Archiv: August 22, 2022

Die Causa Kahrs: Fällt Cum-Ex dem Kanzler nun doch auf die Füße?

Von Jonas Kürsch | Wird der Cum-Ex-Skandal, der noch aus seinen Tagen als Hamburger Oberbürgermeister  stammt, Bundeskanzler Scholz (SPD) jetzt vielleicht doch noch zum Verhängnis? Die jüngsten Erkenntnisse aus den vergangenen Wochen und Monaten ans Tageslicht, erwecken inzwischen große Zweifel an den Aussagen des Kanzlers. Dieser gibt sich weiterhin als unnahbar, versucht die alten und neuen Vorwürfe mit seinem  schelmischen Grinsen weg zu lächeln. Viele Rechtsexperten vermuten jedoch, dass das explosive Bankschließfach des Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs nun vielleicht  doch zum Sturz der Regierung Scholz führen könnte.  

Was sind Cum-Ex-Geschäfte?  

Bei den Hamburger Cum-Ex-Geschäften handelt es sich um illegale Steuerrückerstattungen von Bankiers, Top-Anwälten und sonstigen hohen Tieren, die in  großen Wirtschafts- und Finanzunternehmen angestellt waren. Dabei wurden Steuern  durch den Staat zurückerstattet, die der Fiskus nie erhoben hatte. Dadurch bereicherten  sich mehrere Banken mit unlauteren Methoden an deutschen Staatsgeldern. 

So war es auch im Rahmen des großen Skandals um die Warburg Bank geschehen. Das  Unternehmen konnte seit etwa 2009 mehr als 47 Millionen Euro durch Cum-Ex-Geschäfte  erbeuten, die im Jahr 2016 durch das Hamburger Finanzamt zuerst ordnungsgemäß  zurückgefordert wurden. Noch vor Ende des Jahres leiteten die Behörden allerdings eine  kaum nachvollziehbare 180-Grad-Wende ein: man verzichtete plötzlich auf die  Rückzahlungen aufgrund „juristischer Bedenken“. Nach dem Bekanntwerden der skurrilen  Vorgehensweise des Finanzamtes forderte das Landgericht Bonn im Jahr 2019 die Bank  zur Rückzahlung der Gelder auf, was dann auch recht schnell geschehen ist. Der  Aufsichtsrat der Warburg Bank distanzierte sich von jedweder unrechtmäßigen  Steuergestaltung und beteuerte die juristische Professionalität des Unternehmens. 

Trotz der Rückzahlungen nahm die Staatsanwaltschaft Köln letztlich die Ermittlungen auf.  Mehrere Hausdurchsuchungen und Razzien verhalfen den Ermittlern zur Untersuchung  wichtiger Dokumente. Vor allem die Tagebücher des Warburg-Eigentümers Christian  Olearius enthielten brisante Details, die den Verdacht auf einen politischen  Korruptionskomplex im Hamburger Senat wachsen ließen. Unter anderem enthielten  seine Niederschriften sensible Details über mehrere Treffen mit einflussreichen SPD Regierungspolitikern, darunter auch der ehemalige Innensenator Alfons Pawelczyk und  der aus der Öffentlichkeit zurückgezogene Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs. 

Olearius belegte zudem drei Gespräche mit dem damals noch amtierenden Bürgermeister  Olaf Scholz, in denen die beiden ausführlich über Cum-Ex gesprochen haben sollen. Außerdem soll Scholz dem Warburg-Funktionär in einem Telefonat dazu geraten haben,  eine Verteidigungsschrift an den damaligen Finanzsenator (und heutigen Hamburger  Bürgermeister) Peter Tschentscher weiterzuleiten.  

Scholz mimt den Vergesslichen  

In diversen Ausschusssitzungen, Aufklärungsbefragungen und Journalisteninterviews  beteuerte Scholz, dass er an den Geschehnissen unbeteiligt sei. „Ich habe keine  detaillierte Erinnerung“ ist zu einem seiner Standardsätze geworden. Schon im Wirecard Ausschuss plädierte Scholz mit bizarren Statements auf seine Unschuld. So könne er  betreffende SMS und Emails nicht mehr vorlegen, da er sie ordnungsgemäß nach dem  Empfang wieder gelöscht habe. Bislang wurden Bundeskanzler Scholz und Bürgermeister  Tschentscher auch von den Justizbehörden noch nicht als Verdachtsfälle in der Warburg Affäre eingestuft. Erst vor wenigen Tagen erklärte die Generalstaatsanwaltschaft, es gebe  bislang keine Indizien für ein schwerwiegendes Fehlverhalten des heutigen Kanzlers. Die  Beschwerde des Rechtsanwalts Gerhard Strate, die Rechtsinstitutionen würden sich der  Ermittlung verweigern, wies die Staatsanwaltschaft zurück.  

Eine neue Spur könnte nun aber die fehlenden Indizien bringen: zu Beginn dieses Monats wurde im Rahmen der Durchsuchungen bei Johannes Kahrs ein dubioses  Bankschließfach entdeckt, in dem der ehemalige SPD-Politiker mehr als 200.000 Euro lagerte. Sollte nun zwischen dem ungewöhnlichen Fund und den unzähligen Treffen mit  Olearius eine Verbindung bestehen, könnten die Ermittlungen doch auf einen möglichen  Beleg für die politische Einflussnahme der SPD-Spitzenpolitiker hinweisen. Die Affäre  könnte sich dann recht schnell zu einem unkontrollierbaren Hindernis für Scholz  entwickeln und den Fortbestand seiner Kanzlerschaft in ernsthafte Gefahr bringen. 

Scholz sagt abermals vor Untersuchungsausschuss aus  

Am vergangenen Freitag musste sich der Bundeskanzler erneut zu den Geschehnissen in  Hamburg vor dem parlamentarischem Untersuchungsausschuss des  Abgeordnetenhauses äußern. Erst vor zwei Tagen war das elektronische Postfach seiner  Büroleiterin beschlagnahmt worden. Inzwischen hat die Kölner Staatsanwaltschaft eine  Reihe von auffälligen Nachrichten und Emails entdeckt, eine davon wird als verdächtig  eingestuft. Scholz’ Erinnerungsvermögen bleibt dennoch vernebelt. Es wird sich in den kommenden Wochen zeigen, ob die Aussagen des Bundeskanzlers wirklich Bestand  haben oder ob sein persönlicher Einfluss auf den Hamburger Korruptionskomplex doch  größer ist als zunächst behauptet wurde.




Angriff auf Rushdie und die Meinungsfreiheit

Von Sven Verst | Bei einer Veranstaltung am 12. August 2022 wird Salman Rushdie Opfer eines versuchten Mordes. Rushdie wurde 1947 im heutigen Mumbai in eine muslimische Familie geboren. Als Kind aus wohlhabender Familie wurde Rushdie zur Schule nach England geschickt, wo er auch später studierte. Er hat einen Sohn aus seiner ersten Ehe. Mit dem Buch Mitternachtskinder gelang ihm im Jahr 1981 der internationale Durchbruch. Er erhielt für seine Werke mehrere Auszeichnungen, darunter der Booker Prize im Jahr 1891 und zuletzt den Welt-Literaturpreis 2019. Viele seine Bücher wurden auch auf Deutsch übersetzt, erfreuen sich also internationaler Bekanntheit.

Für sein Werk Die satanistischen Verse erließ der iranische Ayatollah Khomeini eine Fatwa mit der er alle Muslime aufrief Rushdie zu töten. Allerdings stellten sich Regierungen anderen muslimischen Länder gegen dieses „Urteil“. Mittlerweile gibt es ein Kopfgeld von $4 Millionen auf Rushdie. Trotz des Todesurteils veröffentlichte Rushdie weiterhin Bücher und trat bei Veranstaltungen auf. So auch am 12. August 2022.

