Archiv: Juli 4, 2022

Generation G8: Schüler als Laborratten?


Von Simon Ben Schumann | G8 spaltet die Gemüter – sollte die Schullaufbahn aus Grundschule und Gymnasium 12 Jahre dauern, oder doch lieber altbewährte 13? Weder unter Schülern noch unter Eltern gibt es einen eindeutigen Konsens, die Mehrheit tendiert zu G9. Mittlerweile wurde G8 in mehreren Bundesländern wieder abgeschafft.

Ich hatte 12 Jahre Schule, davon 8 am Gymnasium – und habe eher negative Erfahrungen gemacht. Klar, es ist cool, ein Jahr früher das Abi zu bekommen. Doch dafür habe ich, nach eigenem Empfinden, weniger Bildung ins spätere Leben mitgenommen.


Warum eigentlich 12 Jahre?

Ab dem Jahr 2003 wurde in Deutschland bundeweit die Abiturzeit an Gymnasien auf 8 Jahre verkürzt. Was vorher nur im Nationalsozialismus und der DDR gegolten hatte, war vor allem in Westdeutschland eine große Neuerung; dort waren seit Kriegsende 13 Jahre Gesamtschulzeit die Regel.
Die Gründe werden kontrovers diskutiert und kritisiert. Denn hinter der Schulzeitverkürzung steckte nicht etwas das Wohl der Schülerschaft, sondern wirtschaftliche Motive. Stiftungen und Gremien wiesen darauf hin, dass die Schulzeit deutscher Gymnasiasten länger als im Ausland sei. Der demographische Wandel bot einen weiteren Grund, Abiturienten schneller auf den Arbeitsmarkt bringen zu wollen.

Eine längere „Lebensarbeitszeit“ sollte die Nachwuchsprobleme der deutschen Bevölkerung abfedern. Wer früher die Schule beendete, würde im Schnitt länger arbeiten und Leistung für die Wirtschaft bringen. Der Nebeneffekt: Mehr Steuern und Sozialabgaben für Staat und Rentenkasse. Diese Argumentation wirkt auf mich ein bisschen wie aus einer Dystopie entnommen; in einem Film sollte an dieser Stelle wohl jemand aufhorchen und sagen „Das ist absolut keine gute Idee.“
Auch damals schon gab es Kritiker, die das Offensichtliche ansprachen: Muss ein Jahr Schulzeit nicht irgendwie kompensiert werden, ohne dass die Schüler deswegen Probleme bekommen? Die Antwort darauf war, die Wochenstunden zu steigern. Besonders der Nachmittagsunterricht würde dafür sorgen, dass kein „Stoff“ unterginge. Mehr Ganztagsschulen mit Mensa und Freizeitangeboten würden ihr Übriges tun, damit die ohne Not eingeführte Reform glatt ginge. Schließlich hätte das Ganze in der ehemaligen DDR auch funktioniert.


Der Abiturient: taugliche Arbeitskraft?

Trotz warnender Stimmen ging die bundesweite Reform an den Start. Sie wurde auch zur Zeit der Einführung als Experiment begriffen; was passieren würde, war unklar. Bald fingen die Probleme an. Schüler und Lehrer klagten darüber, dass Jugendliche einfach keine Lernmaschinen seien, die man nur bis zum Nachmittag in den Unterricht schicken müsste, um den Bildungsstand zu heben. Ich erinnere mich selbst noch gut, wie an meiner Schule in der 6. Und 7. Klasse „ausgesiebt“ wurde – so bezeichneten das sogar die Lehrer. Statt individueller Förderung und wirklicher, intrinsisch motivierter Bildung hieß es: Wer nicht paukt, fliegt raus. Manche meiner Mitschüler überstanden das nicht und ernteten dafür nur wenig Verständnis. Mehrmals in der Woche gab es damals schon Nachmittagsstunden, die Schule dauerte öfter bis 15:10 Uhr. Das hieß auch weniger Freizeit; gegessen wurde in der Mensa, später durften wir auch in die Innenstadt zum Dönermann.


Schlimm wurde es für viele G8-Versuchskaninchen, als sie in die Oberstufe kamen. Die Wochenstunden erhöhten sich. Bei uns war es so, dass die Schule jetzt immer lange dauerte, mit 34 bis 36 Wochenstunden. Meistens hatten wir bis 16:00 oder 16:50 Uhr Schulzeit – im Winter war es dunkel, wenn man in die Schule kam, und dunkel, wenn man sie wieder verließ. Ebenso düster waren die Aussichten, auf diesem Weg eine tiefsitzende, humanistische Bildung zu erhalten. Manche Lehrer gaben sich viel Mühe – Sternstunden waren unser Geschichts-Leistungskurs – aber meistens plätscherte der Unterricht vor sich hin. Das Curriculum wurde in vielen Fächern durchgepeitscht.


Die Wendung „Wir müssen mit dem Stoff weiterkommen!“, die viele G8ler kennen, drückt ein Grundproblem des Feldversuchs aus. Statt sich der wirklichen Förderung der einzelnen Menschen zu widmen, war das System schon intentionell darauf ausgerichtet, Arbeitskräfte mit Abiturzeugnis zu „produzieren“. Meine Freunde und ich bestätigten uns gegenseitig, dass der für Klausuren gepaukte Stoff das Gehirn danach fluchtartig verließ. Eine Bindung an den Inhalt gab es nicht; eher schon an die Note unter dem Erwartungsbogen.

Rückblickend ist es aus meiner Sicht schade, dass die G8-Reform in Deutschland eingeführt wurde. Viele Schüler waren oft gestresst, erfuhren qualitativ unzureichende Bildung und wurden manchmal sogar ihrem Abitur beraubt, weil Interessenvertreter aus Wirtschaft und Politik nur an sich selbst dachten.
Für die Zukunft können wir aus dieser Erfahrung aber etwas mitnehmen. Als junge Leute und irgendwann als Eltern müssen wir darauf Acht geben, was unsere Vertreter in Berlin und den Landeshauptstädten mit den Schulen und unseren Kindern vorhaben. Denn die Verantwortung und die Konsequenzen solcher Entscheidungen werden im Endeffekt nicht von Politikern oder Wirtschaftsvertretern getragen, sondern von uns Bürgern.


Pädagogischer Spielraum und Machtmissbrauch

Von Laura Werz | Die „mündliche Mitarbeit“ ist ein Dauerbrenner, wenn es zu einer Diskussion um das Schulsystem in Deutschland kommt. Sie stellt nicht nur das wesentliche Bewertungssystem in unseren Schulen dar, sondern bestimmt maßgeblich den schulischen Alltag und begründet ein untragbares Abhängigkeitsverhältnis zwischen Lehrern und Schülern. Mindestens 50% der Gesamtnote hängt davon ab, wie oft man seinen Finger in einer 45-minütigen Stunde in die Luft hält. Nicht selten sind es sogar 70%, welche der Willkür des Lehrers unterworfen sind. Ich habe die Schule vor nunmehr fast einem Jahr, mit dem Abitur in der Tasche, verlassen können und bin jeden Tag glücklich, diesen Ort der blinden Willkür, Anbiederung und Abhängigkeit nie wieder betreten zu müssen. Schon zu Schulzeiten war es für mich unbegreiflich, warum den Lehrern diese Form der Macht über die Schüler gegeben wird.

Die Folgen, Konsequenzen und vermeintlichen Vorteile habe ich 7 Jahre lang auf dem Gymnasium täglich beobachten und selbst erfahren müssen. Aber was spricht überhaupt dafür, Lehrern einen so großen subjektiven Bewertungsspielraum einzuräumen? An erster Stelle wird gerne angeführt, dass es in der Schule nicht nur um Wissensvermittlung geht, sondern auch menschliche Komponenten berücksichtigt werden müssen, wie die Sozialkompetenz, die Teamfähigkeit, oder das Engagement. In meiner Schulzeit habe ich wohlbemerkt zu jedem Zeugnis noch ein zusätzliches „Sozialzeugnis“ bekommen, in welchem eben diese Kompetenzen bewertet wurden – und trotzdem durfte sich mein Physiklehrer 70% meiner Fachnote ertanzen. Dabei zeigen gerade die schriftlichen Leistungen am besten, ob der Schüler das nötige Fachwissen aufweist und im entscheidenden Moment abliefern kann. Grundsätzlich stimme ich zu, dass auch menschliche Aspekte in der Schule Berücksichtigung erfahren sollten. Allerdings sollte dabei keinesfalls vergessen werden, was schlussendlich der wesentliche Auftrag der Schulen ist: das Lehren und Lernen. Die Erziehung und Sozialisierung ist in allererster Linie Aufgabe der Eltern – auch wenn unsere Regierung konsequent versucht, sich dieses Privileg der Eltern peu à peu durch absurde Lehrpläne zu eigen zu machen.

