Ein Jahr Schreckensherrschaft in Kabul. Videostatement der Apollo-Redaktion
Unser Außenpolitik-Experte Sebastian Thormann spricht zum Fall von Kabul, der sich heute am 15. August jährt.
Unser Außenpolitik-Experte Sebastian Thormann spricht zum Fall von Kabul, der sich heute am 15. August jährt.

Von Luca Tannek | Anscheinend existieren im Hochsteuerland Deutschland noch nicht genügend Steuern. Das könnte man annehmen, wenn man die Diskussion über die sogenannte Übergewinnsteuer verfolgt. Politiker, Journalisten und Ökonomen streiten nämlich derzeit darüber, ob der Staat Unternehmen mit sehr hohen Gewinnen eine zusätzliche Steuer aufdrücken soll. Bundeskanzler Olaf Scholz und Finanzminister Christian Lindner lehnen die neue Steuer bisher ab. Von den Anhängern einer solchen Steuer heißt es, vereinzelte Firmen (vor allem aus der Ölindustrie) würden durch den Krieg zu Krisengewinnern und profitierten angeblich vom Ukrainekrieg, während Haushalte die hohen Energiepreisen spüren.
Das Hauptargument von Linken und Grünen lautet: wenn der Staat eine Übergewinnsteuer einführt, könnte er diese Übergewinne an Haushalte umverteilen, die von den hohen Energiepreisen stark betroffen sind. Anstatt auf die Idee zu kommen, einfach die Mehrwertsteuer, Energiesteuer, CO2-Steuer und Mineralölsteuer auf Sprit gänzlich abzuschaffen und somit ein schnelles und wirksames Mittel gegen die hohe finanzielle Belastung der Bürger wirken lässt, möchten Grüne und Linke lieber ihren Umverteilungsfetischismus ausleben. Ebenso spricht niemand darüber, dass sich der Preis pro Kilowattstunde Strom aus rund 40% Steuern und Abgaben zusammensetzt. Die Abschaffung von indirekten Steuern wäre wohl zu einfach. Da müsste der Staat ja abspecken und der macht bekanntlich ungern eine Diät.
Neben der Abschaffung von indirekten Steuern auf Energie, könnten politische Verantwortliche die OPEC dazu auffordern, dass sie ihre Fördermenge wieder erhöht. Das Öl-Kartell hat sein Volumen seit geraumer Zeit minimiert und sorgt somit für Knappheit, die (neben der Geldemengenerhöhung der EZB) für hohe Preise sorgt. Ein höheres Angebot würde den Preis auf Erdöl senken. Entlastungen gehen auch marktwirtschaftlich.
Und überhaupt stellt sich eine wichtige Frage für die Befürworter der Übergewinnsteuer: Was ist denn ein Übergewinn? Tja, so genau können die Damen und Herren von SPD, Grüne und Linke das nicht beantworten. Es liegen keine konkreten Zahlen vor. Aktuell gibt es keinen Vorschlag, wie sich ein Übergewinn definiert. Laut Tagesschau ist der wissenschaftliche Dienst des Bundestags bereits dabei, sich eine Hokuspokus-Formel für die neue Steuer zu überlegen. Man kann sich nur fragen, wie dieser Entwurf genau am Ende aussehen soll. In der gesamten Betriebswirtschaftslehre gibt es nämlich keine Übergewinne – nur Gewinne. Und ein Gewinn resultiert ganz einfach dann, wenn ein Unternehmen höhere Erlöse als Kosten hat.
Interessant ist auch, dass – im Gegensatz zu Ölunternehmen – eine sogenannte „Übergewinnsteuer“ bei Pharmaunternehmen nie gefordert wurde. Dabei hat beispielsweise BioNTech im Jahr 2021 einen Gewinn von ca. 50% generiert. Dieser Gewinn konnte nur durch den Steuerzahler generiert werden, da die die EU sämtliche Impfdosen einkaufte. Anschließend wurden Bürger genötigt, eine Impfung in Anspruch zu nehmen. Solche staatlichen Methoden, um privaten Unternehmen hohe Gewinne zu beschaffen, sind für Linke und Grüne wohl in Ordnung. Aber wenn es Ölunternehmen gelingt, höhere Gewinne zu erzielen -und das ohne staatliche Gelder oder Repression der Bürger- schrillen die Alarmglocken.
Da es keinen Übergewinn gibt, sollte die Idee auch schnell wieder begraben werden. Wenn Entlastungen, dann bitte durch marktwirtschaftliche Methoden und keinen sozialistischen Humbug, der am Ende nur Unternehmen schwächt und darauf abzielt, den Staat unnötig fetter werden zu lassen.

Am 15. August 2022 jährt sich der Fall von Kabul von 2021 zum ersten Mal, Apollo bringt daher diese Woche eine Artikelserie zum Rückblick auf die Geschehnisse von damals und ihren Konsequenzen.
Von Boris Cherny | Vor etwas mehr als einem Jahr war die Welt für Präsident Biden noch in Ordnung. Seine Umfragewerte waren durchaus komfortabel, und sowohl wirtschaftlich als auch außenpolitisch schien die USA wieder an Fahrt aufzunehmen. Das änderte sich jedoch abrupt als eine Stadt 11.000 km von Washington DC entfernt in die Hände radikaler Islamisten fiel.
Die Zeit vor August 2021 kann man für Joe Biden als durchaus erfolgreiche Zeit einordnen (zumindest was die Erfüllung von Wahlversprechen angeht, die Sinnhaftigkeit dieser ist fraglich). Sein American Rescue Plan, der die Wirtschaft, mithilfe von keynesianischen Methoden, wieder ankurbeln sollte, wurde vom Kongress verabschiedet. Der Impffortschritt gegen Covid-19 ging rasant voran. Joe Bidens Infrastrukturplan, eines seiner größten Wahlversprechen, war auf dem Weg durch den Senat. Corona schien besiegt, und viele Bundesstaaten lockerten ihre Regeln deutlich, sodass ein fast unbeschwerter Sommer möglich war.
Last but not least konnte er fast schon nebenbei den längsten Krieg in der amerikanischen Geschichte beenden, und das scheinbar mit einem Sieg. Die Taliban, die nun seit Jahren erfolglos versuchten die Macht an sich zu reißen, waren zu Friedensverhandlungen bereit, und die ersten Verträge waren unter Trump schon geschlossen. Alles schien so, als ob die islamischen Fundamentalisten nie wieder an die Macht in Afghanistan zurückkehren könnten. Ihre letzte Regierungszeit, geprägt von der blutigen Durchsetzung der Scharia und dem zerstörerischen Bürgerkrieg, endete mit der Besetzung des Landes durch die USA nach 9/11. Doch nun machte sich Biden es zum Ziel die amerikanischen Truppen bis zum zwanzigsten Jahrestag dieser Tragödie komplett aus Afghanistan abzuziehen, und die afghanische Regierung und Armee vollkommen auf sich selbst zu stellen.
Allerdings kam die Freude zu früh, sowohl Trump als auch Biden unterschätzten die Taliban und ihre Kompromisslosigkeit. Und nach einem August, indem Kabul der im Mai begonnenen Offensive der Taliban zum Opfer fiel, sanken Bidens Zustimmungswerte in den Keller. Das gravierende Missmanagement der Krise nach dem Fall der Hauptstadt eröffnete erstmals vielen Amerikanern die Inkompetenz der Biden Regierung.