Eigentlich wollte er in Chautauqua, New York einen Vortrag vor Hunderten Menschen halten. Doch dann stürmte ein junger Mann auf die Bühne und stach auf mehrmals auf ihn ein. Verletzt wurde Rushdie an Hals, Gesicht, Arm und der Leber. Nach einer Notoperation ist seine derzeitige Situation unklar. Durch die Einstiche gibt es jedoch laut der New York Times durchtrennte Nervenstränge in einem Arm sowie die Sorge, dass er ein Auge verliert. Der 24-jährige Angreifer Hadi M. aus New Jersey ist Sohn von libanesischen Emigranten.

Die Mutter des Angreifers hat sich zudem auch von ihrem Sohn distanziert und spricht von einer Radikalisierung, welche bei einem Besuch im Libanon stattgefunden haben soll. Er selber hat seine Tat gestanden und befindet sich weiterhin in Haft. Regierungstreue Medien im Iran sowie Muslime auf Twitter und anderen sozialen Netzwerken begrüßten den gescheiterten Mordversuch. Aus der westlichen Welt folgten die bekannten Solidaritätsbekenntnisse sowie Entsetzen.

Rushdie ist einer von wenigen Kritikern des politischen Islams. Aber einer der vielen Kritiker, welche Morddrohungen oder sogar Opfer von Gewalt wurden. In Deutschland hält derzeit Michael Stürzenberger wieder Kundgebungen in Großstädten ab. Diese lassen sich im Livestream verfolgen, was ungemütlich für einige Gegenredner wird. Denn immer wieder kommt es zu Drohungen oder Menschen äußern sich Hitlerverherrlichend und Holocaustbefürwortend. Am 20. August 2022 wurden er und sein Kameramann vor Beginn der Kundgebung mit Pfefferspray angegriffen. Gegen 20 Uhr folgte ein weiterer Angriff, er befindet sich derzeit im Krankenhaus.

Bekannt in den Niederlanden sind Theo van Gogh und Ayaan Hirsi Ali, welche mittlerweile internationale Bekanntheit erreicht hat. Van Gogh wurde 2004 von einem Islamisten ermordet, an seiner Leiche befand sich ein Drohbrief an Ali. Nun im Visier ist u.a. der umstrittene niederländische Politiker Geert Wilders, der nach dem Mordversuch auf Rushdie erneut zahllose Morddrohungen erhalten hat. Unter anderem wurde von einem pakistanischen Mann, der sich auf Twitter als PMLN-Politiker ausgab, ein $20 Millionen Kopfgeld auf Wilders ausgesetzt. Der wohl bekannteste Fall ist der Anschlag auf die französische Zeitung Charlie Hebdo, nachdem sie eine Karikatur des Propheten Muhammed herausgegeben hatte. So gehört auch der Mordversuch an Rushdie zu einer Reihe von Warnungen an ein Westeuropa, welches lieber die Augen verschließt, als sich seinen Problemen zu stellen. Aber Rushdie lebt, schenken wir ihm also Gehör, bevor es zu spät ist.

Bildquelle: Wikimedia Commons via CC-BY-2.0




Berufspolitiker – notwendig oder schädlich? Das große Apollo-Battle

Lesen Sie hier: Adenauer-Anhänger Simon gegen Merkel-Meider Jonas. Brauchen wir Berufspolitiker oder bringen sie nichts als Ärger? 

ACHTUNG: Dieser Beitrag könnte Spuren von Humor enthalten. Weder Politiker-Protegés noch Staatsmann-Stänkerer wurden bei der Produktion dieser Kolumne ernsthaft verletzt. Dieser Austausch spiegelt in keiner Weise das Arbeitsklima bei Apollo News wieder, sondern dient schlichtweg Unterhaltungs- und Ausbildungszwecken. Seelsorgerische Unterstützung stand den Autoren zu jeder Zeit zur Verfügung.


Berufspolitiker: Besser als ihr Ruf?

Von Simon Ben Schumann | Politiker, die ihr Amt hauptberuflich und auf Dauer ausüben, werden gerne dafür kritisiert. Zurecht? Oder ist Politik als Beruf vielleicht sogar wünschenswert?

Mein Gegner Jonas hat ja seine schlechten Erfahrungen in der FDP gemacht, was ihn vielleicht kritisch stimmt. Das kann ich nachvollziehen: Meine (sehr kurze) Zeit als „Gast“ in der Schüler Union der CDU habe ich in traumatischer Erinnerung. Obwohl das echt die unterste Stufe der Politik ist, gab es dauernd Machtkämpfe und Streit. Eine vergiftete Atmosphäre. So sollte es nicht sein. Besser wäre es doch, machtgierige Menschen gar nicht erst in einflussreiche Positionen zu bringen. Nun, das widerspricht der Daseinsberechtigung des „Politikerberufs“, oder?

Blödsinn! Gerade der Jonas müsste doch wissen, dass es auch Menschen gibt, die aus persönlicher Überzeugung in die Politik gehen. Sie wollen etwas zum Positiven verändern und das hauptberuflich. Ich denke da an Konrad Adenauer, Kurt Schumacher, Herbert Wehner oder Franz Josef Strauß – das waren Charaktertypen und trotzdem Berufspolitiker. Wo wären wir ohne solche Menschen? Nachdem Hitlers Regime 1945 gefallen ist, haben Überzeugungstäter unserem Land „den Arsch gerettet“. Viele Eltern des Grundgesetzes waren schon Jahrzehnte in der Politik und wurden von den Nazis verfolgt, z. B. unser erster Bundeskanzler. Im Parlamentarischen Rat schufen sie eine Verfassung, die uns bis heute ein freies Leben ermöglicht, wenn nicht gerade Karl Lauterbach am Drücker ist. 

Leider – und da stimme ich Jonas zu – gibt es auch Berufspolitiker, für die Geld und Macht das Wichtigste sind. Ich denke da z. B. an Helmut Kohl, der 1998 unbedingt Kanzler bleiben wollte und sich einem würdevollen Abgang verweigerte. Kohl vernachlässigte seine Familie und Ehefrau um des Amtes willen und wurde trotzdem scheppernd abgewählt. Die Edathy-Affäre um den Kinderpornographie-Besitz von Sebastian Edathy aus der SPD spricht Bände von den Dimensionen der Bestechlichkeit, welche in der Welt der Berufspolitik möglich sind.

Trotzdem gibt es Leute, die mit Leidenschaft und Herz Politik machen. Und sei es als angeblich „überbezahlter“ Bürgermeister von irgendeinem Kaff. Außerdem kann man sich der Politik viel besser widmen, wenn 40 Stunden die Woche investiert werden. Mit einem Beruf nebenher sähe das ganz anders aus. Wer sich Politik zum Beruf macht, bringt eine gewisse Stabilität ins System. Also, Jonas: Nur weil einige Berufspolitiker es irgendwie in den Bundestag schaffen und dort als wandelnde Schlaftabletten hausen, sind nicht alle so drauf! Und irgendwer muss in diesem Irrenhaus namens Bundestag doch den Ton angeben. 


Weg mit den Berufspolitikern, wir brauchen ein neues System!

Von Jonas Kürsch | Die „Politik“ als Beruf wird in Deutschland schon seit längerem heftig debattiert – und das aus gutem Grunde! Als „Berufspolitiker“ werden Menschen bezeichnet, die hauptberuflich ihr tägliches Brot als parlamentarischer Staatsdiener, Abgeordneter, bezahlter Parteifunktionär (z. B. Vorsitzender einer Partei) oder Regierungsbeamter verdienen. Für Leute wie den Simon scheint die Existenz von Berufspolitikern unvermeidlich zu sein, schließlich könne man ja nicht als Bundeskanzler nebenberuflich das ganze Land regieren und nationale Krisen mal soeben zwischen Tür und Angel neben dem Alltagsjob bekämpfen. Ich bin jedoch der Ansicht, dass Berufspolitiker unserem Land in vielerlei Hinsicht eher schaden, als dass sie seinem Wohle dienen. Die Schweiz zeigt uns, wie man es auch anders machen könnte. 

