Archiv: August 31, 2022

Sprengt Polen die EU-Kommission?

Von Jonas Kürsch | Die europäische Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) könnte unter Umständen im Rahmen einer internen Revolte als de facto Regierungschefin der Europäischen Union entmachtet werden. Ihre vermehrte Kritik an den angeblichen Brüchen des Europarechts durch die polnische PiS-Regierung und die Ankündigung, man würde neben den üblichen Sanktionsmechanismen gegen Polen nun auch eine Nichtauszahlung der dem Land zustehenden Gelder aus dem Corona-Wiederaufbaubonds als Strafoption betrachten, führten jüngst zu einem hochangespannten Verhältnis zwischen der Kommissionschefin und der polnischen Regierung.

Nun hat der Vorsitzende der polnischen PiS-Partei angekündigt, man wolle gegen Von der Leyen „alle Geschütze auffahren“ und würde fortan sämtliche EU-Entscheidungen per Veto blockieren, sollte die Kommission ihren Zahlungsversprechen nicht nachkommen. Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki warnte im Rahmen dieses Konfliktes gar, man dürfe Europa nicht zur Basis eines „Vierten Deutschen Reiches“ werden lassen. Sollten die Polen diesen radikalen Schritt umsetzen und den EU-Rat langfristig beschlussunfähig machen, so könnte diese Vertrauenskrise das politische Karriereende der Präsidentin Von der Leyen bedeuten.

 

Wenn Polen sich verweigert, sind neue EU-Reformen kaum zu erreichen 

Im EU-Rat (also jener europäischen Institution, in der die europäischen Staatschefsgemeinsam die politische Leitlinie der Union vorgeben) herrscht grundsätzlich ein Wahlmodus der Einstimmigkeit. Alle Staatschefs müssen einem Reformpaket oder einem vom europäischen Parlament beschlossenen Gesetzesentwurf zustimmen, um diesen zu ratifizieren. Auch im Ministerrat ist – je nach Politikfeld – häufig eine Konsensentscheidung notwendig. Polens Ankündigungen sollten von der Kommission daher durchaus ernst genommen werden: würden die polnischen Vertreter diesen Plan umsetzen, so ließen sich die von Von der Leyen erwünschten Umstrukturierungspläne der europäischen Gemeinschaft auf lange Zeit nicht verwirklichen. Die Kommission wäre somit in ihrem Kern entmachtet.

Einer der Hauptvorwürfe gegen Polen lautet, das Land würde sich nicht an die Überlegenheit des europäischen Rechts halten und die nationale Verfassung über das Europarecht stellen. Besonders ein Urteil des polnischen Verfassungsgerichts aus dem letzten Jahr, dem zufolge die souveräne Staatsverfassung nicht mit dem EU-Recht vereinbart werden könne, sorgte für große Unruhe in der zunehmend zentralistisch ausgerichteten EU. Dabei wurden in der europäischen Geschichte weder ein gemeinschaftlicher Vertrag noch eine europäische Strukturreform umgesetzt, die wortwörtlich das Europarecht über nationales Recht stellen. Im Gegenteil, der EU-Gründungsvertrag von Amsterdam sichert den einzelnen Mitgliedsstaaten im zweiten Paragraphen des vierten Artikels sogar zu, dass die Union die „grundlegenden politischen und verfassungsmäßigen Strukturen“ der einzelnen Nationen achten müsse. Es war letztlich eine undemokratische und in vielerlei Hinsicht willkürliche Aneinanderreihung von Gerichtsbeschlüssen des Europäischen Gerichtshofes, durch die man das Europarecht außerhalb des vertraglichen Regelwerks über die nationale Rechtssprechung gestellt hat.

Daher sind sich auch Rechtsexperten keineswegs so einig, wie es die Vertreter der EU gerne sehen würde, was den vermeintlichen „Rechtsbruch“ durch das polnische Gericht angeht. Vielmehr stellt sich – angesichts der voranschreitenden Entmachtung nationaler Entscheidungsträger durch die EU – vermehrt die Frage, ob es nicht eher die Union gewesen ist, die das eigene Recht im Rahmen unzähliger Kompetenzüberschreitungen in
den letzten zwei Jahrzehnten mehrfach gebrochen hat.

 

Von der Leyen ist angezählt – und das ist auch gut so!

Polen ist nicht das einzige Land, dessen Regierung mit der Arbeit von Ursula von der Leyen unzufrieden ist. Auch die ungarische Fidesz-Regierung unter Ministerpräsident Orban, dem die Präsidentin in der Vergangenheit „rassistische Diskriminierung“ und damit einen Bruch des Europarechts vorgeworfen hat. Politikexperten vermuten daher, dass Orban die PiS-Regierung vermutlich unterstützen würde, sollte diese einen institutionellen
Putschversuch gegen Von der Leyen unternehmen. Das politische Ende der Ursula von der Leyen käme nicht unverdient. Unter ihrer Präsidentschaft wurde die Europäische Union im Rahmen von Corona-Wiederaufbaufonds, einer fast schon zentralistisch gesteuerten EU-Impfpolitik und der

Entwicklung radikaler Strukturreformen immer stärker zu einer supranationalen und antiföderalen Machtinstitution aufgebaut. Die vertragsrechtlich garantierte Souveränität der einzelnen Mitgliedsstaaten wurde im Rahmen dieser paneuropäischen Agenda immer radikaler eingeschränkt. Hinzu kommen die ominösen Umstände ihrer einstigen Ernennung zur Kommissionschefin. Man sollte es immer wieder erwähnen: Frau Von der Leyen wurde nicht vom europäischen Volk gewählt. Sie wurde von Altbundeskanzlerin

Merkel im Rahmen eines der Öffentlichkeit weitestgehend unbekannten Deals mit den anderen Staatschefs der EU in diese Position fast schon hinein gezwängt. Vermutlich gab man ihr das Amt damals auch, um sie vor den Konsequenzen ihrer brenzligen Berateraffäre im Verteidigungsministerium zu beschützen.

Vor allem aber gäbe Von der Leyens Rückzug aus der Politik den Europäern die Chance, nach dem Chaos der drei vorangegangenen Jahre endlich wieder an die Wahlurne zu treten, den illiberalen EU-Bürokraten einen Denkzettel zu verpassen und freiheitliche Selbstbestimmung zu wählen.


Goethe Uni Frankfurt verschickt über 200 falsche Medizinstudiums-Zulassungen

Von Sebastian Thormann | Die Johann Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt am Main hat wohl 282 Medizinstudiums-Zulassungen zu viel herausgeschickt als sie Plätze hat, wie die Bild-Zeitung berichtet. Dieser „Übertragungsfehler“ ist nun der Grund dafür, dass hunderte zukünftige Medizinstudenten eine nachträgliche Absage bekamen.

Der vermeintlich kleine Rechenfehler hat dabei für die fast 300 angehenden Studenten schwere Folgen. Die Betroffenen haben teilweise Wohnungen und Arbeitsplätze gekündigt in Aussicht auf das Medizinstudium in Frankfurt. Manch ausländische Studenten hatten bereits Flugtickets gekauft. All das nun umsonst. Ebenso können nun Zulassungen anderer Unis nicht mehr angenommen werden, nachdem der Rückzieher der Goethe-Universität Frankfurt zu spät kam und entsprechende Plätze anderswo schon vergeben wurden. Keine Wohnung, kein Job, kein Studienplatz bedeutet das nun erstmal für einige.

Manche haben jahrelang auf einen der begehrten Studienplätze gewartet, begeistert die Zulassung erhalten nur um dann zuerst aus der Presse davon zu erfahren, dass es einfach nicht genug Plätze gibt und sich die Uni bei einem so wichtigen Vorgang schlicht verrechnet hatte. Die Lebensplanung Vieler ist damit in sich zusammengefallen.

