Archiv: Juli 4, 2022

Bildung für die Herausforderungen der Zukunft – ein Interview mit einem Privatschulleiter 

Von Elena Klagges | Peter Rösner ist seit 2014 Schulleiter des Internatsgymnasium Stiftung Louisenlund in Güby an der Schlei und möchte die Schule neu denken. Im Sinne der Kurt Hahn’schen Reformpädagogik wird der Campus zur Zeit auch architektonisch erweitert und steht mitten in einem Aufbruch. Ich habe als Altschülerin bei Herrn Rösner angerufen und mich mit ihm ein bisschen über die neue, moderne Schule unterhalten.



Elena:
Herr Rösner, könnten Sie das neue Lern- und Forschungszentrum einmal kurz vorstellen? Was soll dadurch erreicht werden?

Peter Rösner:
Wir wollen Bildung für eine nachhaltige Zukunft entwickeln. Etwas plakativ gedacht: Die gesellschaftlichen Themen werden gerade in letzter Zeit vor allem durch zwei Fragestellungen geprägt.
Zum Einen ist da die Gestaltung der Energiewende. Bei schwindenden Ressourcen müssen wir neue Konzepte entwickeln, die uns unter Anwendung der Technik und Naturwissenschaften die Versorgungssicherheit in der Zukunft gewährleisten. Das zweite Thema umfasst die gesellschaftliche Teilhabe und demokratische Gerechtigkeit. Beispiele hierfür sind das kürzlich von der Regierung eingeführte 9-Euro-Ticket oder die Benzingutscheine, die es allen ermöglichen sollen, auch in Zeiten steigender Preise weiterhin mobil am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben.
Die Struktur unserer heutigen Gesellschaft ist im Wesentlichen nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden, sie trägt aber viele Elemente in sich, die vorher schon existierten. Die Staatsfinanzierung beruht nicht zuletzt auf dem System, dass der Mensch arbeitet. Mit den Steuerbeiträgen werden die Schulen, die Verwaltung und Straßen finanziert.

Nun aber werden durch die Automatisierung große Teile der menschlichen Arbeit rationalisiert. Auf gesellschaftliche Fragen, die auf uns zukommen, brauchen wir somit neue Antworten, die wir mit der Bildung für eine nachhaltige Entwicklung lösen wollen. Die Schulen von heute behandeln diese Fragen jedoch nicht. Sie beruht im Wesentlichen noch auf dem Modell der Fabrikschule aus dem 20. und 21. Jahrhundert, als Bismarck die Schulpflicht etablierte. Zu der Zeit brauchte man vor allem preußische Verwaltungsbeamte, welche uniform sein mussten, also verwalten und nicht abweichen bzw. erfinden sollten. So wurden nach der klassischen Methode viele Kinder mit einem Lehrer in einen viereckigen Raum gesteckt.


Ich glaube aber, dass diese Methode sehr ineffektiv ist, denn Kinder sind nicht alle gleich und sie lernen unterschiedlich. Folglich sollte man sie auch nicht alle gleich behandeln. Die neue Pädagogik möchte mit dem Modell der Fabrikschule brechen und es dem Individuum ermöglichen, sich bestmöglich zu entwickeln und zu bilden. Dabei sage ich bewusst sich ,,zu bilden‘‘, nicht ,,zu unterrichten‘‘.

Die Schule von heute beruht im Wesentlichen noch auf dem Modell der Fabrikschule aus dem 20. und 21. Jahrhundert, als Bismarck die Schulpflicht etablierte.



Elena:

Zu Bismarcks Zeiten versuchte Humboldt mit Einführung des dreigliedrigen Schulsystems den Zugang zur Schule breiter zu demokratisieren. Dann versuchten die 68er-Bewegung und weitere Bildungsreformen das Gliedsystem abzuschaffen, allerdings sieht man beispielsweise an den seit 2000 stattfindenden PISA-Studien, dass der Bildungsstandort Deutschland eher gescheitert ist. Wie wollen Sie jetzt erreichen, dass diese Art Schulreform ein Erfolg wird?


Rösner:

Im Rahmen der Mehrgliedrigkeit hingegen, also die Unterteilung in Gymnasium, Real- und Hauptschule, bringen wir die Kinder am Ende alle zu einem Ziel, dem Schulabschluss.

Aber wenn jetzt ca. 43% der Schulwechsler auf ein Gymnasium gehen – was nebenbei bemerkt keine Bestenauslese nach dem Leistungsprinzip ist, sondern vor allem von dem sozialen Background und der Herkunft der Eltern abhängig ist – dann haben wir viele Schüler mit einem 1,0 Abi, aber auch viele mit 3,0. Und sogar Prüflinge mit 0 Punkten in Klausuren. Da könnte man jede andere Person in die Prüfung schicken und die Prüfung wäre besser gelaufen. In diesem Moment ist Schule gescheitert. Denn in den allermeisten Fällen beruht das Scheitern nicht auf Leistungsverweigerung, sondern schlicht und einfach darauf, dass der Schüler es nicht verstanden hat. Das reflektiert sich auch in der Schulabbrecherquote, die laut dem Bildungsmonitor 2019 auf 6,3 % gestiegen ist. Diese Kinder machen noch nicht einmal einen Abschluss, waren aber Jahre in der Schule, die aber nicht erfolgreich funktioniert.