Berufspolitiker erledigen häufig ihre Arbeit nicht 

Besonders problematisch ist die Tatsache, dass im Grunde jeder Mensch zum Berufspolitiker werden kann, unabhängig von der eigenen Lebenserfahrung oder Qualifikation. So konnten bekannte Persönlichkeiten des politischen Betriebes wie Paul Ziemiak (CDU), Katrin Göring-Eckardt (B’90/Die Grünen) und Kevin Kühnert (SPD) ohne Ausbildung, (abgeschlossenes) Studium oder sonstige Leistungsnachweise des echten Arbeitslebens in ihren jeweiligen Parteien schnell an einflussreiche Posten gelangen. Illegal ist das gewiss nicht. Aus demokratischer Sicht ist es in gewisser Weise sogar nachvollziehbar, dass ein Bildungsabschluss keine grundsätzliche Voraussetzung für ein politisches Mandat sein darf – aber wollen wir wirklich, dass unsere hartverdienten Steuergelder von Menschen verprasst werden, die außerhalb der Berufspolitik oftmals noch keinen Finger krumm gemacht haben? 

Zudem kennt jeder von uns unzählige Beispiele von professionellen Politikern, die trotz hoher Bezahlung ihren Pflichten nur unzureichend nachkommen. Es ist beispielsweise kein Geheimnis, dass im Europaparlament viele Mitglieder sitzen, die in Ausschusssitzungen, Plenardebatten und Abstimmungen häufig fehlen und trotzdem von ihren Diäten und Privilegien als Unionsangestellten Gebrauch machen. Ebenso problematisch sind hauptberufliche Abgeordnete, die offen und ohne jede Scham die Würde ihrer parlamentarischen Funktion mit ihrem eigenen Verhalten verletzen und dem Ansehen der Bundesinstitutionen somit großen Schaden zufügen – Beispielsweide im Falle der grünen Jungabgeordneten Emilia „Milla“ Fester, die mit ihren infantilen Videobeiträgen auf TikTok für Spott und Häme sorgte. 

Auch reagieren Berufspolitiker, die persönlich (d.h. finanziell) von der eigenen politischen Zukunft abhängig sind, wesentlich anfälliger auf die Bestechungsversuche von Lobbyverbänden, wie auch die unzähligen Korruptions- und Lobbyismus-Skandale der vergangenen Jahre gezeigt haben (z.B. Cum-Ex, Masken-Deals im Bundestag, etc.). Dies zeigt sich vor allem auch daran, dass nur wenige Mandatsträger nach Ablauf der Amtszeit in ihre alten Berufe zurückkehren. Häufig sitzen einflussreiche Altabgeordnete und ehemalige Minister in den Kontrollgremien und Aufsichtsräten irgendwelcher Firmen, denen sie im Rahmen ihrer politischen Aktivitäten besonders wohl gesonnen waren. 

Die Schweiz macht uns vor, wie es besser gehen könnte! 

Das Argument, man könne das Aufkeimen unzähliger Berufspolitiker in einer Demokratie nicht vermeiden, wird in vielen Punkten mit dem politischen System der Schweiz widerlegt. Durch die vielen direktdemokratischen Elemente des Landes (z.B. die regelmäßig abgehaltenen Volksentscheide und die starke Autonomie der einzelnen Kantonen) besteht in vielen Bereichen der politischen Entscheidungsfindung gar keine Notwendigkeit für einen aufgeblähten Polit-Apparat, wie wir ihn in Deutschland vielerorts feststellen. Gerade das föderale Ordnungssystem der Schweizer sorgt für eine flächendeckende Verteilung der politischen Arbeiten, wodurch die einzelnen politischen Akteure (zumindest in einigen Bereichen) weniger stark belastet sind als bei uns. 

Dies zeigt sich beispielsweise auch in der Aufteilung der Regierungsgeschäfte: anders als Deutschland hat die Schweiz nämlich kein festes Staatsoberhaupt. In der Eidgenossenschaft besteht die Exekutive vor allem aus dem Bundesrat, welcher selbst aus sieben gleichberechtigten und festen Mitgliedern besteht. Jedes dieser Mitglieder ist auf vier Jahre gewählt und besonders spannend ist, dass der Bundespräsident (Vorsitzender des Bundesrates) sowie sein Vizepräsident von den Bundesräten für lediglich ein Jahr gewählt werden. So besteht eine fließende und kontinuierliche Weitergabe der Macht, einen festen Regierungschef, wie es in Österreich oder Deutschland der Fall ist, gibt es in der Schweiz nicht. Stattdessen wird jedes Ratsmitglied einmal zum Vorsitzenden des Schweizer Bundesrates gewählt. 

Das Konzept der Berufspolitik ist veraltet 

Es kann durchaus sein, dass Berufspolitiker nach Kriegsende notwendig waren, um das völlig desolate Deutschland strukturell zu sanieren. So etwas kommt – das sehe ich durchaus ein – einem Vollzeitjob gleich. Inzwischen befinden wir uns aber in einer völlig anderen Situation und es würde unserem Land gut tun, über eine weitreichende Reform unseres repräsentativen Systems nachzudenken. 


Frau Atamans Kartoffelproblem: Die Wurzeln reichen tiefer

Von Sarah Victoria | Der Bus fährt Ihnen vor der Nase weg und Sie sitzen im Rollstuhl? Sie haben einen Migrationshintergrund und der deutsche Nachbar hat zweimal nachgefragt, wie man Ihren Namen ausspricht? Oder sind Sie es einfach Leid, die ganzen Wurstbuden im Tatort zu sehen? Als offizielles Opfer von Diskriminierung dürfen Sie sich mit ihrem Anliegen demnächst unverzüglich an die nächste Beratungsstelle der Bundesregierung wenden. Hier wird Ihnen gezeigt, welche rechtlichen Möglichkeiten es gibt, um im deutschen Kartoffelland zu überleben. Doch Vorsicht, vor dem Besuch gilt es zu überprüfen, ob die Behörde auch wirklich für Sie zuständig ist! Die neue Antidiskriminierungsbeauftragte hat eine ganz eigene Prioritätenliste und nicht jedes Knollengemüse kommt darauf vor.  

Ferda Ataman wurde im Juli zur – das gilt es zu betonen – Unabhängigen Bundesbeauftragten für Antidiskriminierung gewählt. Sie selbst gehört keiner Partei an, vorgeschlagen wurde sie allerdings von der Familienministerin Lisa Paus (Bündnis 90/Grünen). Die Ampelkoalition war sich bis zuletzt uneinig über die personelle Besetzung. Atamans Kandidatur war so umstritten, dass nur eine haarscharfe Mehrheit von 376 Abgeordneten ihrem Amtsantritt zustimmte – die Regierungskoalition allein zählt 416 Abgeordnete. Neben den Oppositionsparteien kritisierten auch einige Abgeordnete der FDP die Identitätspolitik und aktivistische Vergangenheit der neuen Behördenleitung. 

Die Kartoffel-Kontroverse

Vor ihrem Amtsantritt arbeitete Frau Ataman bis 2020 unter anderem als Kolumnistin für den Spiegel. Anders als 10.000 Tweets auf ihrem Twitteraccount, ist ihre ehemalige Kolumne namens „Heimatkunde“ noch nicht gelöscht worden. Hier findet sich auch die Quelle für die aktuelle Kartoffel-Kontroverse. Der entsprechende Beitrag stammt aus dem Jahr 2020 und trägt den Titel „Almanis – oder wie nennen wir Kartoffeln?“. In ihrem Beitrag geht Frau Ataman der Frage nach, warum Deutsche so empfindlich auf den Vergleich mit einer Kartoffel reagieren, wenn Minderheiten doch regelmäßig mit „historischen Schimpfwörtern“ beleidigt werden. Die Antwort ist aus ihrer Sicht simpel: Weil die privilegierten Deutschen immer noch nicht erkannt haben, dass sie jetzt in einer Einwanderungsgesellschaft leben und nicht zu entscheiden haben, als was man sie bezeichnet. Immerhin dürfen Minderheiten ja auch nicht über ihre Fremdbezeichnung entscheiden. 