Die Bewertung der „sozialen Mitarbeit“ führt zu einer bodenlosen Vernachlässigung des Lehrauftrags, sowie der Lernwilligkeit der Schüler. Schüler merken schnell, ob die notwendige Sympathie von Seiten des Lehrers vorhanden ist, um die gewünschte Note zu erzielen. Es ist demensprechend frustrierend, wenn man von vorherein weiß, dass man seine hart erarbeitete schriftliche Note nie auf dem Zeugnis bewundern wird, weil die Chemie zwischen Lehrer und Schüler einfach nicht stimmt. Ich möchte Lehrern nicht generell unterstellen, ihre Lieblingsschüler zu gut und andere extra schlecht zu bewerten – wobei auch das keine Seltenheit ist. Das ein subjektiver Eindruck des Lehrers von dem jeweiligen Schüler allerdings immer Ausschlag in der mündlichen Note findet, ist nicht von der Hand zu weisen. Menschen können nicht absolut objektiv sein und es ist närrisch absolute Objektivität von ihnen zu fordern – doch ebendiese Objektivität setzt das schulische Bewertungssystem voraus. Darüber hinaus ist zweifelhaft, wie fundiert der Eindruck eines Lehrers von einem Schüler überhaupt sein kann, welchen er 45 Minuten in der Woche in einem Meer von 30 weiteren Schülern zu Gesicht bekommt. Da ist es nicht sonderlich verwunderlich, dass er am Ende des Jahres von dem ein oder anderen noch nicht einmal den Namen kennt.

Die allermeisten Schüler werden bei der obligatorischen Notenbesprechung vor den Zeugnissen folgenden Satz gehört haben: „Du bist leider ein wenig zu still“, oder „Ich gebe dir dieses Mal nur eine drei, um dich für nächstes Jahr zu motivieren“. Was maßen sich die Lehrer eigentlich an, Schülern aufgrund ihres Bewertungsspielraums, eine schlechtere Note zu geben – zur Motivation?! Ganz abgesehen davon, dass diese Motivationsstütze ihren vermeintlichen Zweck in den seltensten Fällen erfüllt. Früher oder später geht es allerdings nicht mehr nur um die Frustrationsgrenze der Schüler, sondern um die Bewerbung an einer weiterführenden Schule, oder einer Universität. An dieser Stelle entfalten die 50% oder 75% Bewertungsspielraum ungeahnte Möglichkeiten der nachhaltigen Diskriminierung von ruhigen und zurückhaltenden Menschen.

Das System geht zu Lasten der „zu stillen“ Schüler, von welchen der Großteil sich schlichtweg nicht in übertriebener Selbstdarstellung und Aufmerksamkeitserregung selbstverwirklichen kann und will. Es gib nun einmal extrovertierte und introvertierte Menschen. Warum muss die eine Gruppe in der Schule konsequent und systematisch benachteiligt werden? Wir erziehen in Schulen Labertaschen, Schleimer und Ichdarsteller heran. Das meistedessen, was im Unterricht von den großen Mitarbeitern zum Besten gegeben wird, bringt weder den Unterricht noch sie selbst in fachlicher Weise oder sonst irgendjemanden weiter, denn Quantität geht vor Qualität und wird mit guten Noten belohnt. Ziel der Schüler ist es dementsprechend, eine Dauerpräsenz aufrecht zu erhalten, damit der Lehrer sich am Ende des Schuljahres doch noch an ihren Namen erinnert.

In den letzten beiden Schuljahren, die ja für das Abitur zählten, habe ich ein mir zuvor völlig unbekanntesBuhlen um die Zuneigung der Lehrer erleben müssen. Mich selbst kann ich an dieser Stelle fairerweise nicht ausnehmen. Wie die meisten meiner ehrgeizigen Freunde, hatte ich einen bestimmten Notenschnitt zum Ziel, den ich für mein Wunschstudium erreichen musste und gute Noten sind bekanntermaßen gleichbedeutend mit der Beliebtheit bei den Lehrern. Schriftlich eine 5 zu schreiben ist kein Problem, solange der Lehrer dich aufgrund herausragender mündlicherBeteiligung noch auf eine Gesamtnote von 2 emporheben kann. Da erscheint es effizienter, seine Zeit und Energie in die Meinung des Lehrers, statt in das Pauken von Fachwissen zu stecken. Es war nie so leicht, ein sehr gutes Abitur zu machen, ohne jemals den Dreisatz verstanden- oder Faust gelesen zu haben.

Ehrgeizige Schüler glänzen vorrangig nicht mehr durch Wissen oder Leistung, sondern dadurch, zu wissen, was der Lehrer hören möchte und die Meinung des Lehrers stets schmeichelnd zu bestätigen. Und jene uninteressierten und auch schlechten Schüler, welche früher als Zappelphillips und Quatschtanten in die Geschichte eingingen, profitieren heute von ihrer extrovertierten Natur und werden auf Kosten der Lernwilligen trotz unterdurchschnittlicher Leistungen von unserem Schulsystem mitgetragen. Das Ergebnis sind Massen von Abiturienten aus einerseits ungebildeten Dauerquatschernund andererseits anbiedernden autoritätshuldigenden jungenMenschen, welche allesamt zu den Universitäten pilgern, um unbedingt zu studieren.

Wir haben aus unseren Schulen vor vielen Jahren den Leistungsgedanken verbannt und züchten obrigkeitshörende unreflektierte und unkreative Menschen heran, denen nie gelehrt wurde, selbstständig zu denken und zu hinterfragen. Es ist daher mehr als überfällig, die Gewichtung der mündlichen Noten stark zu reduzieren und irgendwann ganz abzuschaffen, sodass eine Abhängigkeit der Schüler von den Lehrern die Lehrer nicht mehr von ihrer Lehrpflicht befreit und den Schülern nicht mehr die Lernbereitschaft raubt.


Die Rache an meiner Klassenlehrerin 

Von Jonas Aston | Liebe Frau, nennen wir sie einfach mal Ernst, es ist jetzt schon über drei Jahre her, dass Sie mich in einer Klausur vollkommen unberechtigt mit 3 Punkten bewerteten. Für jeden, der mit dem Punktesystem nichts anfangen kann: 3 Punkte entsprechen einer 5+. Sie haben die ganze Angelegenheit vermutlich schon längst verdrängt. Doch ich habe nichts vergessen und jetzt kommt meine Rache!

Aber ganz von Anfang: Frau Ernst ist Deutschlehrerin und war zugleich meine Klassenlehrerin. Außerdem ist sie Inhaberin einer Buchhandlung. Durch diese Kombination konnte sie ein ausgeklügeltes System des modernen Raubs entwickeln. Jedes Schuljahr mussten wir mindestens 5 Bücher lesen. Wesentlich mehr als vom Lehrplan verlangt. Frau Ernst versetzte der Lehrerberuf in die aus Unternehmersicht traumhafte Situation, Angebots- und Nachfrageseite kontrollieren zu können.

Freundlich wie Frau Ernst ist, bat sie uns natürlich an, die Bücher in ihrer Buchhandlung zu besorgen. So eine Schulstunde konnte sich dann schon mal lohnen. Erst das Beamtengehalt absahnen und ganz nebenbei noch 30 Bücher verticken. Gott sei Dank bin ich während der Corona-Zeit nicht mehr zur Schule gegangen. Ihre quasi-mafiösen Strukturen dürfte Frau Ernst während der Lockdowns noch weiter ausgebaut haben. Irgendwer muss schließlich die Verluste kompensieren. Natürlich hätte man die Bücher auch woanders kaufen können. Der Kaufpreis wirkte jedoch als eine Art Schutzgeld. Ein „Fremdkauf“ konnte die Aussicht auf gute Noten schon mal schmälern.  

Doch obwohl ich – wenn auch genötigter – Stammkunde bei Frau Ernst war, konnte mir selbst das einmal nicht die Note retten. Es war Klausurenphase und wir hatten die Aufgabe ein Essay zu schreiben. Unter einem Essay verstand meine Lehrerin eine humorvolle, gerne auch derbe und unsachliche Abhandlung. Das Thema kannten wir im Vorhinein nicht. Als dann unsere Handys eingesammelt wurden, verkündete meine Lehrerin, dass wir über die Schule schreiben sollten. Ich erkannte dies als einmalige Gelegenheit zur Generalabrechnung mit dem Bildungssystem. Ich zog über diverse Lernmethoden her, beklagte das abfallende Niveau und bezeichnete den Lehrkörper als „leeren Körper“, der oftmals demotiviert seinen Unterricht abhält. Nach einigen Stunde war Abgabe und ich war mit meinem Text ziemlich zufrieden. Nur Frau Ernst fand meinen Essay leider so gar nicht witzig.

Das Bewertungsblatt war mit Rotstift so zugekleistert, wie ich es sonst nur von den Berliner Wahlunterlagen kenne. Schon an der Überschrift störte Frau Ernst sich. Sie lautete: „ `Deutschland schafft sich ab` – Das Ende der Bildungsrepublik“. Dies sei ein Plagiat, so befand Frau Ernst. Schließlich stamme der Satz von Thilo Sarrazin und nicht von mir. Ich hatte jedoch „Deutschland schafft sich ab“ in Anführungszeichen geschrieben und mir damit eben nicht zu eigen gemacht. Doch dabei beließ es Frau Ernst – konkret knallte sie mir im Bewertungstext entgegen: „Die Überschrift ist ein Plagiat. Genauso wie vermutlich weitere Teile des Textes und entspricht nicht deinem Sprachvermögen. 3 Punkte.“ Zur Erinnerung: Wir mussten unsere Handys abgeben und kannten nicht einmal das Klausurthema. Meine Freunde meinten scherzhaft zu mir, ich solle beim nächsten Mal einfach dümmer schreiben. Ich wollte es dabei allerdings nicht belassen.