Von einer der größten Universitäten Deutschlands kann man eigentlich besseres erwarten. Dieses Desaster ist ein Fehler der nicht passieren darf. Aber trotzdem kam es dazu. Und leider ist er beispielhaft für ein Pannen-behaftetes und an manchen Stellen teilweise völlig dysfunktionales Bildungssystem in diesem Land. Häufig auf Schulebene, aber eben teilweise auch in den Unis. Wenn die Goethe-Uni in Frankfurt nicht mehr richtig rechnen kann, wie wird das dann bei Fünftklässlern aussehen?

Natürlich können Rechenfehler einmal passieren, aber bei solchen Dingen hat jeder nur zu gut das Recht von der Universität zu erwarten, dass man so etwas sensibles wie Studienzulassungen gerade in hoch nachgefragten Studiengängen doppelt und dreifach überprüft bevor man sie verschickt und dann die Betroffenen noch tagelang im Unwissen bleiben, dass ihre Zulassungen völlig wertlos ist. Gerade hier muss eine Bildungsinstitution eine hohes Maß an Sorgfalt an den Tag legen, was ganz offensichtlich nicht der Fall war.

Was ist das für ein Vorbild für die Studenten, wenn ihre eigene Universität solch einfache Dinge nicht auf die Reihe bekommt? Solche Fehler können sich die meisten Studenten wohl kaum in ihrem späteren Beruf leisten, und gerade bei Medizin-Studenten dürfte es wohl eine Erwartungshaltung zu äußerster Sorgfalt geben. 

Die Bildungsnation Deutschland scheint auf dem absteigenden Ast zu sein. Selbst wenn einige deutsche Unis es auf Top-Ranglisten schaffen, dann oft nur hinter solchen aus nicht nur den USA oder China, sondern auch Großbritanniens und der Schweiz. Bei hochpeinlichen Skandalen wie jenem aus Frankfurt ist das auch kein Wunder.

Der Unmut der betroffenen Beinahe-Studenten ist auf jeden Fall nun verständlich groß. Auf change.org haben sie nun eine Petition gestartet um doch noch irgendwie einen Platz an der Goethe-Uni in Frankfurt zu bekommen. Fast 20.000 haben bereits unterschrieben. 


Explosion der Strompreise – von der Gaskrise zur Stromkrise

Von Leon Hendryk | In den letzten Wochen entfaltete sich in Europa, von der Öffentlichkeit noch bis vor wenigen Tagen unbemerkt, eine dramatische Krise: Die Strompreise an der Europäischen Energiebörse EEX explodieren regelrecht, und stiegen auf inzwischen 600€ bis 800€ pro Megawattstunde – also rund 60 Cents pro Kilowattstunde. Zum Vergleich: Vor einem Jahr lag der Preis noch bei rund 90€ pro Megawattstunde, oder 9 Cents pro Kilowattstunde. Was sind die Gründe für diesen plötzlichen, dramatischen Anstieg der Strompreise? Und was bedeutet er für uns, den Endverbraucher?

Kurz gefasst gibt es für den Preisanstieg zwei Hauptgründe. Zum einen das momentane Unterangebot an Strom auf dem Markt, verursacht durch einen Mangel an Stromerzeugungskapazitäten. Zum anderen, die Art in der sich der Strompreis an der Energiebörse berechnet. 

 

Zu wenig Produktion, zu hohe Preise

Den ersten Grund zu erläutern ist im Prinzip recht simpel: In Europa wird aktuell schlichtweg zu wenig Strom erzeugt, denn viele Kraftwerkskapazitäten werden im Moment nicht genutzt. In Frankreich produziert nur die Hälfte der 56 Atomreaktoren des Landes Strom, da die andere Hälfte gewartet wird. Überall in Europa laufen Wasserkraftwerke aufgrund der diesjährigen Dürre mit verminderter Kapazität. Kohlekraftwerken hingegen machen die hohen Temperaturen zu schaffen, sie operieren mit einem reduzierten Wirkungsgrad. Und als ob dies noch nicht genug wäre, verteuern die hohen Gaspreise die Energieerzeugung in Gaskraftwerken enorm.


Der zweite Grund ist etwas komplexer: Wenn an der Energiebörse der Preis für eine Megawattstunde Strom ermittelt wird, geschieht dies indem der höchste im Markt erzielte Preis als Berechnungsgrundlage genutzt wird. Das Problem ist, dass dieser höchste Preis im Moment immer extrem hoch ist, da der zu diesen Preisen verkaufte Strom, aufgrund der oben erklärten Knappheit, von sehr teuren Gaskraftwerken stammt. Da diese für ihr Gas vielfach höhere Preise als noch vor Ausbruch des Ukraine-Kriegs zahlen, schießt der Höchstpreis auf dem Strommarkt steil nach oben. Dieser Preis gilt dann übrigens auch für Stromerzeuger, die den Strom deutlich günstiger produzieren und ihn demnach theoretisch günstiger verkaufen könnten. Die Differenz zwischen ihrem Erzeugerpreis und dem Verkaufspreis können sie als Gewinn verbuchen. 

 

Drei Vorschläge, aber alle zielen nur auf die Regulierung des Marktes

Für den Endverbraucher sind das schlechte Nachrichten. Denn die Energieversorger, die an der Strombörse kaufen, müssen ihre nun extrem gestiegenen Einkaufspreise langfristig an ihre Kunden weitergeben. Dies wird für Stromkunden nur eines bedeuten: Steigende Preise! Zwar wird der Strompreis für den Endverbraucher nicht so stark steigen wie der Preis auf dem Strommarkt, da viele Energieversorger einen großen Teil ihres Stroms selbst produzieren oder in langfristigen Verträgen kaufen. Doch Preissteigerungen im zweistelligen Prozentbereich sind trotzdem zu erwarten. Besonders hierzulande wird dies für viele schmerzhaft werden. Denn Deutschland hat bereits die zweithöchsten Strompreise der Welt, nur übertroffen von Dänemark. Dazu kommt, dass auch der stark gestiegene Gaspreis die Haushaltskassen vieler Deutscher beuteln wird, zumindest wenn sie vorhaben im kommenden Winter ihre Heizung zu benutzen oder ab und an warm zu duschen. Zur Gaskrise gesellt sich nun also noch eine Stromkrise. 

Auch in der Politik wird man sich dieser Problematik allmählich bewusst. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) etwa, momentan im Wahlkampfmodus, fordert ein beherztes Eingreifen des Staates. So zieht er beispielsweise in Erwägung, den Stromhandel auszusetzten oder den Preis durch staatliche Stellen zu regulieren. Ähnlich argumentiert Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), der allerdings stattdessen eher auf eine Übergewinnsteuer setzt. Diese würde einen Teil der Gewinne abschöpfen, die viele Stromerzeuger aufgrund der extrem hohen Preise momentan erwirtschaften. Eine grundlegende Reform des Strommarktes sieht er hingegen kurzfristig als nicht sinnvoll an, da es zu viel Zeit in Anspruch nähme und nun schnelles Handeln gefragt sei. 

EU Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sieht das anscheinend etwas anders, und kündigte am Montag eine „Sofortmaßnahme“ an, die in den Strommarkt eingreifen soll. Parallel dazu soll an einer Reform des Strommarktes an sich gearbeitet werden. Wie diese „Sofortmaßnahme“ aussehen wird, ist allerdings noch völlig unklar. Ob sie den erwünschten Effekt erzielen wird, ist ebenfalls offen. Schließlich waren in der Vergangenheit nicht alle Unternehmungen der EU Kommission von Erfolg gekrönt.

Was auffällt ist auch, dass die Bestrebungen der Politik fast ausschließlich auf die Regulierung des Strommarkts abzielen. Über die Lösung des zweiten großen Problems, dem Unterangebot von Kraftwerkskapazitäten, wird hingegen kaum gesprochen.

 

Wir bleiben dran!

Apollo News bleibt am Thema und wird über die weitere Entwicklung der Stromkrise berichten. Es wird sich zeigen, welche der oben genannten Maßnahmen in den nächsten Tagen tatsächlich in die Tat umgesetzt werden.