Die jetzige Antidiskriminierungsbeauftragte nimmt die Leser dabei mit auf eine Reise durch die einfallsreichsten Bezeichnungen für „Deutsche ohne Migrationshintergrund“. Von der weißen bio-deutschen Kartoffel, über den klassischen Alman, bis hin zu kreativeren Ideen wie dem „dünnhäutigen Emodeutschen“, „Germanennachfahren“ oder „Deutschen mit Nationalismusgeschichte“ ist alles dabei. Anhand der Beispiele soll aufgezeigt werden, wie sympathisch der Vergleich mit einem Nachtschattengewächs doch sein kann. Die Deutschen sollen lieber dankbar sein, nicht auf ihre dunkle Vergangenheit reduziert zu werden. In anderen Texten kritisiert Ataman den „völkischen Firlefanz“ der deutschen Einheit, fordert Döner anstelle von Wurst als Nationalgericht oder verkündet statt der Corona- die Rassismuskrise. Was muss denn alles auf ihrem Twitteraccount losgewesen sein, wenn diese Texte nach wie vor öffentlich lesbar sind? 

Doppelmoral mit Folgen 

Ein Blick in Ferda Atamans Vergangenheit zeigt auch, wie Identitätspolitik immer eine gewisse Doppelmoral anhaftet. Diskriminierung ist schlecht, deswegen braucht es mehr positive Diskriminierung. Menschen dürfen hier auf ihre Herkunft reduziert werden, solange es in das woke Weltbild passt. Die kulturelle Deutungshoheit einer Mehrheitsgesellschaft wird kritisiert und durch eine moralische Deutungshoheit einer Minderheit ersetzt.  Eine Antidiskriminierungsbeauftragte, die nach dem Motto „Gleiches mit Gleichem vergelten“ operiert. Was soll schon schiefgehen? 

Angesprochen auf ihre provokante Vergangenheit, verwies Ataman in der Pressekonferenz darauf, dass sie nicht auf ihre Vergangenheit reduziert werden will. Doch als Politiker startet man seine Karriere nicht als unbeschriebenes Blatt. Ihrem Amtsantritt ging jahrelanger Aktivismus und keine schicksalshafte Eingebung voraus, in der ihr ein Engel in Gestalt von Anetta Kahane erschien und sie zur Kandidatur ermutigte. Anders als ihre Amtsvorgänger wurde sie nach 15 Jahren als erste Vorsitzende der Antidiskriminierungsbehörde direkt vom Bundestag gewählt, davor wurde das Amt nur kommissarisch ausgeführt. Die Neubesetzung wird zukünftig neue Folgen haben, daher die mediale Aufmerksamkeit. Mit dem Rückhalt von zwei Regierungsparteien plant Ataman, Identitätspolitik in den rechtlichen Rahmen aufzunehmen. Die deutsche Gesellschaft soll ideologisch umgeformt werden – auf Kosten der Steuerzahler. Mehr Beratungsstellen, mehr Bundesbeauftragte und mehr Forschung heißen nichts anderes als mehr Budget, das für die Umsetzung benötigt wird. Für Schwerpunkte, die viele als unverhältnismäßig gesetzt sehen. Das ist die eigentliche Problematik. 

Neues Motto: Dafür sind wir nicht zuständig!

Statt in die Vergangenheit wird jetzt also in die Zukunft geblickt. Die aktuelle Kontroverse zeige laut Ataman immerhin, wo der Schuh drücke. Nach einem Blick auf die Prioritätensetzung der neuen Antidiskriminierungsbeauftragten muss es sich wohl um Barfußschuhe handeln. Frau Ataman erzählt etwa von einem Rollstuhlfahrer, dem der Bus vor der Nase wegfährt oder der Muslimin, die ihr Kopftuch an den Geräten im Fitnessstudio abnehmen soll. Neue Schwerpunkte sollen zudem auf der Bekämpfung von Antiziganismus (Diskriminierung von Zigeunergruppen), der Benachteiligung der Generation Ü50 auf dem Arbeitsmarkt oder dem Umgang mit behinderten Menschen liegen. Natürlich wird die Aufarbeitung der Coronazeit nicht erwähnt. Auch kein Wort fällt über Menschen in Pflegeberufen, die durch die Einführung der Impfpflicht ihren Job verloren haben. Zeitgleich leben im selben Land sogar Menschen unter Polizeischutz, weil sie aus einer Zwangsehe geflohen sind oder sich in ihrer Glaubensgemeinschaft unbeliebt gemacht haben. Seyran Ates, Aktivistin und Gründerin der Ibn Rushd-Goethe Moschee, twitterte folgendes: 

https://twitter.com/SeyranAtes/status/1559611909950808065

 

Für Morddrohungen sei die Antidiskriminierungsbehörde nicht zuständig. Immerhin gibt es insgesamt 42 Bundesbeauftragte, da muss man sich die Aufgaben schon aufteilen, um die eigene Stelle zu erhalten. Dafür kann sich Frau Ates vielleicht an den Bundesbeauftragten für Religions- und Weltanschauungsfreiheit, Herrn Frank Schwabe (SPD), wenden. Jüdische Menschen gehen am besten zum Antisemitismusbeauftragten, Sinti und Roma werden gleich zur Stelle gegen Antiziganismus weitergeleitet und alle nicht-heterosexuellen Opfer von Diskriminierung haben beim Queerbeauftragten eine Chance. Der Kartoffel-Beauftragte lässt wohl noch auf sich warten. Ich freue mich aber schon auf die Antwort, wenn ich mich demnächst vertrauensvoll an die Antidiskriminierungsbehörde wende, da ich Ikea wegen des Pommesverbotes einen „hate crime“ unterstelle. Laut Frau Ataman ist Identitätspolitik immerhin für alle da. 




Lauterbach und Co: Eure Doppelmoral kotzt mich an!

Von Elena Klagges | Was habe ich mich in der vergangenen Woche wieder aufregen können: Da war zum einen die finnische Ministerpräsidentin Senna Marin, von der zum wiederholten Male Videos beim Feiern veröffentlicht wurden, obwohl ihr Land gegenwärtig durchaus ernste Probleme hat. Finnland und Russland teilen eine 1340 km lange Grenze und angesichts des Ukraine-Krieges hat Finnland am 29. Juni einen Beitrittsantrag an die NATO gestellt. Marin rechtfertigt sich mit der Ausrede, jeder Minister könne in der Freizeit tun, was er wolle. Und dem stimme ich als liberaler Mensch auch grundsätzlich zu. Dennoch sollte man sich zu recht fragen können, ob ein derartiger Auftritt in dieser Situation wirklich angebracht ist.

