Der Fall von Kabul war der Anfang von Bidens Niedergang

Am 15. August 2022 jährt sich der Fall von Kabul von 2021 zum ersten Mal, Apollo bringt daher diese Woche eine Artikelserie zum Rückblick auf die Geschehnisse von damals und ihren Konsequenzen. 

Von Boris Cherny | Vor etwas mehr als einem Jahr war die Welt für Präsident Biden noch in Ordnung. Seine Umfragewerte waren durchaus komfortabel, und sowohl wirtschaftlich als auch außenpolitisch schien die USA wieder an Fahrt aufzunehmen. Das änderte sich jedoch abrupt als eine Stadt 11.000 km von Washington DC entfernt in die Hände radikaler Islamisten fiel.

Die Zeit vor August 2021 kann man für Joe Biden als durchaus erfolgreiche Zeit einordnen (zumindest was die Erfüllung von Wahlversprechen angeht, die Sinnhaftigkeit dieser ist fraglich). Sein American Rescue Plan, der die Wirtschaft, mithilfe von keynesianischen Methoden, wieder ankurbeln sollte, wurde vom Kongress verabschiedet. Der Impffortschritt gegen Covid-19 ging rasant voran. Joe Bidens Infrastrukturplan, eines seiner größten Wahlversprechen, war auf dem Weg durch den Senat. Corona schien besiegt, und viele Bundesstaaten lockerten ihre Regeln deutlich, sodass ein fast unbeschwerter Sommer möglich war.

Last but not least konnte er fast schon nebenbei den längsten Krieg in der amerikanischen Geschichte beenden, und das scheinbar mit einem Sieg. Die Taliban, die nun seit Jahren erfolglos versuchten die Macht an sich zu reißen, waren zu Friedensverhandlungen bereit, und die ersten Verträge waren unter Trump schon geschlossen. Alles schien so, als ob die islamischen Fundamentalisten nie wieder an die Macht in Afghanistan zurückkehren könnten. Ihre letzte Regierungszeit, geprägt von der blutigen Durchsetzung der Scharia und dem zerstörerischen Bürgerkrieg, endete mit der Besetzung des Landes durch die USA nach 9/11. Doch nun machte sich Biden es zum Ziel die amerikanischen Truppen bis zum zwanzigsten Jahrestag dieser Tragödie komplett aus Afghanistan abzuziehen, und die afghanische Regierung und Armee vollkommen auf sich selbst zu stellen.

Allerdings kam die Freude zu früh, sowohl Trump als auch Biden unterschätzten die Taliban und ihre Kompromisslosigkeit. Und nach einem August, indem Kabul der im Mai begonnenen Offensive der Taliban zum Opfer fiel, sanken Bidens Zustimmungswerte in den Keller. Das gravierende Missmanagement der Krise nach dem Fall der Hauptstadt eröffnete erstmals vielen Amerikanern die Inkompetenz der Biden Regierung.

Das Chaos am Flughafen von Kabul, die zurückgelassenen Menschen stehen sinnbildlich für das Scheitern einer Präsidentschaft. Erstmals wagte der linke Mainstream à la CNN und MSNBC die politischen Entscheidungen des Staatsoberhaupts infrage zu stellen und sogar zu kritisieren. Das öffnete auch den Raum für Kritik fernab der Außenpolitik. Und plötzlich fingen auch moderate Wähler an, sich an Bidens unzähligen verbalen Ausrutschern zu stören. Mit dem Fall von Kabul begann, zwar unabhängig von der Situation in Afghanistan, eine selbstverschuldete Leidenszeit für Joe Biden und seine Politik. Die verantwortungslosen Stimulationsmaßnahmen des American Rescue Plans und die desaströse Inkompetenz der amerikanischen Notenbank führten zu einer galoppierenden Inflation. Die unnötigen Lockdowns, um ein Virus zu bekämpfen, das in seiner aktuellen Variante fast seine ganze Tödlichkeit verloren hat, schadeten Mensch und Wirtschaft.

In den Novemberwahlen 2021, wo wichtige Gouverneurswahlen anstanden, mussten die Demokraten einige herbe Niederlagen mitnehmen, und nun blickt Biden in diesem November einer Wahl entgegen, die seine Demokraten höchstwahrscheinlich die Mehrheit in mindestens einer Kongresskammer kosten wird. Ob der Niedergang Joe Bidens zusammen mit dem Fall von Kabul hätte verhindert werden können, ist fraglich, doch markiert dieses Ereignis das vorzeitige Scheitern eines Präsidenten, der im Grunde optimale Bedingungen vom Vorgänger geerbt hatte: Eine sich erholende Wirtschaft, autokratische Staaten wie China und Russland unter Kontrolle und sich beruhigende innenpolitische Verhältnisse. Das alles wurde innerhalb vom letzten Jahr, nach dem Fall von Kabul verloren.


Vorbild China? Rote Karte für Grundrechte per Corona-App

Von Katharina Benjamine | Auf unseren Handys haben wir schon jetzt oft mehr Apps als wir gebrauchen können. WhatsApp, Twitter oder Instagram sind nur die Basics. Allerdings hat wohl kaum jemand App, die so einen Luxus bietet, wie die Gesundheits-App in China. Immer politisch korrekt unterwegs – vielleicht bald auch in Deutschland? 

Was der Staat nicht alles für unser Wohlbefinden unternimmt. In China nimmt der Staat die Gesundheit der Bürger besonders „ernst“. Die dort eingeführte Gesundheits-App soll, wie in Deutschland, zur Eindämmung des Corona-Virus beitragen. Der QR-Code wird allerdings in den Farben rot, gelb und grün angezeigt und in allen Bereichen des Lebens, wie dem Supermarkt, der U-Bahn oder vor der eigenen Wohnung angefordert. Dass dabei auch die Bürger über den Gesundheitsstatus hinaus kontrolliert werden, ist ein kleiner Bonus – Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.

Kritiker des autoritären chinesischen Regimes werden bekanntlich in China öfter in Hausarrest gesetzt, aber jetzt hat der Staat die ultimative Methode, seine Bürger zu leiten, wie der Schäferhund seine Schäfchen. Es werden die Daten gesammelt und in Echtzeit an die Polizei geschickt, welche durch die Dichte der Daten sofort ein Bewegungsprofil haben. In der Vergangenheit wurden so die Bürger mehrmals aus politischen Zwecken eingeschränkt. Auch zur Verfolgung von Kriminellen wurden die Daten aus der Gesundheits-App missbraucht. 

In Deutschland läuft das alles noch sehr demokratisch ab, obwohl die Mainzer Polizei Anfang des Jahres ohne rechtliche Grundlage mit Hilfe der Luca-App Zeugen ausfindig gemacht hat. Denn auch im neuen Entwurf des Infektionsschutzgesetz spielt die Corona-Warn-App wieder eine wichtige Rolle. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) möchte nämlich auch mehr Farbe in Deutschland – er sieht nämlich Rot für den Winter. Einer der neuen Regelungen zum Beispiel sollen Geimpften, deren Impfung nicht länger als 3 Monate zurückliegt, von der Maskenpflicht im Innenraum befreien. Diese Regel scheint allerdings unter den bisherigen Bedingungen schwer kontrollierbar zu sein und Lauterbach sieht daher die Rettung in der Nachahmung der chinesischen Vorgehensweise.