Keine Maskenpflicht im Regierungsflieger – Soll der Pöbel doch die Maske tragen

Von Boris Cherny | „Für Flieger, die in Deutschland starten oder landen, gilt §28b des Infektionsschutzgesetz (…) in allen Flugzeugen, die in Deutschland starten oder landen, gilt die Maskenpflicht.“ Das stellt kürzlich eine Sprecherin des Bundesgesundheitsministeriums klar.

Wer jetzt denkt, damit würde der maskenlose Flug der deutschen Bundesregierung nach Kanada wenige Tage zuvor kritisiert werden, irrt sich. Das Bundesgesundheitsministerium echauffierte sich stattdessen über die Abschaffung der Maskenpflicht – unter Berufung auf Schweizer Recht – bei der Lufthansa Tochter Swiss. Das Statement legt das komplette Ausmaß der Doppelmoral der Regierung frei.

Am 21. August flogen Kanzler Scholz und sein Wirtschaftsminister Habeck, samt elitärer Entourage Richtung Kanada. Der Flug an sich wäre nicht weiter spannend, hätten sich nicht alle Regierungsmitglieder und Wirtschaftsbosse nicht heldenhaft gegen die laut Infektionsschutzgesetz geltende Maskenpflicht hinweggesetzt. Die Bilder der Tagesschau aus dem Flugzeug gingen auf Twitter viral. Der Shitstorm begann. Nicht nur, dass die Regierung nun unter Verdacht stand gegen das Infektionsschutzgesetz verstoßen zu haben, auch die Maskenpflicht selbst drohte nun von allen Seiten infrage gestellt zu werden als sprangen rasch zahlreiche Journalisten der Mainstream-Presse der Regierung zur Seite.

Die Mitgeflogene T-Online-Korrespondentin Miriam Hollstein bezeichnete die Regierungskritiker als Trolle, und merkte, wie mehrere andere an, dass beim Flug Testpflicht galt. Allerdings genehmigt das Infektionsschutzgesetz gar keine solchen Ausnahmen.

Die Reaktion auf die Bilder der Tagesschau ließ rasch eine Stellungnahme des Bundesverteidigungsministeriums folgen. Da das Flugzeug zur Luftwaffe gehöre, und diese die Maskenpflicht auf Flügen bereits im Juli aufgehoben habe, sei das Vorgefallene kein Verstoß gegen das Infektionsschutzgesetz gewesen, hieß es dort. Leider deckt sich die offizielle Erklärung nicht mit der Rechtfertigung mehrerer Journalisten. Zudem steht die Luftwaffe eigentlich genauso wenig über dem Gesetz.

Die Rechtmäßigkeit des Kanada-Flugs der Bundesregierung ist im Endeffekt aber irrelevant, zeigt er doch abermals eine maßlose Gleichgültigkeit der Politiker gegenüber dem normalen Bürger auf. Der Pöbel soll bei über 30 Grad in vollgestopften Zügen (ohne Klimaanlage) bestenfalls mit FFP2-Maske stehen. Regierungsmitglieder haben Wichtigeres zu tun, als die vermeintlich lebensrettenden Masken anzuziehen. Derweil schweigt der wichtigste Befürworter von Maskenpflichten, Karl Lauterbach, zum Verhalten seiner Regierungskollegen. Als jedoch wie vorher erwähnt die zivile Airline Swiss dem Beispiel der Bundesregierung folgte, und ankündigte, die Maskenpflicht auf ihren Flügen nicht mehr durchsetzen zu wollen, war die Empörung im Gesundheitsministerium groß.

Diese weitere blamable Episode für die Ampelregierung hat sogar noch ein gerechtes Ende gefunden. Als sowohl CDU- als auch FDP-Politiker begannen, als Konsequenz des Fluges das Ende der Maskenpflicht in Flugzeugen zu fordern, zog Kanzler Scholz schnell die Konsequenzen und führte die Maskenpflicht auf seinen Flügen wieder ein. Eine generelle Abschaffung der Maskenpflicht wäre sicherlich die humanere Entscheidung gewesen, doch wenigstens müssen Politik und Wirtschaft die Maske nun hoffentlich genauso aushalten wie wir.




Fall Gerstetter: Hass gegen jüdische Konvertiten oder berechtigte Kritik?

Von Simon Ben Schumann | Avitall Gerstetter, Kantorin in Berlin, wurde gefeuert. Der  Grund: Sie schrieb einen Artikel in der „Welt“ – mit explosivem Inhalt. Am 9. August, also vor drei Wochen, veröffentlichte Gerstetter ihren Kommentar.  Überschrift: „Warum die wachsende Zahl der Konvertiten ein Problem für das Judentum  ist.“ In dem Meinungsstück beschreibt die einzige weibliche Vorbeterin Deutschlands,  warum sie Konvertiten zum Judentum als „Problemauslöser“ betrachtet. Ihr wachsender  Einfluss verändere den ihr aus Kindertagen bekannten Gottesdient.  

Eine kontroverse Ansicht

Gerstetter schildert, dass Menschen unter anderem aus zwei Gründen zum Judentum  konvertierten. Einerseits gäbe es eine gewisse Orientierungslosigkeit unter Christen,  möglicherweise der mangelnden Nachwuchsarbeit der Kirchen geschuldet. Spirituell  heimatlose Menschen würden sich daher dem Judentum anschließen.  

Diese Sicht kann man hartherzig nennen oder realistisch – viel kontroverser aber ist der  zweite Grund: Das Wechseln von der „Täterseite“ auf die „Opferseite“, sozusagen auf die  richtige Seite der Geschichte durch Konversion. Avitall Gerstetter ist mit Sicherheit nicht  die erste Person, welche diesen Vorwurf äußert – aber dass er sehr verletzend für  Konvertiten sein muss, ist naheliegend. Auch beklagt Gerstetter, dass konvertierte Juden zu oft in Führungspositionen wären und  überhaupt einen zu großen Anteil in Betergemeinschaften ausmachten. Sie nennt die Zahl  von teilweise „80%“. 

Die Reaktion: „You’re fired!“ 

Nach der Veröffentlichung schlug der Artikel prompt Wellen. Viele Juden, ob geboren  oder konvertiert, führten eine eigentlich „innerjüdische“, emotionale Debatte nun in der  Öffentlichkeit. Tatsächlich beginnt Gerstetter ihren Kommentar in der „Welt“ mit der  Feststellung, man solle über den „Giur“, hebräisch für „Übertritt“, eigentlich nicht  sprechen. Wahrscheinlich genau wegen dem, was jetzt passiert. 

Denn die Diskussion war nicht mehr aufzuhalten. Die Synagoge in der Oranienburger  Straße (Berlin), in der Gerstetter Vorbeterin war, ist religiöse Heimat vieler Konvertiten,  inklusive der Rabbinerin Gesa Ederberg. Gerstetter legte sich also in gewisser Weise mit ihrer Chefin an, was zumindest Respekt verdient. Gut ging es für sie aber nicht weiter. 

Die Gemeinde erhielt aufgeregte Mails von Konvertiten und Nicht-Konvertiten, die sich  zum Artikel äußerten. So schrieb eine betroffene Frau, dass sie „in Wirklichkeit immer  schon“ Jüdin gewesen und mit ihrer Konversion nur ihre wahre Identität öffentlich  bezeugt habe. Der Vorwurf der „Ablasskonversion“, wie Gerstetter es nennt, sei ähnlich  wie der Vorwurf, Ausländer kämen nur für Sozialleistungen nach Deutschland. 

Differenzierter sieht das Ganze Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in  Deutschland. Einerseits kann er die Kritik Gerstetters nachvollziehen, da Konvertiten in  Führungspositionen durchaus Probleme verursachen könnten. Andererseits wollte er sich dem umstrittenen Punkt der „Ablasskonversion“ nicht anschließen.

Am 16. August wurde Avitall Gerstetter von der Jüdischen Gemeinde Berlins freigestellt,  jetzt ist sie gekündigt. Sie will rechtliche Schritte einleiten, da die Entlassung nicht  gerechtfertigt sei.  

