Archiv: August 4, 2022

Real oder schon Satire? – Katholischer Seelsorger schmuggelt Marihuana-Kebabs in den Knast

Von Simon Ben Schumann | Der Döner ist ein deutsches Nationalgericht – wir alle lieben ihn, ob mit Kräuter-Knoblauch oder scharfer Sauce, ob in der Mittagspause oder nachts um drei. Als die Preise unseres Lieblings-Fastfoods im April dank der Inflation von rund 3,50 auf 6,00 Euro anstiegen, wurde in Berlin deshalb beinah die Revolution ausgerufen. Hohe Mieten, horrende Gas- und Stromkosten? Alles egal, aber wehe es geht uns an den Döner! „Kebab für alle“ – dass dachte sich in meiner Heimat NRW wohl zuletzt auch ein katholischer Seelsorger in der JVA Heinsberg. Nur vertat er sich etwas bei seiner Bestellung.  

Der Sozialarbeiter von St. Haschisch

Als der katholischer Seelsorger am 19. Juli zu Besuch in die JVA kam, hatte er sage und schreibe 13 Döner Kebabs dabei. Er wollte sie als „Snack“ zu einer Gruppenveranstaltung mitbringen – frei nach dem Motto „Schaffet Recht dem Armen und der Waise und helft dem Elenden und Bedürftigen zum Recht“, zum Recht auf einen leckeren Döner-Kebab. Dummerweise hatte er sich der fromme Mann mit der Bestellung am Dönerstand vertan. Auf die Frage: „Einmal mit Alles?“ erwiderte er gedankenverloren: „Ne, nur mit Hanf.“ So musste die Eingangskontrolle der Jugendstrafanstalt schon in der ersten Dönertasche eine Vielzahl kleiner, gut gefüllter Tütchen entdecken. Ihr grünlicher Inhalt weckte Misstrauen. Die Polizei wurde eingeschaltet.

Es stellte sich heraus, dass gleich mehrere der 13 Döner falsch belegt waren. Und zwar nicht nur mit ganzen 153 Gramm Marihuana, sondern auch mit Handys und Ladegeräten. Ein schreckliches Bestell-Unglück – oder doch ein frommer Bekehrungsversuch? Immerhin ist die JVA Heinsberg, die in der Nähe von Köln liegt, bekannt für ihre moderne Ausstattung und den therapeutischen Ansatz. Jetzt denkt man vielleicht an Gesprächskreise, Ausbildungsprogramme und Persönlichkeitsentwicklung. Doch vielleicht ist der Ansatz des Seelsorgers noch viel innovativer: Eine entspannte Aromatherapie, mit dutzenden gut gebauten Joints.

Das wäre aufjedenfall eine teuere Interventionsmaßnahme: 153 Gramm Gras kosten beim lokalen Dealer ungefähr 1.800 €. Selbst in einer größeren Gruppe ist diese Menge nicht konsumierbar. Deshalb mein Verdacht: Der heilige Sozialarbeiter kam, um zu tun, wie die Schrift ihm geheißen hatte. Prediger 7, 16: „Sei nicht allzu gerecht und nicht allzu weise, dass du dich nicht verderbest!“

 

Das angeschlagene Kirchen-Image

Vielleicht war der – mittlerweile freigestellte – Pastoralreferent aus Aachen auch auf Geldbeschaffung für die Kirche aus. Immerhin gehts der momentan nicht besonders gut – neben Missbrauchsskandalen und Vulven-Malworkshops macht sie vor allem durch ihre sinkenden Mitgliederzahlen auf sich aufmerksam. Sollte neben dem Thema Kindesmissbrauch jetzt auch noch Drogenhandel und -schmuggel zum Repertoire mancher „Geistlicher“ dazukommen, ist das Zerrbild perfekt – dem Image der Kirche, wird das aber wahrscheinlich nicht so gut tun. 


Distanzeritis ist heilbar, Herr Merz!

Von Luca Tannek | Krankheiten plagen unsere Gesellschaft. Egal ob Krebs, Adipositas oder die saisonale Grippe, jährlich sind viele Menschen von diesen Leiden betroffen -die einen mehr, die einen weniger. Auf politischer Ebene grassiert seit geraumer Zeit ebenso eine Krankheit: Distanzeritis. Dieser Erreger löst bei Betroffenen das Bedürfnis aus, sich von Personen mit Meinungen außerhalb des links-grünen Mainstreams zu distanzieren. Schließlich könnte man Opfer eines Shitstorms werden und Linke wie auch Grüne würden jemanden der Kontaktschuld bezichtigen. Dieses Virus ist höchst ansteckend und vulnerable Gruppen befinden sich zunehmend in bürgerlichen Parteien wie der CDU. 

Bedauerlicherweise ist eine sehr bekannte Personalie der Christdemokraten diesem Erreger (erneut) zum Opfer gefallen. Der Parteichef Friedrich Merz wurde nämlich zu einem Forum des liberal- konservativen und CDU-nahen Meinungsblog „The Republic“ eingeladen und sagte seine Teilhabe aufgrund von vermeintlich AfD-nahen Gästen ab. Der republikanische US-Senator Lindsey Graham stand ebenso auf der Gästeliste. Die Veranstaltung war für Ende August geplant, ist aber nun gänzlich abgesagt worden.