Also bat ich meine Lehrerin um ein Vier-Augen-Gespräch. Wie für Clanchefs üblich wollte sich Frau Ernst mit mir aber nicht an einem neutralen Ort – wie etwa der Schule – treffen. Während Arafat Abou-Chaker und Ashraf Rammo ihre Handlanger in ihre Cafes oder Shisha-Bars einladen, bestellt Frau Ernst ihre Schüler in die Buchhandlung ein. Dort vermittelte ich ihr meinen Standpunkt. Sie erklärte mir dann ruppig, dass ich noch einen anderen Lehrer gegenlesen lassen könne und die Noten dann verrechnet werden. Wirklich Recht war mir das allerdings nicht. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass sich die verschworene Deutschlehrerschaft gegenseitig in die Pfanne haut. Und selbst dann wäre die Note immer noch nicht wirklich gut geworden. Am Ende stand ein sogenannter „Kompromiss“ und ich durfte bzw. musste ein Gedicht aufsagen, welches dann mit meiner Klausurnote verrechnet wurde. Insgesamt bekam ich schlussendlich 9 Punkte, was einer 3+ entspricht. So richtig glücklich war ich auch damit nicht, aber mehr war nicht zu holen.

Frau Ernst unterrichtet heute noch immer und auch noch heute dreht sie Schülern Bücher an, die diese niemals lesen werden. Ich hoffe auf eine baldige Bücherrazzia bei Frau Ernst, damit ihr schmutziges Geschäft ausgetrocknet wird.


Der schlimmste Lehrer von allen

Von Selma Green | Ob Sie es glauben oder nicht, als kleiner Nerd habe auch ich Lehrer, die ich wie die Pest hasse. Es gibt da eine breite Palette von Exemplaren, die gerade aus der Hölle gekomme zu sein scheinen. Bei solchen Leuten frage ich mich: Warum sind die überhaupt Lehrer geworden? Dachten die sich eines morgens: “Mensch, ich werde Lehrer. Ein super Beruf um Kinder zu quälen.”?
Hier aber ein Lehrer, den ich von allen am wenigsten leiden kann:


Chemie ist ein super Fach – eigentlich. Mein erster Chemielehrer Herr M. (mich graut es seinen vollständigen Namen aufzuschreiben) hat mich dazu gebracht, das Fach zu verabscheuen. Ich kann mich noch genau an Herrn M. erinnern. Er grinste immer so gruselig, wie das Kind von der Kinderschokoladenverpackung, sodass sich sein weißes Ziegenbärtchen zu einem Strich verformt. Mit Turnschuhen, Hipster-Schiebermütze und seiner Bomberjacke schlendert er dann durch die Reihen, tippt etwas auf seinem IPad herum und reißt schlechte Witze und “coole” Sprüche. Herr M. hatte ständig diese antiautoritäre “Ich-bin-der-lässige-Freund-meiner-Schüler-doch-eigentlich-sind-sie-mir-egal”-Attitüde. Gelernt habe ich bei ihm so gut wie nichts. Ich durfte vielleicht ein paar Stoffe verbrennen die hübsch leuchteten, doch fragen Sie mich nicht, was da genau passiert ist. Ich lernte mehr bei “Dora the Explorer”, als in einem Jahr Chemieunterricht bei Herrn M.. „Dora the Explorer” war so eine interaktive Kindersendung, die Kinder dazu verleitet, den Fernseher anzuschreien (gern geschehen Nachbarn). Naja, Sie wissen schon.

Wir mussten trotz alledem Klassenarbeiten schreiben. Bei der zweiten Klassenarbeit hieß es zuerst “Chemie fällt aus”. Und Überraschung! 5 Minuten nach Unterrichtsbeginn wurden wir zum Chemieraum zusammengetrommelt. Dort erwartete uns Herr M. mit seinem Kinderschokoladen-Lächeln und meinte mit sanfter Stimme, die mir einen Schauer über den Rücken jagt, wenn ich nur an sie denke: ”Ihr solltet mal mit der Arbeit loslegen. Zeit läuft schon. Ihr habt noch 35 Minuten.” 35 Minuten von 45!? Wir sprinteten zu unseren Plätzen, auf denen die Klassenarbeiten schon, fein säuberlich platziert, lagen. Wenn wir nicht schon durch den Sportunterricht völlig verschwitzt waren, dann brachte uns diese Chemieklassenarbeit definitiv dazu. Die meisten Aufgaben musste man sich erst einmal 5 Minuten lang durchlesen, um sie zu verstehen.

Klassendurchschnitt: 4,4

Ich sage nur so: Der Notenspiegel war kein hübscher anblick: 17 Fünfen, 10 Vieren, 2 Dreien und eine einzige Eins. Meine Arbeit kennzeichnete eine dicke 4 minus. Herr M. hatte da ein paar Pünktchen “vergessen”, sodass ich mir noch eine 4 plus ergattern konnte. Der Chemielehrer weigerte sich auch konsequent meine Fragen zu beantworten. “Was ist bei der chemischen Reaktion jetzt passiert?” Grinsen, “Wie kann ich meine Note verbessern?”, Grinsen, “Was hat es mit dem Periodensystem auf sich?”, Grinsen.

Ich habe eine ältere Schwester und ich dachte ich wüsste, was Zickenkrieg ist. Doch Herr M. zeigte mir, dass auch Männer zicken können. Nein, eigentlich ist Herr M. kein Mann, viel mehr ein kleiner Junge, der alles von seiner lieben Mami in den Allerwertesten geschoben bekommen hat.
Von der Sorte Lehrer wie Herrn M. gab es einige an meiner alten Schule. Das war folgendes Phänomen: Meine grünen Mitschüler, hatten keine Lust auf Schule. Sie müssen sich vorstellen, meine Mitschüler waren solche wohlstandsverwahrlosten, leistungsverweigernden FridayforFuture-Rotzgören, die denken, sie wissen alles besser, als die Erwachsenen. Da wurde jeder noch so kleine Makel am Unterricht oder am Lehrer genutzt, um eine Diskussion zu beginnen und um keinen Unterricht machen zu müssen. Das ist auf die Dauer echt ätzend, dafür braucht man kein Nerd sein, sondern schlicht alle Tassen im Schrank. Die meisten Lehrer trauen sich nicht mehr, schlechte Noten zu verteilen oder streng zu sein.

Am Ende werden nicht die Schüler für die schlechten Noten, sondern die Lehrer beschuldigt. Dann kommt die Mama von Phillipp in die Schule und beschwert sich warum ihr Baby denn so schlechte Noten hat. Genau deshalb beginnen die Lehrer mit einzusteigen und uns nicht wirklich etwas beizubringen. Nein, an oberster Stelle steht: Haltung. Ist der Lehrer nicht woke genug, hat er bei den grünen Rotzgören keine Überlebenschancen. Die Lehrer versuchen dann mit den Schülern befreundet zu sein und nur lustige Sachen zu machen.

Das ist völlig pervers! Wer will denn mit seinem Lehrer befreundet sein? Jedenfalls besteht der Unterricht dann für zwei Monate aus Friede Freude Eierkuchen, doch dann – Boom! Dann haut der Lehrer bei der nächsten Klassenarbeit die Schüler in die Pfanne. Nach meinen Erfahrungen glotzen alle blöd aus der Wäsche und machen dann wieder mit, wenn der Herr M. in der nächsten Stunden seine coolen Sprüche liefert. Damit die Eltern nicht quengeln bekommt jeder Schüler zum Trost die 2 oder 3 auf sein Zeugnis, die jedenfalls nicht annähernd der Note in den Klassenarbeiten entspricht.

In der Schule lernen die Schüler, wie man nicht mehr lernen muss.

Herr M., mein ehemaliger Chemielehrer, ist das Musterbeispiel für einen solchen Lehrer. Man merkte ihm an, dass er es genießt, der coole Kumpel der Schüler zu sein. Doch noch breiter grinste er, als wir mit bleichen Gesichtern unsere Tests und Klassenarbeiten benotet in den Händen hielten.

So sieht es in den meisten Fällen in Klassen mit hauptsächlich grünen Öko-Jugendlichen aus. Ja, die Schüler verweigern Leistung und die Lehrer steigen mit ein. Die Eltern gehen immer davon aus, dass ihr Liebling alles richtig macht und wehe ein Lehrer wagt es, etwas anderes zu sagen. Die Lehrer und die Schulleitung halten lieber den Mund. In der Schule lernen die Schüler, wie man nicht mehr lernen muss.


Bildung für die Herausforderungen der Zukunft – ein Interview mit einem Privatschulleiter 

Von Elena Klagges | Peter Rösner ist seit 2014 Schulleiter des Internatsgymnasium Stiftung Louisenlund in Güby an der Schlei und möchte die Schule neu denken. Im Sinne der Kurt Hahn’schen Reformpädagogik wird der Campus zur Zeit auch architektonisch erweitert und steht mitten in einem Aufbruch. Ich habe als Altschülerin bei Herrn Rösner angerufen und mich mit ihm ein bisschen über die neue, moderne Schule unterhalten.



Elena:
Herr Rösner, könnten Sie das neue Lern- und Forschungszentrum einmal kurz vorstellen? Was soll dadurch erreicht werden?

