Nach dem Premierminister-Beben: Neu-Regierungschef Rishi Sunak hat ein Problem

Von Jonas Kürsch | Die beiden Parteiflügel von Boris Johnson und Liz Truss sind im Machtkampf um Downing Street Nr. 10 geschwächt worden, während der zentristische Mainstream-Flügel des neuen Premierministers Rishi Sunak gestärkt aus der Regierungskrise hervorgeht. Das hat allerdings nicht zu bedeuten, dass die Tories langfristig von ihrem bisherigen Kurs abrücken werden, denn Rishi Sunak sitzt alles andere als fest im Sattel.

Das neue Kabinett ist ein schwacher Kompromiss für alle Partien

Zuerst aber ein Lob: das Kabinett des neuen Premierministers und die neue Besetzung der Ministerämter ist aus strategischer Sicht geschickt gewählt. Liz Truss hatte ihrer Zeit den großen Fehler gemacht, die wichtigsten Kabinettsposten ausschließlich (oder zumindest größtenteils) mit Abgeordneten des Unterhauses zu besetzen, die ihren eigenen Ideen sehr nahestehen: das Gesundheitsministerium ging an ihre Vertraute Thérèse Coffey, das Finanzministerium ging an den Hardcore-Kapitalisten Kwasi Kwarteng, die anti-woke Kemi Badenoch ernannte Truss zur Handelsministerin und das Innenministerium wurde der erzkonservativen Suella Braverman anvertraut. Obwohl parteiinterne Gegner wie Tom Tugendhat und Penny Mordaunt in ihrem Kabinett ebenfalls integriert wurden, war klar zu erkennen, dass die prominentesten Regierungsämter entweder an die Vertreter ihres eigenen oder des ihr nahestehenden Johnson-Flügels verteilt wurden.

Truss’ riskanter Versuch, ohne den gegnerischen Flügel der Tories zu regieren, ist nachweislich gescheitert. Für Sunak muss daher von Anfang an klar gewesen sein, dass ein regierungsfähiges Kabinett ohne die Hilfe des Truss- und des Johnson-Flügels vollkommen ausgeschlossen ist. Deshalb hat er die wichtigsten Kabinettsposten unter den einzelnen Richtungsflügeln clever aufgeteilt: prominente Mitglieder der Truss-Regierung sind in einigen einflussreichen Ministerämtern verblieben, während derJohnson-Flügel und die Mainstream-Konservativen ebenfalls mit wichtigen Posten ruhig gestellt werden konnten – zumindest vorerst.

So klug dieser Schachzug im ersten Moment auch gewesen sein mag: Sunak ist nun der Premierminister eines politischen Patchwork-Kabinetts, dessen Mitglieder für drei unterschiedliche Teile der konservativen Wählerschaft Politik machen wollen. Die Minister der neuen Regierung kommen daher programmatisch nicht wirklich auf einen gemeinsamen Nenner. Der Premierminister muss schon jetzt mit angezogener Handbremse die Regierungsgeschäfte leiten, schließlich könnte eine weitere parteiinterne Revolte auch ihn binnen weniger Wochen den Kopf kosten.

Sunak ist bei seinen Parteimitgliedern und dem Wahlvolk unbeliebt


Hinzu kommt, dass große Teile der Parteibasis den amtierenden Premier noch immer als Königsmörder in Erinnerung behalten, denn schließlich markierte sein Rücktritt als
Finanzminister den Anfang vom Ende der Ära Boris Johnson. Außerdem sollte man nicht die Wut jener Truss-Anhänger unterschätzen, die Sunak wegen seiner Sticheleien während der 40-tägigen Amtszeit der letzten Regierungschefin für den Umsturz ebenfalls mitverantwortlich machen. Auch parteiextern wird Sunak nicht gerade als Sympathieträger wahrgenommen. Für seine teuren Designeranzüge wurde er schon während der TV-Debatten zur Tory-Wahl im Sommer als dekadent verspottet. Der reichste Parlamentarier, ehemalige Hedgefonds- Manager und Schwiegersohn eines milliardenschweren indischen IT-Moguls wurde in der Vergangenheit immer wieder als bürgerfremder Karrierepolitiker skizziert. Unterstützt wird dieses Bild durch eine ältere Interviewaussage des Premierministers, in der er nonchalant davon schwadronierte, dass er keine Freunde aus der Arbeiterklasse habe. Auch seine Zeit als Finanzminister ist den meisten Menschen nicht gerade positiv in Erinnerung geblieben, schließlich sind die steigenden Lebens- und Energiekosten, unter denen die Briten seit etwa einem Jahr leiden, durch seine mangelhafte Finanzpolitik überhaupt erst in dem Ausmaße explodiert, das heute erkennbar ist. Hinzu kommen noch unzählige Finanzaffären der Familie Sunak, die seine Glaubwürdigkeit zusätzlich untergraben.