Auf der Wut-Skala folgt diese Woche unser Gesundheitsminister Karl Lauterbach. Schon – oder noch – höre ich seine monotone Stimme im Ohr, welche wirr Impfungen empfiehlt und die Deutschen dazu aufruft, sich weiter brav bei jeglichen Krankheitssymptomen in Isolation zu begeben. Nun hat scheinbar derselbe Lauterbach sich nicht einmal selbst an seine Isolationsverordnung gehalten. Am 4. August wurde der Minister positiv auf Corona getestet und 7 Tage später schon wieder im Kabinett gesichtet. Zwar beteuert Lauterbach, sein Test sei wieder negativ gewesen, doch beklagte er sich einen Tag zuvor noch, noch nicht wieder ganz fit zu sein. Nun heißt es in der Berliner Corona-Verordnung, man müsse ,,für mindestens 48 Stunden ohne Krankheitszeichen geblieben sein…’’, wenn man vor Ablauf von 10 Tagen aus der Isolation heraus kommen wolle – keine Ausnahmen vorgesehen. Neben der Symptomfreiheit sei dann auch ein negativer Test erforderlich, um sich ab dem 5. Tag der Isolation ,,freitesten’’ zu können. Also auch wenn Lauterbach einen negativen Test vorweisen kann, in Berlin sind die Symptome entscheidend und diesen Anforderungen scheint Lauterbach nicht erfüllt zu haben. Marcel Luthe, Chef der GG-Gewerkschaft, hat reagiert und Herrn Lauterbach angeklagt, um eine Gleichbehandlung zwischen den Bürgern und dem Gesundheitsminister wiederherzustellen. Wie auch immer sich die Lage genau herausstellt – es kristallisiert sich immer wieder die Sinnlosigkeit der deutschen Corona-Regelungen heraus.

Und wenn wir schon bei absurden Corona-Restriktionen sind: Ein weiterer Heuchler ist der Landwirtschaftsminister Cem Özdemir. Cem hat vor Kurzem noch lautstark auf Twitter eine Maskenpflicht im ÖPNV und beim Einkaufen gefordert – jetzt wurde ein Foto von ihm veröffentlicht, dass ihn ohne Maske im Zug zeigt. Cems Verteidigung: Er sei zu dem Zeitpunkt in Polen gewesen, wo keine Maskenpflicht gelte. Wie bitte? Wenn man die Regeln aus dem eigenen Land für sinnvoll hält, sie erlässt und mitträgt, dann aber im Ausland sofort die Freiheit nutzt, suggeriert dieser Fakt, dass man an die eigenen Regeln eigentlich selbst nicht glaubt. Wozu dann an erster Stelle die wissenschaftlich nicht untermauerten Regeln gelten lassen?

Politiker sind Vertreter des Volkes und sollten sich auch so benehmen

Unübersehbar und unüberhörbar waren in den vergangenen Wochen auch die Aufforderungen zum Sparen. Nicht nur Wirtschaftsminister Habeck steht hier an vorderster Front, sondern auch Christian Lindner. Allerdings ist letzterer auch der erste, der eine Promi-Prunk-Hochtzeit auf Sylt feierte, welche gut dokumentiert in den Medien nachvollziehbar war. Keine Frage, wir freuen uns alle für sein Liebesglück, doch mit welcher Dreistigkeit glauben sich die Politiker über die Bevölkerung stellen zu können? Einerseits Krisenstimmung verbreiten und an die sparsame Vernunft, an die Solidarität appellieren. Andererseits selber Luxus genießen und verschwenderisch feiern.

In dieser Disziplin sind auch Nancy Faeser und Hubertus Heil Weltmeister. Ende Juli wurden die beiden auf dem Balkon der deutschen Botschaft in Kiew gesichtet, wie sie mit dem Bürgermeister Klitschko lachend ein Gläschen Sekt schlürfen. Ja, haha, voll lustig so ein Land im Krieg. Die haben sie echt nicht mehr alle. Aber auch die ukrainischen Landsleute tragen zur Banalisierung des Krieges bei. Im Juli zierte die First Lady Olena Selenska das Vogue Cover. In der Zeitschrift folgen dann Fotos von ihr in Roben vor Kriegstrümmern und vertraute Szenen mit ihrem Mann Volodymyr. Dachten die beiden wirklich, dass gerade ein guter Zeitpunkt für Fotoshootings sei? Sie sollten dringend ihre Berater wechseln. 

Bei all der Rage soll nicht das falsche Bild entstehen, dass ich Politikern nicht ihr Privatleben gönne. Jeder kann und soll freiheitlich nach seinen Vorstellungen leben und sich entwickeln können. Allerdings tragen offizielle Politiker eine Menge Verantwortung und haben eine gewisse Vorbildfunktion inne. In Artikel 38 des Grundgesetzes steht, dass Abgeordnete Vertreter des ganzen Volkes sind, nicht an Aufträge und Weisungen gebunden sind und nur ihrem Gewissen folgen müssen. Doch genau diesem Volk sollten die Politiker mal wieder mit Respekt gegenüber treten. Ja, irren ist menschlich, jedem können Fehler unterlaufen. Doch als Staatsmann oder -frau sollte man aufrichtig dazu stehen, sein Fehlerverhalten eingestehen und bei groben Skandalen den Mut haben, gegebenenfalls als ultima ratio auch mal zurückzutreten. Ein Akt, den viele Politiker in letzter Zeit verlernt haben. „Ehrenlos!“, kann man da nur sagen. 


Schon wieder! Documenta „überrascht“ mit Antisemitismus

Von Simon Ben Schumann | Die judenfeindlichen Exponate auf der Documenta werden  immer mehr. Nachdem Aufklärung versprochen wurde, ist jetzt ein neues Stück  aufgetaucht. Es zeigt den typischen Stereotyp, den schon die Nazis verbreiteten: Einen geld- und raffgierigen Juden mit riesiger Nase, der konspirativ die Welt regiert. 

Die Hasskarikatur war den Verantwortlichen bekannt 

Nachdem in der Vergangenheit Juden und Israelis wahlweise als kleinwüchsige  Landbesetzer, Massenmörder oder Vergewaltiger dargestellt wurden, braucht man sich  auf der Documenta wohl über nichts mehr zu wundern. Das neue Ausstellungsstück entstammt der Feder der indonesischen „Untergrund Künstlergruppe“ Taring Padi. Diese war auch verantwortlich für die ersten Bilder, die den Antisemitismus-Skandal um die Documenta auslösten.  

Die antisemitische Zeichnung hier im zweiten Bild zusehen.

Auf der Zeichnung zu sehen: Eine Gruppe von drei Männern, welche mit einem gierigen  Lachen Geldsäcke in den Händen halten. Der Mann linksaußen hat eine völlig  überdimensionierte, extrem lange Nase und trägt Kippa. Neben ihm die Worte: „Gold,  Glory, Gospel“. Klar: Für Antisemiten ist die Gier nach Macht und Geld typisch jüdisch. Jegliche Rechtsfertigungsversuche der Künstler sind offensichtlich haarsträubend. Hier  wird nicht ansatzweise der Staat Israel kritisiert. Stattdessen werden die uralten,  hasserfüllten Vorurteile gegen Juden in Szene gesetzt: Von den angeblich „jüdischen“ Gesichtszügen bis zur Geldgier. 

Doch das Schlimmste an der Sache: Die Verantwortlichen wussten davon! Die Kippa, die der Mann auf dem Bild trägt, wurde mit einem schwarzen Stück Klebeband versehen. So sollten Betrachter nicht auf die Idee kommen, hier würde Antisemitismus  betrieben. Zum Glück hat die Deutsch-Israelische Gesellschaft näher hingeschaut. 

Unfassbar, was heute in Deutschland möglich ist 

Obwohl „Taring Padi“ die Antisemitismus-Affäre um die Documenta 2022 auslöste,  wurde die Gruppe nicht von der Kunstaustellung ausgeschlossen. Schlimm genug.  Weiterhin aber kann das leitende Kollektiv „Ruangrupa“ keinen Antisemitismus auf der  Zeichnung erkennen. Übrigens stammen beide Gruppen aus Indonesien. Ich hab nichts gegen das Land – auf einen Urlaub dort würde ich aber mittlerweile verzichten. 

Persönlich habe ich mit Muslimen durchweg positive Erfahrungen gemacht. Doch leider  bestätigt sich, was man in jüdischen Gemeinden europaweit sagt – manchmal hinter  vorgehaltener Hand: Der heutige Antisemitismus kommt häufig aus dem islamischen Umfeld. Das will man in Deutschland nicht hören, aber es ist wahr. Es muss jetzt eine Lösung kommen. Gerade Politiker malen sich  gerne die Erinnerung an die NS-Vergangenheit auf die Fahne, doch jetzt, wo es drauf  ankommt, passiert: Nichts. Das muss sich ändern – sofort.