Peter Rösner:
Wir wollen Bildung für eine nachhaltige Zukunft entwickeln. Etwas plakativ gedacht: Die gesellschaftlichen Themen werden gerade in letzter Zeit vor allem durch zwei Fragestellungen geprägt.
Zum Einen ist da die Gestaltung der Energiewende. Bei schwindenden Ressourcen müssen wir neue Konzepte entwickeln, die uns unter Anwendung der Technik und Naturwissenschaften die Versorgungssicherheit in der Zukunft gewährleisten. Das zweite Thema umfasst die gesellschaftliche Teilhabe und demokratische Gerechtigkeit. Beispiele hierfür sind das kürzlich von der Regierung eingeführte 9-Euro-Ticket oder die Benzingutscheine, die es allen ermöglichen sollen, auch in Zeiten steigender Preise weiterhin mobil am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben.
Die Struktur unserer heutigen Gesellschaft ist im Wesentlichen nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden, sie trägt aber viele Elemente in sich, die vorher schon existierten. Die Staatsfinanzierung beruht nicht zuletzt auf dem System, dass der Mensch arbeitet. Mit den Steuerbeiträgen werden die Schulen, die Verwaltung und Straßen finanziert.

Nun aber werden durch die Automatisierung große Teile der menschlichen Arbeit rationalisiert. Auf gesellschaftliche Fragen, die auf uns zukommen, brauchen wir somit neue Antworten, die wir mit der Bildung für eine nachhaltige Entwicklung lösen wollen. Die Schulen von heute behandeln diese Fragen jedoch nicht. Sie beruht im Wesentlichen noch auf dem Modell der Fabrikschule aus dem 20. und 21. Jahrhundert, als Bismarck die Schulpflicht etablierte. Zu der Zeit brauchte man vor allem preußische Verwaltungsbeamte, welche uniform sein mussten, also verwalten und nicht abweichen bzw. erfinden sollten. So wurden nach der klassischen Methode viele Kinder mit einem Lehrer in einen viereckigen Raum gesteckt.


Ich glaube aber, dass diese Methode sehr ineffektiv ist, denn Kinder sind nicht alle gleich und sie lernen unterschiedlich. Folglich sollte man sie auch nicht alle gleich behandeln. Die neue Pädagogik möchte mit dem Modell der Fabrikschule brechen und es dem Individuum ermöglichen, sich bestmöglich zu entwickeln und zu bilden. Dabei sage ich bewusst sich ,,zu bilden‘‘, nicht ,,zu unterrichten‘‘.

Die Schule von heute beruht im Wesentlichen noch auf dem Modell der Fabrikschule aus dem 20. und 21. Jahrhundert, als Bismarck die Schulpflicht etablierte.



Elena:

Zu Bismarcks Zeiten versuchte Humboldt mit Einführung des dreigliedrigen Schulsystems den Zugang zur Schule breiter zu demokratisieren. Dann versuchten die 68er-Bewegung und weitere Bildungsreformen das Gliedsystem abzuschaffen, allerdings sieht man beispielsweise an den seit 2000 stattfindenden PISA-Studien, dass der Bildungsstandort Deutschland eher gescheitert ist. Wie wollen Sie jetzt erreichen, dass diese Art Schulreform ein Erfolg wird?


Rösner:

Im Rahmen der Mehrgliedrigkeit hingegen, also die Unterteilung in Gymnasium, Real- und Hauptschule, bringen wir die Kinder am Ende alle zu einem Ziel, dem Schulabschluss.

Aber wenn jetzt ca. 43% der Schulwechsler auf ein Gymnasium gehen – was nebenbei bemerkt keine Bestenauslese nach dem Leistungsprinzip ist, sondern vor allem von dem sozialen Background und der Herkunft der Eltern abhängig ist – dann haben wir viele Schüler mit einem 1,0 Abi, aber auch viele mit 3,0. Und sogar Prüflinge mit 0 Punkten in Klausuren. Da könnte man jede andere Person in die Prüfung schicken und die Prüfung wäre besser gelaufen. In diesem Moment ist Schule gescheitert. Denn in den allermeisten Fällen beruht das Scheitern nicht auf Leistungsverweigerung, sondern schlicht und einfach darauf, dass der Schüler es nicht verstanden hat. Das reflektiert sich auch in der Schulabbrecherquote, die laut dem Bildungsmonitor 2019 auf 6,3 % gestiegen ist. Diese Kinder machen noch nicht einmal einen Abschluss, waren aber Jahre in der Schule, die aber nicht erfolgreich funktioniert.

Bei dem Gleichschaltungsprinzip der Schule hat man permanente Überforderung sowohl der Schüler als auch der Lehrer. Jeden Tag wird jemand vom eigenen Scheitern frustriert und demotiviert. Gleichzeitig hat man aber auch Schüler, die ständig gebremst werden und sich langweiligen. Das ist ethisch nicht vertretbar.

In Louisenlund möchten wir deshalb die Klassen auflösen und durch aktives Lernen und eigenes Bemühen die Kinder als individualistisch Lernenden sehen. Diese muss man dann mit einem neuen System unterstützen. Hier legen wir die pädagogische Leiter an, bei der jeder seinem Lerntempo gemäß berücksichtigt wird.


Elena:

Wie werden bei diesem System die Vorgaben des Landes, angefangen bei G8 und G9 und die Lehrpläne eingehalten werden können?

 

Rösner:
In der Tat, der Lehrplan gilt weiterhin, aber diesen einzuhalten können wir problemlos tun. Das staatliche Bildungsmonopol bleibt und gilt auch für uns als Privatschule. Und wir bleiben auch weiter ein Gymnasium.

Doch wir erlauben es den Kindern die Lerninhalte und den Lernstoff, der für die 4 Jahre, wie z.B. die Juniorenstufe fünf bis acht vorgesehen ist, innerhalb des neuen Systems in ihrem Tempo zu erarbeiten. Also etwas mehr Zeit zum Verstehen in Anspruch zu nehmen oder eben auch kürzer. Dabei ,,überspringt‘‘ man aber nicht wie in öffentlichen Schulen eine ganze Klasse und verpasst dadurch den für diese Klasse vorgesehenen Lernstoff, sondern das Kind hat sich diesen selbstständig im Prozess angeeignet und wird dadurch keine Lücken aufweisen.
Plastisches Beispiel: Im Lehrplan sind 10 Stunden Mathe für Bruchrechnung eingeplant und danach soll das Thema Geometrie folgen. Wenn der Schüler bis zum Ende eines Themas den Lerninhalt nicht verstanden und durchdrungen hat, dann wird beim linearen Unterricht einfach weiter gemacht, mit der Folge, dass wir schlechten Noten sehen.

Der Lehrplan schreibt aber nur eine gewisse Kontingentstundenzahl an. Das wird definiert mit Anwesenheit des Schülers und Anwesenheit des Fachlehrers.
Die neue Lernform erreicht diese Stundenzahl innerhalb der ,,Flip-class-rooms‘‘ bei der selbstständigen Studio-time, wo die Verantwortung des Lernens beim Einzelnen liegt.

Während der Studio-time findet mit digitalisierten Inhalten die Aneignung von Wissen statt. Dabei hat der Lehrer vorher diese Inhalte auf Videos aufgenommen und Lerninhalte auf einer Plattform erstellt, wobei sich der Schüler auch direkt selbst überprüfen kann, um seinen Lernstand abzuchecken. Schweift man aber mal ab oder hat etwas nicht verstanden, dann kann man das Video wiederholen und nochmal versuchen, das Thema zu durchdringen.
Für uns bedeutet dies gleichzeitig auch, dass wir nie wieder Unterrichtsaufall haben. Denn die Lerninhalte sind in der Cloud für jeden zu jeder Zeit aufrufbar.


Elena:
Das heißt aber auch, dass klassische Klassenarbeiten nicht mehr stattfinden und durch den Einsatz der digitalisierten Lehre ersetzt werden?

Rösner:
Nicht ersetzt, aber ergänzt. Denn zu der Studio-time kommen noch die Seminare dazu.
An der öffentlichen Schule vermittelt der Lehrer nur das Wissen und die Anwendung erfolgt dann meist alleine bei den Hausaufgaben. Bei uns drehen wir das Ganze um und der ursprüngliche Frontalunterricht fällt in die selbstständige Studio-time. Die Anwendung des Wissens, was auch eine deutlich kompliziertere Aufgabe ist, wird der Lehrer dann bei den Seminaren unterstützen und er kann auf diese Weise viel effektiver und individueller die Lücken schließen.

Diese beiden Lernzeiten, also die Studio-time und die ca. 60 Minuten lange Seminare werden zusammengerechnet und so kommen wir auch auf die Vorgaben des Landes. Die formalen Ansprüche werden alle eingehalten, aber die Vermittlung wird ganz anders sortiert.

Elena:
Und wie sieht die Arbeit in diesen Seminaren konkret aus?

Rösner:
Es sitzen bis zu maximal 15 Schüler zusammen. Aber auch hier haben wir keinen Frontalunterricht, sondern die Teilnehmer befinden sich im kollaborativen Lernen, also in gemeinschaftlicher Arbeit, in Diskussion und in Operation. Dies wird durch den Lehrer nur gesteuert und moderiert.

