Ein Jahr Fall von Kabul: Frauenrechte unter Attacke

Am 15. August 2022 jährte sich der Fall von Kabul von 2021 zum ersten Mal, Apollo bringt daher diese Woche eine Artikelserie zum Rückblick auf die Geschehnisse von damals und ihren Konsequenzen. 

Von Gesche Javelin | Seit der Übernahme der Taliban am 15. August 2021 wurden die Freiheiten und Rechte der Frauen in Afghanistan wieder drastisch eingeschränkt. Frauen dürfen das Haus nicht ohne Begleitung eines männlichen Verwandten verlassen und müssen sich verhüllen. An öffentlichen Orten wie Cafés oder Parks gibt es geschlechtergetrennte Bereiche oder Öffnungszeiten. Auch die Kurse an Universitäten werden strickt nach Geschlechtern getrennt. Frauen bekommen kaum noch Chancen, ein Studium zu beenden, denn es gibt wenn überhaupt nur wenige Kurse für Frauen. Dazu kommt noch, dass Mädchen keine weiterführenden Schulen mehr besuchen dürfen.

In Sachen Frauenrechte war Afghanistan selbst vor einem Jahrhundert schon weiter als im letzten Jahr. Als Amanullah Khan im Jahr 1919 König wurde, änderte er einiges für die Frauen in seinem Land. Er setzte sich mit seiner Frau zusammen unter anderem für Bildung für Mädchen und Frauen und die Abschaffung der Burka ein. Seine Frau, Königin Soraya setzte ein Zeichen gegen die Verschleierung, indem sie auch in der Öffentlichkeit ohne Schleier auftrat. Sie war die erste Königin, die sich politisch engagierte. Die Stammesführer gingen jedoch gegen seine Regentschaft vor und Amanullah Kahn musste abdanken und nach Europa fliehen.

Während in den letzten 20 Jahren die Zahl der erwerbstätigen Frauen von 15% auf knapp 20% stieg, schaffte die Taliban in nur einem Jahr den Fortschritt wieder rückgängig zu machen. Tausende Anwältinnen, Polizistinnen und Journalistinnen mussten ihre Arbeit aufgeben, weil die neuen Taliban-Gesetze nicht mehr zulassen, dass Frauen in diesen Jobs arbeiten. In der Taliban-Regierung sind Frauen gar nicht vertreten. Das Ministerium für Frauenangelegenheiten wurde abgeschafft. Anstatt dessen wurde das „Ministerium für die Verbreitung von Tugend und Verhinderung von Lastern“ eingeführt. Dieses Ministerium ist hauptverantwortlich für die meisten Beschränkungen der Frauenrechte in Afghanistan.

Frauen und Mädchen müssen sich nicht nur äußerlich verschleiern. Sie werden vom öffentlichen Leben großteils ausgeschlossen und ihrer Zukunftschancen beraubt. Wenn sie sich nicht fügen, werden sie in Gefängnisse gesperrt, mit Gewalt versucht gefügig zu machen oder ihre Familien werden bedroht. Der friedliche Protest am letzten Samstag auf den Straßen Kabuls für Essen, Arbeit und Freiheit wurde mit Warnschüssen und Gewalt beendet. Die Frauen werden bedrängt, eingesperrt und verletzt. Auch vier Journalisten, die über den Protest berichten wollten, sind  laut dem Verband unabhängiger Journalisten in Afghanistan (AIJA) festgenommen worden. Diese Menschen kämpfen für ihre Rechte, für ein Leben in Freiheit und das teilweise unter Lebensgefahr.

 


Tag gegen Hexenverfolgung: Nichts gelernt aus dem Scheiterhaufen?

Von Gesche Javelin | Am 10.08.2020 hat das internationale katholische Hilfswerk „missio“ in Aachen zum ersten Mal den „Internationalen Tag gegen Hexenwahn“ gefeiert. Deswegen möchte ich zu diesem Tag der Hexenverfolgung gedenken:

Seinen Anfang fand der Hexenwahn im 13. Jahrhundert mit der Inquisition. Eigentlich strebte die Inquisition vor allem eine Umkehr der Beschuldigten zur Kirche an. Todesstrafen wurden nur selten angewandt. Zudem galt von Seiten der kirchlichen Oberhäupter die Richtlinie, dass die Inquisitoren sich vor allem auf sogenannte Ketzer fokussieren sollten; Hexenverfolgung war hierbei eher eine Nebensache. So nach dem Motto: „Wenn euch mal eine Hexe über den Weg läuft, könnt ihr sie auch mitnehmen“

Zum Höhepunkt der Hexenverfolgung kam es im 16. und 17. Jahrhundert, als der Hexenwahn zum Selbstläufer wurde. Bestärkt durch die Kirche glaubten die Menschen, dass vor allem Frauen „anfällig“ für Hexerei waren, da sie sozusagen genetisch vorbestimmt triebhafte und „schlechte“ Wesen seien.

Sowohl Ketzer als auch Hexen seien einen Bund mit dem Teufel eingegangen, sodass ein Tod – meist auf dem Scheiterhaufen – in den Augen der Öffentlichkeit gerechtfertigt zu sein schien. Für jedwedes Unglück oder Schandhaftigkeit wurden sie verantwortlich gemacht: Unwetter und folgende Ernteausfälle, Tod, Krankheit. Auch wurden sie als unheimliche, mystische, unbegreifliche Wesen dargestellt. Wie soll man sich da schon wohl fühlen? Die Angst vor Hexen und übernatürlicher Hexerei verbreitete sich immer weiter. Nicht zuletzt die Medienrevolution durch den Buchdruck trug zur schnellen Verbreitung des Hexenglaubens bei. Aber auch an Universitäten wurde über die Hexen gelehrt. Außerdem bekräftigten wichtige Persönlichkeiten wie Martin Luther, Johannes Calvin und Petrus Cansius den Hexenwahn – auch damals wurde sich an Prominenten wohl gerne ein Beispiel genommen.