Das Chaos am Flughafen von Kabul, die zurückgelassenen Menschen stehen sinnbildlich für das Scheitern einer Präsidentschaft. Erstmals wagte der linke Mainstream à la CNN und MSNBC die politischen Entscheidungen des Staatsoberhaupts infrage zu stellen und sogar zu kritisieren. Das öffnete auch den Raum für Kritik fernab der Außenpolitik. Und plötzlich fingen auch moderate Wähler an, sich an Bidens unzähligen verbalen Ausrutschern zu stören. Mit dem Fall von Kabul begann, zwar unabhängig von der Situation in Afghanistan, eine selbstverschuldete Leidenszeit für Joe Biden und seine Politik. Die verantwortungslosen Stimulationsmaßnahmen des American Rescue Plans und die desaströse Inkompetenz der amerikanischen Notenbank führten zu einer galoppierenden Inflation. Die unnötigen Lockdowns, um ein Virus zu bekämpfen, das in seiner aktuellen Variante fast seine ganze Tödlichkeit verloren hat, schadeten Mensch und Wirtschaft.
In den Novemberwahlen 2021, wo wichtige Gouverneurswahlen anstanden, mussten die Demokraten einige herbe Niederlagen mitnehmen, und nun blickt Biden in diesem November einer Wahl entgegen, die seine Demokraten höchstwahrscheinlich die Mehrheit in mindestens einer Kongresskammer kosten wird. Ob der Niedergang Joe Bidens zusammen mit dem Fall von Kabul hätte verhindert werden können, ist fraglich, doch markiert dieses Ereignis das vorzeitige Scheitern eines Präsidenten, der im Grunde optimale Bedingungen vom Vorgänger geerbt hatte: Eine sich erholende Wirtschaft, autokratische Staaten wie China und Russland unter Kontrolle und sich beruhigende innenpolitische Verhältnisse. Das alles wurde innerhalb vom letzten Jahr, nach dem Fall von Kabul verloren.

Von Elena Klagges | Seit einigen Jahren spart die Bundesregierung und deutsche Verwaltung nicht mit Warnungen die Gesellschaft mehr zu verunsichern als ordentlich auf einen Ernstfall vorzubereiten. Sei es bei Corona mit den allbekannten ,,Schutzmaßnahmen’’ oder jetzt bei der Hitzewelle mit den vorgeschlagen Verhaltensweisen.
Doch kommt es zur Energiewende und der bestehenden Gefahr eines Blackouts im Winter, bleibt der Vater Staat verhältnismäßig ruhig. Das könnte daran liegen, dass man sich nicht eingestehen möchte, dass seit der 2011 eingeleiteten Energiewende der Stromverbrauch nicht hinreichend abgedeckt und die Netzstabilität garantiert werden kann. Und das Risiko eines Blackout-Szenarios ist europaweit seit Februar 2022 deutlich gestiegen.
In Großbritannien erwägt man sogar schon organisierte Strom- und Gasausfälle im Winter sowohl für die Industrie als auch private Haushalte, um den allgemeinen Verbrauch einzusparen. Seitens des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz heißt es zwar noch, dass die Netzstabilität bei verschiedenen Stresstests regelmäßig kontrolliert wird. Doch hat sich die Situation zugespitzt. Der von Robert Habeck in Katar ausgehandelte Gas-Deal ist geplatzt, nach der Wartung fließt zwar wieder Gas durch die Nord-Stream 1 Gaspipeline, allerdings im reduzierten Umfang. Die Diskussion um die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke Isar 2, Emsland und Neckarwestheim 2 ist im vollem Gange und noch lange nicht abgeschlossen, ob überhaupt und wenn ja, für wie lange der Weiterbetrieb möglich sei. Selbst der grüne Wirtschaftsminister Habeck schließt dieses – wie er es nennt – ,,Sonderszenario’’ seit einigen Tagen nicht mehr aus, um gegebenenfalls ausreichende Rückspannung im Netz zu sichern.
Vor dem Hintergrund, dass sich Deutschlands Gasspeicher seit Monaten auch immer stärker leeren, hatte der Gesamtverband der deutschen Versicherungsgesellschaften (GDV) schon im Februar 2022 gewarnt, dass die deutsche Bevölkerung nicht auf einen längeren Stromausfall vorbereitet sei.
Jetzt, wo es langsam Richtung Winter geht und der Krieg in der Ukraine weiterhin wütet, darf man nicht vergessen, dass die Deutschen sich schon jetzt mit zusätzlichen elektrischen Wärmegeräten ausgestattet haben, um im Endeffekt nicht für die Freiheit frieren zu müssen.
Wenn wir dann bald um die Weihnachtszeit alle nach Hause zurück kehren und gemeinsam ein mollig warmes Fest feiern wollen, alle gleichzeitig die Heizung aufdrehen und uns in der Küche austoben, die Innenstädte und Supermärkte plündern, bleibt der Blackout ein realistisches Ereignis. Mit welchen Folgen? Angefangen damit, dass Licht und Strom für die Mobiltelefone, Kühlschränke etc. fehlen wird, werden auch Verkehrsstrukturen wie Tunnel, ÖPNV und Tankstellen nicht mehr betrieben werden können. Die Zahlungssysteme in den Supermärkten und generell bei den Banken würden ausfallen und das Gesundheitssystem wird auf seine Notfallaggregate zurückgreifen müssen.
Hier deshalb eine kleine Packliste mit Empfehlungen vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, damit der ,,Camping-Urlaub’’ zu Hause ein voller Erfolg wird:
Zunächst sollte man für einen Zeitraum von 10-14 Tagen rechnen. Überlegen Sie sich dann ein nettes Menu, dass aus lang anhaltenden Lebensmitteln wie Reis, Nudeln, Kartoffeln oder Knäckebrot und Beilagen wie Bohnen, Erbsen, Rotkohl oder anderen Gemüsesorten aus der Dose gezaubert werden kann. Als kulinarische Höhepunkte für das Fest bieten sich Tunfisch aus der Dose oder für den Heiligen Abend am 24. Dezember klassisch Bockwürstchen mit Kartoffelsalat aus dem Glas an. Sollten die Ideen ausgehen, kann man auch einen Blick in das ,,Kochbuch für alle Fälle’’ werden, das verschiedene Rezepte auflistet, die ohne Strom und fließend Wasser zubereitet werden können. Für alle Kochmuffel unter uns könnte dieses Weihnachten also vielleicht das entspannteste Fest seit langem werden.
Denken Sie auch an einen ausreichenden Wasserdepot, wobei Sie mit ca. 2 Litern pro Person pro Tag rechnen können. Außerdem wäre ein bisschen Bargeld unter der Matratze nicht schlecht, ausreichend Batterien für z.B. Radios. Daneben noch Kerzen, Taschenlampen und Feuerzeuge, sowie eine kleine Hausapotheke mit Verbandskasten, Schmerzmittel, Desinfektionsmittel und ein bisschen Medizin für Erkältungskrankheiten oder Durchfall.
Nicht zu vergessen: Hygieneartikel wie Seife, Zahnpasta , Toilettenpapier, Müllbeutel und Einweg-Geschirr (die Diskussion um den Abwasch wird mangels fließendem Wasser Gott sei Dank hinfällig) und Wolldecken.
Das Auto vor der Tür sollte im besten Fall mindestens zur Hälfte getankt sein und da man ja nie genau wissen kann, wann der Ernstfall einritt und es sein könnte, dass man just in dem Moment wie Chandler Bing in Friends mit einem hottem Victoria’s Secret Model in einem ATM stecken bleiben könnte (weil die elektrischen Türen sich ja nicht mehr öffnen…), denkt an einen Filzstift und an eine Karte oder eine Cappie, die man sich signieren lassen kann.