Als klassenähnliche Arbeit ist ein Seminar zeitlich vorgeben, wird aber flexibel mehrmals pro Woche angeboten. Da es aber nicht mehr so lange ist wie eine übliche Doppelstunde, ist der Unterrichtsplan ziemlich ausgedünnt. Dies heißt aber nicht, dass weniger gearbeitet werden kann. Denn die Wissensaneignung muss vorher in der Studio-time erfolgen.

Es hat dennoch den großen Vorteil, dass der Schüler sich die Studio-time in seine persönlich produktivste Phase des Tages legen kann. Einige werden abends erst oder nochmal sehr leistungsfähig, doch dort findet normalerweise kein Klassenunterricht statt. Innerhalb unseres Systems hat man nun aber die Möglichkeit, morgens eventuell schon an einer Gilde (Anmerkung der Redaktion: Das sind sportliche oder soziale Aktivitäten, wie z.B. Hockey, Tennis oder die freiwillige Feuerwehr, Debattierclub etc.) teilzunehmen, und danach erst in die Lernzeit zu gehen.
So wird jeder Schüler seinen ganz individuellen Stundenplan haben. Aber dies ist ein reines EDV-Problem, welches wir ganz einfach lösen können. Bisher hatte ja jeder Lehrer auch seinen eigenen Plan und anstatt, dass wir nur 80 Pläne erstellen, werden wir nun einfach 350 Pläne erstellen.

Elena:
Wie werden die Lehrer auf diese neue Lehr- und Unterrichtsweise vorbereitet? Welche Rolle wird der Lehrer einnehmen?

Rösner:
Der Lehrer wird sich nicht mehr ausschließlich als Lehrer im Klassenzimmer definieren, sondern als Lehrer in der Schule insgesamt. Dadurch, dass die Seminare weniger Zeit in Anspruch nehmen, hat er mehr Zeit für seine anderen Aufgaben. Man wird zwischen zwei Rollen unterscheiden können. Zunächst ist der Lehrer ein Mentor, der seinen Schüler begleitet und gerade demjenigen, der es braucht, etwas mehr Anleitung geben.

Ein Mentor wird bis zu 8 Schüler betreuen und sich in regelmäßigen Abständen mit den Kindern treffen, um die Lernstände zu besprechen. Dabei kann er mit reflexiven Fragen den Schüler dazu anregen, das Lernen zu erlernen und seine beste Arbeitsweise zu finden. Wir sprechen hier von Metakognition in der Reflexion.
Und gleichzeitig bleibt er Fachlehrer. Hier kommt als Arbeitsaufwand hinzu, dass er die digitalen Inhalte erstellen muss. Ansonsten müssen die Seminare geleitet werden. Anweisungen in den Seminaren könnten so aussehen, dass innerhalb des Seminars ein Kurzreferat präsentiert werden soll, welches sich an Leitfragen orientiert, die mit dem vorher angelernten Wissen ausgearbeitet werden können.

Zusammenfassend wird der Lehrer somit als Mentor die Entwicklung des Schülers individuell begleiten, seine Bildung einmal unter Ausnutzung der Digitalisierung
ermöglichen und schließlich bei der Moderation in den Seminaren vertiefen.


Elena:

Einmal zurück zur fachlichen Ebene: Dass es große Defizite bei Mathematik gibt und ein Fokus auf die naturwissenschaftlichen Fächer gelegt werden muss, ist schon länger bekannt. Schulen und Universitäten beklagen sich jedoch immer mehr, dass große Schwächen auch in der Allgemeinbildung, v. a. bei der Rechtschreibung und Grammatik bestehen. Wie wollen und können Sie dieses Problem angehen?

 

Rösner:
Ich bin ein Fan vom Leistungsprinzip und von der allgemeinen breiten Bildung und setze mich, der selbst aus der naturwissenschaftlichen Richtung kommt, gerne für diese Fächer ein. Doch die Abiturprüfungs- und Oberstufenverordnung gilt ja weiterhin, also die allgemeinen Anforderungen müssen erfüllt werden. Im Modularen Prinzip kann man nun viel besser an individuelle Schwächen arbeiten, als dies bisher an staatlichen Schulen der Fall war. Indem man diejenigen Seminare ggf. zusätzlich besucht, in denen man Lücken aufweist. Wird in einem Quartal der Kurs ,,Auffrischung Rechtschreibung und Grammatik‘‘ angeboten, dann nimmt man sich als Schüler dafür die Zeit. Und wenn sich das Seminar nicht mehr nur an eine spezifische Klasse richtet, sondern allgemein an die Oberstufe, lohnt es sich für uns als Schule auch stets, einen Kurs einzurichten. Die Anzahl der Schüler, die das Seminar besuchen werden, findet man dann schon. Bei dieser Arbeit an Defiziten profitieren die Schüler auch gegenseitig voneinander. Denn wenn man sich bei der Gruppenarbeit untereinander etwas erklärt und selber lehrt, vergisst man die Inhalte nie wieder. Das ist eine sehr effektive Methode und wurde z.B. mit der Hattie-Studie belegt.

Elena:
Haben Sie dennoch irgendwelche Ängste, Befürchtungen oder Sorgen bezüglich der Umsetzung dieses Projektes? Worin sehen Sie beispielsweise Vorteile, die eine Privatschule dabei im Vergleich zu einer öffentlichen Schule hat?

Rösner:
(lehnt sich nachdenklich zurück, überlegt und lacht kurz)
„Elena, weißt du was: Ich bin eigentlich sehr zuversichtlich und überzeugt, dass das ganze Projekt gut laufen wird.
Man sollte Schule nämlich als lernendes System verstehen. Unser Motto ist ja: ,,Heute sind wir gut, morgen sind wir besser.‘‘ Natürlich wird es eine gewisse Testzeit geben, aber dabei werden wir uns nur weiterentwickeln. Ein ständiger Prozess.
Der Vorteil an einer Privatschule ist, dass wir jeden Schüler problemlos mit einem digitalen Endgerät ausstatten können. Das ist dann vergleichbar mit einem Unternehmen, denn auch dort werden die Endgeräte und Ressourcen gestellt. Die Schüler sind in diesem Fall also vollwertige Mitarbeiter.
Die Lerninhalte und Aufgaben sind ja online über die Cloud von überall abrufbar und somit wird es auch keine Ausrede mehr geben, die Hausaufgaben nicht gemacht zu haben oder generell nicht lernen zu können.

Als private Schule sind wir aber auch unabhängig und haben die Freiheit, fundamental andere Richtungen als Vorreiter einschlagen zu können. Zwar gelten die grundsätzlichen und allgemeinen Landesregelungen weiterhin, aber wir können das System Schule von Grund auf neu denken. Es gibt mehr Möglichkeiten, von den alten Mustern abzuweichen und flexibel Neues zu experimentieren, um die Zukunft zu gestalten.

Für mich als Schulleiter kommt als zusätzliche Kontrolle hinzu, ob ich den richtigen Weg eingeschlagen habe, wie viele Anmeldungen es für das Internat gibt und wie groß die Akzeptanz unseres Erziehungsprinzips ist.
Sollten wir irgendwann den richtigen Weg gefunden haben, Schule nachhaltig zu verbessern und zu entwickeln, dann lass es die anderen Schulen übernehmen. Das Finden dieses Konzeptes, das positive Beeinflussen des Bildungswesens, ist dann ein toller gesellschaftlicher Beitrag

 

 


Ökonomischer Nonsens a la Katarina Barley

Von Luca Tannek | Am 28. Juni stimmte der EU-Rat dafür, dass ab 2035 ein Verbot des Verbrennungsmotors in Kraft tritt. Das EU-Parlament hatte bereits für eine Abschaffung mehrheitlich abgestimmt. Damit Deutschland im EU-Rat für ein Verbot stimmte, mussten sich zuvor alle Koalitionspartner der Bundesregierung (FDP, SPD und Grüne) in ihrer Forderung einig sein. Wäre dem nicht so gewesen, dann hätte sich Deutschland enthalten müssen. Und danach sah es kurzzeitig aus, da die FDP ein Verbot von sog. E-Fuels ablehnte. Am Ende einigte man sich darauf E-Fuels vom Verbot auszunehmen und Deutschland stimmte für das Verbrennerverbot.

Die Vizepräsidentin des EU-Parlaments Katarina Barley (SPD) machte einige Tage zuvor das absurde Argument, ein Nein zum Verbrennerverbot würde dem Wirtschaftsstandort Deutschland schaden. Dass von Katarina Barley selten bis kaum intelligente Aussagen kommen, ist schon immer klar gewesen. Aber solch ein Schwachsinn aus ihrem Mund zu hören, ist an Lächerlichkeit kaum zu überbieten.