Bei dem Gleichschaltungsprinzip der Schule hat man permanente Überforderung sowohl der Schüler als auch der Lehrer. Jeden Tag wird jemand vom eigenen Scheitern frustriert und demotiviert. Gleichzeitig hat man aber auch Schüler, die ständig gebremst werden und sich langweiligen. Das ist ethisch nicht vertretbar.

In Louisenlund möchten wir deshalb die Klassen auflösen und durch aktives Lernen und eigenes Bemühen die Kinder als individualistisch Lernenden sehen. Diese muss man dann mit einem neuen System unterstützen. Hier legen wir die pädagogische Leiter an, bei der jeder seinem Lerntempo gemäß berücksichtigt wird.


Elena:

Wie werden bei diesem System die Vorgaben des Landes, angefangen bei G8 und G9 und die Lehrpläne eingehalten werden können?

 

Rösner:
In der Tat, der Lehrplan gilt weiterhin, aber diesen einzuhalten können wir problemlos tun. Das staatliche Bildungsmonopol bleibt und gilt auch für uns als Privatschule. Und wir bleiben auch weiter ein Gymnasium.

Doch wir erlauben es den Kindern die Lerninhalte und den Lernstoff, der für die 4 Jahre, wie z.B. die Juniorenstufe fünf bis acht vorgesehen ist, innerhalb des neuen Systems in ihrem Tempo zu erarbeiten. Also etwas mehr Zeit zum Verstehen in Anspruch zu nehmen oder eben auch kürzer. Dabei ,,überspringt‘‘ man aber nicht wie in öffentlichen Schulen eine ganze Klasse und verpasst dadurch den für diese Klasse vorgesehenen Lernstoff, sondern das Kind hat sich diesen selbstständig im Prozess angeeignet und wird dadurch keine Lücken aufweisen.
Plastisches Beispiel: Im Lehrplan sind 10 Stunden Mathe für Bruchrechnung eingeplant und danach soll das Thema Geometrie folgen. Wenn der Schüler bis zum Ende eines Themas den Lerninhalt nicht verstanden und durchdrungen hat, dann wird beim linearen Unterricht einfach weiter gemacht, mit der Folge, dass wir schlechten Noten sehen.

Der Lehrplan schreibt aber nur eine gewisse Kontingentstundenzahl an. Das wird definiert mit Anwesenheit des Schülers und Anwesenheit des Fachlehrers.
Die neue Lernform erreicht diese Stundenzahl innerhalb der ,,Flip-class-rooms‘‘ bei der selbstständigen Studio-time, wo die Verantwortung des Lernens beim Einzelnen liegt.

Während der Studio-time findet mit digitalisierten Inhalten die Aneignung von Wissen statt. Dabei hat der Lehrer vorher diese Inhalte auf Videos aufgenommen und Lerninhalte auf einer Plattform erstellt, wobei sich der Schüler auch direkt selbst überprüfen kann, um seinen Lernstand abzuchecken. Schweift man aber mal ab oder hat etwas nicht verstanden, dann kann man das Video wiederholen und nochmal versuchen, das Thema zu durchdringen.
Für uns bedeutet dies gleichzeitig auch, dass wir nie wieder Unterrichtsaufall haben. Denn die Lerninhalte sind in der Cloud für jeden zu jeder Zeit aufrufbar.


Elena:
Das heißt aber auch, dass klassische Klassenarbeiten nicht mehr stattfinden und durch den Einsatz der digitalisierten Lehre ersetzt werden?

Rösner:
Nicht ersetzt, aber ergänzt. Denn zu der Studio-time kommen noch die Seminare dazu.
An der öffentlichen Schule vermittelt der Lehrer nur das Wissen und die Anwendung erfolgt dann meist alleine bei den Hausaufgaben. Bei uns drehen wir das Ganze um und der ursprüngliche Frontalunterricht fällt in die selbstständige Studio-time. Die Anwendung des Wissens, was auch eine deutlich kompliziertere Aufgabe ist, wird der Lehrer dann bei den Seminaren unterstützen und er kann auf diese Weise viel effektiver und individueller die Lücken schließen.

Diese beiden Lernzeiten, also die Studio-time und die ca. 60 Minuten lange Seminare werden zusammengerechnet und so kommen wir auch auf die Vorgaben des Landes. Die formalen Ansprüche werden alle eingehalten, aber die Vermittlung wird ganz anders sortiert.

Elena:
Und wie sieht die Arbeit in diesen Seminaren konkret aus?

Rösner:
Es sitzen bis zu maximal 15 Schüler zusammen. Aber auch hier haben wir keinen Frontalunterricht, sondern die Teilnehmer befinden sich im kollaborativen Lernen, also in gemeinschaftlicher Arbeit, in Diskussion und in Operation. Dies wird durch den Lehrer nur gesteuert und moderiert.

Als klassenähnliche Arbeit ist ein Seminar zeitlich vorgeben, wird aber flexibel mehrmals pro Woche angeboten. Da es aber nicht mehr so lange ist wie eine übliche Doppelstunde, ist der Unterrichtsplan ziemlich ausgedünnt. Dies heißt aber nicht, dass weniger gearbeitet werden kann. Denn die Wissensaneignung muss vorher in der Studio-time erfolgen.