Auch die demokratische Legitimität seiner Regierung lässt sich noch stärker infragestellen als jene der Vorgängerregierung unter Liz Truss – denn diese ist wenigstens durch ein Mitgliedervotum der konservativen Partei bestätigt worden, während Rishi Sunak ohne weitere Gegenkandidaten in die Rolle des Premierministers „hineingerutscht“ ist.

Rishi Sunak hat ein Problem

Um es noch einmal zusammenzufassen: der millionenschwere Hedgefonds-Manager
Rishi Sunak, der selbst keinen Kontakt mit der arbeitenden Bevölkerung des Landes hat, ist ohne Gegenkandidaten und Wahlverfahren zum Premierminister eines Landes mit hoher Inflation und zusammenbrechender Wirtschaft geworden, die er selbst als Finanzminister vor etwa zwei Jahren mitverursacht hat. Bekämpfen will er diese Krise mit möglichen Steuererhöhungen und einer asozialen Finanzpolitik, bei der die Bürger zur Kasse gebeten werden sollen. Dabei wird er von einem Ministerkabinett unterstützt, dessen politische Ansichten soviel gemeinsam haben wie ein Apfel und ein Fahrrad. In Anbetracht all dieser Fakten wird deutlich: auf Rishi Sunak kommt ein großes Problem zu.


Liz Truss hätte eine gute Premierministerin werden können

Von Jonas Kürsch |  Liz Truss muss sich nach ihrem Rücktritt als Premierministerin viele Vorwürfe gefallen lassen: sie sei verantwortlich für die wirtschaftliche Krise des Landes, sie habe die konservative Partei gespalten und ihre eigenen Wähler hintergangen. Diese sind Aussagen kurzsichtig, populistisch und extrem realitätsfremd. Für mich wird Liz Truss als idealistischste Premierministerin des 21. Jahrhunderts in Erinnerung bleiben und ich glaube auch weiterhin, dass sie das Potenzial gehabt hätte, die beste Regierungschefin innerhalb Europas zu werden. Letztendlich scheiterte die glücklose Premierministerin am korrupten Zeitgeist des 21. Jahrhunderts und nicht an ihren Überzeugungen.

Das Tory-Establishment hat Truss nie als Vorsitzende akzeptiert

Ich selbst befand mich in England, als die Wahlkampagne der damaligen Außenministerin Truss bereits in vollem Gange war. Daher konnte ich den erbitterten Wahlkampf zwischen ihr und Ex-Finanzminister Rishi Sunak in den Tageszeitungen mitverfolgen. Truss bewies in dieser Zeit viel Mut: Sie kämpfte für Steuersenkungen, ein soziales (aber nicht sozialistisches) Wohlfahrtssystem und für eine Regierungspolitik, die den Wert der Freiheit wieder in den Fokus ihres Handelns stellen sollte. Ihr Ziel war klar: sie wollte Politik für die Bürger des Landes machen. In der Parlamentsfraktion wurde sie für diesen volksnahen Kurs schon früh geschmäht, was sich unter anderem darin zeigte, dass sich nur etwas mehr als ein Drittel der Tory-Abgeordneten für Truss als Regierungschefin aussprach. 

Anders als Partei- und Medienliebling Sunak wollte Truss die Kosten der Krise nicht auf den britischen Steuerzahlern abwälzen. Sie setzte sich für eine Politik des wirtschaftlichen Wachstums ein und wollte das Geld der Briten da lassen, wo es am besten aufgehoben ist: im eigenen Portemonnaie! Die Parteibasis goutierte diesen Optimismus, wählte sie zur Parteivorsitzenden und machte sie damit zur neuen Premierministerin der vereinigten Königreichs. Ich empfinde es daher auch als zutiefst verachtenswert, dass die meisten Parteifunktionäre sich vom ersten Tage an gegen Truss positionierten und den demokratischen Willen der konservativen Basis mit Füßen traten. Unter anderem spiegelte sich dies auch im Verhalten Sunaks wider, der dem ersten Tory-Parteitag nach der Vorsitzendenwahl fernblieb, um seine Abneigung gegenüber der amtierenden Premierministerin zum Ausdruck zu bringen. Dieses Verhalten lässt sich nur als hinterhältig bezeichnen.