Die Angst der Bürger wurde unterfüttert und überzeugt klagten die Menschen sich gegenseitig an. Die Hexenjagden wurden häufig von den Untertanen selbst initiiert. Selten wurden sie allein durch die Obrigkeit durchgeführt. Angst und Missgunst waren bei den Menschen präsent. Eine Krise folgte der nächsten. Krankheiten, Armut und Krieg dominierten den Alltag. Die Unzufriedenheit richtete sich dann gerne Mal gegen den Nachbarn oder auch Familienmitglieder. Denunziation wurde sehr beliebt.

Je mehr die Hexenverfolgung zum Massenphänomen wurde, desto gefährlicher wurde Kritik an den Prozessen und desto weniger wurde solche noch geübt. Auf Krisen reagieren die Menschen heute immer noch ähnlich: Mit Angst und Missgunst. Also wie sagt man immer so schön: „Wehret den Anfängen!“


Angst treibt an – wie Politik und Medien kommende Gas-Proteste vorsorglich verleumden

Von Gesche Javelin |  Der Regierung steht die Angst ins Gesicht geschrieben. Im Gespräch mit internationalen Kollegen warnte Bundesaußenministerin Baerbock bereits vor „Volksaufständen“ wegen Gas-Mangels in Deutschland. Das Risiko von diversen Versorgungsengpässen im Winter ist real und akut- das weiß auch die Bundesregierung. Die Proteste werden daher schonmal vorsorglich in anrüchige Ecken gerückt.

Die Bundesinnenministerin Nancy Faeser warnt, „dass diejenigen, die schon in der Coronazeit ihre Verachtung gegen die Demokratie herausgebrüllt haben und dabei oftmals Seite an Seite mit Rechtsextremisten unterwegs waren, die stark steigenden Preise als neues Mobilisierungsthema zu missbrauchen versuchen.“ Aber zum Glück sind sie wohl gut auf eine neues Protestgeschehen vorbereitet. Die Sicherheitsbehörden hätten die extremistischen Szenen sehr genau im Blick, betont Faeser im „Handelsblatt“. Außenministerin Annalena Baerbock zittert vor Sorge, dass Deutschland ohne Gas „keine Unterstützung für die Ukraine mehr leisten [kann], weil wir dann mit Volksaufständen beschäftigt sind“.


Auch die Gewerkschaft der Polizei wolle zwar „kein Schreckensszenario herbeireden“, bangt jedoch, dass „sich bereits einzelne Gruppierungen, etwa aus der Querdenkerszene, in den sozialen Medien stark gegen die Bundesregierung positionieren und zum Widerstand aufgerufen haben“. Die „Tagesschau“ vermutet derweil, ganz im Stile der Innenministerin, dass die „Extremisten nach Corona ein neues Thema gefunden“ haben.
Wie so gern bei politisch nicht gewollten Protesten, werden sie wieder in die rechte Ecke gedrängt und die Verschwörungstheoretiker-Keule herausgeholt. Die Szenarien der Politiker lassen immer wieder vor allem eines durchschimmern: Ihre Angst vor einem Volk, dass vielleicht doch nicht alles stumm mitmacht.

In zwei Jahren Corona-Restriktionen konnte man Protest, Kritik und Widerstand erfolgreich als „rechtsextrem“ Framen und schlussendlich auch weit in diese Ecke treiben. Die breite Mehrheit der deutschen behielt ihren Unmut für sich oder ließ ihn sich, politisch-medial befördert, auf „die Ungeimpften“ umlenken, die schuld an allem wären. Das Problem: Beim Gas funktioniert das nicht. Putin als der alleinige Schuldige? Das hält dem Blick ins europäische Ausland, welches dann ja ähnlich leiden müsste wie Deutschland, nicht stand. Die Wahrheit ist: Diese kommende Krise ist vor allem hausgemacht – von der CDU bis zu den Grünen haben alle „staatstragenden“ Parteien diese Krise mitzuverantworten. Rot-Grün mit der Energiewende, Union und FDP mit dem beschleunigten Atomausstieg und 10 Jahren ziemlicher Untätigkeit in der Energiefrage. 


Warum müssen Politiker wie Faeser und Journalisten wie die Autoren des „Tagesschau“-Beitrages Demonstranten vorsorglich mundtot machen, wenn sie keine Angst davor haben, dass die Demonstrationen eventuell Erfolg hätten – ihre Wut, das weiß die Politik auch, wird berechtigt sein. Es macht doch den Anschein, als könnten die Proteste der Politik einen ziemlichen Strich durch die Rechnung machen. Es wird ein ungemütlicher Winter. Denn auch, wenn die Heizungen nicht laufen – „die Straße“ könnte der Politik ordentlich einheizen.

 


Diskussionen in der Schule. Warum sind alle so empfindlich? 

Von Gesche Javelin | Neulich im Deutschunterricht sollten wir über die Gesundheitsdiktatur in dem Buch „Corpus delicti“ von Juli Zeh diskutieren. Das Problem war nur: unsere Deutschlehrerin hat eine sehr besondere Auffassung von Diskussionskultur. Egal welche These aufgestellt oder welches Argument von uns Schülern vorgebracht wurde – sobald man von ihrer eigenen Meinung abgewichen ist, hat sie unsere Worte irgendwie so hingedreht, dass sie doch wieder ihren Ansichten entsprachen.

Beispiel gefällig? Ich habe an einer Stelle gesagt, dass es doch besser wäre, Menschen von Gesundheitsmaßnahmen zu überzeugen, damit sie diese freiwillig umsetzen, anstatt sie dazu zu zwingen. Ihre Antwort darauf war: „Aber die Intensivbetten sind ja so überfüllt, wenn wir keine Maskenpflicht hätten, würden noch mehr Menschen sterben.“ Das war mir dann echt zu doof. So etwas ist doch keine Diskussion! Vielleicht bin ich ja naiv, aber ich dachte immer, ein Streitgespräch ist ein Austausch verschiedener Meinungen und das beinhaltet auch auf die andere Meinung einzugehen und eventuell sogar überzeugt zu werden und nicht partout auf seiner Meinung zu beharren. Aber vielleicht bin ich da ja nicht auf dem aktuellen Stand.