Es hat dennoch den großen Vorteil, dass der Schüler sich die Studio-time in seine persönlich produktivste Phase des Tages legen kann. Einige werden abends erst oder nochmal sehr leistungsfähig, doch dort findet normalerweise kein Klassenunterricht statt. Innerhalb unseres Systems hat man nun aber die Möglichkeit, morgens eventuell schon an einer Gilde (Anmerkung der Redaktion: Das sind sportliche oder soziale Aktivitäten, wie z.B. Hockey, Tennis oder die freiwillige Feuerwehr, Debattierclub etc.) teilzunehmen, und danach erst in die Lernzeit zu gehen.
So wird jeder Schüler seinen ganz individuellen Stundenplan haben. Aber dies ist ein reines EDV-Problem, welches wir ganz einfach lösen können. Bisher hatte ja jeder Lehrer auch seinen eigenen Plan und anstatt, dass wir nur 80 Pläne erstellen, werden wir nun einfach 350 Pläne erstellen.

Elena:
Wie werden die Lehrer auf diese neue Lehr- und Unterrichtsweise vorbereitet? Welche Rolle wird der Lehrer einnehmen?

Rösner:
Der Lehrer wird sich nicht mehr ausschließlich als Lehrer im Klassenzimmer definieren, sondern als Lehrer in der Schule insgesamt. Dadurch, dass die Seminare weniger Zeit in Anspruch nehmen, hat er mehr Zeit für seine anderen Aufgaben. Man wird zwischen zwei Rollen unterscheiden können. Zunächst ist der Lehrer ein Mentor, der seinen Schüler begleitet und gerade demjenigen, der es braucht, etwas mehr Anleitung geben.

Ein Mentor wird bis zu 8 Schüler betreuen und sich in regelmäßigen Abständen mit den Kindern treffen, um die Lernstände zu besprechen. Dabei kann er mit reflexiven Fragen den Schüler dazu anregen, das Lernen zu erlernen und seine beste Arbeitsweise zu finden. Wir sprechen hier von Metakognition in der Reflexion.
Und gleichzeitig bleibt er Fachlehrer. Hier kommt als Arbeitsaufwand hinzu, dass er die digitalen Inhalte erstellen muss. Ansonsten müssen die Seminare geleitet werden. Anweisungen in den Seminaren könnten so aussehen, dass innerhalb des Seminars ein Kurzreferat präsentiert werden soll, welches sich an Leitfragen orientiert, die mit dem vorher angelernten Wissen ausgearbeitet werden können.

Zusammenfassend wird der Lehrer somit als Mentor die Entwicklung des Schülers individuell begleiten, seine Bildung einmal unter Ausnutzung der Digitalisierung
ermöglichen und schließlich bei der Moderation in den Seminaren vertiefen.


Elena:

Einmal zurück zur fachlichen Ebene: Dass es große Defizite bei Mathematik gibt und ein Fokus auf die naturwissenschaftlichen Fächer gelegt werden muss, ist schon länger bekannt. Schulen und Universitäten beklagen sich jedoch immer mehr, dass große Schwächen auch in der Allgemeinbildung, v. a. bei der Rechtschreibung und Grammatik bestehen. Wie wollen und können Sie dieses Problem angehen?

 

Rösner:
Ich bin ein Fan vom Leistungsprinzip und von der allgemeinen breiten Bildung und setze mich, der selbst aus der naturwissenschaftlichen Richtung kommt, gerne für diese Fächer ein. Doch die Abiturprüfungs- und Oberstufenverordnung gilt ja weiterhin, also die allgemeinen Anforderungen müssen erfüllt werden. Im Modularen Prinzip kann man nun viel besser an individuelle Schwächen arbeiten, als dies bisher an staatlichen Schulen der Fall war. Indem man diejenigen Seminare ggf. zusätzlich besucht, in denen man Lücken aufweist. Wird in einem Quartal der Kurs ,,Auffrischung Rechtschreibung und Grammatik‘‘ angeboten, dann nimmt man sich als Schüler dafür die Zeit. Und wenn sich das Seminar nicht mehr nur an eine spezifische Klasse richtet, sondern allgemein an die Oberstufe, lohnt es sich für uns als Schule auch stets, einen Kurs einzurichten. Die Anzahl der Schüler, die das Seminar besuchen werden, findet man dann schon. Bei dieser Arbeit an Defiziten profitieren die Schüler auch gegenseitig voneinander. Denn wenn man sich bei der Gruppenarbeit untereinander etwas erklärt und selber lehrt, vergisst man die Inhalte nie wieder. Das ist eine sehr effektive Methode und wurde z.B. mit der Hattie-Studie belegt.

Elena:
Haben Sie dennoch irgendwelche Ängste, Befürchtungen oder Sorgen bezüglich der Umsetzung dieses Projektes? Worin sehen Sie beispielsweise Vorteile, die eine Privatschule dabei im Vergleich zu einer öffentlichen Schule hat?

Rösner:
(lehnt sich nachdenklich zurück, überlegt und lacht kurz)
„Elena, weißt du was: Ich bin eigentlich sehr zuversichtlich und überzeugt, dass das ganze Projekt gut laufen wird.
Man sollte Schule nämlich als lernendes System verstehen. Unser Motto ist ja: ,,Heute sind wir gut, morgen sind wir besser.‘‘ Natürlich wird es eine gewisse Testzeit geben, aber dabei werden wir uns nur weiterentwickeln. Ein ständiger Prozess.
Der Vorteil an einer Privatschule ist, dass wir jeden Schüler problemlos mit einem digitalen Endgerät ausstatten können. Das ist dann vergleichbar mit einem Unternehmen, denn auch dort werden die Endgeräte und Ressourcen gestellt. Die Schüler sind in diesem Fall also vollwertige Mitarbeiter.
Die Lerninhalte und Aufgaben sind ja online über die Cloud von überall abrufbar und somit wird es auch keine Ausrede mehr geben, die Hausaufgaben nicht gemacht zu haben oder generell nicht lernen zu können.