 Die „Trussonomics“ waren wirksamer als das „grüne Wirtschaftswunder“ in Deutschland

Die Premierministerin war mit dem Motto „Trusted to deliver!“ ins Amt gewählt worden – und dementsprechend handelte Truss auch! Anders als die deutschen Umfaller-Liberalen versuchte Liz Truss ihre Wahlkampfversprechen tatsächlich umzusetzen: Steuersenkungen und eine Ankurbelung der Wirtschaft durch Deregulierung standen ganz oben auf ihrer Agenda. Es ist daher sehr schade, dass im Grunde alle politischen und gesellschaftlichen Meinungsmacher vom ersten Tage an gegen die „Trussonomics“ gewettert haben, ohne den ökonomischen Rezepten der Premierministerin auch nur den Hauch einer Chance zur Entfaltung zu geben. Neben den Medien (rechts und links) sowie ihren eigenen „Parteifreunden“, kritisierte selbst der Internationale Währungsfond das Vorgehen der Premierministerin – und derartige Interventionen sind eigentlich ein absolutes No-Go. Man könnte die Anti-Truss-Rhetorik der vergangenen Wochen daher auch ganz plump als polemische Diffamierungskampagne bezeichnen.

Und ja, ich gebe natürlich zu, dass die britische Wirtschaft momentan nicht floriert. Aber jetzt mal ehrlich: ich finde es ein bisschen billig, dass gerade auch die deutschen Medien es bei einer heimischen Inflation von über 10% wagen, die (gerade erst ins Amt gewählte) britische Regierung für eine vergleichbare Rate zu schmähen. Während man bei Robert Habecks katastrophaler Wirtschaftspolitik immer noch vom „grünen Wirtschaftswunder“ berichtet, wurde Truss als eine Art „neoliberale Voodoo-Priesterin“ verunglimpft – geht’s noch? Nur selten wird hingegen erwähnt, dass sich die Unternehmensstimmung in Großbritannien im September wesentlich weniger schlecht unter Truss’ Regierung entwickelt hatte, als ursprünglich erwartet wurde. Auch wenn die Bilanz der Premierministerin alles andere als berauschend ist, muss man doch anerkennen, dass das finanzpolitische Chaos unter anderen Regierungschefs in Europa nicht viel besser ausfällt.

Schon Donald Trump hat während seiner Amtszeit bewiesen, dass niedrige Steuern gepaart mit wirtschaftlicher Deregulierung die Unternehmensbildung antreiben, wodurch sich wirtschaftsschwache Regionen langfristig erholen können. Allerdings ist dieses Ziel nicht vom einen auf den anderen Tag erreichbar. Kein Regierungschef der Welt hätte innerhalb von etwas weniger als 50 Tagen eine derartige Erholung der Wirtschaft bewirken können.

Truss wurde von ihren Parteikollegen gemeuchelt

Nachdem sich führende Funktionäre der Tories gegen Truss verschworen hatten, blieb ihr nichts anderes übrig, als eine Kehrtwende nach der anderen einzuleiten. Ihr einstiger Ruf als „zweite eiserne Lady“ war fort. Anders als Margaret Thatcher, die mit dem Schlagwort “the lady’s not for turning“ in die Geschichtsbücher eingegangen ist, wird Truss den Briten als Premierministerin der dutzenden U-Turns in Erinnerung bleiben. Allerdings ist das nicht allein ihre Schuld, schließlich konnte sie sich, anders als die echte Iron Lady, leider nie auf eine parlamentarische Mehrheit verlassen, die sie bei ihren Vorhaben unterstützen würde.

Medial wird sie inzwischen mit Julius Cäsar verglichen, allerdings nicht in Anlehnung an dessen starkes Auftreten oder sein Erscheinungsbild als politische Führungspersönlichkeit, sondern wegen seiner brutalen Entmachtung an den Iden des März; letztlich wurde die Premierministerin (symbolisch gesehen) ebenfalls von ihren Parteikollegen im Unterhaus gemeuchelt. Gut beschrieben wurden die Ereignisse von der zurückgetretenen Innenministerin Suella Braverman, die das innerparteiliche Verhalten zutreffend als „inszenierten Putsch“ bezeichnete.