Im Herbst werden also wieder drastische Einschränkungen unser Alltagsleben bestimmen. Dabei wird es aber nicht bleiben, denn diese Maßnahmen werden zu einer noch tieferen Spaltung in der Gesellschaft führen. Tatsächlich ist es nicht das erste Mal, dass Deutschland Ideen aus China kopiert. Ein Social-Scoring Systems, das die totale Kontrolle der Bürger durch die Vergabe von Punkten für politisch korrektes Verhalten gewährleisten soll, wurde auch hierzulande schon diskutiert.

Mit der Corona-App in grün, gelb und rot scheint China ein weiteres Mal Vorbild für deutsche Politik zu sein.




„Boerenprotesten“ in den Niederlanden – der Frust schwappt über

Von Leon Hendryk | In den vergangenen Jahren schwappten nur wenige Berichte über die niederländischen Bauernproteste durch die deutschen Medien. Demonstrierende Bauern blockierten regelmäßig mit ihren Maschinen Supermarktparkplätze oder die Verteilerzentren von Lebensmittelkonzernen und fuhren mit ihren Traktoren als Protestkolonne durch niederländische Städte. Doch vor einigen Wochen intensivierte sich der Protest. Bilder von brennenden Straßensperren auf Autobahnen und regelrechter Straßenschlachten zwischen demonstrierenden Landwirten und der Polizei machen die Runde. Wie kommt es dazu? Und welche Auswirkungen werden diese Proteste auf Deutschland und andere Länder in Europa haben?

Kurz zusammengefasst: Die „Boerenprotesten“, wie sie im Niederländischen bezeichnet werden, richten sich primär gegen neue Regeln der niederländischen Regierung zur Verringerung der Stickstoffemissionen. In den Niederlanden werden vergleichsweise viele Nutztiere gehalten, die mit auf dem Seeweg importierten Futter gefüttert werden. Dies führt zu einem sogenannten Stickstoffüberhang – das bedeutet, der niederländische Boden den Stickstoff in der von den Tieren verursachten Gülle nicht mehr aufnehmen kann. Als Resultat schädigt dieser überschüssige Stickstoff, in Form von Nitrat-, Ammoniak- und Nitrit-Verbindungen, die Umwelt und das Grundwasser. 

 

Die Wut steigt

Die neuen Regeln hätten zur Folge, dass rund ein Drittel der tierhaltenden Betriebe in den Niederlanden aufgeben müssten. Tausende der demonstrierenden Landwirte sehen sich also unmittelbar in ihrer Existenz bedroht. Doch es gibt noch einen weiteren Grund für die Radikalität der Proteste: Die Subventionspolitik der EU sowie die neoliberale Wirtschaftspolitik von Parteien wie der VVD, die in den Niederlanden die Regierungskoalition anführt, haben erst zu der Fehlentwicklung von immer größeren Betrieben und immer mehr Viehbestand geführt. Jahrzehntelang hieß es in der Landwirtschaft: Wachse oder weiche! Kompetitiv und exportorientiert sollte die niederländische Landwirtschaft sein, forderte die Politik. Die Landwirte folgten und senkten ihre Kosten, steigerten die Erträge, stellten immer mehr Kühe und Schweine in ihre Ställe. Nun werden sie von den gleichen Politikern dafür bestraft und als Übeltäter gebrandmarkt. Viele Landwirte sind verbittert über die mangelnde Wertschätzung ihrer Arbeit in der Gesellschaft und Politik. Ihre Wut steigt. 

Auch in Deutschland ist diese Wut zu spüren. In Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen gibt es ebenfalls große Gebiete, in denen eine intensive Tierhaltung zu Stickstoffemissionen führt, die weit über den gesetzlichen Grenzwerten liegen. Auch hier fürchten Landwirte um ihre Existenz, sollten diese Grenzwerte in Zukunft strenger durchgesetzt werden. Dennoch gibt es hierzulande kaum Proteste, insbesondere keine so heftigen wie in den Niederlanden. Der Grund hierfür wird zum einen in der Obrigkeitshörigkeit der Deutschen liegen, aber zum anderen auch in der Tatsache, dass die landwirtschaftlichen Verbände hier in Deutschland dem politischen Mainstream deutlich näherstehen als in den Niederlanden. Joachim Rukwied, der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, war beispielsweise viele Jahre Lokalpolitiker der CDU. Radikale Proteste gegen die Regierungspolitik, wie sie in den Niederlanden zu sehen sind, werden diese Organisationen daher wohl kaum initiieren. 

Man sollte trotzdem nicht ausschließen, dass es auch in Deutschland zu Bauernprotesten kommen kann. Die Frustration deutscher Bauern über niedrige Erzeugerpreise und mangelnde Anerkennung ihrer Leistungen durch die Gesellschaft wächst von Jahr zu Jahr. Im politischen Berlin ist man dessen wohl bewusst. Laut Landwirtschaftsminister Cem Özdemir gebe es aber keinen Grund für Proteste von Landwirten in Deutschland, da sich die Ausgangsituation im Vergleich zu den Niederlanden unterscheide.
„Bauernproteste in Deutschland: Rechte wollen Wut ernten“ titelt hingegen die TAZ, und macht damit einen durchsichtigen Versuch etwaige Proteste schon im Vorfeld als rechtsextrem abzustempeln. 

 

Keine Lösung in Sicht

Wie geht es nun weiter? In den Niederlanden verhandelt die Regierung nun mit Vertretern der Bauernbewegung, es zeichnet sich allerdings noch keine konkrete Lösung für den Konflikt ab. Denn das Problem einer, durch Subventionen und Futtermittelimporte, völlig überdimensionierten niederländischen Viehwirtschaft bleibt vorläufig bestehen. Vermutlich wird es schlussendlich auf einen steuerfinanzierten Ausgleich der finanziellen Verluste von Landwirten, die ihre Viehbestände reduzieren, herauslaufen. 

Langfristig werden die Frustrationen der Landwirte aber fortbestehen. Sie sehen sich einerseits durch stetig zunehmende Umweltauflagen unter Druck gesetzt, sind aber auch ökonomischem Druck durch Billigimporte aus anderen Ländern ausgeliefert. Strenge Umweltauflagen für die heimische Landwirtschaft und gleichzeitiger Freihandel mit Nationen, in denen diese Auflagen nicht existieren, sind eine bittere Realität für viele Landwirte in den Niederlanden und in anderen europäischen Ländern. Der von der Politik geforderte „ökologische Umbau der Landwirtschaft“ wird unter diesen Voraussetzungen wohl nur unter Zuhilfenahme massiver Subventionen möglich sein.


Viktor Orbán und der Hass der Mainstream-Medien

Von Sven Justin Verst | Nachdem der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán vor ein paar Tagen bei der „Conservative Political Action Conference“ (CPAC) in Dallas, Texas auftrat, war in den deutschen Medien der Teufel los: Der rechtsnationale Orbán hätte zum Kampf gegen den Liberalismus aufgerufen, seine Rede sei mit Kriegsrhetorik gespickt und voller trans- und fremdenfeindlicher Aussagen gewesen. Orban habe so fürchterliche Dinge gesagt wie „The globalists can all go to hell, I have come to Texas” – doch wer ist Viktor Orbán, wen meint er mit „globalists“ und wieso mögen ihn die Systemmedien nicht?