Von Sarah Victoria | Ferienzeit ist Reisezeit. Die Koffer sind gepackt, die Tickets gebucht und jetzt heißt es nicht nur für Apollo-Autoren: Ab in den Urlaub! Während manche klimabewusst zuhause bleiben, oder ihr CO2 immerhin im eigenen Land ausstoßen, nutzen andere die Ferien, um die Welt zu entdecken.
Flugzeuge sind dabei nach we vor das beliebteste Transportmittel für Fernreisen. Rund 18 Millionen Deutsche sind im vergangenen Jahr für ihren Urlaub in den Flieger gestiegen. Was wie eine logische Beobachtung klingen mag – wer will schon bis in die Karibik schwimmen oder mit dem Flixbus nach Mallorca durchbrechen – trägt für viele Klimaktivisten einen bitteren Beigeschmack mit sich. Die Klimakiller sind wieder unterwegs und töten den Planeten, eine Flugreise nach der anderen. Fliegen ist die klimaschädlichste Art zu reisen, sie produziert nämlich CO2. Doch um den Planeten zu retten, müssen weltweit Treibhausgase reduziert werden. Dafür soll am besten ganz auf Flüge verzichtet werden – ganz nach dem Motto „Zuhause ist es doch am Schönsten!“. Eine Forderung, die man zuerst nicht im politisch linken Spektrum vermuten würde. Und in der Tat steht das Vorhaben, den CO2-Fußabdruck zu reduzieren, im krassen Gegensatz zum sonstigen Wunsch nach kultureller Vielfalt und internationalem Austausch. Weltoffenheit ja, aber nur, wenn alle im eigenen Land bleiben? Das geht selbst den Klimaaktivisten zu weit. Um dieser Identitätskrise zu entgehen, haben sie eine Lösung in Form der freiwilligen CO2-Kompensation gefunden.
Der Begriff Kompensieren bedeutet so viel wie einen Nachteil ausgleichen. Bezogen auf die Flugkompensation sollen also die ausgestoßenen CO2-Emissionen ausgeglichen werden. Dafür wird für die verbrauchte Menge CO2 ein Spendenbetrag bestimmt, mit dem der verursachte Schaden kompensiert werden soll. Einer der bekanntesten Rechner stammt vom Umweltbundesamt, es gibt aber noch viele weitere Anbieter. Dieser Ausgleich ist anscheinend möglich, da das Klima ein globales Phänomen sei, dem es prinzipiell egal sei, an welchem Ort Treibhausgase entstehen oder eingespart werden. Europäische Abgase können nach dieser Logik selbst am anderen Ende der Welt kompensiert werden. Emissionen vermeiden wäre zwar ideal, aber Zertifikate tun es im Notfall auch.
Ein simples Prinzip, das historische Tradition hat. Schon im 15. Jahrhundert wusste die katholische Kirche, dass Kompensation im psychologischen Sinne immer mit dem Ausgleich einer echten oder eingebildeten Minderwertigkeit zusammenhängt. Mittels Ablassbriefen konnten Sündiger sich Gnade erkaufen und dadurch ihre Strafe mildern – und ganz nebenbei ihr Geld in Kirchenbauten investieren. Denn „wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Fegefeuer springt!“. In der Tat erinnert das Narrativ der CO2-Kompensation stark an den mittelalterlichen Ablasshandel und die christliche Sündenlehre. Schon von Geburt an belastet der Mensch seine Umwelt durch den Verbrauch von Ressourcen, er trägt die Erbschuld quasi in sich. Im Laufe des Lebens wird er dann zum Parasiten, der den Planeten je nach Lebensstil mehr oder weniger zerstört. Der klimabewusste Mensch ist sich dieser Schuld bewusst. Zeitgleich ist er jedoch auch fähig, den Planeten vor genau dieser Zerstörung zu bewahren. Genau diese innere Zerrissenheit greift die CO2-Kompensation auf und bietet ein gutes Gewissen für reichlich Geld an.
Die Kosten für den Emissionsausgleich können dabei variieren. Für eine vierköpfige Familie kostet der Flug nach Mallorca beim Marktführer „Atmosfair“ etwa 40 Euro, bei der kirchliche Organisation „Klima-Kollekte“ wären es über 60 Euro, andere Anbieter verlangen das Doppelte. Statt die einzelnen Projekte selbst recherchieren zu müssen, stellt der unter Flugscham leidende Spender sein Geld der Dachorganisation zur Verfügung, die dann selbst die Investition in einzelne Projekte übernimmt. Ziel der Projekte ist es immer, CO2 einzusparen. Sei es in die Subvention von leistungsfähigen Öfen in Nigeria oder Nepal, in die Finanzierung von indischem Biogas aus Kuhdung oder den Bau von Windkraftanlagen in Nicaragua.
Ob das in Mallorca verbrannte Kerosin durch indischen Kuhdung wiedergutgemacht werden kann? Ich wage das zu bezweifeln. Ebenso fraglich wie der Ansatz, global irgendwelche Wirkzusammenhänge feststellen zu wollen. Die Organisationen verweisen oft auf die positiven Effekte, die die einzelnen Projekte für das Klima haben. Ein Ziel, das so abstrakt ist, dass man so gut wie alles darunter zählen kann. Genauso gut könnte ich die Behauptung aufstellen, dass meine Mobilitätsverweigerung im Sportunterricht bereits CO2 einsparte oder ich durch meinen Urlaub vor dem heimischen Ventilator das Klima rette – den ich übrigens einschalten darf, wir haben Solarstrom.
Um dennoch etwas Seriosität zu erlangen, gibt es auch für Kompensationsprojekte Standards. Standards alleine bedeuten natürlich noch nicht, dass eine Organisation die Mittel sinnvoll einsetzt, aber immerhin wird dadurch versucht, die allzu kriminellen Anbieter herauszufiltern. Neben dem Standard für Emissionszertifikate vom UN-Klimasekretariat gibt es etwa das Siegel des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI) oder auch den Gold Standard, ein jetzt unabhängiger, aber vom WWF entwickelter, Qualitätsstandard. Die Siegel sollen sicherstellen, dass die Gelder vor Ort ankommen. Eine wichtige Regel lautet dabei: Seriöse Organisationen setzen Mittel für konkrete Projekte mit einem klaren und verbindlichen Zeitrahmen ein. Siegelträger beschränken sich in ihren Projekten meist auf konkrete Programme, wie etwa die Aufforstung von bestimmten Wäldern oder den Schutz von Mooren. Ausschau halten die Qualitätsprüfer außerdem nach der berüchtigten 35%-Marke. Gemeinnützige Organisationen sollen nach dem DZI grundsätzlich nicht mehr als 35% der Spendengelder in Verwaltungskosten und Werbung stecken. Das erfordert natürlich die Transparenz der Finanzen. Neben diesen Indikatoren muss zudem nachgewiesen werden, dass die Projekte in irgendeiner Form Treibhausgase reduzieren und am besten auch nicht menschenfeindlich sind – ein nicht unwichtiger Punkt im Naturschutz, man denke etwa an die vom WWF finanzierten Menschenrechtsverletzungen in Asien und Afrika. Auffällig ist, dass nur wenige Klimaschutzorganisationen eines dieser Siegel tragen oder ihre Finanzen veröffentlichen. Nur einer der von Stiftung Warentest getesteten Anbieter trägt etwa das DIZ Siegel und auch der Gold Standard ist selten. In der Vergangenheit waren es gerade Organisationen, die Spendengelder umverteilen, in denen Geld verschwand. Unicef verlor 2008 deswegen für einige Zeit das DIZ Siegel und hatte jüngst mit ihrer griechischen Delegation Ärger. Kirchenorganisationen leisteten sich durch ihren kreativen Einsatz von Spendengeldern ganze Austrittswellen.