Emotionen statt Argumente

Die meisten Diskussionen, die ich in letzter Zeit beobachtet habe, laufen leider ähnlich ab, wie die mit meiner Deutschlehrerin. Argumente werden nicht gehört, stattdessen wird sofort emotionalisiert – der Gegenpart kann gar nicht anders als ausweichen oder abwehren. Ein Austausch findet kaum statt – wenn der Mensch dann noch aus dem anderen politischen Lager kommt, wird es ganz schwierig.

In der Schule wird uns beigebracht, dass es schlecht ist, kritisch zu denken. Am besten man plappert dem Lehrer nach, dann ist man auf der sicheren Seite. Und wenn man mal etwas gegen beliebte Personen äußert, gehört man nicht mehr dazu. Bei Diskussionen in der Schule muss man inzwischen bei jedem zweiten Satz verdeutlichen, dass man damit auch niemanden verletzen oder diskriminieren möchte. Wenn man sich dann doch mal traut, etwas gegen die vorherrschende Meinung zu sagen, wird nur geschockt geguckt – „Wie kannst du es wagen!“ – gleich wird von allen Seiten auf einen eingeredet oder nur spöttisch gelacht. Es wird einem beigebracht, Angst vor anderen Meinungen zu haben.

Angst vor politisch unkorrekten Meinungen

Doch nicht nur in meinem Umfeld sind Diskussionen fast unmöglich geworden – auch in Talkshows kann man kaum noch eine Streitkultur entdecken. Illner und Co sollten uns ein Bild von dem aktuellen Meinungsspektrum geben – stattdessen zeigen sie uns nur unkritisch moderierte Darstellungen von „wichtigen“ Persönlichkeiten. Unsere Diskussionskultur spiegelt sich eigentlich ziemlich gut in den Talkshows wider. Es wird nur die politisch korrekte Meinung zugelassen, ansonsten wird unterbrochen, rausgeschnitten oder die Moralkeule geschwungen. Es herrscht Angst vor anderen Meinungen, weil die politisch unkorrekt sein könnten. Es geht den Diskutanten nur noch darum, ihr Gesicht zu wahren und unbedingt die stärksten Schläge zu haben – einander zuzuhören und Argumente inhaltlich abzuwägen ist nebensächlich.

Die aktuelle Diskussionskultur kommt mir vor wie ein immer engerer zugeschnürtes Meinungskorsett: Jeder, der bei dem Mainstream-Blabla nicht mitmachen möchte, wird einfach ausgeschlossen. Angeblich gibt es heute nicht mehr so viel Tabuthemen wie früher. Okay, über Sex wird heute offen geredet und Kinder werden in der dritten Klasse über verschiedene Sexualitäten und Geschlechtsumwandlung unterrichtet, doch wenn man anfängt, den menschengemachten Klimawandel oder Corona zu hinterfragen, herrscht allgemeine Panik. Sollten wir nicht inzwischen gelernt haben, dass Tabuthemen nur bewirken, dass sich die wildesten Theorien entwickeln? Nicht umsonst haben früher viele Mädchen geglaubt, dass man nur durch Blickkontakt mit einem Jungen schwanger werden kann.

Es bringt doch einfach nichts, um kontroverse Themen einen großen Bogen zu machen, so als wären sie eine ansteckende Krankheit. Diskussionsvermeidung bewirkt nur, dass die Menschen gar nicht mehr an ihren Überzeugungen zweifeln. Ich bin dafür, dass wir auch die wildesten Theorien offen diskutieren. Die Welt ist doch viel spannender, wenn man sich streitet. Und: Jede große Entdeckung war am Anfang mal eine wilde Theorie.


Muttis Erbe und der Sozialismus

Von Gesche Javelin | Das öffentliche Bild von Angela Merkel zeigt eine fürsorgliche und trotzdem pragmatische Frau. Was auch passieren mag: „Mutti Merkel“ kümmert sich schon. Doch was versteckt sich hinter dem emotionalisierten Bild der Ex-Kanzlerin und hält ihre „Fürsorge“ bis heute?

Angela Dorothea Merkel (geb. Kasner) wurde am 17. Juli 1954 in Hamburg als erstes Kind des evangelischen Theologen Horst Kasner und Herlind Kasner, einer Latein- und Englischlehrerin, geboren. Kurz danach zog die kleine Familie Kasner einige nach Templin in die DDR – während zehntausende Menschen schon in die genau entgegengesetzte Richtung unterwegs waren.

Ihrem Vater wurde eine Pfarrstelle im Dorf Quitzow angeboten. Horst Kasner schloss sich 1958 dem Weißenseer Arbeitskreis an – ein Zusammenschluss evangelischer Theologen in der DDR, der für eine Zusammenarbeit der Kirche mit dem Staat warb. Sie entwarfen außerdem die „Sieben Sätze von der Freiheit der Kirche zum Dienen“. Damit bildeten sie eine Gegenposition zu der Positionierung der evangelischen Kirchen bei der Ost-Konferenz 1961, die zu dem Schluss kamen, dass Christen sich nicht dem Absolutheitsanspruch einer Ideologie unterwerfen dürfen. Später entstand das Konzept der „Kirche im Sozialismus“, als dessen Urheber sich Horst Kasner sah. Die Idee dahinter war, dass sich die Kirche mit der SED arrangieren und als Teil des Staates begreifen sollte.

Den Stalinismus soll Kasner zwar abgelehnt, aber an einen reformfähigen Kommunismus geglaubt haben. Er war in der Presse zu DDR-Zeiten als der „rote Kasner“ oder der „rote Pfarrer“ bekannt.