 

Das Hassobjekt Orbán

Orbán beschreibt sich selbst treffend als „old-fashioned freedom Fighter”. Während der Zeit des Kalten Krieges gehörte Ungarn zum kommunistischen Block der Sowjetunion. Damals stellte sich Orbán offen gegen das Regime dieser Zeit und forderte den Abzug von sowjetischen Truppen aus Ungarn – ein Akt, der großen Mut benötigte. Mittlerweile ist er Ministerpräsident von Ungarn, ist verheiratet und hat 5 Kinder. Die meisten Menschen, die sich für Politik interessieren oder regelmäßig die Nachrichten lesen, werden seinen Namen schon mal gehört haben. Doch wie kann es sein, dass der Ministerpräsident dieses kleinen zentraleuropäischen Staats mit gerade mal zehn Millionen Einwohnern so dermaßen in aller Munde ist?

Der Hauptgrund: Orbán ist ein absolutes Hassobjekt westlicher Medien. Glaubt man verschiedensten Zeitungen, ist er ein Hetzer, ein völkischer Nationalist, der bei CPAC seine dunkle Weltanschauung und Verschwörungstheorie verbreitet hat. Der ZDF beschreibt seine Rede als transfeindlich, wieso wird nicht weiter erläutert. Muss man auch nicht, diffamieren reicht schließlich, wenn die „journalistische“ Arbeit von Zwangsgebühren finanziert wird.

Sieht man sich Orbáns Rede beim CPAC selbst an, ähnelt sie einer Regierungserklärung, in welcher er die wichtigsten Erfolge seiner Regierung auflistet – unter Applaus des Publikums und zum Entsetzen der Medien. So erklärt er zum Beispiel, dass illegale Migration schlecht ist. Wer illegal nach Ungarn einreist, wird gestoppt und dem Land verwiesen. Orbán sagte, das Asyl vorher in einer Botschaft beantragt werden muss – durchaus eine logische Herangehensweise oder in anderen Worten: das genaue Gegenteil von Merkels „Wir schaffen das!“ Politik.

Orbán konnte aber nicht nur mit seiner Migrationspolitik beim texanischen Publikum punkten. Auch für seine familienfreundliche Politik gibt es Applaus. Anders als in Deutschland begründet Orbán seine Familienpolitik nicht mit dem demografischen Wandel, Fachkräftemangel oder anderen wirtschaftlichen Argumenten, sondern der Realisation, dass die Familie der Grundbaustein der westlichen Gesellschaft ist.


Gesetz zum Schutz von Kindern sei eine „Schande“

Und auch dafür hagelte es wieder Kritik – vor allem in Bezug auf die neuen Gesetze zum Schutz von Kindern. Das Gesetz soll dafür sorgen, dass die Entscheidung über die sexuelle Erziehung eines Kindes seinen Eltern vorbehalten ist und richtet sich gegen die Werbung für Homo- & Transsexualität in der Schule und Kita. Dies macht es zum Beispiel unmöglich, das sogenannte Drag Queens, also erwachsene Männer, welche sich als „Frauen“ verkleiden, jungen Kindern sexuelle Geschichten erzählen. Das zusätzlich auch verschiedene Bücher mit FSK versehen und für unter 18-jährige verboten werden sollen, ist sicherlich streitbar. Kleine Kinder vor der Ideologisierung und Frühsexualisierung durch Lehrer und Medien und vor der Verunsicherung der eigenen Geschlechtsidentität schützen zu wollen, kann man den Ungarn aber eigentlich nicht vorwerfen.

Doch genau das tat nicht nur die Presse, sondern auch Vertreter aus Brüssel und anderen europäischen Hauptstädten. Ursula von der Leyen nannte das Gesetz eine „Schande“ und kündigte sogar an, rechtliche Schritte gegen Ungarn einzuleiten, wobei sie sich auf die fundamentalen Werte der Europäischen Union berief – welche selbstverständlich dieselben sind, wie die der progressiven Linken. Als Ungarn 2004 der Europäischen Union beitrat, sahen die fundamentalen Werte der EU noch ganz anders aus.

Ursula von der Leyen gehört neben George Soros, den Orbán auch in seiner Rede erwähnte, zu den von ihm bezeichneten Globalisten. Besonders Soros wurde von Orbán für seine Finanzierung progressiver Politik in Ungarn, in ganz Europa so wie in den USA kritisiert. Interessanterweise ist George Soros gebürtiger Ungar, hat allerdings mittlerweile die US-amerikanische Staatsbürgerschaft. Da George Soros aus einer jüdischen Familie stammt, wird jede Kritik an ihm schnell zur antisemitischen Verschwörungstheorie herabgestuft – zumindest, wenn sie von Leuten wie Orbán kommt.

Viktor Orbán wird aber nicht nur als Antisemit und Nationalist, sondern auch als Autokrat bezeichnet – ähnlich wie konservative und Republikaner in den USA. Dabei ist es aber wichtig, Orbans Freiheitsverständnis zu verstehen. Anders als der westeuropäische Freiheitsbegriff versteht der konservative Freiheitsbegriff das Ausleben von Trieben nicht als Freiheit. So ist der Drogenabhängige, der seinen Gelüsten folgt, nicht frei, sondern ein Sklave seine Abhängigkeit.

 

Orbán ist der Nachbar, der nicht will, dass man durch seinen Garten trampelt

Wer ist Viktor Orbán in unserem Alltag? Stellen wir uns vor, wir leben in unserer Reihenhaussiedlung, die insgesamt 27 Häuser hat. Orbán ist nicht unser direkter Nachbar, aber wohnt auch nicht auf der anderen Seite der Siedlung. Er hat eine sympathische Frau, die immer hilfsbereit ist und fünf nette Kinder. Eigentlich möchte er nur in Frieden grillen, fühlt sich allerdings gestört von den Fremden, die in seinem Garten leben wollen oder diesen durchqueren, um in unserem zu kommen. Also baut er einen Zaun um seinen eigenen Garten und erntet dafür Kritik von uns, denn wir finden es gut, wenn Fremde uneingeladen nicht nur in unseren, sondern auch in andere Gärten kommen.

Als Familienvater möchte er seine Kinder schützen – vor wilden Sex Partys, die im belgischen Keller stattfinden, vor niederländischen Drag Queens, die seinen Kindern fragliche Geschichten vorlesen wollen und den deutschen Studienten, die verärgert sind, dass seine Kinder allesamt cis-heteronormativ sind und kein einziges sich mit einem nicht binären Geschlecht identifiziert. Dafür wird Viktor Orbán regelmäßig von der Siedlungsvorsitzenden ermahnt: er ist ein böser, reaktionärer, homo- und transphober Mann. Er sollte sich schämen!


Nur noch „Nazis“ und „Kommunisten“. An den Unis zeigt sich die zunehmende Spaltung der Gesellschaft

Von Martin Cohle | Als ich mich für den Studiengang „Politikwissenschaft und Soziologie” entschieden habe, war mir klar, dass die große Mehrheit meiner Kommilitonen nicht konservativ sein würde. Immerhin sind wir hier bei den Human- und Sozialwissenschaften – zu uns gehören sogar die „Gender Studies“. Was mich aber überraschte: Kaum jemand ist bei mir an der Uni bereit, Diskussionen über Politik zu führen. Von den ca. 250 bis 300 Personen, mit denen ich das Studium angefangen habe, sind nur ca. 20 der separaten „Diskussionsgruppe” beigetreten. Dort wiederum melden sich nur fünf Personen regelmäßig zu Wort, mich eingeschlossen. 