Als private Schule sind wir aber auch unabhängig und haben die Freiheit, fundamental andere Richtungen als Vorreiter einschlagen zu können. Zwar gelten die grundsätzlichen und allgemeinen Landesregelungen weiterhin, aber wir können das System Schule von Grund auf neu denken. Es gibt mehr Möglichkeiten, von den alten Mustern abzuweichen und flexibel Neues zu experimentieren, um die Zukunft zu gestalten.

Für mich als Schulleiter kommt als zusätzliche Kontrolle hinzu, ob ich den richtigen Weg eingeschlagen habe, wie viele Anmeldungen es für das Internat gibt und wie groß die Akzeptanz unseres Erziehungsprinzips ist.
Sollten wir irgendwann den richtigen Weg gefunden haben, Schule nachhaltig zu verbessern und zu entwickeln, dann lass es die anderen Schulen übernehmen. Das Finden dieses Konzeptes, das positive Beeinflussen des Bildungswesens, ist dann ein toller gesellschaftlicher Beitrag

 

 


Ökonomischer Nonsens a la Katarina Barley

Von Luca Tannek | Am 28. Juni stimmte der EU-Rat dafür, dass ab 2035 ein Verbot des Verbrennungsmotors in Kraft tritt. Das EU-Parlament hatte bereits für eine Abschaffung mehrheitlich abgestimmt. Damit Deutschland im EU-Rat für ein Verbot stimmte, mussten sich zuvor alle Koalitionspartner der Bundesregierung (FDP, SPD und Grüne) in ihrer Forderung einig sein. Wäre dem nicht so gewesen, dann hätte sich Deutschland enthalten müssen. Und danach sah es kurzzeitig aus, da die FDP ein Verbot von sog. E-Fuels ablehnte. Am Ende einigte man sich darauf E-Fuels vom Verbot auszunehmen und Deutschland stimmte für das Verbrennerverbot.

Die Vizepräsidentin des EU-Parlaments Katarina Barley (SPD) machte einige Tage zuvor das absurde Argument, ein Nein zum Verbrennerverbot würde dem Wirtschaftsstandort Deutschland schaden. Dass von Katarina Barley selten bis kaum intelligente Aussagen kommen, ist schon immer klar gewesen. Aber solch ein Schwachsinn aus ihrem Mund zu hören, ist an Lächerlichkeit kaum zu überbieten.

Frau Barley nimmt Arbeitslosigkeit in Kauf

Der Großteil der produzierten Autos in Deutschland ist mit einem Diesel- oder Ottomotor ausgestattet. Somit ist die Branche enorm abhängig von diesen beiden Fahrzeugtypen. Und Dank der Produktion von Automobilen, die mit einem Verbrennungsmotor betrieben werden, gibt der gesamte Automobilsektor in Deutschland zirka 800.000 Menschen einen Job. EU-weit sind in der Branche insgesamt 3,50 Mio. Arbeitnehmer beschäftigt. Für die Herstellung von elektrisch betriebenen PKWs bräuchte man nur noch 60% von den derzeit Beschäftigten, die man für den Verbrenner benötigt. Und von diesen 60% sind wiederum über die Hälfte für die Produktion der Batterien notwendig. Und da die Akkus aufgrund Rohstoffmangels nicht in Deutschland produziert werden, profitieren in erster Linie andere Länder. Durch ein Verbot des Verbrenners würde es in Deutschland zu massivem Stellenabbau kommen. Keiner weiß, wie sich die Elektromobilität bis 2035 entwickelt hat und ob sie die gleiche Effizienz aufweisen kann, wie Verbrennungsmotoren. Durch ein abruptes staatliches Verbot des Verbrenners, ist das Risiko Arbeitslosigkeit hervorzurufen, sehr hoch. Hier zeigt sich wieder einmal die sozialdemokratische Heuchelei, man würde sich um das Wohl von Arbeitnehmern sorgen. Interessant ist hierbei auch, dass China ein Verbot des Verbrennungsmotor voraussichtlich erst im Jahr 2060 beschließt. So viel zum Argument, man müsse das Weltklima schützen. Frau Barley vertritt absolut keine deutschen Interessen. Mit deutscher Arbeitslosigkeit hat die ehemalige Justizministerin kein Problem.