Und dennoch vertrauen reisefreudige Klimaretter, allen voran unsere Außenministerin, auf die Sinnhaftigkeit von Kompensation. Das gute Gewissen lässt sich also wieder kaufen. Wohlhabende Vielflieger sollen ihre Entscheidung zwar dennoch überdenken, aber ihre Sünden können zumindest gemildert werden. Zwar könnte man das Geld auch in einen nachhaltigeren Lebensstil investieren oder an heimische Organisationen spenden, deren Arbeit man selbst kontrollieren kann, aber es ist so viel einfacher, nur durch einen Klick schon beim Kauf des Flugtickets die Gewissensbisse auszuschalten. Warum vor der eigenen Haustür anfangen, wenn es die ganze Welt zu retten gibt? Denn wenn das Geld beim Kompensieren klingt, die Seele in den Flieger springt – oder so ähnlich.

Von Simon Ben Schumann | Kaum wird es mal wieder heiß in Deutschland, fängt die große Panik an. Krankenwagensirene? Da muss jemand einen Hitzschlag bekommen haben. Rasensprenger aufgedreht? In den Knast mit diesem Gesellschaftsschädling. Oder – das schlimmste von Allem – Sonnencreme vergessen? Der Hautkrebs ist sicher. Zugegeben, ich gehöre selbst in die Reihe der Meckerer. Sobald sich die Wolken verziehen, bekomme ich als pseudo-Albino direkt Muffensausen. Lichtschutzfaktor 50 ist dann nicht länger verhandelbar. Im Winter heule ich zwar allen die Ohren voll, wie kalt es doch ist – sobald dann der Sommer kommt, wünsche ich mir meterhohen Schnee und das Thermometer im Minusbereich. Uns Deutschen kann man es einfach nicht recht machen.
Die frühesten Erinnerungen an die Sommerhitze habe ich aus meiner Kindheit. Auf der jährlichen Kirmes standen und stehen immer Sanitäter bereit. Unter anderem, weil viele Menschen mit hohen Temperaturen nicht klarkommen. Natürlich will ich mich über niemanden lustig machen, der bei unserem Volksfest in 35 °C sengender Hitze KO geht. Die Schreckensbilder vom abfahrenden Rettungswagen mit einem bewusstlosen Rentner im Gepäck bleiben einem in Erinnerung. Aber die ganze Panikmache, wie man sie in den letzten Wochen überall in den Medien lesen und hören konnte, hat unsere arme Sonne wirklich nicht verdient.
Immerhin ist Sonnenschein eigentlich gesund. So führt die Einstrahlung von Sonnenlicht auf die Haut zur Bildung von Calcitriol, auch „Vitamin D“ genannt. Es handelt sich dabei um ein Hormon, welches unter anderem stimmungsregulierend wirkt und zu besserer Laune beiträgt. Kein Wunder, dass Karl Lauterbach düstere Szenarien für den Winter heraufbeschwört, inklusive diktatorischem Covid-Pass Nonsens. Im Coronabunker bekommt er einfach zu wenig Licht ab.
In Deutschland ist es schon oft genug bewölkt. Ich erinnere mich gut, wie ich letzten Winter morgens mit der Bahn zur Uni gefahren bin. Beim Blick aus dem Fenster: Nichts als grauer Himmel. Auf dem Handy: Meldungen über die Vorschläge zur Impfpflicht, die Gott sei Dank gescheitert ist. Eine deprimierende Kombi.
Im Sommer 2022 ist davon nichts mehr zu spüren. Außer in Bus und Bahn ist die Maskenpflicht fast überall aufgehoben, nur ein kleiner Teil der Corona-Regeln ist noch in Kraft. „#LauterbachRücktrittSofort“ trendet auf Twitter und die Sonne lacht uns vom Himmel an.
Endlich können wir uns über das gute Wetter freuen. Mit einem eiskalten Getränk (und Pfefferspray, für die unweigerliche Massenschlägerei) ist der Besuch im Freibad doch noch genießbar und die beängstigenden Zukunftsvisionen unseres Gesundheitsministers sind nicht mehr als unglaubwürdig. Wie schon der Mönch Franz von Assisi 1225 in seinem Sonnengesang schrieb: „Gelobt seist du, mein Herr, mit allen deinen Geschöpfen, besonders dem Herrn Bruder Sonne, der uns den Tag schenkt und durch den du uns leuchtest.“
Lesen Sie hier: Der Kampf der Geschlechter. Mädchen vs. Jungs – Selma vs. Simon – Bratpfanne vs. Bierkasten. Versteh einer das andere Geschlecht.

ACHTUNG: Dieser Beitrag könnte Spuren von Humor enthalten. Weder Läster-Schwestern noch Möchtegern-Machos wurden bei der Produktion dieser Kolumne ernsthaft verletzt. Dieser Austausch spiegelt in keiner Weise das Arbeitsklima bei Apollo News wieder, sondern dient schlichtweg Unterhaltungs- und Ausbildungszwecken. Seelsorgerische Unterstützung stand den Autoren zu jeder Zeit zur Verfügung.

Von Selma Green | Mädchen sollen ja ein Mysterium sein, aber ich denke, das liegt ganz am Betrachter. Denn lieber Simon ich sag dir mal was: ihr Jungs seid auch nicht gerade ein offenes Buch. Es gibt da ein paar Eigenschaften, die ich an euch einfach nicht verstehe.
Angefangen mit den Klamotten. Warum habt ihr immer dasselbe an? Ihr tragt eure Sachen doch entweder so lange, bis auch eure Mutter sie nicht mehr flicken kann oder ihr ganz einfach rausgewachsen seid. Und um das möglichst lang heraus zu zögern, kauft ihr von vornherein alles fünf Größen zu groß? Da soll nochmal einer sagen, Männer wären schlecht für die Umwelt. Ich habe nicht einmal das Problem, dass ich wachse und mein Kleiderschrank platzt aus allen Nähten. Modebewusstsein ist übrigens auch so ein Thema. Werdet ihr dazu gezwungen, Sandalen mit Socken oder Jogginghosen zu tragen? Ich habe dich auf dem Apollo-Seminar gesehen lieber Simon und ich verrate dir mal was: es gibt sowas wie Malls und Shoppingstraßen und dort findet man bestimmt auch andere Oberteile als Holzfällerhemden. Wenn du glaubst, damit Frauen mit Holz vor der Hütte anzulocken, muss ich dich enttäuschen: so funktioniert das nicht. Ein wenig Abwechslung und Mode ist doch nichts schlechtes. Es signalisiert zum Beispiel: „Ich kenne jemanden, der weiß wie man eine Waschmaschine bedient.“
Und wo nehmt ihr diese Aggressionen immer her? Erst vor kurzem haben sich zwei Kumpels in der Nebenklasse auf dem Flur umarmt. Dann im nächsten Augenblick nahm der Freund den Kopf seines Freundes in die Hand und donnerte ihn gegen die Spinde. Beim Fußball im Sportunterricht schubsen sich die Jungs gegenseitig um, springen in die Rücken anderer und zeigen selbst bei den Mädchen keine Gnade. Nix gegen toxische Männlichkeit, aber lasst doch bitte uns Mädchen da raus. Meine Knöchel wurden schon oft mit dem Ball “verwechselt”, sodass ich nach dem Unterricht zur Umkleide humpeln musste. Da hab ich mir übrigens nicht gedacht: „Oh wie beeindruckend, die sind ja so stark.“ Jede Woche kommen die Jungs mit einem neuen Verband in die Schule und selbst mit Krücken rennen sie rum und schubsen sich, als wären sie fitter den je. Mal im Ernst: Warum reden Jungs nicht einfach miteinander, anstelle sich gegenseitig die Köpfe einzuschlagen? Da ist mir Zickenkrieg viel lieber. Und ihr wundert euch, warum die Lebenserwartungen von Frauen länger ist?