Innerjüdische Konflikte 

Nach der „Halacha“, dem jüdischen Gesetz, ist Jude, wer eine jüdische Mutter hat. Nun  gibt es aber eine Menge Leute, die nur väterlicherseits jüdisch sind – also der Vater hat  eine jüdische Mutter. Sie werden in Amerika zwar von liberalen Gemeinden anerkannt,  von allen anderen Gemeinden aber nur nach einem Übertritt vor einem rabbinischen Gericht. 

Für Betroffene kann das belastend sein. Die Autorin Mirna Funk schreibt im Deutschland  Archiv der Bundeszentrale für politische Bildung über ihre Erfahrungen. So hänge es  immer vom „guten Willen“ anderer Familienmitglieder ab, ob man nun dazugehört oder  nicht. Interessanterweise war auch der Vater von Avitall Gerstetter, trotz des jüdisch klingenden Nachnamens, konvertiert. Ihre Mutter nicht, womit sie dem jüdischen Gesetz  gerecht wird. 

Ich persönlich frage mich, ob Gerstetter dieselbe Meinung hätte, wenn ihre Mutter keine  Jüdin wäre. Auch sie hätte dann konvertieren müssen, um dazu zu gehören. Mir selbst geht es  da ähnlich, weil ich getauft bin und keine jüdische Herkunft besitze, die für eine  Anerkennung ausreichend wäre. Höchstens in der allerliberalsten Gemeinde von Miami  würde man mich als Juden willkommen heißen – in diesen Kreisen aber wohl erst nach einer gemeinsamen Bong und nachdem meine Pronomen geklärt sind. 

Als insofern Außenstehender kann ich beide Seiten verstehen. Einerseits glaube ich, dass  man als aus Völkermord und Verfolgung kommender Mensch vorsichtig ist, wen man in  seine traditionsgebundene Gemeinschaft aufnimmt. Das ist nur nachvollziehbar. Noch  verständlicher ist das, wenn es um Führungspositionen mit Gestaltungsmacht geht.  Andererseits hätte ich mir von Avitall Gerstetter eine differenziertere und empathischere  Kritik gewünscht.  

Am Ende bleibt es beim alten Spruch: „Wer Jude ist, entscheiden immer die anderen.“ Vielleicht sollte deswegen mehr der innere Weg zählen – und nicht so sehr, was jetzt  formell und politisch richtig ist, egal aus welcher Sicht.


Mit woker Ideologie geht es in den USA zurück zum nach Hautfarbe segregierten Leben

Von Sven Justin Verst | Mit dem Abschluss des akademischen Jahres erhielten auch diesen Sommer wieder unzählige Studenten ihre Abschlüsse. Derzeit ziehen neue Studenten in Wohnheime und machen sich mit ihrem neuen Zuhause, der Universität vertraut. Während dieser stressigen und aufregenden Zeit muss man jedoch vermehrt darauf achten, welches Gebäude man betritt und welche Abschlusszeremonie man besucht.

Bei dem Begriff „Thematisiertes Wohnen“ denken viele wohl zunächst an den einzigartigen Einrichtungsstil der 70er-Jahre, dem ist nicht so. Vielmehr handelt es sich um den Stil der 50er-Jahre, in welchen Menschen nach Herkunft und Hautfarbe von offizieller Seite segregiert wurden. Diese Rassentrennung wird allerdings nicht von rassistischen Weißen gefordert, sondern einer oft radikalen Minderheit der damaligen und heute vermeintlichen Opfern, den Schwarzen. Unterstützer dieser „progressiven“ Idee argumentieren damit, dass segregierte Leben schade nicht beim Lernen und nicht nur das, es mache es sogar stressfreier für Minderheiten, da vermeintliche störende „Unterdrücker“ verbannt werden. Dieser klare Widerspruch zu der sonst geforderten Diversity in allen anderen Lebensbereichen wird ignoriert. Des Weiteren behaupten solche „Aktivisten“, dass die Kritik an„Thematisiertes Wohnen“ als Rückschritt zu Segregation bloße Angstmacherei sei mit dem Ziel, die Gesellschaft zu spalten.

Wild, wie die Jugend von heute sagt. Aber die Verdrehung der Realität und Kontrolle von Wörtern ist ein allbekanntes Mittel der politischen Linken und vor allem der neuen woken Ideologie. Denn erst durch das Aufheben von der gesetzlichen Segregation hat man den ersten Schritt gemacht, die Spaltung der Gesellschaft zu lösen.

Nach einem erfolgreichen Studium darf man sich auf die feierliche Überreichung des Abschlusses freuen. Insbesondere in den USA wird das traditionell groß gefeiert. Doch auch dieses feierliche Ereignis wird zunehmend segregiert. So fand dieses Jahr bereits die 26. segregierte Abschlusszeremonie statt. Auch hier wird damit argumentiert, dass die Präsenz Weißer den Schwarzen „emotional“ schaden würde – und man daher lieber wieder nach Hautfarbe segregiert. 

Grundsätzlich versuchen paradoxerweise gerade woke Aktivisten mit all dem Schwarze aus der amerikanischen Identität herauszubrechen um eine zweite, afrikanische Identität zu schaffen, die mit der amerikanischen konkurrieren soll. Sie unterstützen die Idee, dass die USA eine weiße Nation sind und Menschen anderer als nordeuropäischer Herkunft keine Amerikaner sein können – etwas was die wohl auch selbst die schlimmsten Klu-Klux-Klan-Anhänger untschreiben könnten. Mit dieser Identitätspolitik zerstört man den amerikanischen Leitsatz „e pluribus unum“ (aus vielen eines). 

Eigene Wohnheime und Abschlussfeiern unterstreichen das woke Weltbild, dass Schwarze herausgehoben werden müssen, da sie sonst im Schatten von Weißen (und Asiaten) stünden. Dabei gibt es ein reales Problem, das vor allem Schwarze betrifft, die Rate der Studienabbrecher. Dabei spielen auch die „Affirmative Action“-Programme eine Rolle. Um die Verteilung der Studenten in den Universitäten an die Verteilung der Gesamtbevölkerung anzupassen, werden für „unterrepräsentierte Gruppen“ die Bewerbungskriterien gesenkt. Desaster ist da vorprogrammiert, Studenten brechen ab und sind demoralisiert. All das, obwohl sie an anderen Universitäten zu den Besten gehören könnten. „Affirmative Action“ schadet also auch vor allen den Gruppen, den es helfen soll. 

Statt korrekter Problemdiagnose wird ein struktureller Rassismus für alles herangezogen. Aus dieser falschen Diagnose lassen sich Problem jedoch nicht behandeln. Im besten Fall passiert nichts, im Schlimmsten werden existierende Probleme verschärft. Eine erneute Segregation und herkunftsbasierte Absenkung von Einstiegskriterien sind keineswegs hilfreich, sondern extrem schädlich und stehen im völligen Widerspruch zum Einsatz für Gleichheit vor dem Gesetz.




Die Winnetou-Debatte: Zwischen Hitler und „weißer Identitätspolitik“

Von Marius Marx | Mittlerweile sind wir in Deutschland in Sachen woker Cancel-Culture ja schon an allerlei Absurditäten und irrwitzige Verbotsbegründungen gewöhnt, sodass man beinahe meint, von keiner absurden Hexenjagd mehr geschockt werden zu können. Doch die  Debatte um mehrere Publikationen rund um den Film „Der junge Häuptling Winnetou“ hat die vorher schon schwindelerregend hohe Lächerlichkeits-Messlatte zweifellos noch um einige Zentimeter angehoben.