Verbote sind keine Standortvorteile

Laut der Sozialdemokratin schafft ein Verbot Standortvorteile für Deutschland. Sie argumentiert, dass die Autohersteller sogar ganz von sich aus noch vor 2035 keine Verbrenner herstellen möchten. Dass diese Begründung völlig widersprüchlich ist, könnte kaum offensichtlicher sein. Erstens: wenn Produzenten ganz von sich aus -und ohne staatliche Verbote- eine Entscheidung fällen, dann braucht es kein Verbotsgesetz. Im Grunde macht Frau Barley das Gesetz mit ihrer Begründung völlig obsolet. Wozu braucht man Verbote, wenn es auch ohne geht? Man sollte auch berücksichtigen, dass solche Prognosen von Herstellern immer auf wackeligen Beinen stehen. Es kann in einer freien Marktwirtschaft immer zu kurz- bis mittelfristigen Veränderungen kommen. Niemand weiß welche technologischen Möglichkeiten im Jahr 2035 existieren. Vor allem sollte man berücksichtigen, dass der Premiumhersteller BMW sich keinesfalls vom Verbrennungsmotor verabschieden möchte. Mit dem Verbot des Verbrennungsmotor gäbe es auch ein Forschungsverbot für BMW. Politiker hätten somit den Wettbewerb zwischen den weltweit besten Autoproduzenten erdrosselt. Anhand dieser einfachen Widerlegung ist es ziemlich einleuchtend, dass sich Katarina Barley nullkommanull um die deutsche Wirtschaft schert. Sie hat lediglich Gefallen daran, Wohlstand und Innovation in Deutschland zu verhindern.

Fazit

Das Ergebnis von diesem restriktiven EU-Gesetz ist nichts weiter, als ein indirektes Forschungs- und Arbeitsverbot, das vor allem volkswirtschaftliche Einbußen für Deutschland hervorbringt. Katarina Barley verkörpert mit ihrer Haltung sehr gut den typischen Politiker, der sich anmaßt, mehr als Millionen von Individuen zu wissen und deshalb die freie Marktwirtschaft in eine Kommandowirtschaft umbauen will. Katarina Barley verbreitet mit ihrem „Standortargument“ nichts weiter als ökonomischen Nonsens und ist nicht in der Lage zu verstehen, dass ein Verbot weder deutsche Interessen vertritt, noch ökonomisch sinnvoll ist.

 


Zurück zur Wehrpflicht? – das große Apollo Battle

Lesen Sie hier: Das große Debattenduell. Wehrpflicht-Lover Maxi vs. Freiwilligkeits-Fanatiker Adrian. Sollte die Wehrpflicht wieder eingeführt werden? Wird Deutschland so endlich wieder verteidigungsfähig oder stehlen wir den jungen Leuten so nur eines der besten Jahre ihres Lebens– wer überzeugt Sie mehr?

Achtung: Dieser Beitrag könnte vereinzelt Spuren von Humor enthalten. Weder ungediehnte Dienst-Forderer noch gediehnte Pflichtdienst-Verweigerer wurden bei der Produktion dieser Kolumne ernsthaft verletzt. Bei Risiken und Nebenwirkungen wenden Sie sich an ihren Arzt, Apotheker oder Seelsorger. 


Ja, zur Wehrpflicht! – ein souveräner Staat muss abwehrfähig sein

Von Max Zimmer | Bevor ich überhaupt anfange: Jajaja, ich weiß ja schon – der ungediehnte Jura-Student will unserem Apollo-Hauptgefreiten jetzt die Truppe erklären. Und dass, obwohl Adrian mir ja sonst so gerne klar macht, dass ich von nichts eine Ahnung hätte, und meine Meinung zur Bundeswehr nur so vor Halbwissen strotzt. Aber nichts da – nur weil du bei der Bundeswehr bist, hast du die Weisheit nicht mit Löffeln gefressen. Es gibt gute Gründe für eine Wiedereinführung der Wehrpflicht.

Jahrzehntelanges kaputtsparen, Abschaffung der Wehrpflicht, Beraterskandale und in ihrer Kompetenz mindestens zweifelhafte Ministerinnen: Die Politik hat unsere Bundeswehr – und damit unsere Abwehrbereitschaft – viel zu lange ignorant behandelt, und so sukzessive zerstört. Ich denke da wird mir auch der Adrian noch zustimmen können. Eine Wiedereinführung der Wehrpflicht allein wird zwar gewiss nicht die Lösung aller Probleme sein, aber genau so wie ihre Abschaffung einst der Beginn des Niedergangs war, könnte ihre Wiedereinführung der Beginn eines Wiedererstarkens sein. 

Im Grunde genommen ist die Politik ja nur ehrlich, und repräsentiert auch in gewisser Weise die Haltung der deutschen Öffentlichkeit – man ist gerne Pazifist, preist den Frieden und will mit Militär nichts zu tun haben. Diese Mentalität geht natürlich einher mit dem herrschenden linksliberalen Zeitgeist, der keine Werte wie Vaterland, Männlichkeit, Kampfgeist oder Disziplin kennen will, sondern in dem vor allem wohlklingende Gutmenschen-Phrasen à la Weltfrieden, Liebe, Toleranz und Vielfalt gepriesen werden.

Es hängt allerdings sicherlich auch damit zusammen, dass die oft (nicht zu Unrecht) als verweichlicht bezeichnete „Generation Z“ quasi kaum noch Berührungspunkte mit dem Dienen hatte – leider ist nicht jeder in unserer Generation so schneidig und aufopferungsbereit wie Adrian. Während die Generationen ihrer großen Brüder und Väter diesem Land noch in großen Teil in Uniform gedient haben, verbrachten die pflichtbefreiten Z´ler ihre Jugend meist am Handy, vor der Konsole, beim Feiern oder halt im Lockdown. 