Die erste Infektion

Es ist nicht das erste Mal, dass sich die „konservative Hoffnung“ vieler Unionsmitglieder mit Distanzeritis infiziert hat. Man erinnere sich an das Jahr 2018. Damals sollte der Ludwig-Erhard- Preis für Wirtschaftspublizistik an Friedrich Merz gehen, der aber lehnte die Preisverleihung ab, er tue sich angeblich schwer damit, Preise anzunehmen. Interessant, dass der CDU-Politiker erst absagte, nachdem ihm bekannt wurde, dass der Journalist und Publizist Roland Tichy, damals Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung, die Laudatio halten würde. Laut Handelsblatt bestätigen interne Emails der Ludwig-Erhard-Jury, dass der CDU-Mann gegenüber Roland Tichy schlichtweg abgeneigt ist. Schließlich sei  dessen Meinungsmagazin „Tichys Einblick“  „umstritten“ und „rechtspopulistisch“. Gute Besserung, Herr Merz.

Die zweite Infektion

Vier Jahre später hat sich Friedrich Merz erneut mit Distanzeritis angesteckt. Er lehnt die Einladung von The Republic aus ähnlichen Motiven ab, wie schon zuvor beim Ludwig Erhard-Preis. Vor allem übten linke und grüne Jakobiner wie Martina Renner oder Konstantin von Notz scharfe Kritik an dem Treffen. Denn bei dem Forum von The Republic sollten wohl Gäste erscheinen, die -ebenso wie Roland Tichy- für die Mainstream-Presse als „umstritten“ gelten. Einerseits ist Lindsey Graham ein Sympathisant des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump. Andererseits sind Henrik Broder (Mitherausgeber der „Achse des Guten“) und Joachim Steinhöfel (Rechtsanwalt) nämlich alles andere als konform, wenn es um politische und gesellschaftliche Mehrheitsmeinungen geht. Angeblich stehen die beiden Herren nämlich der AfD nahe, obwohl es dafür keinerlei Belege gibt. Steinhöfel hatte die AfD lediglich bei einem internen Rechtsstreit vertreten, sein Mandat für diesen Fall jedoch bereits niedergelegt. Ebenso stellt sich die Frage, was daran so schlimm wäre, wenn die AfD-Nähe der beiden Gäste stimmen würde. Wer bestimmt, was politisch korrekt ist, oder mit wem man sich treffen darf? Eigentlich niemand. Debatten leben schließlich von Meinungsverschiedenheit und Streit -zwei elementaren westlichen Werten. Wenn man sich bewusst wird, dass sich Friedrich Merz paar Tage zuvor in einem Interview gegen eine Zensurkultur, also „Cancel Culture“ aussprach. Kurz darauf zensiert er sich selbst, cancelt Broder und Steinhöfel. An Lächerlichkeit kaum zu überbieten: Merz ist ein Heuchler wie er im Buche steht. Es dauerte nicht lange, da kam bereits die erste Beschwerde Seitens US-Senator Graham bezüglich der Absage. „Konservative würden sich nicht canceln, bevor sie miteinander sprechen“, wetterte der US-Senator. Tja, Merz‘ zweite Distanzeritis-Infektion hat es in sich. Ein schwerer Verlauf.

Da ein hohes Risiko einer erneuten Ansteckung besteht, braucht der CDU-Chef sehr dringend ein Medikament. Mein Rat: Rückgrat und Offenheit. Distanzeritis ist heilbar, Herr Merz.


Angst treibt an – wie Politik und Medien kommende Gas-Proteste vorsorglich verleumden

Von Gesche Javelin |  Der Regierung steht die Angst ins Gesicht geschrieben. Im Gespräch mit internationalen Kollegen warnte Bundesaußenministerin Baerbock bereits vor „Volksaufständen“ wegen Gas-Mangels in Deutschland. Das Risiko von diversen Versorgungsengpässen im Winter ist real und akut- das weiß auch die Bundesregierung. Die Proteste werden daher schonmal vorsorglich in anrüchige Ecken gerückt.

Die Bundesinnenministerin Nancy Faeser warnt, „dass diejenigen, die schon in der Coronazeit ihre Verachtung gegen die Demokratie herausgebrüllt haben und dabei oftmals Seite an Seite mit Rechtsextremisten unterwegs waren, die stark steigenden Preise als neues Mobilisierungsthema zu missbrauchen versuchen.“ Aber zum Glück sind sie wohl gut auf eine neues Protestgeschehen vorbereitet. Die Sicherheitsbehörden hätten die extremistischen Szenen sehr genau im Blick, betont Faeser im „Handelsblatt“. Außenministerin Annalena Baerbock zittert vor Sorge, dass Deutschland ohne Gas „keine Unterstützung für die Ukraine mehr leisten [kann], weil wir dann mit Volksaufständen beschäftigt sind“.


Auch die Gewerkschaft der Polizei wolle zwar „kein Schreckensszenario herbeireden“, bangt jedoch, dass „sich bereits einzelne Gruppierungen, etwa aus der Querdenkerszene, in den sozialen Medien stark gegen die Bundesregierung positionieren und zum Widerstand aufgerufen haben“. Die „Tagesschau“ vermutet derweil, ganz im Stile der Innenministerin, dass die „Extremisten nach Corona ein neues Thema gefunden“ haben.
Wie so gern bei politisch nicht gewollten Protesten, werden sie wieder in die rechte Ecke gedrängt und die Verschwörungstheoretiker-Keule herausgeholt. Die Szenarien der Politiker lassen immer wieder vor allem eines durchschimmern: Ihre Angst vor einem Volk, dass vielleicht doch nicht alles stumm mitmacht.