Entzündet hatte sich die Debatte kürzlich an der Entscheidung des Ravensburger-Verlag, den Verkauf von Winnetou-Kinderbüchern einzustellen bzw. diese zurückzurufen. Dabei handelt es sich wohlgemerkt um völlig freie Neuinterpretationen der von Karl May Ende des 1900 Jahrhunderts geschaffenen Romanwelt. Doch allein der bloße Bezug zu May reichte aus, um postkoloniale, woke aktivistische Mobs auf den digitalen Plattformen gegen die Bücher und den Verlag zu mobilisieren. Ravensburger knickte schließlich ein und begründet seinen ungewöhnlichen Schritt nun mit „vielen negativen Rückmeldungen“ und erheblicher Kritik und Rassismusvorwürfen in den sozialen Medien. Dort hätten Kommentare gezeigt, dass „wir mit dem Winnetou-Titeln die Gefühle anderer verletzt haben“. Zudem verbreite das Buch unzulässige und „verharmlosende Klischees“ und zeichne ein „romantisierendes Bild“ von „der geschichtlichen Wirklichkeit der indigenen Bevölkerung“, das weit davon entfernt sei, „wie es der indigenen Bevölkerung tatsächlich erging“.

Diese Argumentation erscheint umso abstruser, hält man sich vor Augen, dass dem Werk sogar extra ein Disclaimer für hypersensible Zeitgenossen vorangestellt würde, der klarstellt, dass das Buch nicht als historisch korrekte Darstellung des Lebens indigener Völker, sondern viel mehr als fiktive Geschichte zu verstehen sei. Völlig zurecht erklärte deswegen der Kunstpädagogikprofessor und Karl May-Experte Andreas Brenne, dass es falsch sei „ein solches Buch nur aufgrund eines Shitstorms aus dem Verkehr zu ziehen“ und warnte vor dem Vorwurf der kulturellen Aneignung, der „schon das Verkleiden als Indianer (…) als rassistischen Akt“ brandmarke.
Auch die Karl-May-Gesellschaft e. V. und Karl-May-Stiftung haben entschieden Stellung gegen den Verkaufsstopp der Winnetou-Artikel – ebenfalls betroffen sind ein Winnetou-Puzzle sowie eine Erstleserbuch – bezogen. In einem gemeinsamen offenen Brief verteidigen sie die Werke Karl Mays und betonen, dass seine Besonderheit gerade darin bestehe, „dass in seiner Darstellung des ›Wilden Westens‹ von Anfang an die Sympathie des Erzählers der leidenden indigenen Bevölkerung“ gelte. Und weiter: „Ihre Würde und ihre menschlichen Qualitäten verkörpern sich in Idealfiguren wie Winnetou, dem Häuptling der Apachen, und die tragische Vernichtung ihrer materiellen und kulturellen Existenz grundiert alle May’schen Nordamerika-Erzählungen“. Außerdem könne nicht bezweifelt werden, dass er durch seine Werke „über mehrere Generationen hinweg als Erzieher zu Toleranz und Weltoffenheit gewirkt“ hat.

Zu dieser Einsicht konnten sich der woke politische Mainstream und die öffentlich-rechtlichen Medienanstalten gemäß ihres „progressiven“ Weltbildes freilich nicht durchringen. Ganz im Gegenteil: So teilte die „ARD“ auf Anfrage der „BILD“ mit, dass der Sender bereits vor zwei Jahren die Film-Lizenzen auslaufen lies und fortan keine Winnetou-Filme mehr zeigen werde. Nina Paysen in ihrer Funktion als „Sandmännchen“-Redakteurin beim RBB ging sogar noch weiter und kündigte an, keine Folgen mehr ausstrahlen zu wollen, in denen das „I-Wort“ benutzt werde.
Die deutschen Winnetou-Fans und Bücherliebhaber zeigen sich von alldem offensichtlich ziemlich unbeeindruckt: Ebenso wie im Rahmen der Layla-Debatte – als ich deswegen noch halbironisch weitere Verbote forderte – scheint gerade der Rückruf und die sich daran anknüpfende Debatte die allgemeine Beliebtheit der Werke noch zu steigern. So ist die Ausgabe der drei Winnetou-Bände – wohlgemerkt im Anaconda-Verlag – Amazon Bestseller und dort nach wie vor das meistverkaufte Buch in der Kategorie „Wildwestromane“.
Dennoch bleibt letztlich die wenig erfreuliche Feststellung, dass fanatische, woke aktivistische Mobs auf Instagram und Twitter mittlerweile bereits in der Lage sind ganze Verlage und dessen Unternehmenspolitik nachhaltig zu beeinflussen. Und diese Entwicklung ist gefährlich. Denn wenn jetzt plötzlich die (geschichts-)wissenschaftliche Präzision und ein modernes Verständnis politischer Korrektheit zum obersten Gütekriterium jahrhundertealter Klassiker der europäischen Literatur erhoben wird, stellt sich nicht mehr die Frage, welche Bücher deswegen vom Markt genommen werden sollten, sondern welche überhaupt gelesen werden dürfen. Gott behüte uns vor dem Tag, an dem diese Leute in den Werken abendländischer Geistesgrößen wie Schiller, Goethe oder Lessing heute verpönte Wörter wie „Muselmann“, „Mohr“ „Neger“, „Zigeuner“, „Rasse“ oder „Volk“ ausfindig machen und daraus ihre bekannten Schlüsse ziehen.
Gespannt darf man dann auch darauf sein, wann Konzerte der deutschen Pop-Band „Pur“, die mit dem Song „Indianer“ einen ihrer größten Erfolge gefeiert hat, das erste Mal Gegenstand woker Boykottforderungen wird.

Aber zurück zu Winnetou und Karl May: Den Vogel in der aufgeheizten Debatte vollständig abgeschossen hat zweifellos ein „Experte“ der beim „Bayerischen Rundfunk“ zu Wort kommt: Der Hamburger Kolonialismus-Forscher Jürgen Zimmerer bringt dort das unwahrscheinliche Kunststück fertig, Karl May gewissermaßen zum gedanklichen Vorreiter der nationalsozialistischen Ideologie vom „Lebensraum im Osten“ zu erklären und eine direkte Verbindung von seinen Werken zur NS-Ostbesatzungspolitik herzustellen. Zimmerer hält die Winnetou-Reihe außerdem nicht nur für durch und durch rassistisch, sondern überdies auch für antisemitisch, frauenfeindlich und natürlich durch „weiße Identitätspolitik“ geprägt. Und als wäre das alles noch nicht genug, holt er dann die ganz dicke Keule raus und behauptet: „Es ist kein Zufall, dass Adolf Hitler und SS-Chef Himmler große Karl-May-Fans waren“.
Bei solch einer stichhaltigen Beweisführung bleibt mir mit Gedanken an alle Liebhaber der Bayreuther-Festspiele nur noch übrig, zu wünschen, dass bloß nicht publik wird, dass Hitler neben May- auch ein glühender Wagner-Fan war. Und für meine zahlreichen vegetarischen Freunde hoffe ich, dass die Tatsache, dass Hitler Vegetarier war, in Zukunft möglichst nicht allzu hohe Wellen schlagen wird. Wir wollen doch schließlich nicht, dass der Vegetarismus noch durch Hitler in ein schlechtes Licht gerückt wird oder gesellschaftlich in Ungnade fällt.


Am Unabhängigkeitstag feierte die Ukraine gleich zwei Jubiläen

Von Sarah Victoria | Am 24. August 1991 erklärte die Ukraine ihre Unabhängigkeit von der Sowjetunion. 31 Jahre später kämpft das Land erneut um seine Unabhängigkeit – diesmal jedoch nicht nur mit Worten. Was die letzten Jahrzehnte ein Grund zur Freude war, markiert dieses Jahr auch ein trauriges Jubiläum. Vor genau sechs Monaten begann die russische Militäroffensive. Seitdem scheint nichts mehr so zu sein, wie es einmal war.  Die russische Invasion wurde zu einem globalen Problem, das  international für Aufsehen sorgte. Der ukrainische Nationalfeiertag bewegt in diesem Jahr auf einmal eine ganze Weltgemeinschaft. Daher folgt nun ein kleiner Abriss von dem, was vor 31 Jahren einmal war und dem, was heute ist: 

Was einmal war

Vor 31 Jahren nutzte die Ukraine ihre Chance, sich von der zerfallenden Sowjetunion abzusetzen. Verantwortlich war dafür insbesondere der Politiker Leonid Krawtschuk, der im selben Jahr auch noch zum ersten Präsidenten der Unabhängigen Ukraine gewählt wurde. Er war es, der am 24. August die Unabhängigkeit der Ukraine von der Sowjetunion verkündete. Im Mai 2022 starb  Krawtschuk im Alter von 88 Jahren in München.  Zusammen mit seinem russischen und belarussischen Amtskollegen (der übrigens zwei Wochen vor Krawtschuk verstarb) schrieb das Trio im Dezember 1991 Weltgeschichte und beschloss offiziell die Einführung der Unabhängigen Staatengemeinschaft. Über 90 Prozent der Bevölkerung stimmten beim anschließenden Referendum der Unabhängigkeitserklärung zu.