Seine Tochter war eine der wenigen Pfarrerskinder, die sich dem DDR-Organisationen nicht entzogen. Sie trat den Jungen Pionieren bei und wurde später stellvertretende FDJ-Sekretärin an ihrer Schule. Dort gehörte sie dann zu den Privilegierten 10%, die die erweiterte Oberschule besuchen durften. Die Systemkonformität und die Nähe ihres Vaters zum Kommunismus verhalfen ihr zu Erfolg: Nach der Schule studierte Angela Kasner Physik an der Leipziger Karl-Marx-Universität. 1981 stieg sie dann zur Sekretärin für Agitation und Propaganda in der FDJ auf. Dies wurde unter anderem vom damaligen FDJ-Sekretär der Grundorganisation, Gunther Walther, bestätigt. Auch Günther Krause, früherer Bundesverkehrsminister bezeugt ihre Tätigkeit als Sekretärin für Agitation und Propaganda. Er erklärt: „Da ist man verantwortlich für die Gehirnwäsche im Sinne des Marxismus“. Angela Merkel behauptete jedoch, sie könne sich nicht erinnern, jemals agitiert zu haben – sie sei Kulturbeauftragte gewesen. Sie betont immer wieder ihre Ablehnung gegenüber dem Sozialismus im allgemeinen, genau wie gegen den demokratischen Sozialismus.

Aber Taten sagen mehr als tausend Worte: Während ihrer Amtszeit setzte sie sich in der Großen Koalition für viele politische Ziele der Sozialdemokraten ein. Die Kanzlerin setzt unter anderem den Mindestlohn, Elterngeld, die Ehe für alle und die Rente mit 63 um – alles Wahlversprechen der SPD. Auch bei ihrem Krisenmanagement dominiert der „soziale Gedanke“ ihr Handeln. Während der Eurokrise griff sie Griechenland mit Milliarden aus der deutschen Steuerkasse unter die Arme. Und auch in der Flüchtlingskrise empfing sie die Flüchtlinge mit offenen Armen und unterstütze sie mit deutschen Steuergeldern.

Auch in der Wirtschaft setzte Angela Merkel gerne staatliche Regulierungsmaßnahmen ein – vor allem in der Energiewende. Sie entschied den Atomausstieg und später die Abschaltung der Kohlekraftwerke. Damit hatten wir aber ein massives Problem: Wie kann Deutschland die unsichere Stromversorgung wieder ausgleichen? Mit Windkraft und Sonnenenergie? Nein, ganz sicher nicht. Damit zumindest die Versorgung mit Erdgas gewährleistet ist, beschloss die Merkelregierung den Bau der Gaspipeline Nord Stream 2 – und machte uns damit von Russland abhängig. 

Doch davon blieb Merkel unberührt, vielleicht störte es sie nichtmal. Sie machte einfach immer weiter: Dem „Nationalen Entwicklungsplan Elektromobilität“ folgend, strebte Merkel an, bis zum Jahr 2020 eine Millionen Elektroautos auf die deutschen Straßen zu bringen. 2016 wurde durch eine Markteinführungsprämie, ein finanzieller Anreiz zum Kauf von Elektrofahrzeugen, beschlossen. Angela Merkels politische Vorgehensweise wurde auch in der Corona-Pandemie deutlich: Freiheitsbeschränkungen, Zwangsmaßnahmen und Emotionalisierung durch die Ängste der Menschen häuften sich. Jeder sollte sich solidarisch zeigen. Alles „für die Allgemeinheit“. Dabei sei mit Blick auf die oben beschriebene Vergangenheit in der DDR angemerkt, dass die Kirchen in Deutschland sämtliche Corona-Maßnahmen mitgetragen haben.

Zu guter Letzt wurde auch noch die Bundeswehr seit dem Ende des Ost-West-Konflikts immer weiter heruntergewirtschaftet. Man sagte sich, das in Europa durch die NATO und durch die EU Frieden gewährleistet wäre. Deutschland hat sich mit Mutti Merkel sicher und behütet gefühlt. Aber was haben uns 16-Jahre Merkel-Regierung wirklich gebracht? Ein genauso abhängiges wie verteidigungsunfähiges Land und eine alles andere als freiheitlich-demokratische Gesellschaft und Regierung. 

 


Annalena – der Sprung in den Politikzirkus 

Von Gesche Javelin | Ladies and Gentlemen, machen Sie sich bereit für unsere nächste Attraktion. Sie ist ein wahres Talent der Lüfte – keiner kann so kunstvoll, so grazil und so hoch springen wie sie. Meine Damen und Herren, gegen sie kann jedes Känguru, jeder Hase und jedes noch so toll dressierte Springpferd einpacken. Ich präsentiere Ihnen: Annahüpfa Baerbock! 

Mit Leichtigkeit und einem breiten Grinsen springt Annalena Baerbock auf das Trampolin und präsentiert gekonnt eine perfekte Flugrolle. Schon als Kind hat sie so leidenschaftlich gerne ihre Akrobatikkünste gezeigt. Heute kann sie ihre Sprünge sogar in der Arena des deutschen Politikzirkus ausführen. Dort ist sie mit ihrem Talent weit gekommen. Vor Kurzem hat sie sogar versucht, sich noch höher zu katapultieren und Zirkusdirektorin zu werden, doch diesen Sprung hat sie nicht geschafft. 

Auch die vielen Sprachkunststücke, die sie gerne in ihre akrobatischen Auftritte einbaut, konnten das Publikum nicht überzeugen. Dabei übertrumpfte Annalenas Kreativität in der Sprache die der anderen Kandidaten bei weitem. Ihre besondere Fähigkeit besteht darin, den Kern manchmal ganz zufällig zu treffen. Und sie hat eine echte Begabung für Wortneuschöpfungen. Die „Fressefreiheit“ ist nur ein Beispiel ihrer kreativen Bereicherungen unseres Wortschatzes. Wie schade wäre es, wenn wir ohne die „Fressefreiheit“ unsere „Fresse“ nicht mehr aufmachen könnten, um zum Beispiel über eine solche Wortneuschöpfung zu berichten. 