Die Diskussionen sind sehr interessant, aber konservative, rechte oder klassisch-liberale Meinungen werden nicht gerne gesehen. Kritisiert man die Antifa, ist man Rechtsextremist. Kritisiert man die Flüchtlingspolitik Merkels, ist man Nazi. Kritisiert man die Gender-Ideologie, ist man Homo- oder Transphob. Natürlich sagt das nicht jeder Linke und auch nicht jedes Mal – aber ich merke, dass ich in ihren Augen seit meiner ersten kritischen Anmerkung als konservativer, privilegierter, weißer Mann abgestempelt bin. 

Beleidigungen statt Argumente

Ich werde von meinen linken Mitstudenten regelmäßig als Unmensch behandelt, weil ich eine in ihren Augen vermutlich rechtsextreme Meinung habe. Selbstverständlich kann man meine Meinung kritisieren und das erwarte ich auch, deswegen gibt es ja die Meinungsfreiheit. Aber mich sofort als Rassist oder Sexist zu bezeichnen, weil ich Transsexualität nicht gerade „normal“ und „typisch“ finde oder weil meiner Meinung nach, der Islam nicht zu Deutschland gehört, finde ich traurig und scheinheilig. 

Ich bin auch nicht homophob, nur weil ich behaupte, dass Homosexuelle in Deutschland nicht unterdrückt werden. Oder Sexist, nur weil Frauen (meiner Meinung nach) keine Frauenquoten brauchen. Aber gerade das passiert mir immer öfter. 

Konservative Meinungen sind nicht mehr etwas, was man kritisieren und widerlegen soll, sondern etwas was man unterdrücken und auslöschen muss. Sind wir wieder im Mittelalter?! 

Rechte und Linke sehen sich nur noch als Feinde

Meine Erfahrungen mit den Rechten sind übrigens leider auch nicht viel besser. Wagt man es, auch nur minimal den Kapitalismus, die Wirtschaft, die Kirche oder die Polizei zu kritisieren, ist man sofort Sozialist, Kommunist oder einfach Merkel-Jünger. 

Beide Seiten, sowohl Rechte als auch Linke, tendieren dazu, voreilig den anderen zu beurteilen und als Feind zu sehen. Seit der Corona-Pandemie hat sich die Situation nur noch verschlechtert, da nun zusätzlich um die Impfpflicht und die Corona-Maßnahmen heftig gestritten wird. Auch unter meinen Kommilitonen beobachte ich, dass die Mehrheit keine Lust mehr hat zu diskutieren, Meinungen auszutauschen oder allgemein über Politik zu reden. 

Unterstützt wird diese Entwicklung durch die ausufernde „Cancel Culture”, die besonders auch an den Unis vertreten ist. Erst neulich hat die Berliner Humboldt-Universität einen Vortrag einer Biologie-Dozentin abgesagt, weil linke Studenten massiv und unter Gewaltandrohung gegen sie protestiert hatten. So etwas hinterlässt Spuren. Die meisten Menschen wollen, aus Angst vor negativen Konsequenzen, ihre Meinung nicht mehr offen sagen. Und wenn man sich Menschen anschaut wie Jordan B. Peterson, der seit Jahren von den Linken quasi „verfolgt“ und dämonisiert wird, dann überrascht das einen gar nicht mehr wirklich. Meinungen, die vom Mainstream abweichen, werden nicht nur kritisiert, sondern regelrecht unterdrückt. 

Dissens bringt Gesellschaften voran

Es ist äußerst komisch, dass heutzutage auf eine abweichende Meinung so reagiert wird, als wäre sie ein physischer Angriff. Meinungsverschiedenheiten schaden keinem. Vielmehr ist es die zunehmende Intoleranz gegenüber Andersdenkenden, die unsere Diskussionskultur zerstört und damit unsere Meinungsfreiheit bedroht. Aus Angst vor Streit, aber auch vor Repressalien, ziehen sich die Menschen immer mehr in kleinen Gruppen und Echokammern zurück, wo viele nur noch Meinungen hören, die sie als angenehm und bequem empfinden. Ein Umdenken, ein Veränderung des eigenen Standpunkts kann so kaum noch stattfinden.

Für mich ist klar, dass sich etwas ändern muss. Die Deutschen müssen lernen, dass Dissens nichts Schlechtes ist, sondern notwendig, um eine Gesellschaft voran zu bringen. Erst wenn mehr Menschen das verstehen, werden sie auch Politiker wählen, die das genauso sehen und in ihrer Politik umsetzen. Manche sagen, dass diese Hoffnung utopisch ist. Ich sage: Wer soll es ändern, wenn nicht wir jungen Leute? Ich werde also weiter in meiner Uni-Diskussionsgruppe linken Kommilitonen widersprechen. Und wenn sie mich dann wieder beschimpfen, weiß ich, dass sie offenbar keine Gegenargumente haben.


Taiwans Chips: Die Achillesferse der Tech-Branche

Von Katharina Benjamine | The eagle has landed – wie die Mondlandung der USA vor mehr als 50 Jahren, wurde die Landung der US-Politikerin Nancy Pelosi in Taiwan verfolgt. Die USA setzt mal wieder ein Zeichen in der Weltpolitik. Dass es dabei um mehr als ein Wettstreit des Fortschritts in der Technologie geht, ist bekannt. Oder ist die Technologie hier vielleicht doch gar nicht so unwichtig?

Nancy Pelosi hat in ihrer Asien Reise einen Taiwan Stopp eingefügt und diesen auch unter Turbulenzen in der Weltpolitik durchgesetzt. Chinas Reaktion sieht wie folgt aus: Militärisches Säbelrasseln mit Manövern rund um Taiwan und erste Wirtschaftssanktionen gegen den kleinen Inselstaat. Die Einfuhren mehrerer taiwanesischer Lebensmittel wurden gestoppt und der Export von Sand, welcher ein wichtiger Baustoff ist, wurden eingestellt. Voraussichtlich wird es dabei aber nicht bleiben. China ist Taiwans größter Handelspartner und diese Sanktionen könnten Taiwan hart treffen. Peking bildet sich einen Anspruch auf Taiwan ein, während Taipeh versucht seine de facto Unabhängigkeit und Freiheit zu erhalten.

Auch die Wirtschaft Taiwans, bekannt vor allem durch die Produktion von Halbleitern und Chips, steht auf wackeligen Beinen – und damit auch die gesamte globale Autoindustrie, das Militär und elektronische Konsumgüter. Taiwan ist der Geburtsort einer der größten Auftragsfertiger der Welt: TSMC und UMC, sowie ASE, das größten Unternehmen für die Montage und das Testen von Chips. Außerdem stellt Taiwan, sogenannte Wafer her, aus welchen Chips produziert werden. Bekannte Marken wie Apple oder NVIDIA lassen dort ihre Chips produzieren. Ob es das Handy, der Laptop oder das Auto ist, unsere ganze Umgebung ist sozusagen in Verbindung mit Taiwan. Nicht nur unser privater Alltag ist davon abhängig, sondern auch Staat und Wirtschaft, weshalb diese Technologie politischer nicht sein könnte.

Die Welt ist abhängig von Taiwan und China ist da nicht ausgeschlossen. Wie hoch ist nun die Kriegswahrscheinlichkeit? Manche meinen, dass China von einem Angriff absehen würde, weil ein Einfuhreinbruch an Halbleitern ein zu großer Verlust für Peking wäre. Andererseits könnte genau diese Abhängigkeit für Chinas Führung Grund sein, Taiwan anzugreifen und damit die Kontrolle über große Teile dieser extrem wichtigen Industriesparte zu erlangen. Die Auswirkungen der Halbleiter-Industrie unter chinesischer Kontrolle wären verheerend.

