten „Modern Monetary Theory“, einer wenig marktwirtschaftlichen Geldideologie, der zufolge der Geldwert in erster Linie durch den Staat und seine Fähigkeit zur Erhebung (oder Minderung) von Steuern bestimmt wird. Die von der Zentralbank zur Verfügung gestellte Geldmenge sei hierbei unerheblich. Im Grunde gehen die Vertreter dieser vermeintlichen Theorie davon aus, dass der Wert einer Währung gerade erst durch die Eingriffe einer Regierung beeinflußt und letztlich gesteigert werden kann. Obwohl diese „Voodoo-Ökonomie“, wie der ehemalige US-Finanzminister Larry Summers die MMT bezeichnete, als starkumstritten gilt, sahen Menschen wie Draghi in ihr das ideale Instrument zur Bekämpfung der Währungskrise. 

Im Jahr 2019 begann dann die Amtszeit der französischen Altpolitikerin und verurteilten Straftäterin Christine Lagarde als Präsidentin der EZB. Sie setzte den Kurs ihres Vorgängers rigoros fort: manchen Berechnungen zufolge generiert die Notenbank unter Lagardes Aufsicht etwa 4,6 Milliarden neue Eurobanknoten am Tag. Auch im Rahmen der Coronapolitik behielt Europa den radikalen Nullzins bei, um die durch Verkaufs- und Ausgangsverbote lahmgelegte Wirtschaft weiterhin am Laufen zu halten. Doch dann drohte das Kartenhaus auf einmal in sich zusammenzubrechen.

2022: Wenn linke Wirtschaftsideologien an der Wirklichkeit scheitern

Lange Zeit verleugnete Lagarde die Realität und behauptete noch im Frühjahr dieses Jahres, die Inflation sei nur ein „vorübergehendes Phänomen“, das sich nach der Pandemie wieder beruhigen würde. Erst als selbst linientreue Weggefährten wie die EZB-Direktorin Isabel Schnabel sich für ein Abweichen von der jetzigen Zinspolitik aussprachen, war die Französin nicht länger dazu in der Lage, ihre Augen vor den durch das massive Gelddrucken und die hohen Zinssenkungen verursachten Wirtschaftsschäden zu verschließen: die Inflation ist nicht länger eine Fata Morgana, sondern harte Realität.

Es ist allerdings so gut wie ausgeschlossen, dass die um 0,25 Prozentpunkte geplante Anhebung des Leitzinses ausreichen wird, um den europäischen Währungsraum zu retten. Die Analyse vieler Wirtschaftsexperten fällt einstimmig aus: zu spät und zu wenig. Im Vergleich zu anderen Banken handelt die europäische Zentralbank auch jetzt noch zu zögerlich. Die Bank of England hat vor wenigen Tagen die fünfte Änderung des Leitzinses innerhalb von sieben Monaten angekündigt. Der britische Leitzins beläuft sich damit auf 1,25 Prozent. Auch die US-amerikanische Fed vollzog vor wenigen Tagen mit einem weiteren Sprung von 0,75 Prozentpunkten die größte Zinsanhebung seit 1994.

Sowohl die „Whatever-It-Takes“-Doktrin als auch die „MMT“ sind im Schatten dieser Entwicklungen nun endgültig als Scharlatanerie entzaubert worden. Uns Verbrauchern treibt letztendlich nicht nur die Sorge vor einer neuen Eurokrise, sondern auch die Angst vor der immer größer werdende Wahrscheinlichkeit, dass der Euro schon sehr bald nicht mehr existieren könnte.

“We violated all the rules because we wanted to close ranks and really rescue the euro zone.“ – Christine Lagarde