Jetzt, wo sie den Posten des Zirkusdirektors verfehlt hat, fliegt sie mit großen Sprüngen von Land zu Land und vertritt uns mit ihrem breiten Grinsen. Manchmal gibt es einige Verständnisprobleme, da sie mit der Kunst der englischen Sprache noch etwas überfordert ist – aber man kann ja auch nicht alles können. Neue Kunststücke probiert Annalena trotzdem gerne aus. Besonders am Balanceakt scheint sie Gefallen gefunden zu haben. In Niger versuchte sie sich am Transport von Wassermelonen – lachend balancierte sie, mehr schlecht als recht, die Trage auf ihren Schultern. Eine Disziplin, die nach Spaß und vor allem nach einem gekonnt inszenierten Publicity-Act aussieht. Aber sie probiert sich auch an weitaus schwereren Balanceakten: Immer wieder schwankt Frau Baerbock zwischen der Forderung nach schweren Waffen für die Ukraine und der nach Pazifismus, dem sie lange Zeit viel Gewicht gegeben hat. 

Aber egal wohin sie gerade springt, ihre Begeisterung und ihr Willen sind ungebrochen. Besonders die feministische Außenpolitik hat es ihr angetan. Dieses Kunststück hat das Centre for Feminist Foreign Policy (CFFP) entworfen. Hierbei besteht die Kunst unter anderem darin, die „zerstörerischen Kräfte des Patriarchats, der Heteronormativität, des Kapitalismus, des Rassismus und des Militarismus zu hinterfragen“. Dieses Kunststück gehört zu den Sportarten, die eine besonders starke Linke verlangen. Ob dabei Gerechtigkeit herauskommt, bleibt zweifelhaft, denn die Gefahr einer Gleichgewichtsstörung ist hierbei laut dem Lexikon der Politikzirkusse hoch. Deswegen sollte man diese Sportart mit Vorsicht genießen. 

Insgesamt sollte Annahüpfa Baerbock vielleicht doch lieber den Sprung aus der Manege zurück aufs heimische Trampolin wagen – dort kann sie schwanken, wanken und springen so viel und wohin sie gerade will.


Weder Rebellion noch Exzess: laut Studie wollen Jugendliche vor allem Sicherheit

Von Gesche Javelin | Den Jugendlichen wurde schon immer vieles nachgesagt. Wir waren dafür bekannt, mal unvernünftig zu sein und immer nur Spaß haben zu wollen. Schon Platon hat sich über die rebellische Jugend brüskiert. Trotzdem blieb und bleibt der aktive Protest gegen Corona-Maßnahmen von unserer Generation mehrheitlich aus. Wo bleibt die Rebellion nun? Eine Umfrage aus 2020 könnte die Antwort darauf bieten: „Die heutige Jugendgeneration ist stark [von der Sehnsucht nach Zugehörigkeit, Halt und Orientierung] geprägt.“ Die Sinus-Studie „Wie ticken Jugendliche?“ zeigt uns eine ernste und problembewusste Jugend. Die Jugend wolle nicht mehr so viel „Fun und Action“, sondern Sicherheit. Sie strebe nach Zusammenhalt und wolle „in der Mitte der Gesellschaft ankommen“.

Ein großes Bedürfnis nach Sicherheit – das ist mal was Neues. Auf einmal soll und will die Jugend seriös sein. Früher wehrten sich die Jugendlichen gegen die Wehrpflicht. Ihnen wurde vorgeworfen, dass sie sich der moralischen Verpflichtung, das Land zu verteidigen, entziehen. Auch über den Schutz der Umwelt wurde schon diskutiert. Gegen die Atomkraft sind viele auf die Straße gegangen. Die Jugend hat sich gegen die Regierung gewehrt. Die Jugend war unverantwortlich. Heute sind die Umweltaktivisten in der Regierung und es wird denen, die nicht für die Umwelt auf die Straße gehen, vorgeworfen, sich der moralischen Verpflichtung zu entziehen. Doch heute ist die Jugend verantwortungsbewusst. Was hat sich geändert? Sie fühlen sich immer noch als Teil einer Veränderung, nur rennen sie bei der Regierung offene Türen ein. Jetzt, wo die Regierung links-grün ist, ist sie gut? Die Jugendlichen reden der Regierung nach dem Mund, also sind Jugendliche jetzt pflichtbewusst. Die herrschende Ideologie wird nicht mehr hinterfragt.

Doch bevor man eine ganze Generation verurteilt, sollten wir uns eine Frage stellen: Wie kann es sein, dass sie – obwohl wir keinen Krieg kennen, keinen Hunger, keine Gewalt – so große Angst hat, dass für sie Sicherheit über Spaß, Lebensfreude und Freiheit steht? Und warum stellt niemand diese Frage? Stattdessen wird diese Angst von der Regierung instrumentalisiert, sogar noch gefördert. Schon 2020 wollte die Jugend Sicherheit – seitdem ist viel passiert. Statt ihr zu helfen und dafür zu sorgen, dass sie keine Angst mehr hat, wurden ihr noch neue Ängste eingeredet.

Was ist mit uns Jugendlichen passiert?

Interessant finde ich, was die Studie dazu sagt: „Der Ernst der Lage und die Unübersichtlichkeit der Verhältnisse in der Welt verstärken […] die Sehnsucht nach Zugehörigkeit, Halt und Orientierung.“ Anders gesagt: Löst die andauernde Weltuntergangsstimmung bei der Jugend ein verstärktes Sicherheitsbedürfnis aus? Tatsächlich kann man dieses Phänomen in der gesamten Gesellschaft beobachten.

Die Medien zeigen uns Bilder von Krieg, Not und Leid. Jeden Tag werden wir mit Katastrophen-Meldungen überflutet. Wir müssen Angst vor dem Klimawandel und damit einhergehenden Naturkatastrophen haben, vor Krieg, vor Terrorismus, vor dem Stromausfall, vor der Inflation, jetzt auch vor einem Virus, vor den Menschen um uns herum, aber auch vor uns selbst. Die Gesellschaft sehnt sich nach dem Gefühl von Sicherheit. Sicherheit ist eines der Grundbedürfnisse des Menschen. Wir streben danach, uns sicher zu fühlen und nicht in ständiger Verteidigungs- und Vorsichtshaltung verharren zu müssen. Ein Dach über dem Kopf, einen sicheren Job oder auch eine Krankenversicherung geben uns dieses Gefühl von Sicherheit. Wahrscheinlich war gerade die junge Generation für Impfung und Maske so anfällig: sie verkörpern diesen Wunsch nach Sicherheit – sich vor unsichtbaren Feinden mit handfesten Mitteln zu verteidigen.