Eins ist gewiss, sollte es zu einem Krieg kommen, wird nicht nur Taiwan mit den Folgen des Krieges erschüttert, sondern auch die ganze Welt.

 


Deutschland ein(z)ig Panikland – der neue Entwurf des Infektionsschutzgesetzes

Von Marius Marx | Während nun auch Frankreich und Österreich als die letzten verbliebenen europäischen Corona-Hardliner ihre Geisterfahrt aufgegeben und sämtliche Corona-Maßnahmen bzw. die Quarantäne-Regelungen aufgehoben haben, behält die deutsche Politik mit dem neuen Infektionsschutzgesetz völlig unbeirrt von allen Fakten und Argumenten ihren Sonderweg bei. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Justizminister Marco Buschmann (FDP) haben sich geeinigt: In Deutschland soll der Ausnahmezustand zum Normalfall werden.

Wahn ohne Sinn und ohne Ende

Mit der vorliegenden Novelle hat die Ampelregierung das unwahrscheinliche Kunststück vollbracht, die Absurdität und Unverhältnismäßigkeit von Maßnahmen ein weiteres Mal zu steigern. Von O-bis-O (Oktober bis Ostern), also in Herbst, Winter und Frühjahr sollen Schulkinder ab der fünften Klasse wieder Masken tragen müssen. Ausnahmslos und unabhängig von der Klassenstufe sollen sich Schüler und sogar Kitakinder dann auch wieder regelmäßigen Testungen unterziehen.

Ab Oktober gelten außerdem nur noch diejenigen Bürger als geimpft oder genesen bzw. kommen nur diejenigen in den Genuss ihrer erimpften Privilegien (vor einigen Jahren noch unter dem Begriff „Grundrechte“ bekannt), deren Impfung oder Infektion weniger als 90 Tage zurückliegt.

Das heißt, dass man kurzerhand die Gültigkeit einer „vollständigen Impfung“ von neun auf drei Monate herabgesetzt und damit im Grunde ein auf Dauer gestelltes Impfabonnement mit jährlichen vier Impfungen implementiert. Man muss sich das tatsächlich mal auf der Zunge zergehen lassen: Jemand, der sich im Juni den zweiten Booster geholt hat, also bereits zum vierten Mal geimpft wurde, muss sich bis April 2023 insgesamt sieben Mal impfen lassen, um „vollständig geimpft“ zu sein. Andernfalls gilt er als ungeimpft – das muss dann wohl diese vielbeschworene Freiheit sein, die man sich erimpfen sollte.

Doch wer nun glaubt, damit sei das Maximum des Wahnwitzes bereits erreicht, der irrt gewaltig. Von Oktober bis mindestens Ostern beschert uns Lauterbach mit skurrilen Winterreifen- und Schneekettenmetaphern (vormals „Basisschutzmaßnahmen“) altbekannte und längst überholt geglaubte Regelungen: So wird unter anderem die FFP2- Maskenpflicht in öffentlich zugänglichen Innenräumen recycelt. Allerdings mit interessanten Ausnahmen; in Freizeit-, Kultur-, Sport- sowie gastronomischen Einrichtungen dürfen frischgeimpfte und frischgenese dann ohne Maske herein, während alle anderen sich entweder kostenpflichtig testen lassen müssen oder mit der FFP2-Maske im öffentlichen Raum als „ungenügend“ immunisiert markiert werden.

Fernab von jeder Vernunft

Man stelle sich nun die Situation vor, dass zum Beispiel ein Pärchen essen geht. Sie ist frisch zum zweiten Mal geboostert. Seine dritte Impfung liegt – der renitente Impfgegner! – leider schon länger als drei Monate zurück. Nun muss er mit FFP2-Maske das Restaurant betreten. Am Platz kann er sie dann endlich auch absetzen. Nach dem Essen suchen beide die Toilette auf. Er muss FFP2-Maske tragen, sie nicht. Warum nun die Infektionsgefahr für und von ihm im Stehen und beim Laufen höher sein soll als beim mehrstündigen Sitzen und gesprächigen Essen, konnte mir bis heute noch niemand schlüssig erklären. Ebenfalls völlig unklar ist, wie diese Maßnahme dann nach der Kontrolle am Eingang überprüft werden soll. Wie soll man bspw. im Kino erkennen, ob jemand rechtmäßig ohne Maske herumläuft oder eben nicht? Das Justizministerium weist diesbezüglich darauf hin, dass die Betriebe zur Unterscheidung der Gäste ja z.B. auf „Aufkleber“ zurückgreifen könnten – wer Liberale wie Herrn Buschmann hat, der braucht wahrlich keine Illiberalen mehr. 

Dass keine einzige deutsche ärztliche Fachgesellschaft jemals den Einsatz von FFP2-Masken auf Bevölkerungsebene empfohlen, ja die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene sogar betont hat, dass diese „nur sinnvoll für den professionellen Bereich“ ist, wird gekonnt ignoriert. Dass die Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie den Aufwand von massenhaften Testungen von Schulkindern für „nicht gerechtfertigt“ hält, wird einfach übergangen. Dass die STIKO bislang den zweiten Booster lediglich für Menschen über 70 empfohlen hat: vollkommen egal. Und dass die Novelle des Infektionsschutzgesetzes neben den Stellungnahmen der wissenschaftlichen Fachgesellschaften auch dem Bericht des Sachverständigenrates freimütig und unverhohlen widerspricht und weder ansatzweise evidenzbasiert noch irgendwie mit liberalen Grundüberzeugungen vereinbar ist, muss eigentlich nicht weiter betont werden.

Soviel dazu. Doch auch das ist noch nicht alles: Abgesehen von den zurückkehrenden Maßnahmen, sollen  bestehende verstetigt werden. Die Maskenpflicht im öffentlichen Personennah- und Fernverkehr gilt ebenso weiterhin wie die für Beschäftigte im Gesundheitssystem, die sich zudem noch einer Testnachweispflicht erfreuen, sofern sie nicht frisch geimpft oder genesen sind.

Und noch schlimmer: Sobald Landesparlamente eine konkrete Gefahr für das Gesundheitssystem feststellen (was sind die Kriterien hierfür?), wird endgültig jede Ratio über Bord geworfen. Dann können überdies zusätzlich noch FFP2-Pflichten und Personenobergrenzen für Veranstaltungen unter freiem Himmel verhängt und generelle Mindestabstände von 1,5m im öffentlichen Raum angeordnet werden. Damit ist dem Staat in Gestalt der jeweiligen Bundesländer einmal mehr das Instrument in die Hand gelegt, um erneut gegen regierungskritische Demonstrationen im Herbst und Winter vorzugehen und um Demonstrations- und Versammlungsfreiheit auch im dritten Jahr der Pandemie noch einzuschränken.

Ohne die FDP wäre es noch schlimmer gekommen?

Die FDP apologetisch verteidigend, wird nun in aller Regel vorgebracht, dass es ohne Buschmann als Korrektiv ja noch weitaus hätte schlimmer kommen können. Und ja, das ist vermutlich sogar richtig. Auf Twitter habe ich dazu einen sehr treffenden Satz gelesen: Zu sagen, ohne die FDP sähe der Entwurf noch schlechter aus, sei so als würde man sagen: „Zum Glück bist du mit Schuhen in die Hundekacke getreten. Barfuß wäre es noch übler gewesen.“ Das trifft es ziemlich gut. Die FDP hat den Entwurf sicherlich abgemildert, aber Hundekacke bleibt eben Hundekacke.