In zwei Jahren Corona-Restriktionen konnte man Protest, Kritik und Widerstand erfolgreich als „rechtsextrem“ Framen und schlussendlich auch weit in diese Ecke treiben. Die breite Mehrheit der deutschen behielt ihren Unmut für sich oder ließ ihn sich, politisch-medial befördert, auf „die Ungeimpften“ umlenken, die schuld an allem wären. Das Problem: Beim Gas funktioniert das nicht. Putin als der alleinige Schuldige? Das hält dem Blick ins europäische Ausland, welches dann ja ähnlich leiden müsste wie Deutschland, nicht stand. Die Wahrheit ist: Diese kommende Krise ist vor allem hausgemacht – von der CDU bis zu den Grünen haben alle „staatstragenden“ Parteien diese Krise mitzuverantworten. Rot-Grün mit der Energiewende, Union und FDP mit dem beschleunigten Atomausstieg und 10 Jahren ziemlicher Untätigkeit in der Energiefrage. 


Warum müssen Politiker wie Faeser und Journalisten wie die Autoren des „Tagesschau“-Beitrages Demonstranten vorsorglich mundtot machen, wenn sie keine Angst davor haben, dass die Demonstrationen eventuell Erfolg hätten – ihre Wut, das weiß die Politik auch, wird berechtigt sein. Es macht doch den Anschein, als könnten die Proteste der Politik einen ziemlichen Strich durch die Rechnung machen. Es wird ein ungemütlicher Winter. Denn auch, wenn die Heizungen nicht laufen – „die Straße“ könnte der Politik ordentlich einheizen.

 


Rundfunkbeitrag um jeden Preis – Student sollte von Studium „Abstand nehmen“

Von Jonas Aston | Der Öffentlich-rechtliche-Rundfunk war noch nie gezwungen produktiv zu wirtschaften. Völlig frei von Sachzwängen und konjunkturellen Schwankungen können ARD, ZDF & Co operieren. Anders als jedes noch so kleinständische Unternehmen kann man völlig unabhängig von den Konsumentenwünschen agieren. Die Rundfunkanstalten sind in der bequemen Situation fast nach Belieben über ihre Einnahmeseite verfügen zu können. Man muss der Politik nur einmal schöne Augen machen und schon wird dem ÖRR mehr Geld zugesprochen und dem Bürger höhere Beitragszahlungen aufgebrummt. Schließlich leisten ARD und ZDF qualitativ hochwertige Arbeit und sind für die Demokratie unerlässlich.

Dieses Spielchen läuft nun seit Jahrzehnten und inzwischen ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk der teuerste staatliche beziehungsweise öffentlich-rechtliche Rundfunk der Welt. Rund 8 Milliarden Euro pro Jahr lassen sich ARD, ZDF & Co ihre Dienste kosten. Das ermöglicht traumhafte Intendantengehälter von teilweise über 400.000 €. Erst letztes Jahr wurde der Beitrag von 17,50 € auf 18,36 € erhöht. Der Landtag in Sachsen-Anhalt stimmte zwar dagegen, doch das Bundesverfassungsgericht nickte die Erhöhung ab. Der Föderalismus, der laut Grundgesetz Ewigkeitsgarantie hat und demzufolge in seinem Wesensgehalt nicht verändert werden darf, sei in diesem Fall nicht so wichtig.

Dass es auch anders geht, zeigt das Beispiel Frankreich. Dort hat kürzlich der Senat für eine Abschaffung der Rundfunkgebühren gestimmt. Die Debatte in Deutschland geht jedoch in die völlig andere Richtung. Zahlreiche Produzentenfirmen forderten angesichts der steigenden Energiekosten höhere Beitragszahlungen. Der ÖRR dürfte also auch künftig völlig losgelöst von der Erde bzw. der Realität operieren. Ein Sparkurs ist weit und breit nicht Sicht.

Zunehmend Sorgen macht sich der ÖRR jedoch um die Sparfähigkeit ihrer Beitragszahler. Unter bestimmten Umständen kann man sich von der Zahlung der Beiträge befreien lassen. Dies gilt für Empfänger staatlicher Sozialleistungen und somit auch für Bezieher vom Bafög. Überwiegend erhalten Studenten jedoch kein Bafög. Ein finanzschwacher Student klagte vor dem Bundesverwaltungsgericht als Härtefall anerkannt zu werden. Der Beitragsservice von ARD und ZDF kannte jedoch keine Gnade. Armen Studenten sei es zumutbar „sich selbst zu helfen oder von der Ausbildung ganz oder vorübergehend Abstand zu nehmen“.

Das Gericht lehnte die Argumentation zum Glück ab und gab dem Studenten recht. Trotzdem hat der ÖRR mal wieder gezeigt wo seine Prioritäten liegen – während sich ARD-Chefin Schlesinger Regierungsrabatte und auf Kosten des Zwangsbeitrags Massagesitze und einen Privat-Chauffeur gönnt, soll der Beitragszahler zur Not alles aufgeben um zahlungsfähig zu bleiben.


Europäischer Gerichtshof entscheidet über Familiennachzug – Künftig wohl noch großzügigere Regeln 

Von Leon Hendryk | Am gestrigen Montag veröffentlichte der Europäische Gerichtshof eine rechtlich bindende Vorabentscheidung bezüglich des Familiennachzugs von Flüchtlingen. Die Entscheidung selbst dreht sich nur um eine Detailfrage. Sehr viel interessanter ist hingegen die Argumentationsweise des Gerichts. Sie hat das Potenzial, dass die Frage des Familiennachzugs im europäischen Asylrecht zukünftig noch großzügiger gehandhabt wird.

Aber zuerst die Fakten: Der Vorabentscheid wurde 2020 durch das Bundeverwaltungsgericht angefragt. Es dreht sich um die Frage, ob eine volljährige und in der Türkei wohnhafte Syrerin das Recht auf ein Visum zur Familienzusammenführung in Deutschland hat, da ihr ebenfalls syrischer Vater hier als anerkannter Flüchtling lebt. Da sie zum Zeitpunkt der Antragsstellung schon volljährig war, hatte sie nach deutschem Recht kein Anrecht auf ein solches Visum, welches für minderjährige Kinder anerkannter Flüchtlinge vorgesehen ist. Allerdings war die Syrerin noch minderjährig, als ihr Vater 2016 seinen Antrag auf Asyl stellte. Laut den geltenden Regeln war der Visumantrag der Tochter aber erst nach dem Abschluss des Asylverfahrens ihres Vaters möglich.

