Herr Özdemir – danke, aber ich brauche Ihre Ernährungsberatung nicht!

Von Marikka Wiemann | Weihnachten und die Adventszeit sind bei mir immer eine sehr kalorienreiche Angelegenheit. Hier ein Stück Schokolade, dort eine Tasse Glühwein und an Heiligabend Klöße mit Gans. Meinen Kalorienbedarf habe ich in den letzten vier Wochen definitiv überschritten und bin damit hoffentlich nicht alleine. Jedenfalls habe ich mir jetzt vorgenommen, nach den Feiertagen wieder etwas zurückzuschrauben – auf ein Normalmaß, zumindest ist das mein Vorsatz. Ob der von Erfolg gekrönt sein wird, steht auf einem anderen Blatt geschrieben.
Aber momentan sieht es gut aus: Ich bekomme nämlich Unterstützung von Cem Özdemir, der sein neues Amt als Minister für Landwirtschaft und Ernährung sehr ernst nimmt und eine erste folgenschwere Feststellung gemacht hat: Die Deutschen seien, insbesondere durch den Konsum von Fertigprodukten, zu dick geworden. Deshalb werde es mit ihm verbindliche Reduktionsziele für Zucker, Fett und Salz in Fertigprodukten geben. Die Industrie soll nicht mehr selbst darüber entscheiden können, sondern zu dieser Reduktion gezwungen werden – von Zwang hat Özdemir selbstverständlich nicht gesprochen, aber anders kann man das wunderbare Wort „verbindlich“ nicht umschreiben.
Das vermeintliche Übergewicht der Deutschen scheint aber generell nur ein Vorwand, um höhere Lebensmittelpreise durchzusetzen. Um das besser zu verkaufen, weist Özdemir zusätzlich darauf hin, dass die steigenden Preise das Artensterben verhindern, das Tierwohl fördern und das Klima entlasten würden. Davon abgesehen, ob das stimmt oder überhaupt einen Sinn hat – die Erhöhung kann nur ein Mensch fordern, der sich um Geld keine Gedanken machen muss und lediglich sein schlechtes Gewissen beruhigen will, weil sein Lebensstil vermeintlich schlecht für’s Klima sein könnte. Die Grünen verachten die Armut und würden am Liebsten jedes Produkt des täglichen Lebens als Luxusprodukt vermarkten, sodass es für den deutschen Durchschnittsbürger kaum noch bezahlbar ist. Wie genau es in der Parallelwelt von Herrn Özdemir und seinen Genossen aussieht, würde mich wirklich interessieren. Dort gibt es vermutlich gar keine Mittelschicht und erst recht keine Geringverdiener mehr.
Die Realität, außerhalb der grünen Soja-Bubble, sieht aber anders aus. Es gibt durchaus Leute, die auf Lebensmittelpreise achten müssen und nicht alles in Bio- und Premium-Qualität kaufen können, ohne mit der Wimper zu zucken – ich gehöre selbst dazu. Ich wohne in einer WG mit neun Mitbewohnern. Hauptsächlich FSJler und Schüler. Der Großteil von uns verdient ausbildungsbedingt wenig bis überhaupt nichts. Weil wir häufig zusammen kochen, haben wir eine WG-Kasse eingerichtet, in die jeder von uns monatlich 55 Euro einzahlt. Von diesem Geld gehe ich einmal pro Woche einkaufen. Wir haben noch keine finanziellen Schwierigkeiten, aber Bioprodukte oder teureres Fleisch können wir uns definitiv nicht leisten. Ich kaufe Lebensmittel für, wie Herr Özdemir es so schön ausgedrückt hat, „Ramschpreise“ – sonst wird es am Ende des Monats eng für uns. Und auch wenn es manchmal einfach nur nervig ist: Es ist normal, sich als Schüler, Student oder FSJler noch nicht so viel leisten zu können wie jemand, der seine Ausbildung bereits beendet hat.
Lustigerweise sind Linke von Özdemirs Forderung großteils genauso wenig erfreut wie ich – nur aus anderen Gründen. Die taz schreibt zum Beispiel: „Die Grünen täten gut daran, künftig jedes ökologische Vorhaben an eine klare Umverteilungsmaßnahme zu knüpfen.“ Ja klar, der Klassiker! Die „Reichen“ sollen einfach höhere Steuern zahlen, dann hebt man noch die Sozialleistungen an und schon gibt es kein Problem mehr! Sollte das noch nicht genug helfen, wird eben noch ein bisschen Geld gedruckt. Es bleibt zu bezweifeln, ob es die richtige Entscheidung ist, Angebot und Nachfrage zu ignorieren und willkürlich Preise zu erhöhen, nur um die utopischen Ziele der Grünen zu erreichen. Weder Bauern und Tierhalter noch meine Figur werden von dieser Politik profitieren. Man braucht wenig Fantasie, um sich vorzustellen, dass die Maßnahmen sogar einige Höfe in den Ruin treiben könnten. Werden die Preise für Lebensmittel künstlich in die Höhe getrieben, werden viele Bauern möglicherweise Kunden verlieren, wenn diese sich die Produkte dadurch nicht mehr leisten können.
Das sah anscheinend nicht nur ich kritisch, doch keine Sorge: Nach den ersten, eher negativen Reaktionen bekommt der Grünen-Politiker jetzt Unterstützung von Greenpeace. Die Aktivisten fordern ebenfalls höhere Steuern für Milch- und Fleischprodukte. Als Ausgleich soll die Mehrwertsteuer für Obst und Gemüse gesenkt werden. All dies soll im Namen von Tierschutz und der Unterstützung von Bauern abgewickelt werden. Doch egal, welche fadenscheinigen Gründe die Grünen und ihre NGO-Freunde für höhere Lebensmittelpreise anführen: Am Ende geht es doch nur darum, den Bürger umzuerziehen. Er soll sich künftig nicht mehr von Fleisch oder tierischen Produkten ernähren, sondern am besten nur noch pflanzlich und „nachhaltig“. Veganismus ist Trend und in den dystopischen Träumen einiger Grüner bereits Gesetz.
Ich werde mich diesem ungeschriebenen Gesetz nicht beugen, aber in freier Entscheidung in nächster Zeit vielleicht auf den ein oder anderen Keks verzichten, um die vergangenen energiereichen Tage auszugleichen. Fertigprodukte esse ich persönlich sowieso nicht so gerne, das Zeug schmeckt mir einfach nicht. Ich koche wesentlich lieber frisch. Allerdings frage ich mich, was es die Politik angeht, ob ich zum Abendessen einen Salat oder eine Fertigpizza esse.