Doch je mehr Sicherheit man verlangt, desto weniger Freiheit kann man sich bewahren.
Wenn wir nur noch in unserem Schneckenhaus bleiben, um auch den geringsten Gefahren zu entkommen, können wir uns nicht mehr bewegen. Wir nehmen in Kauf, dass unsere Handys überwacht werden, um vor Terroristen sicher zu sein. Wir lassen uns einsperren, um einem Virus zu entkommen. Wir sollen abbremsen, um das Klima zu schützen. Die Angst ist groß und die Freiheit wird immer kleiner. Wir suchen nach Geborgenheit und wollen endlich der Angst entkommen. Doch der Preis hoch.


12 Thesen, warum Masken so gar nicht super sind

Von Gesche Javelin | Über zwei Jahre Maskenpflicht. Im Supermarkt sieht man nur halbe Gesichter. Sauerstoffmangel ist nicht nur, wenn Menschen beatmet werden müssen präsent, sondern verfolgt einen auch im Alltag. Man soll sich jeden Tag Stoff vors Gesicht klemmen. Und jetzt, wo endlich Freiheit in den Tiefen des Coronawirrwarrs aufblitzt, fordert die taz uns dazu auf, die Masken aufzulassen. Dafür hat die Autorin zwölf Thesen aufgestellt, „warum Masken super sind“, die meiner Meinung nach sehr gut darstellen, was Sauerstoffmangel für negative Folgen auf das Gehirn haben kann. 

Ich kann es kaum erwarten, dass die Maske endgültig fällt. Deswegen hier meine zwölf Thesen; warum ich Masken nur noch im Theater sehen möchte:

  • Sicherheit?

Einige Menschen scheinen während der letzten zwei Jahre einen regelrechten Maskenfetischismus entwickelt zu haben. Ist auch kein Wunder, wenn man bedenkt, dass sie durch die Maske ein Gefühl von Sicherheit vermittelt bekommen. Bekanntlich ist das Bedürfnis nach Sicherheit für den Menschen mit am Wichtigsten. Scheinbar übersteigt es hier sogar das Bedürfnis nach freiem Atmen. Dabei ist fraglich, ob Masken überhaupt die versprochene Sicherheit gewährleisten.

  • Unfreiheit

Die Maske bedeutet eine Einschränkung der Freiheit. Vor allem die Einschränkung, nicht frei atmen zu können. Aber auch die Einschränkung, ohne Maske in der Öffentlichkeit nirgendwo mehr erwünscht zu sein. Man kann nicht mehr spontan einkaufen gehen, wenn man keine Maske dabei hat. Freiheit hat normalerweise in einer Demokratie einen sehr großen Stellenwert. In Deutschland wohl nicht mehr so.

  • Atemnot, Übelkeit, Hautprobleme … 

Ganz Deutschland leidet darunter. Wir sollen unseren eigenen Atem wieder einatmen. Jeden Tag in der Schule sollen wir aushalten, die kondensierte Atemluft in unserem Gesicht kleben zu haben oder zu merken wie einem schummrig wird. Und mit den Hautproblemen, die uns sowieso quälen, will man es uns auch nicht einfacher machen. Man gibt sein ganzes Taschengeld aus und hat schon alles ausprobiert, um die Pickel endlich loszuwerden, um dann vom ganzen Maske tragen wieder Pickel zu bekommen.

  • Konzentration nimmt ab

Die Konzentration sinkt stetig. Und nicht nur vom Sauerstoff im Blut. Ein Großteil der Klasse wirkt so, als würden sie gleich einschlafen. Bei Einigen sind das vielleicht auch noch die Nachwirkungen vom nächtlichen Zocken, aber bei vielen hat die Konzentrationsfähigkeit seit der Maskenpflicht einen neuen Tiefpunkt erreicht.

  • „Niemand versteht mich“

Wer hat schon Lust gegen eine Wand zu reden. Jetzt ist es zwar keine Wand aber eine Schicht Stoff. Bei jedem zweiten Schüler versteht der Lehrer nicht, was gesagt wurde und das liegt nicht immer daran, dass der Schüler Unsinn vor sich hin murmelt.

  • Das Immunsystems hat Kontaktängste

Tatsächlich gibt es positive Effekte, wenn man krank ist. Das Immunsystem braucht Training. Es wird nicht besser, wenn man es 24/7 in Watte gepackt hat. Ich höre immer wieder von unterschiedlichen Seiten, dass sie jetzt zu Corona so oft erkältet sind, wie nie zuvor. Isolation hilft scheinbar nur gegen eine Krankheit und auch da nur beschränkt. 

  • Konfrontation ist die beste Therapie

Nicht nur dem Immunsystem fehlt der Kontakt. Viele Menschen haben Angst davor, die Maske abzuziehen. Die Sicherheit, die ihnen das Tuch verspricht, einfach aufzugeben, scheint unvorstellbar und unverantwortlich. Die Angst sich anzustecken und auf der Intensivstation zu enden ist zu groß. Dann lieber schlecht atmen statt Beatmungsgerät, lautet da die Devise. Dabei sagt man doch, dass die Konfrontationstherapie zu den wirksamsten Methoden gegen Angststörungen zählt…

  • Leben ist kontaktfreudig

Distanz dominierte die letzten zwei Jahre. Doch was ist das für ein Umgang, wenn man den Nachbarn nicht mehr sieht, niemanden mehr hinter der Maske erkennt und soziale Kontakte fremd sind. Gut, das mit den Nachbarn ist für manche vielleicht ein Segen. Trotzdem: Leben braucht Berührung.

  • Wer bist du?

Neulich habe ich meine Lehrerin ohne Maske auf dem Schulhof gesehen. Ich muss sagen, ich war sehr verwirrt. Gefühlt stand ein anderer Mensch vor mir. Ich habe sie noch nie ohne Maske gesehen. Sie hat ziemlich auffällige blonde Locken, sodass ich sie eindeutig identifizieren konnte, ansonsten hätte ich sie ohne Maske wahrscheinlich nicht erkannt.