Der Europäische Gerichtshof entschied deshalb, dass das Alter der Syrerin, zum Zeitpunkt zu dem ihr Vater den Antrag auf Asyl stellte, entscheidend sei.  Somit gilt die mittlerweile 23-Jährige rechtlich als „minderjähriges Kind“ – und Deutschland ist dementsprechend verpflichtet, ihr im Rahmen der Familienzusammenführung ein entsprechendes Visum auszustellen.

Wichtiger als diese Entscheidung an sich ist die Begründung der Richter – die hat es in sich. Ihre Argumentation stützt sich in großen Teilen auf die sogenannte EU-Grundrechtecharta und die EU-Familienzusammenführungsrichtlinie (Dir 2003/86). Beide werden vom Gerichtshof genutzt, um eine weitreichende Interpretation der Familienzusammenführungsgesetze, sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene, zu rechtfertigen. Die Familienzusammenführungsrichtlinie führt beispielsweise aus: „Familienzusammenführung ist eine notwendige Voraussetzung dafür, dass ein Familienleben möglich ist. Sie trägt zur Schaffung soziokultureller Stabilität bei, die die Integration Drittstaatsangehöriger in dem Mitgliedstaat erleichtert; dadurch wird auch der wirtschaftliche und soziale Zusammenhalt gefördert […]“.
Solche und andere Passagen werden in der Entscheidung des Gerichtshofs mehrmals zitiert, um zu begründen, dass die Regeln in Fragen dieser Art möglichst liberal ausgelegt werden sollten. Der Standpunkt des Gerichts scheint einfach zu sein: Familienzusammenführung ist gut, und sollte deshalb soweit wie möglich gefördert und vereinfacht werden. Argumente, die gegen eine zu starke Vereinfachung des Familiennachzugs sprechen, werden in den Ausführungen des Gerichts hingegen kaum berücksichtigt. 

Der Europäische Gerichtshof fährt hier also eine sehr großzügige Linie, wenn es um das Recht auf Familienzusammenführung geht. Dies wird sich auch auf die Entscheidungen nationaler Gerichte und weitere Europäische Gerichtsverfahren zu diesem Thema auswirken. Es ist also zu erwarten, dass die Migration in die Europäische Union durch Familiennachzug, bzw. Familienzusammenführung, zukünftig weiter zunehmen wird. Es ist außerdem wahrscheinlich, dass sich der rechtliche Rahmen für diese Art der Migration weiter lockern wird. 

Da viele rechtlich anerkannte Flüchtlinge aus Ländern wie Syrien, Afghanistan, dem Irak und Eritrea kommen, werden aus diesen Ländern nun auch vermehrt Familienangehörige nach Deutschland und in andere europäische Staaten nachziehen – auch längst erwachsene. Ein Asyl-Antragsteller aus 2015 könnte so per Nachzug für „Minderjährige“ seinen mittlerweile 24-Jährigen Sohn nachholen. Das ist nicht nur absurd: In Anbetracht der offensichtlichen Probleme, welche die Massenmigration aus diesen Ländern in den vergangenen Jahren geschaffen hat, ist der aktuelle Kurs des Europäischen Gerichtshof in dieser Frage auch  besorgniserregend. 


Atompilz im Kopf – die grüne Angst vor Atomkraft

Von Paul Weiß | Die Angst vor Gasmangel und Stromausfällen ist in der deutschen Bevölkerung aktuell so groß, das tatsächlich darüber diskutiert wird, die Laufzeit unserer ach so verhassten Atomkraftwerke zu verlängern – laut einer aktuellen Insa-Umfrage sollen sich sogar die Mehrheit der Grünen-Wähler dafür aussprechen. Wenn man daran denkt, wie in Mainstream-Medien, Gesellschaft und Politik bisher über Atomkraft geredet wurde, grenzt das an ein Wunder. Jahrelang wurde propagiert, Atomkraft sei unverantwortlich, hoch gefährlich und sowieso menschenfeindlich. Eine echte Diskussion über die eigentlich so saubere und sichere Energiequelle konnte in Deutschland überhaupt nicht mehr geführt werden.

Versuchte man einem beliebigen Menschen zum Beispiel zu erklären, dass ein Kilogramm Uran so viel Energie bei der Kernspaltung freisetzt wie die Nutzung tausender Tonnen Steinkohle, redete man meiner Erfahrung nach gegen eine Wand – nicht mal die Frage, welche Technologie CO2-sparender wäre, interessiert dann noch jemanden. Die Leute wollen nicht sachlich über ein Thema reden, das ihnen so große Angst zu machen scheint – sie haben keine Bestrebung, sich inhaltlich mit den Vor- und Nachteilen auseinanderzusetzen.

Stattdessen schmeißen sie nur Worte wie „Fukushima“, „Tschernobyl“, „radioaktive Verseuchung“ und „Weltuntergang“ wild durcheinander. Sie warnen vor Fehlern und Gefahren, ohne den enormen Nutzen und Chancen der Technologie in Betracht zu ziehen – und ohne zu verstehen, dass die moderne Reaktoren über die Zeit kontinuierlich verbessert und immer sicherer gemacht wurden.


Innovation als Fremdwort

Also stellen wir lieber jede Forschung und Entwicklung ein, statt auf modernste Flüssigsalzreaktoren zu setzen oder die Nutzung von Thorium, einem bisher ungenutzten und in großen Mengen vorhandenen Industrieabfallstoff, in Reaktoren zu überdenken. Innovation? Doch nicht in Deutschland!