Frau Barley nimmt Arbeitslosigkeit in Kauf

Der Großteil der produzierten Autos in Deutschland ist mit einem Diesel- oder Ottomotor ausgestattet. Somit ist die Branche enorm abhängig von diesen beiden Fahrzeugtypen. Und Dank der Produktion von Automobilen, die mit einem Verbrennungsmotor betrieben werden, gibt der gesamte Automobilsektor in Deutschland zirka 800.000 Menschen einen Job. EU-weit sind in der Branche insgesamt 3,50 Mio. Arbeitnehmer beschäftigt. Für die Herstellung von elektrisch betriebenen PKWs bräuchte man nur noch 60% von den derzeit Beschäftigten, die man für den Verbrenner benötigt. Und von diesen 60% sind wiederum über die Hälfte für die Produktion der Batterien notwendig. Und da die Akkus aufgrund Rohstoffmangels nicht in Deutschland produziert werden, profitieren in erster Linie andere Länder. Durch ein Verbot des Verbrenners würde es in Deutschland zu massivem Stellenabbau kommen. Keiner weiß, wie sich die Elektromobilität bis 2035 entwickelt hat und ob sie die gleiche Effizienz aufweisen kann, wie Verbrennungsmotoren. Durch ein abruptes staatliches Verbot des Verbrenners, ist das Risiko Arbeitslosigkeit hervorzurufen, sehr hoch. Hier zeigt sich wieder einmal die sozialdemokratische Heuchelei, man würde sich um das Wohl von Arbeitnehmern sorgen. Interessant ist hierbei auch, dass China ein Verbot des Verbrennungsmotor voraussichtlich erst im Jahr 2060 beschließt. So viel zum Argument, man müsse das Weltklima schützen. Frau Barley vertritt absolut keine deutschen Interessen. Mit deutscher Arbeitslosigkeit hat die ehemalige Justizministerin kein Problem.

Verbote sind keine Standortvorteile

Laut der Sozialdemokratin schafft ein Verbot Standortvorteile für Deutschland. Sie argumentiert, dass die Autohersteller sogar ganz von sich aus noch vor 2035 keine Verbrenner herstellen möchten. Dass diese Begründung völlig widersprüchlich ist, könnte kaum offensichtlicher sein. Erstens: wenn Produzenten ganz von sich aus -und ohne staatliche Verbote- eine Entscheidung fällen, dann braucht es kein Verbotsgesetz. Im Grunde macht Frau Barley das Gesetz mit ihrer Begründung völlig obsolet. Wozu braucht man Verbote, wenn es auch ohne geht? Man sollte auch berücksichtigen, dass solche Prognosen von Herstellern immer auf wackeligen Beinen stehen. Es kann in einer freien Marktwirtschaft immer zu kurz- bis mittelfristigen Veränderungen kommen. Niemand weiß welche technologischen Möglichkeiten im Jahr 2035 existieren. Vor allem sollte man berücksichtigen, dass der Premiumhersteller BMW sich keinesfalls vom Verbrennungsmotor verabschieden möchte. Mit dem Verbot des Verbrennungsmotor gäbe es auch ein Forschungsverbot für BMW. Politiker hätten somit den Wettbewerb zwischen den weltweit besten Autoproduzenten erdrosselt. Anhand dieser einfachen Widerlegung ist es ziemlich einleuchtend, dass sich Katarina Barley nullkommanull um die deutsche Wirtschaft schert. Sie hat lediglich Gefallen daran, Wohlstand und Innovation in Deutschland zu verhindern.

Fazit

Das Ergebnis von diesem restriktiven EU-Gesetz ist nichts weiter, als ein indirektes Forschungs- und Arbeitsverbot, das vor allem volkswirtschaftliche Einbußen für Deutschland hervorbringt. Katarina Barley verkörpert mit ihrer Haltung sehr gut den typischen Politiker, der sich anmaßt, mehr als Millionen von Individuen zu wissen und deshalb die freie Marktwirtschaft in eine Kommandowirtschaft umbauen will. Katarina Barley verbreitet mit ihrem „Standortargument“ nichts weiter als ökonomischen Nonsens und ist nicht in der Lage zu verstehen, dass ein Verbot weder deutsche Interessen vertritt, noch ökonomisch sinnvoll ist.

 


Zurück zur Wehrpflicht? – das große Apollo Battle

Lesen Sie hier: Das große Debattenduell. Wehrpflicht-Lover Maxi vs. Freiwilligkeits-Fanatiker Adrian. Sollte die Wehrpflicht wieder eingeführt werden? Wird Deutschland so endlich wieder verteidigungsfähig oder stehlen wir den jungen Leuten so nur eines der besten Jahre ihres Lebens– wer überzeugt Sie mehr?

Achtung: Dieser Beitrag könnte vereinzelt Spuren von Humor enthalten. Weder ungediehnte Dienst-Forderer noch gediehnte Pflichtdienst-Verweigerer wurden bei der Produktion dieser Kolumne ernsthaft verletzt. Bei Risiken und Nebenwirkungen wenden Sie sich an ihren Arzt, Apotheker oder Seelsorger. 


Ja, zur Wehrpflicht! – ein souveräner Staat muss abwehrfähig sein

Von Max Zimmer | Bevor ich überhaupt anfange: Jajaja, ich weiß ja schon – der ungediehnte Jura-Student will unserem Apollo-Hauptgefreiten jetzt die Truppe erklären. Und dass, obwohl Adrian mir ja sonst so gerne klar macht, dass ich von nichts eine Ahnung hätte, und meine Meinung zur Bundeswehr nur so vor Halbwissen strotzt. Aber nichts da – nur weil du bei der Bundeswehr bist, hast du die Weisheit nicht mit Löffeln gefressen. Es gibt gute Gründe für eine Wiedereinführung der Wehrpflicht.

Jahrzehntelanges kaputtsparen, Abschaffung der Wehrpflicht, Beraterskandale und in ihrer Kompetenz mindestens zweifelhafte Ministerinnen: Die Politik hat unsere Bundeswehr – und damit unsere Abwehrbereitschaft – viel zu lange ignorant behandelt, und so sukzessive zerstört. Ich denke da wird mir auch der Adrian noch zustimmen können. Eine Wiedereinführung der Wehrpflicht allein wird zwar gewiss nicht die Lösung aller Probleme sein, aber genau so wie ihre Abschaffung einst der Beginn des Niedergangs war, könnte ihre Wiedereinführung der Beginn eines Wiedererstarkens sein. 

Im Grunde genommen ist die Politik ja nur ehrlich, und repräsentiert auch in gewisser Weise die Haltung der deutschen Öffentlichkeit – man ist gerne Pazifist, preist den Frieden und will mit Militär nichts zu tun haben. Diese Mentalität geht natürlich einher mit dem herrschenden linksliberalen Zeitgeist, der keine Werte wie Vaterland, Männlichkeit, Kampfgeist oder Disziplin kennen will, sondern in dem vor allem wohlklingende Gutmenschen-Phrasen à la Weltfrieden, Liebe, Toleranz und Vielfalt gepriesen werden.

Es hängt allerdings sicherlich auch damit zusammen, dass die oft (nicht zu Unrecht) als verweichlicht bezeichnete „Generation Z“ quasi kaum noch Berührungspunkte mit dem Dienen hatte – leider ist nicht jeder in unserer Generation so schneidig und aufopferungsbereit wie Adrian. Während die Generationen ihrer großen Brüder und Väter diesem Land noch in großen Teil in Uniform gedient haben, verbrachten die pflichtbefreiten Z´ler ihre Jugend meist am Handy, vor der Konsole, beim Feiern oder halt im Lockdown. 

Aber eine charakterbildende Lebensschule in der Kaserne, das kennen viele Buben heute gar nicht mehr. Und das merkt man dem Wesen dieser Generation leider auch an. Links, woke, disziplin- und teilweise auch anstandslos, das sind leider nicht zu Unrecht Klischees über die heutige Jugend. Auch hier wäre ein Pflichtdienst am G36 und ein morgenlichtes Wecken durch den Feldwebel sicherlich keine Patentlösung, aber es würde definitiv nicht dabei schaden, den jungen Menschen heutiger Tage mal wieder ein bisschen Schneid beizubringen. 

Und ja, mir ist natürlich bewusst, dass der Kasernenalltag auch seine Tücken mit sich bringt, und Charaktere nicht unbedingt immer nur zum besseren formt – hier könnte ich Adrians Bierkonsum ansprechen, aber dann schweife ich wohl vom Thema ab. 

Aber es geht ja nicht bloß um reine Erziehungsmaßnahmen – spätestens seit dem 24. Februar diesen Jahres wissen wir, dass Frieden in Europa und auch in deutscher Nachbarschaft nicht selbstverständlich sind. Dieser Irrglaube seit Ende des kalten Krieges, wir seien künftig befreit von der Notwendigkeit, uns verteidigen zu können, fällt uns nun auf die Füße. Auch ich halte es für unwahrscheinlich, dass sich der Konflikt ausweitet, und der Russe morgen früh durch Polen marschiert und an unserer Grenze steht – aber ich habe auch nicht mit dem Angriff auf die Ukraine gerechnet (ich weiß Adrian, ich schulde dir deswegen noch eine Flasche Vodka – ukrainischen, versteht sich), also was weiß ich schon.

Klar ist – wir müssen im Zweifel abwehrbereit sein. Und das gilt gar nicht nur bezüglich Russland und der Sicherheitskrise in Osteuropa; es ist eine grundsätzliche Voraussetzung eines souveränen Staates, seine Interessen auch militärisch wahrnehmen zu können. Und hierzu gehören eben nicht nur Panzer, Artillerie, Flugzeuge und Schiffe – sondern auch eine robuste Mannstärke. Wir sehen in der Ukraine, dass man Zivilisten ohne militärische Ausbildung nicht einfach ein Gewehr in die Hand drücken kann, und sie werden dann zu effizient kämpfenden Soldaten. 