In den ehemaligen Sowjetstaaten folgte daraufhin eine Zeit des Wandels, die gerade politisch sehr herausfordernd war. Armut und Korruption breiteten sich im Land aus. Mit seiner diplomatischen Außenpolitik machte sich Krawtschuk gerade im Osten der Ukraine keine Freunde, immerhin war er derjenige Präsident, der auf sowjetische Atomwaffenarsenale verzichtete und sich dem Westen annäherte. Die daraus entstandenen Ressentiments mündeten 1994 schlussendlich in der Abwahl Krawtschuks. Nachfolger wurde Leonid Kutschma, der vor allem von der ostukrainischen Bevölkerung unterstützt wurde. Dass Krawtschuk seinen Posten auch wirklich verließ war eine Besonderheit. Machtwechsel wurden seitdem, anders als in den Nachbarländern Russland und Belarus, zur ukrainischen Tradition. Nach seiner Abwahl wurde es die nächsten Jahre ruhig um den Präsidenten. 

Was heute ist 

Erneut politisch relevant wurde seine Person unter dem aktuellen Amtsträger Wolodymyr Selenskyj. Im Juli 2020, als die ukrainische Regierung sich noch eine mögliche diplomatische Lösung mit Russland erhoffte, wurde Krawtschuk zum Leiter der ukrainischen Delegation ernannt. Vor seinem Tod soll er noch gesagt haben, dass der Hauptfehler seiner Präsidentschaft das Vertrauen zu Russland war. „Mein größter Fehler ist, dass ich Russland geglaubt habe. Ich hatte kein Recht dazu. Als ich in Moskau studierte, war ich schon über 30. Ich hatte Zugang zur Lenin-Bibliothek, zu einem Archiv. Und ich wusste viel über Russland, über Lenin, über alles, was sonst niemand wusste. Ich dachte, dass sie [Anm.: Russland] sich auch endlich veränderte… sie blieb jedoch gleich.“

Der erste Präsident der unabhängigen Ukraine starb während des dritten Kriegsmonats. Natürlich weiß niemand, ob ein anderer Umgang mit der russischen Regierung tatsächlich für Frieden gesorgt hätte. Aber am diesjährigen Unabhängigkeitstag hallen die Worte Krawtschuks nochmal besonders nach. 

Internationale Glückwünsche, die verwirren 

Der Unabhängigkeitstag der Ukraine sorgt natürlich auch international für Schlagzeilen – und das nicht nur im Westen, wie man zuerst vermuten würde. Auch die Regierung Belarus gratulierte ihrem Nachbarn und hätte ihre Glückwünsche dabei nicht zynischer formulieren können. Gerade der nachbarliche Wunsch nach einem „friedlichen Himmel“ erscheint vor den jüngsten Raketenangriffen wie orwellscher Neusprech. In der Grußbotschaft des Präsidenten Aleksandr Lukashenko, die auf der Seite des Präsidialbüros nachzulesen ist, heißt es: 

„Ich bin überzeugt, dass die aktuellen Widersprüche nicht in der Lage sein werden, die jahrhundertealten, aufrichtigen und gutnachbarschaftlichen Beziehungen zwischen den Völkern beider Länder zu zerstören. Belarus wird sich weiterhin für die Erhaltung der Eintracht, für die Entwicklung freundschaftlicher und gegenseitig respektvoller Kontakte auf allen Ebenen einsetzen. Das belarussische Staatsoberhaupt wünscht den Ukrainern einen friedlichen Himmel, Toleranz, Mut, Kraft und Erfolg bei der Wiederherstellung eines menschenwürdigen Lebens.“ 

Der russische Präsident sendete seine Glückwünsche dieses Jahr in Form von Raketen, die nach ukrainischen Berichten am 24. und 25. August an Bahnhöfen eingeschlagen sein sollen und dabei mindestens 22 Menschen töteten. In besetzten Gebieten versprach Putin zudem, Eltern von Kindern zwischen 6 und 18 Jahren eine einmalige Zahlung von 10.000 Rubeln (das sind umgerechnet etwa 165  Euro) zukommen zu lassen. Ansonsten hielt sich die russische Seite bedeckt, die „Spezialoperation“ scheint auch weiterhin nach Plan zu verlaufen – zumindest wenn man General Shoigu zuhört. 

Glückwünsche aus dem Westen

Ganz anders sahen die Gratulationen aus dem Westen aus. Regierungsvertreter ließen es sich nicht nehmen, der Ukraine Videobotschaften, Photos oder noch mehr Versprechen zukommen zu lassen. Die amerikanische Regierung versprach der Ukraine ein weiteres Rüstungspaket im Wert von 3 Milliarden Dollar, der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz besuchte die 30 versprochenen  Gepard-Panzer – die sich noch in Deutschland befinden –  und Ursula von der Leyen ließ sich am Unabhängigkeitstag in Brüssel mit einer 30 Meter langen Ukraineflagge ablichten – natürlich im dazu passenden Hosenanzug.

https://twitter.com/Bundeskanzler/status/1562773025791279106?s=20&t=QRyG8tKBRKCbMtdS4pa9TA  

Selbst die englische Königin sicherte der Ukraine ihre Unterstützung zu. Für den meisten Wirbel sorgte jedoch Boris Johnson. Der scheidende britische Premierminister ließ es sich nicht nehmen, am Unabhängigkeitstag persönlich nach Kiew zu reisen, um dort auf offener Straße – und vor reichlich Kameras – mit Selenskij spazieren zu gehen. Im Anschluss hielt er noch eine Rede.

https://twitter.com/10DowningStreet/status/1562838621866049536?s=20&t=cChExwgHY9vxs1Wbw9vB1g  

Der Unahbängigkeitstag 2022 

Seit der Annexion der Krim war es ein Anliegen der ukrainischen Regierung, den Unabhängigkeitstag möglichst groß zu feiern, was dieses Jahr nicht möglich war. Großveranstaltungen und Konzerte wurden abgesagt und die Bevölkerung dazu aufgerufen, die Sirenen an diesem Tag besonders ernst zu nehmen. Nichtsdestrotrotz wurden die Ukrainer kreativ. Oleksej Soronkin, ein ukrainischer Journalist des “Kjev Independent” , teilt auf Twitter folgendes Video: 

In Kiew gibt es 2022  keine Militärparade. Stattdessen wird dieses Jahr in erbeutete Panzer gestiegen. Es ist eine neue Normalität: Kinder posieren mit blau-gelben Flaggen vor zerstörten Militärfahrzeugen, die Spielplätze sind leerer als sonst – am ersten September geht die Schule wieder los. Im Hintergrund erklingen regelmäßig Sirenen. Die Stadtbewohner versuchen, den Lärm mit Musik zu übertönen. Und auch, wenn bestimmt nicht jeder denselben Humor teilt, scheint das ukrainische Durchhaltevermögen doch beeindruckend.


Jura vs. Psychologie – das große Apollo-Battle

Lesen Sie hier: Das große Debattenduell. Psycho-Tante Pauline gegen Paragraphenreiter Simon. Für wen fiebert ihr mit: Team Freud oder Team Justizia? 