Insbesondere die Grünen predigen Verzicht und Armut; Rückschritt statt Fortschritt, während sie Lastenräder und Eseltransporte anpreisen, Fleischverzicht glorifizieren und das Automobil verteufeln. Ich halte eine solche politische Haltung für stark menschenfeindlich, da sie Menschen in einen Zustand der Güterarmut zurückführt. Diese Armut wird aber nicht verteufelt, sondern als ideale Situation des Menschen beschrieben und vergöttert. „Aber gibt es nicht höhere Werte, als die materialistischen im Leben?“, fragen sie nun vielleicht mit heruntergezogener Hipsterbrille. Nun die gibt es bestimmt, aber darüber denke ich lieber nach, nachdem mein Bedürfnis nach Hunger und Wärme gestillt ist.

„Und was ist mit dem Atommüll?“, höre ich es schon kommen. Doch da möchte ich fragen: Was ist Müll? Es sind Ressourcen, die für den Menschen noch nicht nutzbar sind. Als Menschen in vergangenen Zeiten auf Öl stießen, war dieser Stoff für sie eine Plage. Er verseuchte die Felder und machte sie so unfruchtbar. Ein paar Wimpernschläge in der Erdgeschichte später wurde Öl industriell nutzbar gemacht und so zu einer wertvollen Ressource. Der „Atommüll“ könnte eine ähnliche Karriere hinlegen – mit dem Wort „Müll“ scheint man eine solche Entwicklung in der Aufbereitung oder weiteren Nutzung der Abwärme aber kategorisch auszuschließen.

Die Grünen haben uns abhängig gemacht

Die erste Generation von „Grünen“ ist Triebfeder des irrationalen Energiewandels und seiner Folgen. Als Kinder des kalten Krieges, empfanden sie eine tiefe Abneigung gegen alles, was mit atomaren Prozessen zu tun hat. Ihre unkontrollierte Angst vor dem Atompilz führte sogar dazu, dass sie sich reihenweise an Zuggleisen festketteten, um Zuglieferungen an AKWs zu verzögern. Sie bildeten die Anti-Atomkraft-Bewegung, die die Grüne Partei in den 1980er Jahren mitbegründete. Bereits im ersten Parteiprogramm gab es die Forderung nach einem sofortigen Bau- und Betriebsstopp aller Atomkraftwerke. Etwa zwanzig Jahre später brachte die rot-grüne Koalition dann den ersehnten Atomausstieg auf den Weg und trieb den Ausbau von Wind- und Sonnenenergie voran. 2010 wurde der Ausstieg zwar von der schwarz-gelben Koalition unter Angela Merkel rückgängig gemacht und  die Laufzeitverlängerung beschlossen, doch dann kam Fukushima. Nur drei Tage nach dem Reaktorunglück verkündeten Merkel und Vizekanzler Westerwelle ein dreimonatiges Atom-Moratorium – und damit den Anfang vom Ende der Atomkraft.

Die Grünen und unsere Ex-Kanzlerin Merkel haben es zu verantworten, dass immer mehr Atomkraftwerke und Kohlekraftwerke abgeschaltet wurden bzw. werden sollen. Sie haben aus der Angst der Menschen ein politisches Programm gemacht und die Unsicherheit der Bevölkerung aktiv befeuert. Damit haben sie nicht nur unsere Energieversorgung gefährdet, sie haben uns von Russland und Importgas abhängig gemacht – Erneuerbare Energien können Atomkraft und Kohlekraft nicht ersetzen. Trotzdem wurden sie staatlich subventioniert und dem Menschen durch die EEG-Umlage aufgebürdet.

Statt den falschen Kurs zu korrigieren, marschieren wir mit gehissten Fahnen und fröhlichen Mienen mitten ins Unglück. Statt einer modernen Frage eine moderne Antwort entgegenzustellen, trifft man hier auf die letzten Überreste der Angst, die den Grünen in die DNA übergegangen und fest im Kopf verankert zu seien scheint.

 

Wende in Sicht?

Man kann nur hoffen, dass die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke tatsächlich beschlossen und zu einem Umdenken führen wird. Bislang schien das Todesurteil der Atomkraft in Deutschland schon unterzeichnet – obwohl die ganze Welt Kraftwerke aufbaut, während wir unsere abschalten. Aber wer weiß: Vielleicht wird ja nun die kommende Angst vor einem Blackout und dem nächsten kalten Winter etwas in den Menschen ändern- und mit etwas Glück auch das Bild der Atomkraft.

 


Filmkritik: „Your Name“. Der beste Anime-Film aller Zeiten? 

Von Simon Ben Schumann | Ein Gefühl, eine Erinnerung, die Silhouette von irgendetwas. Es ist ein Name. Ein Name, den die Protagonisten von „Your Name“ vergessen haben. Und im Laufe des Films wiederfinden müssen. Denn wenn nicht, wird ihre Welt untergehen. Achtung: Spoilers ahead! 

Wenn Romance Millionen begeistert 

Als der japanische Filmemacher Makoto Shinkai den Film „Your Name“, auf Deutsch „Dein Name ist“ plante, rechnete er vermutlich nicht mit dessen überwältigendem Erfolg. Er wurde zum – nach Einspielergebnissen – besten Anime-Film überhaupt und überholte sogar den Kult-Streifen „Chihiros Reise ins Zauberland“. In deutschen Kinos zog er 2016 mehr als 100.000 Zuschauer an – ein neuer Rekord. 