Aber eine charakterbildende Lebensschule in der Kaserne, das kennen viele Buben heute gar nicht mehr. Und das merkt man dem Wesen dieser Generation leider auch an. Links, woke, disziplin- und teilweise auch anstandslos, das sind leider nicht zu Unrecht Klischees über die heutige Jugend. Auch hier wäre ein Pflichtdienst am G36 und ein morgenlichtes Wecken durch den Feldwebel sicherlich keine Patentlösung, aber es würde definitiv nicht dabei schaden, den jungen Menschen heutiger Tage mal wieder ein bisschen Schneid beizubringen. 

Und ja, mir ist natürlich bewusst, dass der Kasernenalltag auch seine Tücken mit sich bringt, und Charaktere nicht unbedingt immer nur zum besseren formt – hier könnte ich Adrians Bierkonsum ansprechen, aber dann schweife ich wohl vom Thema ab. 

Aber es geht ja nicht bloß um reine Erziehungsmaßnahmen – spätestens seit dem 24. Februar diesen Jahres wissen wir, dass Frieden in Europa und auch in deutscher Nachbarschaft nicht selbstverständlich sind. Dieser Irrglaube seit Ende des kalten Krieges, wir seien künftig befreit von der Notwendigkeit, uns verteidigen zu können, fällt uns nun auf die Füße. Auch ich halte es für unwahrscheinlich, dass sich der Konflikt ausweitet, und der Russe morgen früh durch Polen marschiert und an unserer Grenze steht – aber ich habe auch nicht mit dem Angriff auf die Ukraine gerechnet (ich weiß Adrian, ich schulde dir deswegen noch eine Flasche Vodka – ukrainischen, versteht sich), also was weiß ich schon.

Klar ist – wir müssen im Zweifel abwehrbereit sein. Und das gilt gar nicht nur bezüglich Russland und der Sicherheitskrise in Osteuropa; es ist eine grundsätzliche Voraussetzung eines souveränen Staates, seine Interessen auch militärisch wahrnehmen zu können. Und hierzu gehören eben nicht nur Panzer, Artillerie, Flugzeuge und Schiffe – sondern auch eine robuste Mannstärke. Wir sehen in der Ukraine, dass man Zivilisten ohne militärische Ausbildung nicht einfach ein Gewehr in die Hand drücken kann, und sie werden dann zu effizient kämpfenden Soldaten. 

Es braucht für eine breite Kampfbereitschaft auch einen hohe Anzahl an gedienten, ausgebildeten Soldaten, die schnell mobilisiert werden können. Und da hilft nun mal nur eine Wehrpflicht, denn wir reden hier im Zweifelsfall von einem Bedarf über Hunderttausende bis Millionen Männer. Eine Wehrpflicht hilft dabei, diesen Bedarf kostengünstig abzudecken, und eine breite Reserve aufzubauen.

Außerdem bringt eine Wehrpflicht die Bundeswehr wieder in die Mitte der Gesellschaft, denn zu dienen wäre normal, und ginge wieder durch alle Gesellschaftsschichten. Es hätte etwas gesellschaftlich vereinendes, wenn nicht nur vereinzelte Militärfreaks und überzeugte Patrioten wie Adrian, sondern auch der eigene Nachbar, der Professor an der Uni, der Verkäufer im Supermarkt und der Chef im Büro allesamt zum Kreis der Kameraden zählten, mit denen man sich im Fall der Fälle einen Schützengraben teilt. 

Die oft bemängelte Anerkennung und Wertschätzung der Bundeswehr in der Gesellschaft würde dadurch offensiv bekämpft, denn die Bundeswehr würde wieder ein Teil der Gesellschaft werden, etwas, das alle gleichermaßen betrifft.

Wenngleich man den Eingriff in die Lebensplanung junger Menschen zurecht kritisieren mag, so sehe ich hier eine schlicht von unserer Zeit geforderte Maßnahme, ein Mittel zur Abwehr nach Außen, zur Stärkung nach innen und zur Normalisierung der Truppe in der Gesellschaft.


Wehrpflicht? Nein danke! – Auf Zwangskameraden kann ich verzichten

Von Adrian Hurtado | Mimosen, Klimahüpfer, Moralapostel und Geschlechts-Jongleure – kurz: Unsere verweichlichte Generation. Das ist das oft beklagte Steckenpferd, mit dem Leute wie Maxi eine Rückkehr der Wehrpflicht fordern. Aber mal im Ernst: Soll unsere Gesellschaft allein dadurch wieder mehr Rückgrat entwickeln? Ich glaube nicht. 

Vorab: Ja, auch ich sehe dieses Problem. Aber anders als du betrachte ich nicht die fehlende Wehrpflicht als das springende Element, was die Hauptschuld daran trägt. Das Problem liegt doch in den gesamten ersten 18 Lebensjahren eines deutschen Staatsbürgers, wo ihm quasi vom Kindergarten bis zum Schulabschluss erzählt wird, dass Dinge wie Disziplin oder die eigene Heimat quasi nichts wert sind. Ja, es gibt Ausnahmeschulen, doch bei der überwiegenden Mehrheit ist das nunmal der Fall. Denkst du wirklich, dass dieses eine Jahr die gesamte (Un-)Bildung der Kindheit und Jugend ausbügeln kann? Für mich klingt das eher wie ein letzter verzweifelter Rettungszweig.