Neben der Neigung zur körperlichen Gewalt und dem fehlenden Modebewusst sein, frag ich mich auch: Warum sind Jungs so wenig romantisch? Wenn der Himmel bei einem Sonnenuntergang aus Regenbogenfarben besteht und selbst die Wolken pink sind, ergreift das Jungs kein Stück. Anstelle von Filmen wie Dirty Dancing oder Romeo und Julia wollen Jungs Agentenfilme oder geschmacklose Comedy Serien gucken. Beim Thema Musik dasselbe: anstelle von schönen Liedern wie “Only you” von the Platters oder “Unchained Melody” von the Righteous Brothers hören Jungs schlechten Deutsch-Rap und Songs wie Schmetterling mit Bauch. Aber ein bisschen Romantik schadet doch nicht. Nun, Manche meinen vielleicht Romantik sei nicht männlich. Aber Simon, sag mir mal: Was ist männlicher, als der Satz von Johnny zu Frances Vater (aus Dirty Dancing): ”Mein Baby gehört zu mir, ist das klar?” ?
Es ist mir zwar ein Rätsel, warum ihr Jungs das macht, doch ich bleibe lieber von Prügeleien verschont, sehe mir gern den Sonnenuntergang mit den pinken Wölkchen an, während ich mein neues Blümchenkleid von Bershka trage und mit meiner Freundin am Telefon einen Zickenkrieg starte.

Von Simon Ben Schumann | Als die gute Selma unser Battle-Thema vorschlug, war ich begeistert. Jungs gegen Mädels, ein Konflikt, so alt wie die Menschheit. Schon in der Steinzeit war die Höhle nie warm genug und die Inneneinrichtung Streitfrage (Höhlenmalerei oder doch lieber blanke Wände?). Auch in der Moderne sind wir Männer weiterhin absolut verwirrt.
Wenn man Frauen fragt, was sie sich von einem Mann wünschen, antworten sie meistens: nett soll er sein. Komisch, dass der sympathische IKEA-Mitarbeiter Björn nicht in Tinder- Nachrichten und Flirtattacken erstickt. Dabei hat er doch ein freundliches Lächeln, ein rundliches Bäuchlein und guten Sinn für Möblierung.
Der sprichwörtliche Hakan von McFit hat nur ein mitleidiges Lächeln für Björn parat. Mit Sixpack, 45 cm Bizeps-Umfang und einem Mercedes AMG erobert er die Damenwelt im Sturm. Hakans Ratschlag für Björn: Sein Ding durchziehen und selbstsicher sein. Dabei hat er viele Wissenschaftler hinter sich. Studien zeigen deutlich, dass Frauen keine zu emotionalen „Nice Guys“ anhimmeln. Stattdessen sind Faktoren wie breite Schultern und ein belastbarer Charakter ausschlaggebend.
Eine amerikanische Studie aus dem Jahr 2006 verdeutlicht, dass ein Mann von 1,52 m Körpergröße nur geringe Chancen in der Damenwelt hat. Um mit einem Mann um die 1,80 m mithalten zu können, muss er seinen kleinen Wuchs mit einem deutlich höheren Einkommen aufwiegen. Klingt brutal, aber „c’est la vie“.
Bierbauch oder Sixpack? Sportwagen oder Nissan Micra? Das macht einen großen Unterschied – auch wenn oft das Gegenteil propagiert wird. Ich habe manchmal das Gefühl, dass Frauen nicht gerne dazu stehen, was sie attraktiv finden. Oder präferierst du Übergewicht und Unfallautos, Selma? No judgement, natürlich.
Ich will die Wahrheit ungeschönt aussprechen: Für uns Schwei… ähm Männer sind mitunter rein oberflächliche Faktoren wichtig und berufliche Ambitionen kein Attraktivitätsmerkmal. Wer schon mal ein „Männergespräch“ mitbekommen hat, weiß wovon ich rede. Da geht es um viele Eigenschaften einer Frau – sogar charakterliche – aber nicht um ihren Kontostand.
Ich verstehe nicht, warum so viele Frauen Karriere machen wollen. Klar, Geld ist toll. Es bringt aber nichts, wenn das Herz zum Eiszapfen gefriert. Eine Familie aufzubauen und Kinder auf dem Arm zu haben – heutzutage ist sowas verpönt. Wo ist der „Mutterinstinkt“ der Frauen hin? Ich finde, es gibt wahrscheinlich nichts Schöneres als eine lächelnde Mama mit einem schlafenden Baby im Arm. Leider sieht das die heutige Kultur anders – und bezeichnet den Familienhund als Einzelkind.
Was ich auch nicht nachvollziehen kann ist, wie die Gefühlswelt von Frauen eigentlich funktioniert. Einerseits sind „Bad Boys“ in jeder bekannten Frauenroman-Reihe der Star. Andererseits will die Protagonistin in diesen Büchern den viel zu brutalen und hartgesottenen Mann „zähmen“ und einen zivilen Gentleman aus ihm machen. Was denn jetzt? Dazu kommt, dass sich auch der Typus des Romantikers außerordentlicher Beliebtheit erfreut, solange er nicht zu sehr „Softie“ ist. Jetzt haben Christian Grey, Hakan von McFit und Heinrich Heine aber nicht viel gemein.
Alle Erklärungsversuche scheitern – die Frau bleibt für uns Männer wohl für immer eins: Ein Mysterium, anziehend, abschreckend und unersetzbar wie kein zweites. Außer natürlich, sie sitzt in der Redaktion der „Taz“ und will die Geschlechter abschaffen. Dann nehmen wir Männer nämlich Reißaus. Woran das liegen mag?

Von Jonas Kürsch | Vor etwas mehr als einem Jahr, nachdem der erste Coronawinter sein langersehntes Ende
gefunden hatte, begann ich allmählich damit, mich mit der besorgniserregenden
Erkenntnis abzufinden, dass dieses Land auf einen politischen Irrpfad abdriftet, der
langfristig zu großen Verwerfungen in unserer Gesellschaft führen könnte.
Schon damals war ich nicht allein mit dieser Sorge: viele freiheitlich geprägte Menschen
bangten gerade in dieser Zeit um die Verfassung, unseren unabhängigen Rechtsstaat,
das Demonstrationsrecht, die freie Meinungsäußerung, die Freiheit der Kunst, das Recht
auf körperliche Unversehrtheit, das Recht auf freie Persönlichkeitsentfaltung, das
Diskriminierungsverbot und um viele andere, sicher geglaubte Prinzipien unseres
demokratischen Staates, die vom einen auf den anderen Tag im öffentlichen Leben keine
Rolle mehr zu spielen schienen. Im Glauben daran, dass es auch in den hohen Reihen
unserer Politiker wenigstens noch ein Mindestmaß an Anstand geben müsse, wollte ich
gegen diese menschenverachtende Politik Stellung beziehen und war mir sicher, ich hätte
eine Partei gefunden, die meinen Kampf zum Schutze unserer Grundrechte tatkräftig
unterstützen würde: die FDP.