Es ist wahrlich traurig mitanzusehen, wie gerade eine einstmals liberale Partei aktiv daran mitwirkt, dass sich Deutschland in Sachen Pandemiemanagement vom restlichen Europa vollständig isoliert und sich mittlerweile Lichtjahre vom wissenschaftlichen Diskurs entfernt hat. Mit diesem Entwurf wurde die letzte Chance verpasst die Reißleine zu ziehen und das längst überfällige endgültige Maßnahmenende in die Wege zu leiten. Während ganz Europa öffnet und den Weg zurück zur Normalität beschreitet, hält man hierzulande mit freundlicher pseudoliberaler Unterstützung an Maßnahmen mit mehr als zweifelhaften Nutzen fest. Deutschland findet – so viel scheint festzustehen – unter gesundheitspolitischer Führung von Karl Lauterbach nicht mehr aus der pandemischen Dauerschleife heraus. Wenn nicht unter den gegebenen Umständen, wann sonst ist der Weg zurück in die Normalität gangbar? Welche Ziele sollen noch erreicht, welche Kriterien noch erfüllt werden? Welchem Zweck dienen die Maßnahmen gegenwärtig überhaupt noch?

Die permanente Nicht-Beantwortung dieser Fragen scheint eine bisher nur latente Befürchtung zu bestätigen: Die einmal ergriffenen Maßnahmen und erhaltenen staatlichen Kompetenzen, werden, einmal erteilt, nicht mehr allzu schnell aus staatlicher Hand gegeben werden. Stattdessen droht sich der pandemische Ausnahmezustand immer weiter zu verstetigen. Wenn in diesem, dann können auch im nächsten und jedem anderen Winter dieselben Maßnahmenpakete zum Einsatz kommen. Solange, bis dieser Zustand schließlich selbst zur Normalität oder der Widerspruch gegen diesen Irrsinn hoffentlich zu groß geworden sein wird.


Europäischer Gerichtshof entscheidet über Familiennachzug – Künftig wohl noch großzügigere Regeln 

Von Leon Hendryk | Am gestrigen Montag veröffentlichte der Europäische Gerichtshof eine rechtlich bindende Vorabentscheidung bezüglich des Familiennachzugs von Flüchtlingen. Die Entscheidung selbst dreht sich nur um eine Detailfrage. Sehr viel interessanter ist hingegen die Argumentationsweise des Gerichts. Sie hat das Potenzial, dass die Frage des Familiennachzugs im europäischen Asylrecht zukünftig noch großzügiger gehandhabt wird.

Aber zuerst die Fakten: Der Vorabentscheid wurde 2020 durch das Bundeverwaltungsgericht angefragt. Es dreht sich um die Frage, ob eine volljährige und in der Türkei wohnhafte Syrerin das Recht auf ein Visum zur Familienzusammenführung in Deutschland hat, da ihr ebenfalls syrischer Vater hier als anerkannter Flüchtling lebt. Da sie zum Zeitpunkt der Antragsstellung schon volljährig war, hatte sie nach deutschem Recht kein Anrecht auf ein solches Visum, welches für minderjährige Kinder anerkannter Flüchtlinge vorgesehen ist. Allerdings war die Syrerin noch minderjährig, als ihr Vater 2016 seinen Antrag auf Asyl stellte. Laut den geltenden Regeln war der Visumantrag der Tochter aber erst nach dem Abschluss des Asylverfahrens ihres Vaters möglich.

Der Europäische Gerichtshof entschied deshalb, dass das Alter der Syrerin, zum Zeitpunkt zu dem ihr Vater den Antrag auf Asyl stellte, entscheidend sei.  Somit gilt die mittlerweile 23-Jährige rechtlich als „minderjähriges Kind“ – und Deutschland ist dementsprechend verpflichtet, ihr im Rahmen der Familienzusammenführung ein entsprechendes Visum auszustellen.

Wichtiger als diese Entscheidung an sich ist die Begründung der Richter – die hat es in sich. Ihre Argumentation stützt sich in großen Teilen auf die sogenannte EU-Grundrechtecharta und die EU-Familienzusammenführungsrichtlinie (Dir 2003/86). Beide werden vom Gerichtshof genutzt, um eine weitreichende Interpretation der Familienzusammenführungsgesetze, sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene, zu rechtfertigen. Die Familienzusammenführungsrichtlinie führt beispielsweise aus: „Familienzusammenführung ist eine notwendige Voraussetzung dafür, dass ein Familienleben möglich ist. Sie trägt zur Schaffung soziokultureller Stabilität bei, die die Integration Drittstaatsangehöriger in dem Mitgliedstaat erleichtert; dadurch wird auch der wirtschaftliche und soziale Zusammenhalt gefördert […]“.
Solche und andere Passagen werden in der Entscheidung des Gerichtshofs mehrmals zitiert, um zu begründen, dass die Regeln in Fragen dieser Art möglichst liberal ausgelegt werden sollten. Der Standpunkt des Gerichts scheint einfach zu sein: Familienzusammenführung ist gut, und sollte deshalb soweit wie möglich gefördert und vereinfacht werden. Argumente, die gegen eine zu starke Vereinfachung des Familiennachzugs sprechen, werden in den Ausführungen des Gerichts hingegen kaum berücksichtigt. 

Der Europäische Gerichtshof fährt hier also eine sehr großzügige Linie, wenn es um das Recht auf Familienzusammenführung geht. Dies wird sich auch auf die Entscheidungen nationaler Gerichte und weitere Europäische Gerichtsverfahren zu diesem Thema auswirken. Es ist also zu erwarten, dass die Migration in die Europäische Union durch Familiennachzug, bzw. Familienzusammenführung, zukünftig weiter zunehmen wird. Es ist außerdem wahrscheinlich, dass sich der rechtliche Rahmen für diese Art der Migration weiter lockern wird. 

Da viele rechtlich anerkannte Flüchtlinge aus Ländern wie Syrien, Afghanistan, dem Irak und Eritrea kommen, werden aus diesen Ländern nun auch vermehrt Familienangehörige nach Deutschland und in andere europäische Staaten nachziehen – auch längst erwachsene. Ein Asyl-Antragsteller aus 2015 könnte so per Nachzug für „Minderjährige“ seinen mittlerweile 24-Jährigen Sohn nachholen. Das ist nicht nur absurd: In Anbetracht der offensichtlichen Probleme, welche die Massenmigration aus diesen Ländern in den vergangenen Jahren geschaffen hat, ist der aktuelle Kurs des Europäischen Gerichtshof in dieser Frage auch  besorgniserregend. 


Atompilz im Kopf – die grüne Angst vor Atomkraft

Von Paul Weiß | Die Angst vor Gasmangel und Stromausfällen ist in der deutschen Bevölkerung aktuell so groß, das tatsächlich darüber diskutiert wird, die Laufzeit unserer ach so verhassten Atomkraftwerke zu verlängern – laut einer aktuellen Insa-Umfrage sollen sich sogar die Mehrheit der Grünen-Wähler dafür aussprechen. Wenn man daran denkt, wie in Mainstream-Medien, Gesellschaft und Politik bisher über Atomkraft geredet wurde, grenzt das an ein Wunder. Jahrelang wurde propagiert, Atomkraft sei unverantwortlich, hoch gefährlich und sowieso menschenfeindlich. Eine echte Diskussion über die eigentlich so saubere und sichere Energiequelle konnte in Deutschland überhaupt nicht mehr geführt werden.