Es ist auch so nicht richtig, dass der „Niedergang“ der Bundeswehr erst mit dem Aussetzen der Wehrpflicht angefangen hat. Gerade du solltest doch wirklich wissen, dass der Abbau von Personal und Material seit der Wende im vollen Zuge war. Hatten wir 1991 noch weit über 400.000 aktive Soldaten, so waren es 2010, also im Jahr vor der Aussetzung der Wehrpflicht, nur noch knapp über 200.000. Der Unterschied zu heute ist also gar nicht so groß – abgesehen von den Bundeswehr-Handtaschen und Schwangerschaftspanzern.

Was ich auch nicht verstehe, ist, wieso du eine Wehrpflicht als einzige Lösung siehst, um die Truppenstärke zu erhöhen. Ob du die USA magst oder nicht, sie sind ein gutes Beispiel, dass man auch ohne Wehrpflichtige eine deutlich größere Armee stellen kann. Seit 1973 ist dort die Wehrpflicht ausgesetzt, dennoch verfügen sie bei einer Bevölkerung von 330 Millionen über 1,3 Millionen aktive Soldaten. In Deutschland gibt es gerade mal 185.000 Soldaten bei einer Bevölkerung von 82 Millionen. Grob gerechnet verfügen die USA also bei einer 4 mal so großen Bevölkerung über eine mehr als sieben-mal so große Armee.

Ich weiß, wir wünschen uns beide eine Bundeswehr, bei der dem Russen nur vom Anblick schon die Knie zittern. Aber das wird nicht geschehen, indem wir einfach allen jungen Erwachsenen ein Jahr ihres Lebens stehlen, in dem sie höchstens halb fertig ausgebildet werden. 12 Monate reichen nicht, um einen Rekruten einsatzfähig zu machen. Schon allein meine Grund- und Dienstpostenausbildung als Panzergrenadier haben gut acht Monate in Anspruch genommen – und danach war ich noch lange nicht voll ausgebildet.

Und übrigens Maxi, hast du vielleicht vergessen: Bei der Bundeswehr herrscht eine Duldungspflicht für zwei Corona-Impfungen. Wenn eine Wehrpflicht eingeführt wird, bedeutet das also faktisch eine Impfpflicht für alle jungen Menschen. Mit deiner Wehrpflicht werden die Leute nebenbei noch zwangsgeimpft – willst du das wirklich?

Auch ich wünsche mir eine größere, stärkere und einsatzfähige Bundeswehr. Auf Kameraden, die gar keine Lust auf ihre Arbeit haben, kann ich aber gerne verzichten.


„Am Ende der Tage…“: Die theologischen Wurzeln des Zionismus

 

Von Simon Ben Schumann | Beim Wort „Israel“ denkt man an Vieles – gutes wie schlechtes – aber eher selten an die Jüdische Religion. Ihr Glaubensinhalt ist allerdings enger mit der Existenz des modernen Staates Israel verknüpft, als oft vermutet. Sie ist sogar ein bedeutender Meilenstein in der Geschichts- und Heilstheologie des Judentums.

Eine Gemeinschaft aus Worten

Seit dem Jahr 70 n. Chr. gab es keinen jüdischen Staat mehr. Die Zerstörung des zweiten Jerusalemer Tempels durch das römische Militär infolge des Jüdischen Krieges 66 n. Chr. leitete die jüdische Diaspora ein, welche beinahe 2.000 Jahre anhalten sollte.

Ohne einen Nationalstaat, ein Territorium, ohne ein Staatswesen blieb den Juden weltweit nicht viel gemeinsames übrig. Deswegen besann man sich auf das, was alle kannten und miteinander verband: Die Schriften. Vor allem die Thora wird im Judentum hochgeschätzt; Heinrich Heine nannte sie einmal das „portative Vaterland“ der Juden. Ebenso der babylonische Talmud, welcher eine Schriftsammlung von Rabbinern aus dem „babylonischen Exil“ bis 539 v. Chr. darstellt.

Das Leben im Exil war facettenreich. Im goldenen Zeitalter des Islam um 1000 n. Chr. gab es großen Wohlstand und ein friedliches Zusammenleben mit den Muslimen. Zur selben Zeit konvertierte in Europa ein ganzes Nomadenvolk, die sogenannten Chasaren aus Westrussland, zum Judentum. Sie sind ein Teil der Vorfahren der heutigen Aschkenasim – den Juden aus Europa. Das Jiddische als Sprache entstand im Mittelalter als Mischform aus Deutsch und Althebräisch; in den sogenannten „SchUM“-Städten – Speyer, Worms und Mainz – lag das pulsierende Zentrum des jüdischen Deutschlands. Andererseits kam es weltweit zu brutaler Gewalt; so gab es immer wieder Pogrome mit Zehntausenden Todesopfern und tyrannische Vertreibungen wie in Spanien 1492.

Die prophezeite Rückkehr

In der Neuzeit, aber auch in anderen guten Tagen, empfanden viele Juden die Diaspora nicht immer als bedrückend. Im Gottesdienst betete man dennoch täglich für die Wiederkehr der Juden ins „versprochene Land“. Im Achtzehnbittengebet des Judentums nehmen die Sammlung der Zerstreuten und der Wiederaufbau des Jerusalemer Tempels, den einst der legendäre Salomo errichten ließ, eine zentrale Stellung ein.