Ich wurde Mitglied und vertraute darauf, dass die medialen Aushängeschilder der Partei
zu ihrem Wort stehen würden. Allerdings sah ich meinen Fehler, ähnlich wie viele andere
Kurzzeitmitglieder, schnell ein und schickte nach wenigen Monaten mein
Kündigungsformular ab. Denn spätestens mit der Bundestagswahl im letzten Jahr wurde
mit jedem weiteren Tage die Wahrheit über die Freien Demokraten immer deutlicher
erkennbar: die FDP hat ihre Wähler und Mitglieder nach Strich und Faden belogen.
Als ich der Partei beitrat, tat ich dies vor allem aus Protest gegen den stark
voranschreitenden Trend zur staatlichen Kompetenzüberschreitung. Die monatelangen
Lockdowns, Maskenpflichten und (aufgezwungenen) Online-Education-Angebote führten
mir klar vor Augen, dass es nicht mehr ausreichte, auf die Hilfe der wenigen vernünftigen
Stimmen im öffentlichen Diskurs zu hoffen: es war zu einer Überlebensnotwendigkeit
geworden, dass jeder Einzelne sich in die gesellschaftliche Debatte einbringt.
Die FDP hatte ich bis dahin mit großem Wohlwollen wahrgenommen: Christian Lindner
sprach sich schon sehr früh gegen unverhältnismäßige Lockdowns und
grundrechtswidrige Impfpflicht-Ideologien aus. Stattdessen setzte der FDP-Chef mit seinen Verbündeten auf eine gesunde Staatsphilosophie, die im dunklen Zeitalter der
Maßnahmenfanatiker Karl Lauterbach (SPD), Jens Spahn (CDU) und Winfried
Kretschmann (B’90/Die Grünen) fast schon in Vergessenheit geraten war: die Freien
Demokraten setzten auf das Ideal der Freiheit.
Man solle es den Menschen selbst überlassen, wie sie sich vor dem Virus schützen
wollten. Schließlich, und das war den „Liberalen“ damals noch bewusst, ist das Virus
nicht die schwarze Pest und für gesunde Menschen in der Regel eher ungefährlich. Ich
war begeistert, als mir in zahlreichen Wortbeiträgen unserer lokalen Landtags- und
Bundestagskandidaten aus Krefeld mehrfach versichert wurde, man würde die
Individualentscheidung des einzelnen Bürgers respektieren. Man wolle gegen
Schulschließungen, gegen wissenschaftsferne 2G-Konzepte und selbstverständlich auch
gegen die Impfpflicht mit allen demokratischen Mitteln der Rechtsstaatlichkeit
ankämpfen. Auch Christian Lindner und Joachim Stamp (der inzwischen abgewählte
Stellvertreter des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten), die im Rahmen des
Wahlkampfes meine Heimatstadt besucht hatten, machten ihren Mitgliedern vor Ort
hochtrabende Versprechen.
Es dauerte nicht lange, bis die FDP sich selbst und ihre Versprechen im Rahmen der
Ampelkoalition vollkommen vergessen hatte. Schon am 10. Dezember 2021 war sie da,
die euphemistisch als Gesetz zur „Stärkung der Impfprävention gegen COVID-19“
bezeichnete partielle Impfpflicht für das medizinische Pflegepersonal. Ich war absolut
schockiert und bitter enttäuscht über die Tatsache, dass die FDP gerade jenen
Menschen, die sie im Wahlkampf immer wieder als „Helden der Pandemie“ bezeichnet
hatte, jetzt mit diesem Gesetzesentwurf endgültig den Wind aus den Segeln zu nehmen
bereit war.
Das „Spitzenpersonal“ der FDP ist vollkommen unbrauchbar. 86 Abgeordnete haben mit ihrer Ja-Stimme auf erschütternde Art und Weise gegen das Interesse ihrer eigenen Wählerschaft gehandelt und sich damit an der Demokratie versündigt. Auch der haushaltspolitische Sprecher Otto Fricke, der aus meinem
ehemaligen Kreisverband stammt, beteiligte sich mit seinem Votum an diesem eklatanten
Wortbruch. Das enttäuschte mich zutiefst, denn ich hatte ihn in mehreren Gesprächen als
ernstzunehmenden Kämpfer für liberale Grundwerte kennenlernen dürfen und einen kleinen Teil meiner Hoffnungen auch in seinen Mut gesetzt. Dieses rückgratlose Verhalten
hätte ich von ihm nicht erwartet.
Die medialen Offenbarungen der letzten Wochen zeigen allerdings, dass Fricke im
Rahmen der Impfpflicht nicht zum ersten Mal das Vertrauen seiner Wähler missbraucht
hat. So zeigte ein Datenleck, dass er seine politischen Kontakte dazu genutzt haben soll,
um eine aggressive Lobbykampagne für das amerikanische Transportunternehmen
„Uber“ zu koordinieren (Apollo berichtete).
Vor allem aber bewegte mich das unseriöse Diskussionsverhalten der
Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann letztlich zu meinem Austritt aus
der FDP. In meinen Augen ist sie die Personifikation dessen, was in der FDP seit langem
schiefläuft. Nicht nur forderte sie den demokratisch gewählten FDP-Ministerpräsidenten
Thomas Kemmerich mit ungehörigen Extremismus-Vorwürfen zum Rücktritt auf, auch
setzte sie umgeimpfte Menschen in einem Interview mit Terroristen gleich. In einem
anderen, öffentlichkeitswirksamen Statement erklärte die Vorsitzende des
Verteidigungsausschusses sogar mit großem Stolz, dass sie einen kritischen Bürger in der
Öffentlichkeit (!) mit unflätigsten Beschimpfungen diffamiert habe.
Herr Fricke und Frau Strack-Zimmermann sind nur zwei Beispiele für die personellen
Fehlbesetzungen bei den Freien Demokraten. Man könnte die Namen unzähliger
Umfallerpolitiker noch hinzufügen: Nicola Beer, Konstantin Kuhle, Alexander Graf
Lambsdorff, Bijan Djir-Sarai und selbstverständlich auch der scheinbar unsichtbar
geworden Verkehrsminister Volker Wissing.
Und leider haben mich die Monate seit meinem Parteiaustritt nicht eines Besseren
belehren können. Die Liberalen bleiben ihrem Mitläufer-Kurs ohne Rücksicht auf Verluste
treu. Die Konsequenzen dieses „Tanzes der Lemminge“, um die Musikjjournalistin
Ingeborg Schober zu zitieren, bekamen sie bei den verschiedenen Landtagswahlen der
letzten Monate zu spüren: die prozentualen Wahlergebnisse der Partei sind mittlerweile
fast so niedrig wie die Mitgliederzahlen der Linken.
Die FDP hat ihr Image als Partei der Freiheitskämpfer schon vor langer Zeit verloren.