Ein Jahr Fall von Kabul: Unzähmbares Afghanistan

Am 15. August 2022 jährte sich der Fall von Kabul von 2021 zum ersten Mal, Apollo bringt daher diese Woche eine Artikelserie zum Rückblick auf die Geschehnisse von damals und ihren Konsequenzen. 

Von Jonas Aston | Rückständig, wild, reformresistent: Anders lässt sich Afghanistan wohl kaum beschreiben. Erst 1919 wurde Afghanistan zu einem unabhängigen, souveränen Staat erklärt. Von wirklichen staatlichen Strukturen konnte jedoch zu keiner Zeit die Rede sein. Auf dem afghanischen Territorium versammelt sich eine bestenfalls lose zusammgehaltene Ansammlung von persischen, pastunischen und türkischen Stammesgemeinschaften.

An der Zivilisierung der zentralasiatischen Völker beißen sich die Mächte der Welt seit jeher die Zähne aus. Die Araber als islamische Eroberer konnten im heutigen Afghanistan nicht dauerhaft Fuß fassen. Zwar wurde der islamische Glaube übernommen, gegenüber Modernisierungsversuchen der ohnehin eher rückständigen Araber erwies sich man sich jedoch immun. 

Mitte des 19. Jahrhunderts bereiste der Ungar Hermann Vámbéry Zentralasien. Der sprachbegabte Orientalist verkleidete sich als türkischer sunnitischer Derwisch und durchquerte die Region mit einer Gruppe religiöser Pilger. Vámbéry zeigte sich schockiert von den wahnsinnig grausamen und vormodernen Verhältnissen in Zentralasien. Er schrieb: „So musste ich mich langsam gewöhnen an schroffe Gegensätze von Tugenden und Lastern, von Menschenliebe und Tyrannei, von skrupulöser Redlichkeit und abgefeimter Schurkerei, die im Orient überall, aber in Mittelasien am meisten, anzutreffen sind“. 

Die turkmenischen Völker sicherten damals ihre Existenz überwiegend durch Raub. In den Grenzgebieten wurden massenweise Perser entführt und versklavt, wenn ihre Familien sie nicht durch ein Lösegeld zurückkauften. Das Osmanische Reich und das Persien des 19. Jahrhunderts erschienen dem Ungarn vergleichsweise als Inbegriff der Zivilisation. Ohne seine Tarnung wäre Vámbéry als Ungläubiger und damit nicht angehöriger der Umma (der islamischen Religionsgemeinschaft) zum Tode verurteilt gewesen.

1897 nahm der junge Kavallerieleutnant Winston Churchill an einem Feldzug im paschtunischen Bevölkerungsgebiet teil. Churchill weiß ähnliches zu berichten wie Vámbéry: Inmitten einer Berglandschaft „von großartiger Wildheit lebt eine Bevölkerung, deren Wesen mit ihrer Umgebung übereinstimmt. Ausgenommen zur Erntezeit, wenn das Gebot der Selbsterhaltung zu zeitweiligem Waffenstillstand zwingt, leben die Pathan-Stämme ständig im Krieg von Mann zu Mann oder Gemeinschaft zu Gemeinschaft. Jeder einzelne ist Krieger, Politiker und Theologe. Jedes größere Haus ist eine Festung für sich, hergestellt zwar nur aus getrocknetem Lehm, aber vollständig ausgebaut mit Zinnen, Türmchen, Schießscharten, Flankierungsgewehren, Zugbrücken usw. Jedes Dorf hat seine Verschanzung. Jede Familie unterhält ihre Vendetta, jeder Clan seine Feinde. Alle die zahlreichen Stämme und Gruppen von Stämmen haben Rechnungen miteinander zu begleichen. Nichts wird vergessen, und höchst selten einmal bleibt eine Schuld unbezahlt.“

In dieser Gemengelage versuchte das Britische Empire zu operieren und die abendländische Kultur in das heutige Afghanistan zu importieren. Zivilisatorische Fortschritte konnten jedoch nicht verbucht werden. Bis 1919 stand Afghanistan unter britischem Einfluss. Heute ist von dem einstigen Einfluss der Engländer (ganz anders als zum Beispiel in Hongkong) nichts mehr zu spüren. Die Russen intervenierten 1979 in den afghanischen Bürgerkrieg und versuchten ihrerseits Herrschaft über das Gebiet auszuüben. Doch auch ihr Eingreifen war zum Scheitern verurteilt. 1989 wurden die erfolglosen sowjetischen Truppen zurückgezogen. 

12 Jahre später, nach dem Terroranschlag von 9/11, machte dann der Westen dort Jagd auf Terroristen – aber beließ es nicht dabei, sondern versuchte auch sein Glück dabei Afghanistan zu reformieren. Der Einsatz sollte rund zwei Jahrzehnte andauern. Deutschland investierte Milliarden und opferte dutzende Soldaten. Nach dem Abzug der westlichen Staaten benötigten die Taliban nur wenige Tage, um das Machtvakuum zu füllen, dass die westlichen Verbündeten hinterließen. Eine stabile Ordnung nach westlichem Vorbild wurde nicht errichtet. Moderne Wertvorstellungen konnte der Westen wie zuvor die Briten, Russen und im abgeschwächten Maße die Araber, nicht in das rückständige und tiefreligiöse zentralasiatische Land importieren. 

Stattdessen erfolgte vergangenen Jahres der chaotische Abzug aus Afghanistan. Ohne die Streitkräfte der USA hätte nicht einmal der Kabuler Flughafen abgesichert werden können. Ortskräfte, die die Graswurzelarbeit leisteten und die Errichtung von Stützpunkten erst möglich machten, wurden im Stich gelassen. Wegen der Zusammenarbeit mit Ungläubigen wird ihr Leben nun von den fundamental-islamistischen Taliban bedroht.  Die deutschen Geheimdienste hatten die Lage vor Ort völlig falsch eingeschätzt. Die Taliban konnten viel schneller Vordringen, als es erwartet wurde. Der Widerstand durch die Kräfte der afghanischen Zentralregierung war schwach, gerade in der ländlichen Zivilbevölkerung war er oft fast gar nicht vorhanden. Die Geheimdienste hatten weder auf die Befürchtungen der Ortskräfte gehört noch aus der Geschichte gelernt.

Am 15. August vor einem Jahr wurde Kabul durch die Taliban erobert. Das Regime erklärte diesen Tag nun zum nationalen Feiertag. Das Land steht heute wieder unter straffer islamistischer Führung. Menschen werden öffentlich hingerichtet und Frauen, die sich unverschleiert vor die Tür wagen, müssen um ihr Leben und das ihrer Familie fürchten. In Afghanistan ließen 59 deutsche Soldaten ihr Leben. Die Regierungen der letzten 2 Jahrzehnte sind dafür verantwortlich, dass ihr Tod sinnlos war. Es ist nun Aufgabe der Politik das eigene Versagen aufzuklären, zu dokumentieren und das Schicksal der Soldaten in gebotenem Maße zu würdigen. Dass dies geschieht, muss leider bezweifelt werden, denn dann müssten die Verantwortlichen sich selbst zur Rechenschaft ziehen.




Warum Viktor Orbán kein Vorbild für Konservative ist

Von Martin Cohle | Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán wird in der rechtskonservativen Szene immer beliebter. Und nicht nur in Europa, auch in den USA. Vor wenigen Tagen war er in Texas auf der „Conservative Political Action Conference“ wo er eine äußerst kontroverse Rede hielt. In den westlichen Medien wurde er dafür selbstverständlich heftig kritisiert, was ich auch gut nachvollziehen kann. Tucker Carlson ein amerikanischer, rechtskonservativer Moderator von Fox News hat ihn auch vor einiger Zeit interviewt. Für seine kontroverse Meinung und radikale, kämpferische Aussagen wurde er von den Republikanern und Rechten gefeiert.