ACHTUNG: Dieser Beitrag könnte Spuren von Humor enthalten. Weder schnöselige Polo-Juristen noch verrückte Freudianer wurden bei der Produktion dieser Kolumne ernsthaft verletzt. Dieser Austausch spiegelt in keiner Weise das Arbeitsklima bei Apollo News wieder, sondern dient schlichtweg Unterhaltungs- und Ausbildungszwecken. Seelsorgerische Unterstützung stand den Autoren zu jeder Zeit zur Verfügung.


Lieber Gutmenschen, als Rowdys in Cordhosen

Von Pauline Schwarz | Wenn man endlich sein Abiturzeugnis in der Hand hält und nicht zur Sorte Genderstudies, Politikwissenschaft oder Ausdruckstanz gehört, stellt sich jedem Hochschulanwärter die eine große Frage: Was kann ich studieren, um – Achtung, Raubtierkapitalismus – irgendwann mal ordentlich Knete zu verdienen. Mein erster Gedanke war damals: Studiere ich doch einfach Jura. Dann kann ich so eine fiese, gewiefte Anwältin werden, wie die aus dem Fernsehen. Aber von dem Gedanken bin ich nach dem Gespräch mit einer echten Anwältin dann zum Glück doch wieder abgekommen – Hollywood hat mit dem echten Anwaltsberuf nämlich nicht so viel zu tun. Simon hat das leider nicht rechtzeitig gerafft. Der hat so viel Suits geguckt, dass er sich selbst schon mit Anzug und einer sexy Sekretärin auf dem Beifahrersitz seines Ferraris durch den Ruhrpott rasen sah. Jetzt hat er den Salat. Er ist zwischen Segelschuhen, endlosen Paragraphenlisten und geschwärzten Bibliotheksbüchern gefangen.

In Cordhose und Polo-Shirt an die Bücher-Front

Ich will ja gar nicht behaupten, dass die Psychologie-Studenten besonders sympathische Menschen sind – ich habe mich schon oft gefragt, ob der Kommilitone neben mir wirklich Psychologie studiert oder doch nur aus dem Behandlungszentrum gegenüber ausgebüchst ist. Aber immerhin sind sie nicht so verrückt zu denken, dass ein um die Schultern gebundener Pullover stylisch aussieht. Bei uns trägt vielleicht der ein oder andere Mann Nagellack, ich gebs ja zu, aber wenigstens sieht er nicht aus, als hätte er die Golfklamotten seines Opas geklaut. Simon habe ich zwar noch nicht mit Cordhose oder Krokodilhemdchen erwischt, aber ich glaube der tarnt sich bei unseren Apollo treffen. Abends, wenn keiner hinsieht, schlüpft der bestimmt heimlich in seinen Polo-Schlaf-Anzug und atmet dann erstmal kräftig durch.

Abgesehen vom Spießer-Style, macht die Juristen aber vor allem eines unangenehm: Das Hauen und Stechen um die besten Noten. Wenn man bei den Psychologen irgendein Problem hat, muss man nur einmal in den Uni-Chat schreiben und schon melden sich zehn Leute, die bereit sind ihr Leben zu opfern, nur um dir zu helfen. Rein menschlich ist das zwar ein bisschen komisch, aber es ist verdammt praktisch. Ohne die tausend Unterlagen, Scripte, Bücher und Tipps, die ich schon von meinen Kommilitonen bekommen habe, hätte ich an der ein oder anderen Stelle in meinem Studium echt alt ausgesehen. Bei den Juristen ist das anders – denn die lassen sich gegenseitig absichtlich alt aussehen.

 

Fraktion Ellenbogen – Und wir sind die verrückten?

Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie oft Simon schon keuchend und mit ausgefahrenen Ellenbogen in die Bibliothek gestürmt ist, um als erster an den begehrten Lehrbüchern oder Gesetzestexten zu sein, nur um dann vor einem Buch zu stehen, bei dem die wichtigen Seiten fehlen – sofern er es überhaupt findet, es also grade kein anderer versteckt hat. Die Juristen lassen nämlich nicht nur Bücher verschwinden, sie rupfen ganze Seiten heraus oder schwärzen wichtige Stellen, nur um zu verhindern, dass die anderen gute Noten bekommen. Wenn man den Prototyp des „Kollegenschweins“ suchen würde, würde man hier einen ganzen Vorlesungssaal voll finden. Da sind mir die alten Psycho-Gutmenschen, die mir ihr Buch schenken und extra noch wichtige Stellen markieren, doch ein bisschen lieber.

Den Jura-Studenten fällt immer eine neue Gemeinheit ein – und da ist der Simon keine Ausnahme. Ich meine der verbreitet bei Apollo einfach gnadenlos das Gerücht, ich würde auf Chia-Samen stehen. Der klaut bestimmt auch Erstsemestern ihre Bücher, einfach nur, um die Kleinen weinen zu sehen und sich dabei schadenfroh ins Fäustchen zu lachen. Aber hey, vielleicht brauch man auch einfach genau dieses grausame Gen, um ein richtig guter Anwalt zu werden. Dieses Gefühl habe ich zumindest manchmal, wenn ich mir die aktuelle Gesetzgebung anschaue – wie heißt das noch? Justizia ist blind? Das würde ich aktuell unterschreiben. 

Lieber Simon, wenn du das nächste mal vor den irren Psychologen warnen willst, denk daran: Deine Sippschaft hat nicht nur einen schlechten Klamottengeschmack und einen Hang zu kriminellem Bibliotheks-Verhalten. Einige deiner Kollegen behalten zwar die Ellenbogen, vergessen nach dem Studium aber sämtliche Rechtsgrundsätze. Also: Wer ist jetzt der Verrückte hier?


Lieber Paragraphenreiten, als Psycho-Spiele 

Von Simon Ben Schumann | In Deutschland werden immer mehr Psychologen gebraucht – und das besonders jetzt nach der Corona-Pandemie. Für Pauline ist das der Jackpot, denn sie profitiert vom psychischen Leid der Menschen. Jeder Depressive oder Verrückte, bedeutet für sie ein lukratives Geschäft – mit einer eigenen Praxis in Berlin-Kreuzberg, könnte sie dementsprechend Millionen machen. Und dabei wünsche ich ihr in Zukunft natürlich alles Gute, will sie aber auch warnen. Wenn ich mir die Psychologen von früher und heute mal genauer anschaue, frage ich mich oft wer hier eigentlich der Patient ist. Nicht das Pauline noch die Stühle wechselt. 


Stanford-Prison-Experiment & Co.: „Homo sapiens“ als Versuchstier

Als staubtrockener Jurastudent muss ich mich in Zurückhaltung üben. Ehrlich: Ich hab Angst vor der Psycho-Expertin Pauline. Da ich mich ein bisschen mit Verhaltensanalyse beschäftigt habe weiß ich, dass man schon aus Kleinigkeiten viel schließen kann. Was kann eine studierte Mentalistin dann erst herausfinden? Pauline kommt bei den Apollo-Treffen wahrscheinlich in den Raum und verteilt erstmal überall Diagnosen – da muss man verdammt aufpassen was man sagt und wie man sich benimmt, sonst hat man gleich ein „Mutter-Problem“, ist ein „Narzist“ oder sollte aus irgendwelchen anderen Gründen auf die Couch. Eine Psychologin sollte man nicht verärgern, sonst hast du einmal an der falschen Stelle gelacht – und schon heißt es: „Leute, Simon ist ein Psychopath!!“ 

Außerdem hatte ich Psychologie mehrere Jahre in der Schule und was mir im Kopf blieb: Als Freud-Verehrer schreckt man nicht vor brutalen Experimenten zurück. Solange der Versuchsaufbau stimmt, ist alles erlaubt. So wurden im Stanford-Prison-Experiment von der Straße aufgegabelte Probanden in „Wärter“ und „Gefangene“ eingeteilt und ins „Gefängnis“ gesteckt. Während des Unterrichts dachte ich: Wird schon schiefgegangen sein. Leider war das Gegenteil der Fall. Irgendwie hat man es geschafft, das Experiment so aufzubauen, dass sich alle gegenseitig fertigmachten. Kein Wunder: Die „Wärter“ blieben durch Sonnenbrillen und Einheitskleidung anonym. „Gefangene“ hatten nur Krankenhaus-Oberteile an, die Zellen waren viel zu kein. Drakonische Maßregelungen durch die Wärter, Aufstände der Gefangenen und so weiter waren an der Tagesordnung.