Inzwischen verbeugt sich FFP2-Maskenminister Marco Buschmann tiefer vor Karl Lauterbach als Robert Habeck (B’90/Die Grünen) vor den Öl-Diktatoren in Katar. Das neue, vom Justizminister goutierte Infektionsschutzgesetz ist ein weiterer Schlag ins Gesicht eines jeden FDP-Wählers.
Ganz umsonst war die Mitgliedschaft bei der FDP allerdings nicht: ich habe lernen dürfen,
dass man keinem Berufspolitiker, so überzeugend er auch wirken mag, jemals sein
Vertrauen schenken darf. Und wenn es ein Abgeordneter der FDP ist, dann gilt das gleich
dreimal!

Von Laura Werz | Sozialistisch, feministisch, antifaschistisch – das sind die Prinzipien der meistgewählten Liste des „Studierendenparlaments“ 2022/23 der Humboldt Universität. Als Studentin war ich wahlberechtigt und habe als Wahlhelferin auch einen Blick hinter die Kulissen der 30. Wahl des Studierendenparlaments erhalten können. Die Wahl wurde vom Wahlvorstand tatsächlich gut organisiert und ist problemlos verlaufen. Am Wahltag selbst konnte ich mich von den Bergen an Stimmzetteln überzeugen – wir waren auf alle Unwägbarkeiten vorbereitet. 1172 Studenten haben von ihrem Stimmrecht schlussendlich sogar Gebrauch gemacht. Für mich war es als Studentin im 2. Semester das erste Mal, dass ich mich an der Wahl beteiligen durfte. Das Problem war nur, dass ich nicht wusste, wo ich mein Kreuzchen setzten sollte. Dieses Gefühl werden einige auch von den Landtags- und Bundestagswahlen kennen.
Bei der Wahl zum Studierendenparlament wurde dem Studenten eine Wahl abseits von links-grün allerdings praktisch unmöglich gemacht. Es beginnt schon damit, dass sich die Wahlprogramme Großteiles lesen, wie ihre eigene Parodie. Solange man sie sich mit dem nötigen Humor und ohne wirkliches Interesse an dem Wahlergebnis anschaut, sind sie auch tatsächlich äußerst unterhaltsam. Nachdem ich allerdings erfahren musste, dass unser Studierendenparlament gar nicht so wenig Einfluss hat, wie ich zunächst dachte, betrachtete ich die Listen mit weniger Amüsement. Das Parlament entscheidet nämlich, wie unsere Studentenbeiträge verwendet werden. Ein Drittel wird für Sozialausgaben der Studentenschaft verwendet, ein weiteres Drittel geht an die verschiedenen Fachschaften und vom letzten Drittel werden selbstverwaltete studentische Projekte finanziert. Darüber hinaus wählt unser fröhliches Parlament die Mitglieder des „Referent*innenrates“ – desselben RefRats, welcher maßgeblich an dem Boykott des Vortrags der Biologin Marie-Luise Vollbrecht im Rahmen der langen Nacht der Wissenschaft beteiligt war. Unser RefRat betrachtet sich selbst als politische Vertretung der „Studierendenschaft“ und ist bereits in der Vergangenheit durch linksradikale und ideologiegeleitete Projekte aufgefallen. Die Wahl des Studierendenparlaments erschien vor diesem Hintergrund daher plötzlich nicht mehr unwichtig, sondern sogar sehr relevant und erhielt schlagartig eine ganz andere Bedeutung.
Die „OffeneListeKritischerStudierender“, stellte mit ihren Forderungen ein passendes Entree für das was noch folgen sollte dar, indem es den nichtsahnenden wahlwilligen Studenten erbarmungslos mit der links-grünen Universitätsrealität konfrontierte. Meinen „kritischen Mitstudenten“ zufolge, zeigen sich auf dem Campus nämlich rechtskonservative Kreise zunehmend aggressiver bei ihren „Angriffen auf studentische Strukturen und Freiräume“. Gruppen wie „Studenten stehen auf“ hätten sogar „verschwörungsideologische Mythen“ auf den Campus getragen. Auch an der Lehrqualität darf der Vollständigkeit halber im Wahlprogramm natürlich kein gutes Haar gelassen werden. Diese wird mit einem Wirtschaftsunternehmen gleichgestellt, bei welchem es daran mangele, gesellschaftliche Veränderungen zu befördern.
Die „Juso-Hochschulgruppe“ stellt mit 252 Stimmen wie bereits im Vorjahr die meistgewählte Liste dar und steht für „sozialistische, feministische und antifaschistische“ Werte ein. Unter Parolen wie „Reiche Eltern für Alle!“, „The future is feminist!“, oder „Kein Fußbreit dem Faschismus!“, setzten sie sich nicht nur für mehr BAFöG und Zuschüsse, sondern kämpfen insbesondere gegen die sehr problematische Unterrepräsentation von Frauen in Forschung und Lehre. Gefordert wird „Gleichberechtigung“ (wahrscheinlich ist die Gleichberechtigung von Frau und Mann gemeint, obgleich das nicht genauer ausgeführt wird), welche selbstverständlich mit der konsequenten Besetzung der Professuren von „mindestens 50% Frauen“ einhergeht. Um auch potenzielle Wähler zu gewinnen, deren Persönlichkeit nicht darin besteht, sich als Frau prinzipiell diskriminiert zu fühlen, wird darüber hinaus auch den bösen Verschwörungstheoretikern der Kampf angesagt. In unserer Pandemiezeit seien Verschwörungstheorien, Antisemitismus und rechte Parolen in der Uni wieder salonfähig geworden. Fraglich ist natürlich, wie sich das schlechte Gedankengut in der Uni verbreiten konnte, wenn diese doch ihre Türen aus Angst vor dem tödlichen Virus geschlossen hielt. Nichtsdestotrotz, nach der Juso-Hochschultruppe, gehört das rechte Gedankengut ordentlich von der Solidargemeinschaft bekämpft. Achja, und die Uni muss natürlich nachhaltiger werden! Durch die Textbeschränkung war wohl nicht mehr drin als ein kleiner Absatz am Ende des Programms, in welchem noch kurz und knackig bekundet wird, dass man auch eine klimaneutrale Hochschule fordere – „und zwar jetzt!“
Kampfbekundungen gegen Rechts sind beim Wahlkampf auf dem Campus ganz oben im Kurs. Das wurde mir spätestens beim Lesen der dritten Liste, der „IYSSE“, oder auch „International Youth and Students for Social Equality“ klar, welche sich als Priorität ebenfalls die Verbannung ungewollten Gedankenguts der Universität ausgeguckt hat. Darüber hinaus wird sich hier für den Sozialismus in der Uni und wenn’s gut läuft auch deutschlandweit und – sie wollen ja nicht kleingeistig erscheinen – weltweit eingesetzt. Unter dem Slogan „Für eine sozialistische Bewegung gegen Faschismus und Krieg!“ wird dem Wähler erklärt, dass nur „eine internationale sozialistische Bewegung der Arbeiterklasse gegen den Kapitalismus einen erneuten Rückfall der Barbarei und einen dritten Weltkrieg stoppen“ kann.