Das Drama dreht sich um die beiden Oberschüler Taki und Mitsuha, die gerade erwachsen werden und damit mehr schlecht als recht umzugehen wissen. Er ist Kind eines alleinerziehenden Vaters in Tokios Großstadtdschungel, sie Tochter des machtgeilen Bürgermeisters ihres Heimatkaffs in der japanischen Provinz. Dort ist sie alles andere als zufrieden. 

Eines Tages ruft sie durch ein Tor: „Ich will ein gut aussehender Junge in Tokio sein!“, um endlich dem perspektivlosen Land und ihrer Familie zu entfliehen. Nachts fliegt ein Komet über den Sternenhimmel, der ihren Wunsch vernommen zu haben scheint. 

Es kommt, wie es kommen muss: Auf unerklärliche Weise tauschen Taki und Mitsuha von jetzt an regelmäßig die Körper. Auf humorvolle Weise erzählt der Film, wie die Teenager im Körper des anderen sich das Leben gegenseitig erleichtern wollen – und dabei schon mal zur Hölle machen. Zunächst nicht sehr begeistert von ihrem „Tauschpartner“ kommen sich die beiden langsam näher, bis das Unvermeidbare geschieht. Der Komet „Tiamat“ crasht in Japan und zerstört – ähnlich schicksalhaft und unerwartet wie das mysteriöse Körpertauschen – Mitsuhas Heimatdorf. Alle Einwohner sterben, auch sie. Das Tauschen hört auf. Ende der Geschichte. 

Oder auch nicht: Denn jetzt liegt es an Taki, die Katastrophe irgendwie rückgängig zu machen. Seine Erinnerungen an das Geschehene werden allerdings immer schwächer, nur mit Mühe kämpft er sich zum völlig zerstörten Dorf durch. Mitsuhas Namen vergisst er von Tag zu Tag mehr, egal was er auch macht – so entstand wohl der Film des Titels. 

Glücklicherweise scheint „das Universum“ auf seiner Seite zu sein. Ähnlich wie Mitsuha am Anfang der Geschichte, gelingt es ihm, einen Wunsch in Erfüllung gehen zu lassen. Er will weder Geld, noch Macht oder Berühmtheit. Stattdessen nur eine Chance, die Vernichtung des Dorfes und damit Mitsuhas Tod zu verhindern. Er bekommt sie. Damit beginnt eine große Rettungsaktion mit völlig ungewissem Ausgang. Ob es ein Happy End gibt, kann unter anderem beim Streamingdienst „Netflix“ von der Couch aus recherchiert werden. 

Geniale Symbolik

Neben der mitreißenden Geschichte hat mich vor allem die ausgefeilte Symbolik des Films begeistert. Sie beginnt schon auf einem der Filmposter – dort sind die beiden Protagonisten Mitsuha und Taki nebeneinander zu sehen. Taki in der anonymen Großstadt Tokio, Mitsuha in ihrem ungeliebten Heimatdorf. Sie sehen den Betrachter an. Zwischen ihnen: Die grell scheinende Sonne, deren Strahlen die beiden verbinden. 

Taki repräsentiert das Männliche, den Verstand, die intelligente Ordnung einer entwickelten Großstadt – die aber grau, irgendwie glücklos und sinnentleert erscheint. Mitsuha steht für das Weibliche, die Emotion, die grünende Natur der japanischen Provinz. Doch es gibt kaum Perspektiven; junge Menschen verlassen das Dorf, um die Möglichkeiten Tokios wahrzunehmen. Sowohl Taki als auch Mitsuha vermissen etwas – nämlich ihr Gegenstück. 

Obwohl beide zig andere Möglichkeiten hätten, entscheiden sie sich füreinander und damit für eine große Portion Ärger. Das auf dem Plakat künstlerisch angedeutete Kreuz zwischen den Protagonisten kann man so deuten, dass Mann und Frau als zwei „Säulen“ und Pole des Menschscheins nur zueinander finden können, wenn sie bereit sind, für ihr Gegenüber Opfer zu bringen. Wie bei „Yin und Yang“ kann das eine nicht ohne das andere bestehen. Es grenzt an ein Wunder, dass dieser Film im gender-verblödeten Deutschland überhaupt noch unzensiert gezeigt wird. 

Die moralische Lektion für den Zuschauer ist subtil, aber eindeutig: Um „dem Chaos“ – im Film der Kometeneinschlag – Einhalt zu gebieten, müssen die Menschen zueinander stehen. 

Ein berechtigter Welterfolg 

Nicht zuletzt wegen dieser tiefgehenden Botschaft ist „Your Name.“ mein Lieblings- Animefilm. Er hält die Werte Verbundenheit, Liebe und das verantwortliche Umgehen mit herausfordernden Lebensrealitäten hoch. Besonders in Japan, aber auch im Westen haben diese an Bedeutung verloren und wurden durch einen – für mich – überbordenden Materialismus ersetzt. Regisseur Makoto Shinkai schuf ein inspirierendes Stück Filmgeschichte, das Problemen unserer Zeit einen fesselnden Gegenentwurf präsentiert. Qualität und Spannungsbogen tun ihr Übriges. 


Reich durch Investieren?

Von Simon Ben Schumann | Finanziell ganz oben zu stehen – das wäre schon was. Uns Normalos scheint nur die Existenz im maximal oberen Mittelmaß beschieden. Aber muss das so sein, oder kann es jeder an der Börse zum Erfolg bringen?

In drei Jahrzehnten zum Börsenmillionär

Bevor wir uns Star-Investoren wie Warren Buffet, André Kostolany oder dem berüchtigten Bernie Madoff widmen: Rein mathematisch steht finanziellem Erfolg an der Börse schon mal nichts im Weg.