  • So viele Vögel

Ganz abgesehen davon, dass man die Menschen nicht erkennt, könnte man sie manchmal mit Vögeln verwechseln. Vor allem die FFP2-Masken sehen aus wie Schnäbel. So viel zum Thema, Masken machen attraktiver …

  • Spaß, Lachen, Reden

Ich laufe durch die Stadt und ich sehe nur emotionslose Menschen an mir vorbei hetzen. Kein Lachen, noch nicht mal ein Lächeln läuft einem über den Weg. Alles verborgen hinter mehreren Schichten Stoff. Selbst das Reden wird unter der Maske gedämpft und ich muss immer zweimal nachfragen bis ich die Person verstehe. 

(Wenn ihr mal wieder herzhaft lachen wollt, kann ich euch empfehlen, die zwölf Thesen mal durchzulesen. Den Großteil ihrer „Argumente“ kann man schon als Gegenargument nehmen. Danke für die wunderbare Vorlage.)

  • Glücklich sein?

Wenn die Menschen sowieso den Gesichtsausdruck nicht mehr sehen können, warum dann noch lächeln? 

Wenn man lächelt werden Glückshormone ausgeschüttet. Dafür muss es noch nicht mal ein ehrliches Lächeln sein – und die taz-Autorin freut sich noch darüber, dass sie nicht mehr so viel lächeln muss.


Weiter Dienst nach Vorschrift: Der falsche Umgang mit diesem Krieg in der Schule

Von Gesche Javelin und Johanna Beckmann | Wir, die Jugend, kennen den Krieg nur aus Erzählungen und dem Geschichtsunterricht. Ein Krieg war für uns noch nie so nah, er war noch nie in Europa. Genau aus diesem Grund beschäftigt der Konflikt in der Ukraine viele von uns. Jedoch wissen wir nicht, wie wir die Situation einschätzen sollen, da wir so etwas noch nie erlebt haben. Sobald wir einen Blick auf Nachrichten werfen, sehen wir brennende Häuser, Panzer und weinende Familien in der Ukraine. Uns fällt es oft schwer, diese Bilder richtig einzuordnen.

Die aktuellen Nachrichten lassen sich für viele nur schwer verarbeiten und alles dreht sich um die Frage: „Wird es einen dritten Weltkrieg geben?“ Durch die erschreckenden Bilder ist das Interesse, mehr über den Ukraine-Russland Konflikt zu erfahren, bei vielen geweckt. Um weitere Informationen zu finden, müssen wir uns nun in der Vielzahl von Medien orientieren. Das ist oft gar nicht so einfach. Grundlegende Informationen findet man oft schon auf Social Media. Bei der weiteren Recherche geben viele dann auf, da sie sich von der Masse an Informationen erschlagen fühlen und diese nicht wirklich einordnen können. Viele Jugendliche bleiben bei der Information Russland greift die Ukraine anstehen. 

Bei Gesprächen zum Thema Ukraine in der Klasse fiel uns nicht nur der stark unterschiedliche Informationsstand auf, auch die Sorgen und Ängste unserer Mitschüler waren unterschiedlich. Wir saßen im Klassenraum und hatten Pause. Wie es zu erwarten war, kam das Gesprächsthema Russland-Ukraine Konflikt auf:

 

Emily, die Hysterische, sagt: ,,Leute, denkt ihr, dass es zu einem dritten Weltkrieg kommen wird?

,,Ich habe auf meiner TikTok for you page gesehen, dass der Zeitreisende einen 3. Weltkrieg vorhersagt., wirft Eileen ein.

,,Nö, glaube ich nicht.,  murmelt Ben und isst weiter sein Brötchen.

Achim, der Militärstratege, philosophiert: ,,Die Russen haben doch am Anfang schon so viele taktische und operative Fehler gemacht. Kein Wunder, wenn man denkt, dass man ohne Schutz einfach in ukrainische Dörfer fahren kann. Da glaubst du doch nicht wirklich, dass es zu einem 3. Weltkrieg kommen wird.

,,Naja, wir werden sehen., nuschelt Ben.

,,Ich habtrotzdem Angst. Hat irgendwer von euch vielleicht einen Bunker zu Hause? Ich würde mich auch um die Essensvorräte kümmern., bringt Emily vor.

,,TikTok sagt, dass man auf einen Ernstfall immer vorbereitet sein sollte., versichert Eileen.

,,Bestimmt., raunt Ben.

Achim erklärt: ,,In Deutschland brauchen wir dafür unbedingt eine Baugenehmigung und die Wände müssen mindestens 1,5 Meter dick sein. Am Besten aus Stahlbeton.

Emily gibt zu bedenken: ,,Aber der schützt mich auch vor Atombomben, oder?“

Also TikTok empfiehlt, dass man heutzutage sowieso nur noch Bunker mit Schutz vor Atombomben bauen sollte., trägt Eileen vor.

Ben schmatzt: ,,Ja, das ist total wichtig.

Achim unterrichtet: ,,Wenn Putin Atombomben werfen würde, wäre das doch nur eine unnötiger und eskalierender militärischer Aufwand. Außerdem pflegt er eine sehr gefährliche und unverantwortliche Rhetorik, deswegen glaube ich kaum, dass ein Atomkrieg im Bereich des Möglichen liegt.

Frau Wagner unterbricht energisch: „Können wir jetzt mal bitte mit dem Unterricht anfangen! Ich muss den Lehrplan schaffen, sonst seid ihr nicht gut auf´s Abitur vorbereitet. Und Achim, ich finde nicht gut, dass du in meinem Unterricht deine Militärtheorien verbreitest, das schwächt das Arbeitsklima.” 