Es braucht für eine breite Kampfbereitschaft auch einen hohe Anzahl an gedienten, ausgebildeten Soldaten, die schnell mobilisiert werden können. Und da hilft nun mal nur eine Wehrpflicht, denn wir reden hier im Zweifelsfall von einem Bedarf über Hunderttausende bis Millionen Männer. Eine Wehrpflicht hilft dabei, diesen Bedarf kostengünstig abzudecken, und eine breite Reserve aufzubauen.

Außerdem bringt eine Wehrpflicht die Bundeswehr wieder in die Mitte der Gesellschaft, denn zu dienen wäre normal, und ginge wieder durch alle Gesellschaftsschichten. Es hätte etwas gesellschaftlich vereinendes, wenn nicht nur vereinzelte Militärfreaks und überzeugte Patrioten wie Adrian, sondern auch der eigene Nachbar, der Professor an der Uni, der Verkäufer im Supermarkt und der Chef im Büro allesamt zum Kreis der Kameraden zählten, mit denen man sich im Fall der Fälle einen Schützengraben teilt. 

Die oft bemängelte Anerkennung und Wertschätzung der Bundeswehr in der Gesellschaft würde dadurch offensiv bekämpft, denn die Bundeswehr würde wieder ein Teil der Gesellschaft werden, etwas, das alle gleichermaßen betrifft.

Wenngleich man den Eingriff in die Lebensplanung junger Menschen zurecht kritisieren mag, so sehe ich hier eine schlicht von unserer Zeit geforderte Maßnahme, ein Mittel zur Abwehr nach Außen, zur Stärkung nach innen und zur Normalisierung der Truppe in der Gesellschaft.


Wehrpflicht? Nein danke! – Auf Zwangskameraden kann ich verzichten

Von Adrian Hurtado | Mimosen, Klimahüpfer, Moralapostel und Geschlechts-Jongleure – kurz: Unsere verweichlichte Generation. Das ist das oft beklagte Steckenpferd, mit dem Leute wie Maxi eine Rückkehr der Wehrpflicht fordern. Aber mal im Ernst: Soll unsere Gesellschaft allein dadurch wieder mehr Rückgrat entwickeln? Ich glaube nicht. 

Vorab: Ja, auch ich sehe dieses Problem. Aber anders als du betrachte ich nicht die fehlende Wehrpflicht als das springende Element, was die Hauptschuld daran trägt. Das Problem liegt doch in den gesamten ersten 18 Lebensjahren eines deutschen Staatsbürgers, wo ihm quasi vom Kindergarten bis zum Schulabschluss erzählt wird, dass Dinge wie Disziplin oder die eigene Heimat quasi nichts wert sind. Ja, es gibt Ausnahmeschulen, doch bei der überwiegenden Mehrheit ist das nunmal der Fall. Denkst du wirklich, dass dieses eine Jahr die gesamte (Un-)Bildung der Kindheit und Jugend ausbügeln kann? Für mich klingt das eher wie ein letzter verzweifelter Rettungszweig.

Es ist auch so nicht richtig, dass der „Niedergang“ der Bundeswehr erst mit dem Aussetzen der Wehrpflicht angefangen hat. Gerade du solltest doch wirklich wissen, dass der Abbau von Personal und Material seit der Wende im vollen Zuge war. Hatten wir 1991 noch weit über 400.000 aktive Soldaten, so waren es 2010, also im Jahr vor der Aussetzung der Wehrpflicht, nur noch knapp über 200.000. Der Unterschied zu heute ist also gar nicht so groß – abgesehen von den Bundeswehr-Handtaschen und Schwangerschaftspanzern.

Was ich auch nicht verstehe, ist, wieso du eine Wehrpflicht als einzige Lösung siehst, um die Truppenstärke zu erhöhen. Ob du die USA magst oder nicht, sie sind ein gutes Beispiel, dass man auch ohne Wehrpflichtige eine deutlich größere Armee stellen kann. Seit 1973 ist dort die Wehrpflicht ausgesetzt, dennoch verfügen sie bei einer Bevölkerung von 330 Millionen über 1,3 Millionen aktive Soldaten. In Deutschland gibt es gerade mal 185.000 Soldaten bei einer Bevölkerung von 82 Millionen. Grob gerechnet verfügen die USA also bei einer 4 mal so großen Bevölkerung über eine mehr als sieben-mal so große Armee.

Ich weiß, wir wünschen uns beide eine Bundeswehr, bei der dem Russen nur vom Anblick schon die Knie zittern. Aber das wird nicht geschehen, indem wir einfach allen jungen Erwachsenen ein Jahr ihres Lebens stehlen, in dem sie höchstens halb fertig ausgebildet werden. 12 Monate reichen nicht, um einen Rekruten einsatzfähig zu machen. Schon allein meine Grund- und Dienstpostenausbildung als Panzergrenadier haben gut acht Monate in Anspruch genommen – und danach war ich noch lange nicht voll ausgebildet.

Und übrigens Maxi, hast du vielleicht vergessen: Bei der Bundeswehr herrscht eine Duldungspflicht für zwei Corona-Impfungen. Wenn eine Wehrpflicht eingeführt wird, bedeutet das also faktisch eine Impfpflicht für alle jungen Menschen. Mit deiner Wehrpflicht werden die Leute nebenbei noch zwangsgeimpft – willst du das wirklich?

Auch ich wünsche mir eine größere, stärkere und einsatzfähige Bundeswehr. Auf Kameraden, die gar keine Lust auf ihre Arbeit haben, kann ich aber gerne verzichten.


„Am Ende der Tage…“: Die theologischen Wurzeln des Zionismus

 

Von Simon Ben Schumann | Beim Wort „Israel“ denkt man an Vieles – gutes wie schlechtes – aber eher selten an die Jüdische Religion. Ihr Glaubensinhalt ist allerdings enger mit der Existenz des modernen Staates Israel verknüpft, als oft vermutet. Sie ist sogar ein bedeutender Meilenstein in der Geschichts- und Heilstheologie des Judentums.

Eine Gemeinschaft aus Worten

Seit dem Jahr 70 n. Chr. gab es keinen jüdischen Staat mehr. Die Zerstörung des zweiten Jerusalemer Tempels durch das römische Militär infolge des Jüdischen Krieges 66 n. Chr. leitete die jüdische Diaspora ein, welche beinahe 2.000 Jahre anhalten sollte.

Ohne einen Nationalstaat, ein Territorium, ohne ein Staatswesen blieb den Juden weltweit nicht viel gemeinsames übrig. Deswegen besann man sich auf das, was alle kannten und miteinander verband: Die Schriften. Vor allem die Thora wird im Judentum hochgeschätzt; Heinrich Heine nannte sie einmal das „portative Vaterland“ der Juden. Ebenso der babylonische Talmud, welcher eine Schriftsammlung von Rabbinern aus dem „babylonischen Exil“ bis 539 v. Chr. darstellt.

Das Leben im Exil war facettenreich. Im goldenen Zeitalter des Islam um 1000 n. Chr. gab es großen Wohlstand und ein friedliches Zusammenleben mit den Muslimen. Zur selben Zeit konvertierte in Europa ein ganzes Nomadenvolk, die sogenannten Chasaren aus Westrussland, zum Judentum. Sie sind ein Teil der Vorfahren der heutigen Aschkenasim – den Juden aus Europa. Das Jiddische als Sprache entstand im Mittelalter als Mischform aus Deutsch und Althebräisch; in den sogenannten „SchUM“-Städten – Speyer, Worms und Mainz – lag das pulsierende Zentrum des jüdischen Deutschlands. Andererseits kam es weltweit zu brutaler Gewalt; so gab es immer wieder Pogrome mit Zehntausenden Todesopfern und tyrannische Vertreibungen wie in Spanien 1492.

Die prophezeite Rückkehr

In der Neuzeit, aber auch in anderen guten Tagen, empfanden viele Juden die Diaspora nicht immer als bedrückend. Im Gottesdienst betete man dennoch täglich für die Wiederkehr der Juden ins „versprochene Land“. Im Achtzehnbittengebet des Judentums nehmen die Sammlung der Zerstreuten und der Wiederaufbau des Jerusalemer Tempels, den einst der legendäre Salomo errichten ließ, eine zentrale Stellung ein.

Gerade von Rabbinern wurde die Diaspora als unnatürlicher, nicht dauerhafter Zustand betrachtet. Der berühmte Rabbi Jehuda Löw aus Prag meinte im 16. Jahrhundert, dass die Juden zurückkehren würden – wenn die Zeit reif sei. Die Meinungen über das „Wann“ und „Wie“ divergierten dabei. Heute sind die allermeisten orthodoxen Vertreter des Judentums pro-zionistisch eingestellt, während wenige ultra- orthodoxe die Existenz Israels als Affront an Gott ablehnen – dieser müsse die Rückkehr selbst herbeiführen. Auch jüdische Reform-Gemeinden in der Tradition der „Haskala“ – das jüdische Pendant zur Aufklärungsbewegung in Europa – stehen dem Zionismus nicht ausschließlich positiv gegenüber. Ein Vertreter dieser Strömung ist der US-Historiker und Publizist Norman Finkelstein, welcher den Siedlungsbau im Westjordanland heftig kritisiert.