Beispiel gefällig? Wer 35 Jahre lang monatlich 900,00 € in sein breit gestreutes Börsendepot investiert, ist am Ende dieser Zeitspanne Millionär (vor Steuern). Angenommen wird hierbei ein durchschnittlicher Zinssatz von 5,00 % pro Jahr. Er ergibt sich aus dem vergangenen, langfristigen Durchschnittswachstum des Gesamtmarktes, welches ca. 7,5 % beträgt. Abgezogen werden hierbei (momentan traumhafte) 2,5 % für die durchschnittliche Inflation. 900,00 € – das ist viel Geld, aber nicht unrealistisch. Als Gutverdiener in der Mittelschicht ist dieser Betrag mit einiger Sparsamkeit aufzubringen. Das Wachstum des Vermögens verläuft hierbei nicht linear, sondern profitiert vom „Zinseszinseffekt“. Das Kapital in unserer Beispielrechnung beträgt nach 29 Jahren noch nicht einmal 750.000,00 €. 6 Jahre später sind die Millionen geknackt.

Die Bestandteile dieser „Millionärsformel“ lassen sich beliebig verändern. Die eingesetzten Zahlen sind das Realistische. Erhöht sich beispielsweise die Sparrate auf 1.500,00 €, sind die Millionen bereits nach 25 Jahren drin. Umgesetzt werden kann unsere Rechnung z. B. mit einem Investment in einen Index, der die Weltwirtschaft abbildet. Dieser könnte mit einem „Exchange traded funds“, kurz „ETF“ oder anderen Finanzprodukten bespart werden.

Hier ist Vorsicht geboten: Logischerweise muss es Index und Produkt noch geben, wenn Christian Lindner lange nicht mehr Finanzminister ist.

Langfristig zur goldenen Rente – oder lieber schnell reich?!

Der bekannteste Börsen-Investor der Welt ist der Amerikaner Warren Buffet. Er hält sich an erwähnte „Buy and Hold“-Strategie. Sie besagt, seine Investments weise auszuwählen und lange im Depot zu behalten. So soll von stabilem Wertzuwachs profitiert werden. Buffet bedient sich einer Fundamentalanalyse. Sie bewertet Aktien nach der Situation der Unternehmen, die hinter dem „Papier“ stecken. Mit einem Vermögen von 118 Milliarden US-Dollar ist er einer der reichsten Menschen der Welt und macht seiner Strategie alle Ehre.

Aber mal im Ernst: Wer hat schon Lust, langfristig reich zu werden? Selbst wenn man über die Sparrate und etwas riskantere Investments (je riskanter, desto höher die potenzielle Verzinsung) die Zeitspanne verkürzen kann – wir wollen mit 25 in der Karibik Cocktails schlürfen, nicht mit 68 an der Costa Brava.

So sah das auch André Kostolany. Der Börsenjournalist ist im Finanzsektor eine Legende. Aus Budapest stammend, wuchs er an der Börse auf und machte zwei Weltkriege mit. Er war dem Spekulieren verpflichtet. Darunter verstand er das kurzfristige Antizipieren von Marktbewegungen. Der Autor mehrerer humorvoller Finanzbücher formulierte: „Wer wenig Geld hat, darf nicht spekulieren, wer viel Geld hat, kann spekulieren aber wer gar kein Geld hat – der muss spekulieren!“ So sah er den Aufstieg der Bundesrepublik nach dem 2. Weltkrieg voraus und profitierte durch Kauf deutscher Staatsanleihen aus der Weimarer Republik enorm davon. Ein guter Spekulant brauche nur eine Zeitung, einen Stift und ein Telefon, um den Broker anzurufen.

Das ist natürlich riskant und nicht berechenbar. Aber der freien Gesellschaft sei Dank legal.

Ganz im Gegensatz zur Methode von Bernie Madoff. Er baute einen Fonds auf, der professionell Wertzuwächse fälschte und die Anleger betrog. Mit Hilfe eines „Ponzi- Schemes“, ähnlich einem Schneeballsystem, führte er Investoren hinters Licht. Wenn jemand Geld ausbezahlt haben wollte, finanzierte Madoff das mit monetären Zugängen anderer Anleger. Am Ende flog alles auf, Madoff kam ins Gefängnis. Von diesem Ansatz ist eher abzuraten.

Das Schöne an der Börse ist: Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Man kann investieren und langfristig dabeibleiben, spekulieren bis sich die Balken biegen, auf seinen Lieblingssektor wie die Technologiebranche setzen und mehr. Oder seine eigene Strategie aufbauen.

Ob man dabei strikt nach einer Formel reich wird oder es nur aus Spaß daran macht – an der Börse kann jeder von der Wirtschaft profitieren. Solange kein dringend benötigtes Geld riskiert wird, ist sie ein Ort von Freiheit, Gleichberechtigung und des Strebens nach mehr.


Berlin spart gerne! – allerdings nur bei den Schulen

Von Selma Green | Wie wir alle wissen, ist die Berliner Senatsverwaltung in ganz Deutschland dafür bekannt, besonders effizient zu arbeiten und streng darauf zu achten, keine unnützen Steuergelder auszugeben – niemals würden wir in Berlin Millionen für Flughäfen oder Bahnhöfe bezahlen, in denen nicht mal die Beleuchtung funktionierte, weil man die Lichtschalter vergaß. Wir würden auch keine autofreien Flaniermeilen ausbauen, die keiner nutzen möchte, oder Gelder für zum Scheitern verurteilte Projekte, wie den Mietendeckel, verprassen. Nein, aufkeinenfall. Der Berliner Senat ist der Verschwendung immer genau auf der Spur – das nächste Projekt: Einsparung beim kostenlosen Schülermittagessen.