 

Wie soll Emily produktiv arbeiten, wenn sie sich solche Sorgen macht?  Wenigstens die Angst vor einem Atomkrieg könnte eine Lehrkraft ihren Schülern doch nehmen, ohne dass gleich der Abischnitt in den Keller fällt. Doch so wie bei Emily und ihren Mitschülern sieht es bei vielen von uns aus. Ja, die Mehrheit der Schüler in unserem Alter weiß nicht einmal genau, wo die Ukraine auf der Karte ist. Oder welche Sprache dort gesprochen wird, wie Minsk genau geschrieben wird und erst recht nicht, welche Geschichte dieses Gebiet hat. Ja, Emily mag übertreiben, vielleicht ist sie auch etwas zu hysterisch. Doch, wer will ihr oder uns einen Vorwurf machen? Wir werden da einfach rausgehalten, wir erfahren nur das Mindeste. Wir können die Informationen gar nicht richtig einordnen, Influencer auf Tiktok und Co. nutzten das gerne aus, um die Panik der Jugendlichen für Klicks und Likes noch anzufeuern. Jetzt wäre es die Möglichkeit von Erwachsenen, – und vor allem von denen, die dafür bezahlt werden, uns zu unterrichten – endlich mal zu erklären, was zur Hölle hier los ist. Dann würden wir im Geographie-Unterricht auch in Zukunft besser aufpassen.


Warum die Politik Opportunisten anzieht

Von Gesche Javelin | Wenn ich mir die Politiker von heute anschaue, kann ich gar nicht schnell genug gucken, da wechseln sie schon ihren Standpunkt oder eher Wackelpunkt. Beim Wahlkampf geht es nicht mehr darum, wer das Volk am besten vertreten kann, sondern wer am besten das Chamäleon spielen kann (wenn das überhaupt je anders war). Zuerst passen sie sich der Farbe der Interessen des Volkes an – und nach der Wahl nehmen sie schnell die Farbe des Koalitionspartners an und am besten ist es, wenn die auch noch zu der der Lobbyisten passt. Doch das ist tatsächlich kein neues Phänomen – eine kleine Abhandlung:

obiectum opportunismi (Der Vorwurf des Opportunismus)

Mir scheint, dass in der Politik Anpassungsfähigkeit schon immer sehr beliebt war. Zumindest seitdem die Regierenden wenigstens so tun, als wollten sie die Interessen des Volkes vertreten. Ein gewisser Einklang ist für die Zustimmung des Volkes dann zwingend notwendig. Eine Tarnung oder Verschönerung der eigenen Position ist hierbei teilweise sehr zielfördernd.

Schon der erste Bundeskanzler Deutschlands schwankte gerne zwischen der westeuropäischen Perspektive und seiner national-konservativen Meinung. Immer wieder die Souveränität Deutschlands anpreisend, folgte er dann häufig doch den westlichen Mächten. Dem Satz „Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern“, der ihm immer nachgesagt wurde, wird auch heute noch gerne gefolgt. Doch auch er war mit seiner Denkweise in der Politik nicht Pionier.

Der Begriff Opportunismus als Bezeichnung für Gelegenheitspolitik wird seit ungefähr Mitte des 19. Jahrhunderts verwendet. Er stammt von dem französischen Wort „oppotune“, was man mit „passend und zweckdienlich“ übersetzen kann und dem lateinischen Begriff „opportunus“, der „günstig, bequem und gelegen“ bedeutet.

Doch auch wenn man rund 2000 Jahre zurück geht, findet man opportunistische Züge bei der herrschenden Elite. (Tut mir leid, der gern genutzte Spruch „Früher war alles besser!“ lässt sich auch hier nicht anwenden.) Wie so oft, wird über den Senat des antiken Roms gesagt, dass die meisten alles dem Kaiser nachplapperten. Dem Kaiser gefiel nicht mehr, was Seneca gesagt hat, also verurteilte er ihn zum Tode und der Senat stimmte ihm mit Gebrüll zu, obwohl sie dem berühmten Dichter und Denker noch Tage vorher mit leuchtenden Augen zugehört haben. Das erinnert mich doch sehr an heute. Wenigstens kann man hier bei uns heute nicht mehr zum Tode verurteilt werden.

origo opportunismi (Die Ursache des Opportunismus)

Opportunismus entsteht durch die Sehnsucht der Menschen nach Ansehen und Macht. Die Menschen tun alles für ihren Erfolg, selbst wenn es, wie im alten Rom, das Verurteilen eines (unschuldigen) Menschen ist. Doch wie groß muss die Verzweiflung sein, wenn alle Prinzipien und Werte auf dem Weg zum Erfolg vergessen oder ignoriert werden?

Den Weg des geringsten Widerstands zu gehen, ist vielleicht einfach, doch einfach heißt nicht gleich gut. Ein Stück weit kommen wir alle gerne mal in die Versuchung, den einfachen Weg zu gehen. Zum Beispiel in der Schule schwafelt man gerne mal, was der Lehrer von einem hören will, anstatt zu sagen, was man wirklich denkt, damit man die bessere Note bekommt.

Doch sind Erfolg und Ansehen es wert, alle Werte zu vergessen? Sind das Ansehen des Kaisers und Macht im Senat ein Menschenleben wert? Können wir uns erlauben, unsere Prinzipien fallen zu lassen und etwas gegen jede Moralvorstellung zu machen, nur um unsere eigenen Ziele zu erreichen?

Besonders in der Politik scheinen sich Opportunisten so wohl zu fühlen, wie in einem Schlammloch die Schweine. Die Politik bietet ihnen die perfekte Möglichkeit, sich richtig schön im Schlamm zu suhlen, um das beste für sich rauszuholen. So einfach wie in der Politik, wird es einem selten gemacht, andere auszunutzen. Und dann wird das weder groß bemängelt noch verhindert.

oblenimen“ opportunismi („Das Beruhigungsmittel“ des Opportunismus)

Wenn wir wollen, dass die Schweine nicht den Schlamm überall auf unserer Wiese verteilen, müssen wir genau das verhindern: Lautstark darauf aufmerksam machen und ihnen das nicht einfach durchgehen lassen. Wir müssen achtsamer sein, welchen Leuten wir Macht über unser Leben und unser Land geben. Wir müssen Opportunismus entnormalisieren und für unsere Prinzipien, Moral und Werte einstehen.