In Ungarn wird Orbán von Fidesz-Wählern mittlerweile schon als Held angesehen, der seinen verhassten Vorgänger (Ferenc Gyurcsány) abgelöst hat. Übrigens: wenn jemand so sehr gehasst wird wie Gyurcsány, dann ist es keine Kunst die Bevölkerung davon zu überzeugen, dass ich besser bin als mein Vorgänger. Das hat ihm gelungen und seit über zehn Jahren ist er Ungarns Ministerpräsident, der die Bevölkerung extrem spaltet. Diese Spaltung beobachte ich auch in meiner Familie. Aber warum sollte Orbán mindestens für westliche Konservative kein Vorbild sein? Dafür gibt es meiner Meinung nach mindestens zwei sehr gute Gründe, die ich hier kurz erläutern möchte.

 

Grund 1: Orbáns Ungarn ist korrupt.

Wer oft Nachrichten liest und sich in zentral- und osteuropäischer Politik ein wenig auskennt weiß, dass die ungarische Regierung und Justiz extrem korrupt sind. Zumindest für europäische Verhältnisse. Leider kann man die tatsächliche Korruption nicht messen, aber es gibt sehr vertrauenswürdige wissenschaftliche Indizes, die zumindest die wahrgenommene Korruption messen. Für diese Datenerhebung wurden Experten, Wissenschaftler und Unternehmer befragt, um die größtmögliche Objektivität zu erreichen. Die Bevölkerung zu befragen wäre schließlich dumm.Solche Indizes sind zum Beispiel der “Control perception index” von Transparency International, der “Control of corruption index” von Worldwide Governance Indicators oder der “Political corruption index” von Varieties of democracy. Alle drei Indizes zeigen, dass die wahrgenommene Korruption in Ungarn sehr hoch ist – und das, obwohl Ungarn Mitglied der EU ist. Die tatsächliche Korruption zu bemessen ist unmöglich, aber es ist gut vorstellbar, dass sie noch schlimmer ist als die erfasste Korruption. 

 

Der ungarische Journalist und Fidesz-Kritiker „Puzsér Róbert“ findet es unpassend, Ungarn als Autokratie zu bezeichnen. Er findet, dass der Begriff „Monarchie“ viel besser passt. Aber warum? Schauen wir uns die reichste Person in Ungarn an: Lörinc Mészáros ist  Unternehmer und ganz zufällig ein alter Schulfreund von Orbán. Das Vermögen des ehemaliges Fidesz-Parteimitglied und ex-Bürgermeister von Orbans Heimatstadt Felcsút wird auf ca. 1,1 bis 1,3 Milliarden US-Dollar geschätzt, was in Ungarn unglaublich viel Geld ist. Es gibt aber auch unzählige andere alte Freunde, Familienmitglieder und Sympathisanten von Orbán, die von seinem Regime in irgendeiner Weise profitieren. Monarchie ist in dem Fall also doch ziemlich passend. Wird der nächste Ministerpräsident vielleicht Orbáns Sohn?

 

Grund 2: Orbáns Konservatismus ist unehrlich

 

Wenn man Viktor Orbán nur aus den Nachrichten kennt, dann könnte man meinen, dass er ein ganz normaler konservativer Politiker sei. Das ist er aber nicht. Sein Konservatismus ist nicht ehrlich. Orbán ist ein typischer Opportunist, der immer das sagt, was die Mehrheit der Bevölkerung hören möchte. Und große Überraschung: Die Mehrheit in Ungarn ist gegen die EU, konservativ bis rechts und dockt oft leider auch an rechtsextreme Positionen an. Wäre die große Mehrheit der Bevölkerung in Ungarn linksliberal, dann müsste sich Orbán anpassen, um an der Macht zu bleiben. Sonst würden all die verdeckten Korruptionsfälle an das Tageslicht kommen und ihm würde genau das Gleiche passieren wie seinem Vorgänger Ferenc Gyurcsány, der in Ungnade gehen musste und heute als unbeliebtester Ministerpräsident der Nachkriegszeit gilt. Vielleicht würde man ihn sogar ins Gefängnis stecken. Allein schon deswegen kann er gar nicht zulassen, dass ein anderer aus der Opposition an die Macht kommt. Er hat zu viel zu verlieren!

 

Viele die Orbán nicht kennen, wissen nicht, dass er mal auch ein linker, progressiver Aktivist war wie viele Jugendliche im heutigen Westen. Als junger Liberaler war er auch gegen den Sozialismus und hat sich für eine liberale Demokratie eingesetzt. Aber was ist mit ihm passiert? Wie wurde aus einem progressiven jungen Mann ein pseudo-konservativer Politiker, der die Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Ungarn zerstört? Wie kann sich ein Politiker so radikal verändern? Über diese Frage könnte man eine ganze Bachelor- oder Masterarbeit schreiben.

Ich kann natürlich verstehen, warum so viele Konservative und Rechte in Deutschland und anderswo Orbán mögen und idealisieren. Er provoziert Linksliberale und sagt was viele nicht hören wollen. Ähnlich wie Trump. Schade nur, dass sich hinter der „konservativen Fassade“ ein korrupter Oligarch und Opportunist versteckt, der zusätzlich noch die Demokratie Ungarns zerstört, die Justiz beeinflusst und die Bevölkerung so sehr spaltet, wie nur sehr wenige Politiker vor ihm. Wenn dieser Mann ein Vorbild für Konservative ist, dann will ich mit diesen Konservativen nichts zu tun haben – denn Orbans Machenschaften haben nichts mit Konservatismus zu tun.


Terror und Gewalt gegen Israel: Wo ist die deutsche Solidarität?

Von Selma Green | Seit Jahrzehnten fordert der Konflikt zwischen Israel und den arabischen Palästinensern regelmäßig Opfer. Berichte von neuen Anschlägen und Attentaten in Israel füllen immer wieder die Nachrichtenseiten.

Aktuell sorgte ein Anschlag eines palästinensischen Terroristen auf jüdische Gläubige in der Altstadt Jerusalems wieder für Unruhe. Auf einem Parkplatz schoss der Täter auf einen Bus mit jüdischen Gläubigen. Acht Menschen wurden verletzt, darunter eine schwangere Frau. Ihr Kind musste durch einen Notkaiserschnitt auf die Welt gebracht werden und war ebenfalls schwer verletzt. Der 26-jährige palästinensische Täter stellte sich später der Polizei. 

Solche Anschläge im Nahen Osten schockieren immer wieder aufs Neue: Umso weniger verstehe ich, warum die Mehrheit der deutschen Medien sich latent oder offen pro-palästinensisch äußern. Das alles brachte mich dazu, der Geschichte Israels auf den Grund zu gehen. Wenn man sich erst einmal mit den historischen Fakten vertraut gemacht hat, kann man eigentlich zu keinem anderen Schluss kommen, als dass die arabischen Palästinenser schlicht aus Antisemitismus gegen den Staat Israel sind und es immer waren. 

Sie stellen sich aber beständig als die Opfer Israels dar, so auch der Sprecher der Hamas. Dieser erklärte den Angriff des Terroristen als “natürliche Reaktion auf die Arroganz der Besatzungssoldaten (Israel) […] und ihre täglichen Verbrechen gegen unser Volk, unser Land und unsere islamischen und christliche Stätten.” 

Viel erschreckender finde ich es allerdings, wenn die deutschen Medien diese Propaganda übernehmen. Ein Großteil behandelt den Nahost-Konflikt entweder völlig neutral, selbst wenn terroristische “Palästinenser” der Aggressor sind, oder sie nehmen die terroristischen “Palästinenser” in Schutz. 