Versuchte man einem beliebigen Menschen zum Beispiel zu erklären, dass ein Kilogramm Uran so viel Energie bei der Kernspaltung freisetzt wie die Nutzung tausender Tonnen Steinkohle, redete man meiner Erfahrung nach gegen eine Wand – nicht mal die Frage, welche Technologie CO2-sparender wäre, interessiert dann noch jemanden. Die Leute wollen nicht sachlich über ein Thema reden, das ihnen so große Angst zu machen scheint – sie haben keine Bestrebung, sich inhaltlich mit den Vor- und Nachteilen auseinanderzusetzen.

Stattdessen schmeißen sie nur Worte wie „Fukushima“, „Tschernobyl“, „radioaktive Verseuchung“ und „Weltuntergang“ wild durcheinander. Sie warnen vor Fehlern und Gefahren, ohne den enormen Nutzen und Chancen der Technologie in Betracht zu ziehen – und ohne zu verstehen, dass die moderne Reaktoren über die Zeit kontinuierlich verbessert und immer sicherer gemacht wurden.


Innovation als Fremdwort

Also stellen wir lieber jede Forschung und Entwicklung ein, statt auf modernste Flüssigsalzreaktoren zu setzen oder die Nutzung von Thorium, einem bisher ungenutzten und in großen Mengen vorhandenen Industrieabfallstoff, in Reaktoren zu überdenken. Innovation? Doch nicht in Deutschland!

Insbesondere die Grünen predigen Verzicht und Armut; Rückschritt statt Fortschritt, während sie Lastenräder und Eseltransporte anpreisen, Fleischverzicht glorifizieren und das Automobil verteufeln. Ich halte eine solche politische Haltung für stark menschenfeindlich, da sie Menschen in einen Zustand der Güterarmut zurückführt. Diese Armut wird aber nicht verteufelt, sondern als ideale Situation des Menschen beschrieben und vergöttert. „Aber gibt es nicht höhere Werte, als die materialistischen im Leben?“, fragen sie nun vielleicht mit heruntergezogener Hipsterbrille. Nun die gibt es bestimmt, aber darüber denke ich lieber nach, nachdem mein Bedürfnis nach Hunger und Wärme gestillt ist.

„Und was ist mit dem Atommüll?“, höre ich es schon kommen. Doch da möchte ich fragen: Was ist Müll? Es sind Ressourcen, die für den Menschen noch nicht nutzbar sind. Als Menschen in vergangenen Zeiten auf Öl stießen, war dieser Stoff für sie eine Plage. Er verseuchte die Felder und machte sie so unfruchtbar. Ein paar Wimpernschläge in der Erdgeschichte später wurde Öl industriell nutzbar gemacht und so zu einer wertvollen Ressource. Der „Atommüll“ könnte eine ähnliche Karriere hinlegen – mit dem Wort „Müll“ scheint man eine solche Entwicklung in der Aufbereitung oder weiteren Nutzung der Abwärme aber kategorisch auszuschließen.

Die Grünen haben uns abhängig gemacht

Die erste Generation von „Grünen“ ist Triebfeder des irrationalen Energiewandels und seiner Folgen. Als Kinder des kalten Krieges, empfanden sie eine tiefe Abneigung gegen alles, was mit atomaren Prozessen zu tun hat. Ihre unkontrollierte Angst vor dem Atompilz führte sogar dazu, dass sie sich reihenweise an Zuggleisen festketteten, um Zuglieferungen an AKWs zu verzögern. Sie bildeten die Anti-Atomkraft-Bewegung, die die Grüne Partei in den 1980er Jahren mitbegründete. Bereits im ersten Parteiprogramm gab es die Forderung nach einem sofortigen Bau- und Betriebsstopp aller Atomkraftwerke. Etwa zwanzig Jahre später brachte die rot-grüne Koalition dann den ersehnten Atomausstieg auf den Weg und trieb den Ausbau von Wind- und Sonnenenergie voran. 2010 wurde der Ausstieg zwar von der schwarz-gelben Koalition unter Angela Merkel rückgängig gemacht und  die Laufzeitverlängerung beschlossen, doch dann kam Fukushima. Nur drei Tage nach dem Reaktorunglück verkündeten Merkel und Vizekanzler Westerwelle ein dreimonatiges Atom-Moratorium – und damit den Anfang vom Ende der Atomkraft.

Die Grünen und unsere Ex-Kanzlerin Merkel haben es zu verantworten, dass immer mehr Atomkraftwerke und Kohlekraftwerke abgeschaltet wurden bzw. werden sollen. Sie haben aus der Angst der Menschen ein politisches Programm gemacht und die Unsicherheit der Bevölkerung aktiv befeuert. Damit haben sie nicht nur unsere Energieversorgung gefährdet, sie haben uns von Russland und Importgas abhängig gemacht – Erneuerbare Energien können Atomkraft und Kohlekraft nicht ersetzen. Trotzdem wurden sie staatlich subventioniert und dem Menschen durch die EEG-Umlage aufgebürdet.

Statt den falschen Kurs zu korrigieren, marschieren wir mit gehissten Fahnen und fröhlichen Mienen mitten ins Unglück. Statt einer modernen Frage eine moderne Antwort entgegenzustellen, trifft man hier auf die letzten Überreste der Angst, die den Grünen in die DNA übergegangen und fest im Kopf verankert zu seien scheint.

 

Wende in Sicht?

Man kann nur hoffen, dass die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke tatsächlich beschlossen und zu einem Umdenken führen wird. Bislang schien das Todesurteil der Atomkraft in Deutschland schon unterzeichnet – obwohl die ganze Welt Kraftwerke aufbaut, während wir unsere abschalten. Aber wer weiß: Vielleicht wird ja nun die kommende Angst vor einem Blackout und dem nächsten kalten Winter etwas in den Menschen ändern- und mit etwas Glück auch das Bild der Atomkraft.

 


Auf dem Weg in die Null-Risiko-Gesellschaft?

Von Marius Marx | Etwas Schreckliches hat sich ereignet: Ein junger Mann ist gestorben, sein Tod war – so ist zu lesen – unnötig und vermeidbar. Denn der Staat hätte ihn schützen müssen, schützen müssen vor sich selbst. Oder vielleicht doch nicht?

Aber langsam. Was ist geschehen? Vor wenigen Tagen ereignete sich in der südniedersächsischen Universitätsstadt Göttingen ein tragisches Unglück. Ein Mann, ein 25-jähriger Inder, ertrank am 25. Juni im nahegelegenen Baggersee südwestlich der Stadt, in dem das Baden eigentlich verboten ist. An diesem erneuten Badeunfall entzündeten sich in der Lokalpresse anschließend tagelange Debatten über die Gefahren des Badens in Baggerseen und die Frage, wie dem lediglich auf dem Papier gelten – den Badeverbot praktische Geltung verschafft werden könnte. Dabei offenbarte sich einmal mehr ein mittlerweile nur allzu bekanntes Muster: der Staat soll`s regeln. Mehr Staat, weniger Eigenverantwortung, ganz nach dem Motto „govern me harder“.