Die Religionslehrer berufen sich unter anderem auf Propheten, welche im Judentum wie im Christentum Teil des Kanons sind – sie folgen gleich auf die Fünf Bücher Mose.
So heißt es zum Beispiel in Jesaja 11,11: „Und der HERR wird zu dieser Zeit zum andern Mal seine Hand ausstrecken, dass er das übrige Volk freikaufe […] von den Inseln des Meeres.“ Der Prophet Jesaja und andere versprachen nicht nur eine göttlich verfügte Sammlung der Juden in Israel, sondern das Erreichen des „Endes der Zeitgeschichte“: Israel als Zentrum der Welt solle Ursprungsort von geistigem wie auch materiellem Wohlstand sein. „Es wird keiner Kinder mehr geben, die nur einige Tage leben; und wenn einer mit Hundert Jahren stirbt, wird man sagen, er sei als junger Mann gestorben.“

Aufbruch nach „Altneuland“

Seit 70 n. Chr. gab es immer wieder diverse Versuche von Juden, nach Israel zurückzukehren. Keine davon waren von Erfolg gekrönt. Nur kleine Gemeinden hielten sich im Land am Jordan, die dort eine geringe Minderheit der Bevölkerung darstellten.
Erst Mitte und Ende des 19. Jahrhunderts kam Bewegung in den Rückkehrwunsch in das von den Römern als „Palästina“ getaufte Gebiet. Der deutsche Philosoph und Frühsozialist Moses Heß erdachte die Errichtung eines modernen jüdischen Staates, dessen Religion ebenfalls reformiert werden müsse. Sogar freie Liebe als Selbstverständlichkeit in der im Überfluss lebenden, vollkommenen Zukunftsgesellschaft, war für den Frühzionisten kein Problem. 

In seinem Roman „Altneuland“ beschrieb der Initiator des Zionismus, Theodor Herzl, um 1900, wie in einigen Jahrzehnten ein jüdisches Staatswesen entstehen würde. Als Initiator der Zionistenkongresse und Führungsfigur der jüdischen Nationalbewegung sollte er Recht behalten. Die von ihm begründete Organisation des praktischen Zionismus war mal mehr, mal weniger religiös. Während der Schoah schrieb der spätere Präsident Israels, Chaim Weizmann, an den Widerstandskämpfer gegen den Völkermord, Chaim Weissmandl in Slowenien: „Only a remnant will remain. We must accept it.“ – eine Anspielung auf die Propheten Jesaja, Hesekiel und Sacharia, die die Rückkehr nach Israel nur unter der Bedingung einer großen Tragödie für möglich hielten.
Die bekannteste Figur des religiösen Zionismus ist wohl Rabbi Abraham HaKohen Kook aus Russland. Er war Chefrabbiner im bis 1948 britischen Mandatsgebiet Palästina. Für ihn war die bevorstehende Gründung Israels nichts anderes als die Erfüllung eines göttlichen Planes. Dass in diesem Menschen mehr oder weniger freiwillig mitwirken mussten – eine Selbstverständlichkeit. In seinem Buch „Lichter der Thora“ heißt es: „Und das Licht des Mondes wird sein wie das Licht der Sonne […] an dem Tage, da JHWH den Bruch seines Volkes verbinden wird […]“ Er befürwortete nicht nur alle verschiedenen Strömungen des Zionismus als Teil göttlichen Wirkens, sondern auch den illegalen Siedlungsbau im Westjordanland, den er aktiv förderte. Für ihn bewegten wir uns im 20. Jahrhundert auf „das Ende unserer Tage“ zu.

Bis der Messias kommt

Im jüdisch-theologischen Erlösungsdenken ist die Existenz des israelischen Staates ein Novum, welchem endzeitliche Bedeutung zukommt. Denn anders als im Christentum steht die Ankunft eines menschlichen Erlösers von allem weltlichen Leid zumindest im orthodoxen Judentum noch aus. Die Überwindung von Leid durch freiwilliges Leiden, wie sie viele Christen vertreten, weicht hier einer eher „empfangenden“ Haltung: Die Erlösung kommt von außen. Der „Sohn Davids“ (hebräisch „ben David“), ein Teil des Stammes Juda und direkter Nachfahre von Salomo, würde der Welt den Frieden bringen, die Toten auferstehen lassen und den dritten Tempel in Jerusalem errichten.
Diese Messiaserwartung kommt nicht von ungefähr: Seit Jahrtausenden lassen sich Juden auf dem Jerusalemer Ölberg bestatten. Von dort soll der Messias kommen und die Gerechten zurück ins Leben holen. Am Ende, wie es auf Hebräisch heißt, stehe die „olam haba“ – die vollkommene Welt.


Die Inflation ist sozialer und politischer Sprengstoff

Von Michel Valtey | Die Inflation frisst sich immer weiter in die Geldbeutel der breiten Gesellschaft. Monate wurde sie geleugnet, danach für „nur vorübergehend“ erklärt, dann für gut verkauft und schließlich Putin in die Schuhe geschoben. Vor allem Geringverdiener, die proportional einen hohen Anteil ihres verfügbaren Einkommens für Güter des täglichen Bedarfs ausgeben sind stark betroffen. Um das zu erfahren, reicht ein einfacher Gang in den Supermarkt oder die Fahrt zur Tankstelle. Preissteigerungen von teilweise mehr als 50% sind keine Seltenheit mehr. Staatliche Subventionen wie das Energiegeld, der Tankrabatt oder das 9-Euro Ticket ändern an der sich immer weiter zuspitzenden Lage nur wenig. 

Doch wie soll es weitergehen? Die kommenden Monate und Jahre werden für einen großen Teil der Bevölkerung wohl durch einen spürbaren Wohlstandsverlust in der Erinnerung bleiben. Hohe Inflationsraten sind darüber hinaus in der Geschichte bisher häufig mit sozialen Unruhen oder starken Verwerfungen einhergegangen. Um das zu erkennen, reicht ein Blick auf die Weimarer Republik und die dortige Hyperinflation von 1923. Es ist leicht zu verstehen, dass Inflation in keiner Weise verharmlost werden darf. Mit Rückblick auf die damals folgende soziale und politische Katastrophe des sich daraus entwickelnden Nationalsozialismus, scheint es fast absurd, wie wenig Bedeutung die Thematik in der Politik heute wirklich einnimmt. Es scheint der Politik im Moment wichtiger zu sein, Toiletten für das dritte Geschlecht zu schaffen, als die Probleme der breiten Bevölkerung ernst zu nehmen.


Woran liegt es, dass sich Politik nicht mit vollem Einsatz dafür sorgt, das Problem anzugehen? Wahrscheinlich schlichtweg daran, dass es sich bei der Inflation nicht um ein durch Corona oder den Krieg in der Ukraine ursächlich ausgelöstes Problem handelt. Seit der Euro-Einführung sagten  schon dutzende Experten steigende Inflationsraten voraus. Schon früh wurde als Problem des Euros benannt, dass viele Länder mit stark unterschiedlicher Wirtschaftskraft auf Dauer nicht die gleiche Währung haben können, da ihnen sonst die Möglichkeit der Auf- und Abwertung fehlt. Dazu kommen die andauernden Rettungsorgien der südeuropäischen Länder, die ohne das massive Aufkaufen von Staatsanleihen durch die europäische Zentralbank längst bankrott gegangen wären, um nur zwei Grundprobleme des Euros zu nennen. Doch zu schön war es aus politischer Sicht, viele europäische Staaten mit einer einzelnen Währung zu beglücken und sie somit näher zusammenzubringen. Das Infragestellen des Euros würde das Scheitern eines der entscheidenden Projekte auf europäischem Boden bedeuten. Dies scheint aus Brüsseler Sicht keineswegs hinnehmbar zu sein.


Doch so unangenehm das Eingestehen von Fehlern auch sein mag – es muss nun endlich entschlossen gehandelt werden. Die EZB muss aus der unverantwortlichen Nullzinspolitik aufwachen, um größeren Schaden abzuwenden. Ihre aktuellen Pläne, den Leitzins auf 0,25 Prozentpunkte zu erhöhen, sind zwar ein guter Anfang. Jedoch im Vergleich zu anderen Ländern zaghaft (Apollo berichtete). Grundsätzlich gilt: Das Konzept des heutigen Euros sollte dringend überdacht werden. Ländern, denen der Euro als Währung zu stark ist, wäre es wohl besser anzuraten, das Projekt für ihr Land als gescheitert zu erklären und die Reißleine des Austritts zu ziehen. Sollte dies alles aus politischer Sicht nicht umsetzbar sein, sollte sich Deutschland letztendlich überlegen, den Euro selbst als gescheitert zu erklären und zu verlassen. Damit könnte die Geldwertstabilität wieder in eigene Hände genommen werden, wie es die Bundesbank viele Jahrzehnte vorgemacht hat. Geldwertstabilität korreliert nämlich nicht ohne Grund mit Wohlstand und sozialem Frieden – sie stellt eine der Grundlagen der heutigen Gesellschaft dar. 


Video: Wer steckt hinter Apollo?

Uns wird ja immer wieder vorgeworfen, dass wir bei unserem Alter lügen würden. Jetzt kommt’s endlich raus: Eigentlich sind wir alle peinliche ü50er, die sich die Jugendsprache nur angeeignet haben. Sehen Sie selbst in diesem Video!

Anmerkung: Manche Autoren haben so lange ihre Nase gepudert, dass der Kameramann schon verschwunden war, als sie aus der Kabine gekommen sind. Eine vollständige Autorenliste finden Sie unter diesem Link: https://apollo-news.net/das-apollo-team/.