Nicht nur die Medien, nein auch meine Mitschüler haben wenig Ahnung von dem Nahost- Konflikt und beharren trotzdem auf dem Trugbild der armen Palästinenser. Es scheint in Deutschland nur wenige zu geben, die das anders sehen: die Palästinenser als Opfer Israels – diese Meinung ist allgegenwärtig. 

Als ich in Berlin das erste Mal auf der Straße mit dieser Sichtweise konfrontiert wurde, machte es mir Angst: Ich bekam einmal von einem israelischen Restaurant eine kleine Plastik-Israelflagge geschenkt, worüber ich mich sehr freute und die ich – naiv wie ich nun mal bin – stolz auf dem Weg zum Auto schwenkte. Es dauerte gerade mal 60 Sekunden, da pöbelte mich schon jemand auf seinem E-Roller von der Seite an: ”Ey, wir sind hier nicht in Amerika!” Als ich ihm perplex nachsah, stierte er mich mit aufgerissenen, verrückten Augen an und wurde langsamer. Ich hatte schon Angst, er würde gleich von seinem Roller steigen und mir etwas antun. Er fuhr weiter, zu meinem Glück. 

Wie kann es nur sein, dass ein Bekenntnis auf den Straßen Berlins zu Palästina hingenommen oder gar begrüßt wird, während ein Bekenntnis zu Israel zum Beispiel in Neukölln fast schon ein Todesurteil wäre? Gerade die Deutschen müssten sich doch eindeutig für Israel, für die Juden im Nahen Osten positionieren. Einerseits wegen der besonderen Verantwortung Deutschlands gegenüber den Juden, aber auch um den einzigen Vertreter westlicher Werte im Nahen Osten – Israel – zu unterstützen.  Der Typ auf dem Roller hatte schon recht: hier in Deutschland ist die pro-israelische Haltung nicht so klar wie in Amerika. 


Ein Jahr Fall von Kabul: Das Versagen der deutschen Politik

Am 15. August 2022 jährte sich der Fall von Kabul von 2021 zum ersten Mal, Apollo bringt daher diese Woche eine Artikelserie zum Rückblick auf die Geschehnisse von damals und ihren Konsequenzen. 

Von Leon Hendryk | Rückblende: August 2021 – nachdem die westlichen Truppen abziehen, fällt der afghanische Staatsapparat innerhalb weniger Wochen wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Die Taliban erobern tagtäglich neue Städte und dringen schlussendlich auch nach Kabul ein, die einzige Stadt Afghanistans, die für die letzten 20 Jahre den Taliban getrotzt hatte. Panisch versuchen tausende Ausländer und Afghanen das Land zu verlassen um der Rache der Taliban zu entgehen, es kommt zu dramatischen Szenen am Flughafen der Stadt. Andere versuchen das Chaos auszunutzen um als angeblich Verfolgte nach Europa oder Amerika auszureisen. Die Evakuierung der Ausreisewilligen verläuft schleppend, die Verantwortlichen sind sichtlich überfordert mit der Situation. Auch die deutsche Regierung versagt auf voller Linie und schafft es nicht, alle eigenen Staatsangehörigen und für sie arbeitende Afghanen rechtzeitig aus dem Land zu bringen. Der Abzug wird zum krönenden Finale einer von Misserfolgen geprägten Afghanistan-Mission.

Dieser völlig chaotische Abzug der Militärallianz wirft auch in der deutschen Öffentlichkeit viele Fragen auf. Warum war man nicht auf diese Entwicklung vorbereitet, oder hatte sie zumindest in Erwägung gezogen? Warum schafften es die Verantwortlichen nicht, die Evakuierungsflüge zu füllen, was dazu führte, dass fast leere Flugzeuge in Kabul starteten, während Hunderte auf ihre Evakuierung warteten? Um diese Fragen zu beantworteten, richtete der Bundestag im Juni 2022 einen Untersuchungsausschuss ein. Ein schon im Mai eingebrachter Antrag der AfD-Fraktion für die Bildung eines solchen Untersuchungsausschusses hatten zuvor alle anderen Parteien abgelehnt. 

Der Untersuchungsausschuss besteht aus Mitgliedern aller im Bundestag vertretenen Fraktionen, wird allerdings geleitet von niemand geringerem als Ralf Stegner (SPD). Dieser machte in den letzten Jahren vor allem mit Pöbeleien gegen politische Gegner von sich reden. Das ausgerechnet ein Parteisoldat der SPD den Ausschuss leitet ist erstaunlich, denn einer der mutmaßlichen Hauptverantwortlichen des Debakels ist der damalige Außenminister Heiko Maas. Schon mehr als eine Woche vor dem Fall Kabuls hatte die deutsche Botschafterin in den USA, Emily Haber, ihn gewarnt, dass amerikanische Geheimdienste eine baldige Einnahme der Stadt durch die Taliban befürchteten. Doch diese Worte verhallten, Maßnahmen wurden anscheinend keine getroffen. Der Notfallplan für die Evakuierung der deutschen Botschaft in Kabul wurde ebenso erst später aktiviert. Auch der jetzige Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) war damals schon als Vizekanzler beteiligt. Doch nicht nur die SPD untersucht ihr eigenes Scheitern in Afghanistan. Auch die CDU ist mit drei Mitgliedern im Untersuchungsausschuss vertreten. Wie sich das auf die Bewertung des Verhaltens von Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) auswirkt, die damals Verteidigungsministerin war, ist nicht schwer zu mutmaßen.

Insgesamt besteht der Eindruck, dass der Ausschuss eher erklären als aufklären will. Schon in der Bundestagsdebatte um den letztendlich abgelehnten AfD-Antrag machten sowohl Ralf Stegner als auch Norbert Röttgen (CDU) klar, dass es ihrer Meinung nach bei dem Untersuchungsausschuss nicht darum gehe die Verursacher des eklatanten Versagens der deutschen Evakuierungsbemühungen während des Fall Kabuls zu finden. Stattdessen wolle man, so Stegner, „gemeinsam mit den demokratischen Parteien dieses Hauses konstruktiv daran […] arbeiten und aus Fehlern […] lernen“. Röttgen pflichtete ihm bei, und betont: „Im Zentrum eines Untersuchungsausschusses steht die Beweisaufnahme. Es geht um Sachverhaltsermittlung; allein darum geht es“. Doch ist es wirklich die Aufgabe eines Untersuchungsausschusses, nur Aktenordner mit „Beweisen“ zu füllen? Eine polizeiliche Untersuchung nach einem Gesetzesverstoß begnügt sich schließlich auch nicht mit der Beweisaufnahme, sondern nutzt diese Beweise dann um möglichst schnell die Verantwortlichen zu finden. 

Abgesehen von ihrem etwas seltsamen Verständnis des Untersuchungsauftrages ist es höchst fragwürdig, dass die Parteien CDU und SPD, die zum Zeitpunkt des Debakels die Regierungsverantwortung trugen, 6 der 12 Mitglieder des Ausschusses stellen. Realistisch betrachtet haben sie wohl kein besonderes Interesse daran, ihren Parteikollegen (Pardon an die SPD-Fraktion, ich meinte natürlich Parteigenossen) Fehlverhalten zu bescheinigen. Ganz im Gegenteil, die Entscheidungsmacht könnte sogar dazu genutzt werden um die Fehleinschätzungen und organisatorischen Schwächen von Maas, Kramp-Karrenbauer und Konsorten zu vertuschen. Aber auch bei Grünen und der FDP gibt es wohl leider wenig Interesse die Verantwortlichen von damals ins Visier zu nehmen, schon alleine um den heutigen Koalitionspartner SPD zu schonen. 

Letztendlich bleibt nur die Feststellung: Indem man den ehemaligen Regierungsparteien so viel Macht und selbst den Vorsitz im Ausschuss gewährt, macht man in sprichwörtlicher Weise den Bock zum Gärtner. Echte Aufklärung der chaotischen letzten Wochen des Afghanistanabzugs wird es so wohl nicht geben!