Allgemeiner Tenor der Lokalberichterstattung: Der See ist brandgefährlich, baden illegal, es dennoch zu tun mindestens lebensgefährlich und unverantwortlich. Die Unfälle sind der menschlichen Unvernunft anzulasten; sie sind tragisch, unerträglich, aber vermeidbar. Wie genau sie vermieden werden könnten, verrät uns dann das Göttinger Tageblatt freundlicherweise auch gleich mit: Bereits am Montag wird ein Kommentar eines jungen Redakteurs mit dem Titel „Die Behörden müssen endlich durchgreifen“ veröffentlicht, in dem Folgendes zum Besten gegeben wird: „(…) Wenn Aufrufe und Warnschilder keine Wirkung zeigen, dann muss die Schlussfolgerung für die Politik lauten, dass jetzt in der Praxis etwas geschehen muss. Polizei und Ordnungsämter müssen so oft wie nur irgend möglich am Rosdorfer Baggersee Präsenz zeigen. Das mag dann nicht jeder gut finden. Aber es könnte Leben retten.“

Der Fall des Ertrunkenen Inders und die sich daran anknüpfenden Reaktionen sind dabei jedoch weit mehr als nicht weiter beachtenswertes provinzielles Randgeschehen. Sie sind mittlerweile fester Bestandteil eines deutschlandweit seit Jahren zu beobachtenden Trends. Die Göttinger Forderung nach dem „Durchgreifen“ der Behörden ist Ausdruck eines Zeitgeistes, der sich in erster Linie durch ein übersteigertes Sicherheitsbedürfnis auszeichnet. Ziel scheint die Errichtung einer quasi-Null-Risiko-Gesellschaft zu sein, in der der Staat dem Einzelnen immer weiterer Entscheidungsfreiheiten beraubt. Wohlgemerkt angeblich stets im Interesse seiner Bürger, um dessen möglichen Unvernünftig- und Verantwortungslosigkeiten vorzubeugen.

Aus den Abwehrrechten der Bürger gegenüber dem Staat hat sich eine Anspruchshaltung auf ein langes, sicheres Leben entwickelt, bei dem Staat die Rolle zukommt, sämtliche Lebensrisiken auf beinahe null zu senken. Dass Grundrechte miteinander in Konflikt geraten können und gegeneinander abgewogen werden müssen, ist zwar an sichbeileibe keine Besonderheit. Doch was hier geschieht ist ein fundamentaler Wandel, ja ein Paradigmenwechsel, in unserer Auffassung des Rechtsstaats: Es ist die auf Dauer gestellte Absolut-Setzung eines Supergrundrechts, nämlich des Rechts auf Leben und dessen Umdeutung zu einem staatlich um jeden Preis durchzusetzenden Anspruch und dessen Deklaration zum höchstes Gut der Verfassung, hinter dem alle anderen Rechte zurücktreten müssen und letztlich nachrangig sind.

Ein solches Vorgehen hat sich zwar glücklicherweise noch nicht in allen Lebensbereichen durchgesetzt, doch solche Argumente wurden und werden bisweilen von prominenter Stelle vorgetragen und haben zu einem nicht gerade unerheblichen Teil die deutsche Politik seit den 2000er Jahren mitgeprägt. Gerade im Kontext der Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie hat dieser Zeitgeist des Sicherheitswahns maßgeblich das politische Handeln beeinflusst. Es wurde mit Maßnahmen operiert, die tief in die Grundrechte eingegriffen haben, oft von fraglichem Nutzen waren und in keinem Verhältnis zur Gefahr standen, dafür aber eine Kontrollillusion schufen und ein populistisches Sicherheitsbedürfnis verängstigter Massen befriedigten.

Dass das Recht auf Leben unter keinen Umständen zum Supergrundrecht erhoben werden darf, zeigt das Beispiel der „Rettungsfolter“. Dabei geht es um die Frage, ob zur Rettung von Menschenleben mutmaßliche Geiselnehmer bzw. Entführer und in letzter Konsequenz auch des Mitwissens Verdächtigte gefoltert werden dürfen. Dessen Befürworter argumentieren übereinstimmend mit den bereits ausgeführten Grundsätzen: Das Recht auf Leben sei ein absolutes Gut, daher könne die Menschenwürde eingeschränkt werden und sei die Folterung von Tatverdächtigen zu Rettung von bspw. Geiseln legitim. Wohin es führen könnte, wenn man dem Staat das Mittel der Folter in die Hände legt und dass ein solches Vorhaben staatlicher Willkür Tür und Tor öffnen würde, braucht hier hoffentlich nicht weiter ausgeführt zu werden.

Dieser Trend zu staatlichen Verpflichtungen drückte sich auch in der Impfpflichtdebatte aus. Allerdings verbindet sich die Impfpflicht auch noch mit einem kollektivistischen Element. Hier muss nicht nur das Recht auf körperliche Unversehrtheit und die Menschenwürde hinter den Lebensschutz zurücktreten, sondern muss sich gleich noch der Einzelne im Namen der Volksgesundheit dem Kollektiv unterordnen. Doch auch hier stellt sich wieder die Frage, weshalb Menschen verpflichtet werden sollen, sich zu impfen, wenn doch jeder Erwachsene die Möglichkeit hat, sich per Impfung selber zu schützen und längst hinlänglich bekannt ist, dass die verfügbaren Impfstoffe keine sterile Immunität, d.h. keinen signifikanten Fremdschutz vermitteln.

Wo Selbstschutz möglich ist, kann es keine Begründung für staatliche Eingriffe mehr geben. In fast allen bereits angesprochenen Bereichen liegt genau eine solche Situation vor: Menschen können sich selbst schützen, indem sie sich impfen lassen, oder nicht mehr in tückischen Gewässern baden gehen, etc. Es gibt hier schlichtweg keine rationale Rechtfertigung für staatlichen Interventionismus.

Ja, der Terrorismus, Geiselnahmen, Entführungen, Verkehrs- sowie Badeunfälle und Krankheitserreger, etc. sind potenziell durchaus ernstzunehmende Risiken. Aber aus ihrer Existenz folgen ebenfalls keine automatisch alternativlosen Handlungsanweisungen für die politische Praxis. Und es mag sich für den ein oder anderen vermutlich zynisch anhören, aber Lebensrisiken sind geradezu eine notwendige Bedingung einer freien Gesellschaft. Sie können schlechthin nicht ausgemerzt werden, sondern nur in einer vernünftigen Art und Weise in das Leben integriert und im Alltagshandeln berücksichtigt werden. Wie der Frankfurter Rechtswissenschaftler Uwe Volkmann in einem Gastbeitrag in der „ZEIT“ ausführt, sind „Risiken (…) wie man es dreht und wendet, der Preis der Freiheit; eine Welt ohne Risiko ist eine Welt ohne Freiheit.“

Der vielbemühte Satz „Das sind Todesfälle, die nicht sein müssen“, ist nämlich ebenso trivial wie gefährlich. Natürlich wären sämtliche Todesfälle beim Baden oder im Verkehr oder solche in Folge von Terroranschlägen vermeidbar; wir müssten dafür einfach aufhören Gewässer zu betreten, den Straßenverkehr zu nutzen und könnten für die Prävention von Anschlägen ein engmaschiges, notwendigerweise totalitäres Überwachungssystem installieren und würden so zweifellos jedes Jahr hunderte Leben retten. Aber tatsächlich wäre das bloß der paradoxe Versuch ein freiheitliches System dadurch zu retten, indem man es abschafft.

Den Befürwortern eines „Rundum-sorglos“-Staates mit immer umfangreicheren Befugnissen und insbesondere dem Zeitgeist des Sicherheitswahns muss also entschieden entgegengetreten werden. Denn es steht nicht weniger als die freie Gesellschaft selbst auf dem Spiel.