Statt sich endlich mal darum zu kümmern, dass die Berliner Schüler nicht in verstaubten, schimmligen Klassenräumen ersticken oder im Winter – dank der Corona-Maßnahmen – bei geöffnetem Fenstern erfrieren, wird in der Bildungsverwaltung als auch im Abgeordnetenhaus schon länger über die Verschwendung von kostenlosem Schulessen diskutiert. Nach Recherchen der Berliner Zeitung landet in Berlin nämlich jedes vierte Schülermittagessen in der Tonne, weil die Schulkinder es nicht anrühren. Und das ist natürlich schlimm – mit dem ganzen Essen könnte ich bestimmt noch meine Verwandten in Afrika ernähren.

Um das Problem zu lösen, sollte ein digitales Bestell- und Abrechnungssystem eingeführt werden, aber das hat irgendwie wieder keiner gemacht. Deshalb soll ab dem 1. August eine neue rechtliche Verordnung eingeführt werden, die Schul-Caterer dazu verpflichtet, der Schule und den Eltern Bescheid zu sagen, wenn ein Kind mehr als acht Gerichte pro Monat nicht abgeholt hat. Sollte der Schüler dann trotz eines „mahnenden Gesprächs“ sein schändliches Verhalten fortsetzt, kann er vorübergehend vom Schulmittagessen ausgeschlossen werden – Pädagogik, Berlin-Style. Die andere Lösung wäre, das Essen wieder kostenpflichtig zu machen, wofür sich unter anderem die bildungspolitische Sprecherin der CDU, Katharina Günther-Wünsch, einsetzt.

Irgendwie habe ich bei der Diskussion den Eindruck, dass unsere Politiker dabei gar nicht so recht wissen, wie das mit dem Schulessen an den Berliner Schulen wirklich funktioniert – deshalb möchte ich das mal für sie erklären. Also, bei uns läuft das so: Das Essen an meiner Schule ist lediglich bis zur 6. Klasse gratis, danach müssen die Eltern in die Tasche greifen. Außerdem muss sich jeder Schüler das Essen auf der Schulwebsite vorbestellen.

Davon unabhängig, wundert es mich überhaupt nicht, dass kein Schüler mehr das Essen anrührt. Ich habe jedenfalls so meine Traumata vom Kantinenessen. In der ersten Klasse waren meine Lieblingsspeisen Nutellabrot, Schokoladeneis und Gummibärchen – allen voran diese Schlümpfe. Natürlich haben Mama und Papa darauf geachtet, dass nicht nur Gummibärchenschlümpfe auf meinem Teller landeten. Aber Salat blieb trotzdem ein Fremdwort für mich. Ich fand das grüne, blättrige Zeug damals scheußlich. Trotzdem aß ich in der ersten Klasse noch brav das Schulessen, bis es mir mit der Zeit den Magen umdrehte. Das Essen war eine Fundgrube an Dingen, die man lieber nicht im Essen haben will. Ich fand darin schon ein Stück Plastikfolie, Haare und den Plastikring von einem Flaschenkopf.

Doch der absolute Albtraum waren die Senfeier mit Kartoffelbrei. Wenn ich mich recht erinnere, waren die Eier von innen komisch grünlich, da wo sie eigentlich gelb sein sollten. Diese gelbliche Masse saugte mir den Speichel im Mund weg, das Schlucken fiel mir schwer und alles blieb am Gaumen kleben – Ihgitt. Seitdem habe ich nichts mehr aus der Schulkantine gegessen bis auf: Salat! Den Salat konnte man sich nämlich selbst zubereiten. Es gab kleine Schüsselchen mit Salatblättern, Gurkenscheiben, Tomaten und was alles noch so in einen Salat gehört, sodass ich mir aussuchen konnte, was auf meinen Teller kommt. In der Zeit habe ich Salat lieben gelernt und das zubereitete Kantinenessen nie mehr angerührt.

Ist es denn wirklich nicht möglich, in einer Kantine preiswertes, aber genießbares Essen anzubieten? Anscheinend nicht. Stattdessen soll jetzt mit uns allen ein mahnendes Gespräch geführt werden oder wir sollen gleich selbst für diese Pampe zahlen. Mal ehrlich – dann wird nichts mehr weggeschmissen? Das bezweifle ich. Wahrscheinlich können sie die Schulkantinen dann eher gleich ganz abschaffen – wäre immerhin eine gelungene Einsparung von Steuergeldern.

Aber da muss man doch wirklich fragen: Warum wird immer ausgerechnet bei uns Schülern, an der Bildung gespart? Meine Schule erhält gefühlt sowieso keinerlei Gelder mehr. Wir haben überall einen Mangel: einen Mangel an Lehrern, einen Mangel an Papier und einen Mangel an bunter Druckerfarbe. Wir mussten kürzlich in einer Klassenarbeit mit schwarzweißen Diagrammen und Abbildungen arbeiten, auf denen man beim besten Willen nichts erkannte. Wir arbeiten immer noch mit Overheadprojektoren, weil die Technik und das Internet an meiner Schule regelmäßig streikt. Und hier in Berlin hat man nichts anderes vor, als weitere Gelder zu streichen.

Warum sparen wir in Deutschland nicht lieber mal an den jährlich 600 Millionen Euro Entwicklungshilfen, die Deutschland an China zahlt? Dagegen sind die 30 Millionen Euro für weggeworfenes Essen an Schulen doch wirklich ein Klacks. Ich hätte aber auch noch einen ganz innovativen Vorschlag: Sorgt doch einfach dafür, dass man von dem Essen keinen Brechreiz mehr bekommt, dann landet es auch nicht im Müll. Aber ich fürchte ich stoße mit meinen Ideen in Berlin auf taube Ohren. An den Schülern wird einfach zu gerne gespart.