Gerade von Rabbinern wurde die Diaspora als unnatürlicher, nicht dauerhafter Zustand betrachtet. Der berühmte Rabbi Jehuda Löw aus Prag meinte im 16. Jahrhundert, dass die Juden zurückkehren würden – wenn die Zeit reif sei. Die Meinungen über das „Wann“ und „Wie“ divergierten dabei. Heute sind die allermeisten orthodoxen Vertreter des Judentums pro-zionistisch eingestellt, während wenige ultra- orthodoxe die Existenz Israels als Affront an Gott ablehnen – dieser müsse die Rückkehr selbst herbeiführen. Auch jüdische Reform-Gemeinden in der Tradition der „Haskala“ – das jüdische Pendant zur Aufklärungsbewegung in Europa – stehen dem Zionismus nicht ausschließlich positiv gegenüber. Ein Vertreter dieser Strömung ist der US-Historiker und Publizist Norman Finkelstein, welcher den Siedlungsbau im Westjordanland heftig kritisiert.

Die Religionslehrer berufen sich unter anderem auf Propheten, welche im Judentum wie im Christentum Teil des Kanons sind – sie folgen gleich auf die Fünf Bücher Mose.
So heißt es zum Beispiel in Jesaja 11,11: „Und der HERR wird zu dieser Zeit zum andern Mal seine Hand ausstrecken, dass er das übrige Volk freikaufe […] von den Inseln des Meeres.“ Der Prophet Jesaja und andere versprachen nicht nur eine göttlich verfügte Sammlung der Juden in Israel, sondern das Erreichen des „Endes der Zeitgeschichte“: Israel als Zentrum der Welt solle Ursprungsort von geistigem wie auch materiellem Wohlstand sein. „Es wird keiner Kinder mehr geben, die nur einige Tage leben; und wenn einer mit Hundert Jahren stirbt, wird man sagen, er sei als junger Mann gestorben.“

Aufbruch nach „Altneuland“

Seit 70 n. Chr. gab es immer wieder diverse Versuche von Juden, nach Israel zurückzukehren. Keine davon waren von Erfolg gekrönt. Nur kleine Gemeinden hielten sich im Land am Jordan, die dort eine geringe Minderheit der Bevölkerung darstellten.
Erst Mitte und Ende des 19. Jahrhunderts kam Bewegung in den Rückkehrwunsch in das von den Römern als „Palästina“ getaufte Gebiet. Der deutsche Philosoph und Frühsozialist Moses Heß erdachte die Errichtung eines modernen jüdischen Staates, dessen Religion ebenfalls reformiert werden müsse. Sogar freie Liebe als Selbstverständlichkeit in der im Überfluss lebenden, vollkommenen Zukunftsgesellschaft, war für den Frühzionisten kein Problem. 

In seinem Roman „Altneuland“ beschrieb der Initiator des Zionismus, Theodor Herzl, um 1900, wie in einigen Jahrzehnten ein jüdisches Staatswesen entstehen würde. Als Initiator der Zionistenkongresse und Führungsfigur der jüdischen Nationalbewegung sollte er Recht behalten. Die von ihm begründete Organisation des praktischen Zionismus war mal mehr, mal weniger religiös. Während der Schoah schrieb der spätere Präsident Israels, Chaim Weizmann, an den Widerstandskämpfer gegen den Völkermord, Chaim Weissmandl in Slowenien: „Only a remnant will remain. We must accept it.“ – eine Anspielung auf die Propheten Jesaja, Hesekiel und Sacharia, die die Rückkehr nach Israel nur unter der Bedingung einer großen Tragödie für möglich hielten.
Die bekannteste Figur des religiösen Zionismus ist wohl Rabbi Abraham HaKohen Kook aus Russland. Er war Chefrabbiner im bis 1948 britischen Mandatsgebiet Palästina. Für ihn war die bevorstehende Gründung Israels nichts anderes als die Erfüllung eines göttlichen Planes. Dass in diesem Menschen mehr oder weniger freiwillig mitwirken mussten – eine Selbstverständlichkeit. In seinem Buch „Lichter der Thora“ heißt es: „Und das Licht des Mondes wird sein wie das Licht der Sonne […] an dem Tage, da JHWH den Bruch seines Volkes verbinden wird […]“ Er befürwortete nicht nur alle verschiedenen Strömungen des Zionismus als Teil göttlichen Wirkens, sondern auch den illegalen Siedlungsbau im Westjordanland, den er aktiv förderte. Für ihn bewegten wir uns im 20. Jahrhundert auf „das Ende unserer Tage“ zu.

Bis der Messias kommt

Im jüdisch-theologischen Erlösungsdenken ist die Existenz des israelischen Staates ein Novum, welchem endzeitliche Bedeutung zukommt. Denn anders als im Christentum steht die Ankunft eines menschlichen Erlösers von allem weltlichen Leid zumindest im orthodoxen Judentum noch aus. Die Überwindung von Leid durch freiwilliges Leiden, wie sie viele Christen vertreten, weicht hier einer eher „empfangenden“ Haltung: Die Erlösung kommt von außen. Der „Sohn Davids“ (hebräisch „ben David“), ein Teil des Stammes Juda und direkter Nachfahre von Salomo, würde der Welt den Frieden bringen, die Toten auferstehen lassen und den dritten Tempel in Jerusalem errichten.
Diese Messiaserwartung kommt nicht von ungefähr: Seit Jahrtausenden lassen sich Juden auf dem Jerusalemer Ölberg bestatten. Von dort soll der Messias kommen und die Gerechten zurück ins Leben holen. Am Ende, wie es auf Hebräisch heißt, stehe die „olam haba“ – die vollkommene Welt.