Gleich nach dem Sozialismus begrüßte mich auf der nächsten Seite der Wahlprogramme die „Queer-feministische LGBT*Q-Liste“, welche mit der wahrscheinlich längsten Programmbezeichnung überzeugen kann: „*FeministischesLesBiSchwulQueerTranssexuellesTransidentischesIntersexuellesAsexuelles-Transgender-Programm*“. Für alle, die beim Lesen trotz guten Willens kläglich gescheitert sind wurde darunter zur Verdeutlichung aber auch noch einmal klargestellt: „Wir sind queer_feministisch – emanzipatorich – links!“. Als „les_bi_schwule_trans* und sonstige Dissident_innen“ möchten die Vertreter „Marginalisierte sichtbar machen, vertreten und ins Zentrum rücken“, indem man „über binäre Strukturen hinaus denkt und hinausgeht“. Ein „gradliniges“ Studium sei abzulehnen – was man sich unter einem kurvigen Studium vorstellt, bleibt an dieser Stelle der Kreativität des Wählers überlassen. Viel schöner und freier wäre in jedem Fall ein „herrschaftskritisches, feministische-queeres Studieren für ALLE“.
„Grünboldt“ hat sich bei der Namensgründung offensichtlich für ganz besonders innovativ und kreativ gehalten. Sie betrachten sich selbst als die grün-alternative Liste im Studierendenparlament (wobei ich ihnen dieses Alleinstellungsmerkmal zu meinem Bedauern nicht zusprechen würde) und setzten sich für mehr Freiräume für Studenten ein, um „ein freiheitliches Studium zu ermöglichen“. Dazu benötige es die Abschaffung der Zulassungsbeschränkungen um auch den letzten aufkommenden Leistungsgedanken im Keim zu ersticken.
Die „Linke Liste der HU“, welche sich selbst den sympathischen Spitznamen „LiLi“ gegeben hat, kann an 7. Stelle des Wahlprogramms leider keine nennenswerten ergänzenden Programmpunkte mehr vorweisen. Der Kampf gegen Rechts findet auch von „LiLi“ ausdrücklich Beachtung: „Keine rechten Mitarbeiter_innen und Strukturen an der Uni: keine Namenslisten für Faschos! Keine Forschungszentren für Rechte!“ Dabei bekommt Liste 7 sogar noch Konkurrenz von Liste 8, „Die Linke.SDS HU Berlin“. Diese versteht sich als Zusammenschluss linker Studierender, was an dieser Stelle von „LiLi“ abzugrenzen ist, welche eine parteiunabhängige Hochschulgruppe darstellt. Die Linke.SDS steht wiederum der Linken nahe und setzt sich hauptsächlich für den Sozialismus ein. Das die Wahlprogramme nahezu identisch sind, ist Nebensache.
Zu guter Letzt, auf Liste 9, folgt „RCDS – Demokratisch. Praktisch. Gut.“. Der RCDS glänzt als Schlusslicht leider mit dem kürzesten Wahlprogramm. Das einzige Alleinstellungsmerkmal der Liste ist die offene Kritik des ehemaligen Parlaments: „Die aktuelle Mehrheit im Parlament versteht ihre Aufgabe darin, sich mit Randthemen zu beschäftigen, die 99% der Studentinnen und Studenten niemals betreffen werden“. Neben dieser Feststellung und dem Verzicht auf Gendersprache im Wahlprogramm, unterscheidet den RCDS außerdem seine Forderungen nach einer Neugestaltung der Mensen und dem weiteren Uni-Betrieb im Herbst. Er konnte sich immerhin mit 151 Stimmen den dritten Platz, welchen er sich mit „LiLi“ teilt, sichern und besetzt damit 8 der 60 Sitze des Parlaments.
Unser Studentenparlament ist für die neue Legislatur ebenso links aufgestellt, wie bereits im Vorjahr. Die „Juso-Hochschulgruppe“ und die „OffeneListeKritischerStudierender“ besetzen als die beiden stärksten Fraktionen gemeinsam 22 der 60 Sitze, wohingegen die einzige nicht-links-grüne Fraktion, der RCDS, mit immerhin 8 Sitzen vertreten ist. Bereits in meinem ersten Studienjahr an der HU habe ich gemerkt, dass dieses Wahlergebnis dem allgemeinen Meinungsbild der Studentenschaft entspricht und die meisten Studenten sich eher für Scheindebatten und Ideologien, statt für Wissenschaft und Lehre einsetzen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass es nur eine von neun Listen gibt, welche nicht vollends im Mainstream aufgeht. Hoffentlich wird zumindest diese eine als Fels in der Brandung bestehen bleiben und das Feld der Konkurrenz nicht vollständig überlassen. In diesem Fall würde knappen 13% der wählenden Studenten eine Wahl des Studentenparlaments nach ihren Vorstellungen und Werten tatsächlich gänzlich unmöglich gemacht werden würde.

Von Simon Ben Schumann | Quadratische, goldfarbene Stolpersteine auf Deutschlands Gehwegen erinnern an viele Opfer des Holocaust. In Berlin-Friedrichshain haben Unbekannte ihrem Antisemitismus nun freien Lauf gelassen. Es ist nicht das erste Mal.
Vermutlich in der Nacht vom 2. auf den 3. August übergossen bisher nicht ermittelte Täter drei Stolpersteine in der Hauptstadt mit einer zementähnlichen Substanz. Ausgehärtet macht diese es unmöglich, die Stolpersteine zu entziffern und damit die Namen der Opfer der Schoah. Eine Reinigung ist nur mit größerem Aufwand möglich, die Steine dürften ziemlich beschädigt sein.
Die schon zum zweiten Mal geschändeten Stolpersteine vor der Waldeyerstraße 1a erinnern an drei Opfer der Schoah. Zwei von ihnen sind Margarete und Ruben Reszka. Margarete Reszka wurde im Januar 1943 mit ihrem 4-jährigen Sohn Ruben nach Theresienstadt deportiert. Von dort mussten beide weiter nach Auschwitz, wo sie ermordet wurden. Eine tragische Geschichte, die beweist, wie skrupellos die Judenhasser auch heute noch sind. Die Erinnerung an ein 4-jähriges Kind auslöschen zu wollen, ist an Unmenschlichkeit kaum zu überbieten.
Der dritte Stolperstein erzählt eine etwas glücklichere Begebenheit: Er gedenkt an Berek Dembina. Zunächst nach Belgien geflohen und dort zu Zwangsarbeit erniedrigt, lebte er später als „U-Boot“ weiter, versteckte sich. Er konnte die Schreckensherrschaft der Nazis überleben.
Leider kommt es nicht selten vor, dass die kleinen, aber auffälligen Gedenksteine auf irgendeine Art geschändet werden. Erst Anfang Juli wurden drei Stück in Berlin-Weißensee aus dem Gehweg gehebelt und gestohlen. Im Mai wurden vier frisch verlegte Stolpersteine in Erinnerung an die Familie Davidsohn in Berlin-Schöneberg mit einer bräunlichen Substanz beschmiert. Und das sind nur einige Fälle aus der Bundeshauptstadt; so etwas passiert deutschlandweit.
Trotzdem ist das Kunst- und Erinnerungsprojekt Stolpersteine von Gunter Demnig eine Erfolgsstory. Angefangen hat er im Jahr 1996. Im April 2022 knackte er die 90.000er Marke – eine unfassbare Anzahl an kleinen Gedenkstätten, die sich meist einer einzelnen Person widmen. Egal, ob in der Fußgängerzone oder in einem Wohngebiet: Überall in Europa stolpert man buchstäblich über die Erinnerung an individuelle Schicksale. Ansonsten wären diese wohl nur eine Fußnote in einem verstaubenden Geschichts- Wälzer, doch dank Demnig sind sie Bestandteil des Alltags. Dafür gebührt ihm eine Menge Respekt. Das Bundesverdienstkreuz am Bande und viele andere Auszeichnungen hat er mehr als verdient.