Auch das Milgram-Experiment – in dem Menschen viel zu hohe Stromschläge verpasst wurden – ist erschreckend. Ob Pauline regelmäßig mit einem Taser durch die S-Bahn geht, um Fahrgäste auf Schockempfindlichkeit zu testen? Ich hoffe nicht. Aber wenn wir schon im Unterricht mit solchen „Versuchen“ konfrontiert wurden, wie ist das erst im Studium? Als Jurist muss man auswendig lernen, aber keinem eine Pille unters Essen mischen und gucken, was passiert. 

Lieber Staatsexamen als Versuchsperson

Ein guter Bekannter von mir studiert auch Psychologie und er muss regelmäßig in mehrtägige „Blockseminare“ zu irgendwelchen verrückten Themen. Ein Blockseminar über „Strafrecht – Besonderer Teil: Vermögensdelikte“? Gibt’s Gott sei Dank nicht. Ich bräuchte danach ein Anti-Aggressions-Training. Außerdem müssen wir uns weder als Versuchspersonen zur Verfügung stellen, noch Bachelor- und Masterarbeit schreiben, auch wenn die Examina „hard work“ sind. Als Juristen können wir aber wenigstens dafür sorgen, dass bei einem „Autounfall-Experiment“ für Paulines Promotion niemand verklagt werden kann. Und als Notar braucht man bei einer Testamentsverfügung höchstens etwas Trost, während man als praktizierende Psychologin bekanntlich selbst eine Therapie anfangen muss. Obwohl auch ein Soja Latte ein wirksames Gegenmittel gegen Trauma-Storys aus dem Görli oder das schlechte Gewissen vom letzten Experiment sein dürfte.


Linksruck in Südamerika – Gefahr für die Demokratie?

Von Leon Hendryk | In weniger als zwei Monaten wird in Brasilien gewählt. Der konservative Amtsinhaber Jair Bolsonaro tritt zwar wieder an, klarer Favorit ist aber der linke Luiz da Silva, der als „Lula“ bekannt ist. Lula war von 2003 bis 2011 schon einmal Präsident Brasiliens, wurde zuletzt aber aufgrund zahlreicher Korruptionsskandale zu mehreren langjährigen Gefängnisstrafen verurteilt. Diese Urteile wurden 2019 vom obersten Gerichtshof Brasiliens aufgehoben, allerdings ohne ihn explizit von den Vorwürfen freizusprechen. Nun ist er, immer noch populär aufgrund sozialer Geschenke während seiner ersten Regierungszeit, auf dem besten Weg die Wahl zu gewinnen und Brasilien auf der politischen Landkarte wieder rot zu färben. 

Doch nicht nur in Brasilien ändern sich momentan die politischen Verhältnisse. Auch in Kolumbien wurde dieses Jahr ein linker Präsident gewählt. Zwar gewann dieser die Wahl mit einer äußerst geringen Mehrheit (50,24%), hat es aber dafür in sich: Gustavo Petro war früher Mitglied einer linksterroristischen Guerilla und nimmt es mit demokratischen Umgangsformen noch immer nicht so genau. Und auch Chile hat seit letztem Jahr einen linken Präsidenten, Gabriel Boric. Dieser schiebt momentan ein Verfassungsreferendum an, welches der Exekutive und insbesondere ihm selbst weitreichende Befugnisse verschaffen würde.

Zwei der Nachbarländer Chiles, Peru und Bolivien, haben in den letzten Jahren ebenfalls linksgerichtete Präsidenten bekommen. Beide sind Marxisten und beide haben, vorsichtig ausgedrückt, ein eher autoritäres Verständnis von Demokratie und Gewaltenteilung. Dazu kommt die Mitte-Links Regierung in Argentinien, einem Land welches sich seit 3 Jahrzehnten in einer Wirtschaftskrise befindet. In der sozialistischen Diktatur Venezuelas unter Präsident Maduro hat man die Wirtschaftskrise mittlerweile hinter sich gelassen, allerdings nur weil es mit der Wirtschaft schlichtweg nicht mehr weiter abwärts gehen kann. Stattdessen befindet sich das einst wohlhabendste Land Südamerikas nun in einer Hungerkrise und hat zudem die zweifelhafte Ehre, das Land mit der weltweiten höchsten Mordrate zu sein.  

Droht dieses Schicksal nun auch anderen Staaten in Südamerika? Schließlich äußerten sich viele der oben präsentierten neugewählten Präsidenten positiv zu sozialistischen Diktaturen wie in Venezuela oder auch Kuba, was allen intelligenten Menschen eigentlich Anlass zur großen Sorge geben sollte. 

Dazu kommt, dass in manchen Ländern Südamerikas die neu gewählten linken Präsidenten bereits linke Vorgänger hatten. Ihre Ideologie ist also schon in den Institutionen verankert. So beispielsweise in Bolivien, wo der heutige Präsident Luis Arce der Partei „Movimiento al Socialismo“ angehört, genau wie der frühere Präsident Evo Morales. Dieser hatte in den letzten Jahren den autoritären Umbau Boliviens stark vorangetrieben und die demokratischen Institutionen geschwächt. Es sieht so aus, als ob sein Nachfolger diesen Kurs nun weiter fortsetzt. Ob es in ein paar Jahren noch freie Wahlen in Bolivien geben wird, kann bezweifelt werden. 

Immerhin ist es nicht überall so dramatisch: Die weltweit schwierige ökonomische Lage wird es vielen der linken Präsidenten nicht ermöglichen, großzügig steuerfinanzierte Geschenke an die Armen zu verteilen und damit autoritäre Vorgehensweisen zu kaschieren. Zudem ist die öffentliche Zustimmung der neuen Präsidenten eher mäßig, die meisten wurden mit kaum mehr als 50% der Wählerstimmen ins Amt gehoben und ihre Parteien verfügen oft nicht über absolute Mehrheiten in den jeweiligen Parlamenten. Dies ist anders als bei vorherigen linken Regierungen, zum Beispiel in Venezuela, wo komfortable Mehrheiten den Abbau der Demokratie beschleunigten. Zu guter Letzt sind auch die Wähler etwas wachsamer als sie es in den vergangenen Jahrzehnten waren. Die Südamerikaner sind zwar immer noch anfällig für sozialistische Heilsversprecher, doch das Scheitern von Ländern wie Venezuela hat auch dort zu einer gewissen Skepsis gegenüber allzu machthungrigen Regierungen geführt. 

Trotz dieser Voraussetzungen besteht die Gefahr, dass zumindest einige der Länder Südamerikas sich zu autokratischen Staaten entwickeln. Auch liberale Publikationen wie „Americas Quarterly“, die mit konservativen Politikern wie Bolsonaro oft hart ins Gericht gehen, teilen diese Befürchtungen eines „democratic backsliding“ durch die neue Dominanz linker Machthaber. Für den freien Westen wäre ein solches Szenario höchst unangenehm. Denn mit China lauert schon eine Weltmacht, die großes Interesse daran hat mithilfe autokratischer Herrscher dort Fuß zu fassen und die politische Landschaft im oft als „Hinterhof der USA“ bezeichneten Südamerika zu gestalten. Auch der Rohstoffreichtum südamerikanischer Länder, insbesondere an Lithium und anderen wertvollen Mineralien, wird dabei eine Rolle spielen. Es lohnt sich also die weitere politische Entwicklung Südamerikas, und insbesondere den Ausgang der Wahlen in Brasilien, genau zu beobachten. Was dort passiert wird über lang oder kurz auch für Europa große Relevanz haben.