Ich bedauere das sehr, denn Truss hatte viele überzeugende Ideen, mit denen sie das Land auf lange Sicht fundamental hätte erneuern können. Man hätte der Premierministerin die volle Karenzzeit von einem Jahr gewähren müssen, die jedem neugewählten Parteivorsitzenden der Tories eigentlich laut parlamentarischer Satzung zusteht. So hätte sich die wirtschaftliche Vision von Truss bis zur nächsten Parlamentswahl auch voll entfalten können. Schade nur, dass die Konservativen offensichtlich lieber mit Staatsschulden-Sunak oder der woken Penny Mordaunt ihre Politik des ewigen „Weiter-So“ fortsetzen wollen. Ihre alte Reputation aus Thatcher-Tagen wird die konservative Partei damit garantiert nicht zurückerlangen.




Der Niedergang von Liz Truss

Von Jonas Kürsch | Nach gerade einmal 6 Wochen im Amt gab die britische Premierministerin Liz Truss heute  ihren Rücktritt von der britischen Regierungsspitze bekannt. Sie erklärte, dass sie ursprünglich mit der Vision ins Amt gewählt worden sei, durch starke Steuersenkungen  ein hohes Wirtschaftswachstum zu generieren. Diesem Mandat habe sie nicht gerecht werden können. König Charles III. sei über ihren politischen Rückzug bereits informiert. Sie wird damit als kürzeste Regierungschefin in die Geschichte des vereinigten  Königreichs eingehen. 

Das Kabinett Truss stand von Anfang an in keinem guten Licht  

Schon zu Beginn ihrer kurzen Amtszeit sah sich die scheidende Premierministerin mit  einer ersten nationalen Katastrophe konfrontiert: Nur einen Tag nach ihrer Ernennung war die Queen im Alter von 96 Jahren verstorben. Im Rückblick erscheint das Ableben der  Monarchin fast schon wie ein düsteres Omen, denn fortan würde das Kabinett Truss in  keinem guten Licht mehr stehen.  

Der vom ehemaligen Finanzminister Kwarteng angekündigte Mini-Haushalt, die massiven  Pläne zur Steuersenkung und Truss’ Versprechen durch Deregulierung das  Wirtschaftswachstum in Großbritannien voranzutreiben, wurden vom ersten Tage an  medial zerrissen. Infolge von sinkenden Umfragewerten wurde die Regierungschefin  massiv von namenhaften Abgeordneten angegriffen. Um einer partiinternen Revolte zu  entgehen, versuchte Truss die Partei mit einer 180-Grad-Wende zu beschwichtigen und  ersetzte Kwarteng mit Jeremy Hunt, einem ihrer ärgsten Kritiker. Der neue Finanzminister strich kurzerhand ihre Steuerpläne und das Sparbudget, womit er dem Wirtschafts- und Finanzprogramm der Premierministerin de facto den Todesstoß versetzte. 

In den Reihen ihres eigenen Lagers führte dieser Personalwechsel zu massiver  Frustration. Auch konservative Hardliner wandten sich enttäuscht von der Premierministerin ab, zuletzt die Innenministerin Suella Braverman, welche erst gestern  Abend ihren Rücktritt eingereicht hatte. Sie begründete diesen Schritt unter anderem  auch mit eigenen Fehlern, stellte aber klar, dass sie vor allem über die vielen  Abweichungen vom konservativen Wahlprogramm nicht länger hinwegsehen wolle, unter anderem im Hinblick auf die Bekämpfung illegaler Migration. Zwar ersetzte Truss die Innenministerin schnell mit Grant Shapps, einem weiteren parteiinternen Kritiker, doch letztlich war es für die Premierministerin unmöglich geworden die Regierungsgeschäfte in  diesem Chaos zu leiten. 

Parteikollegen sprechen von „inszeniertem Putsch“  

Der erzkonservative Parteiflügel hatte zuvor bereits großes Entsetzen über den Umgang  mit der Premierministerin geäußert. Die zurückgetretene Innenministerin warf den  Zentristen gar einen „inszenierten Putsch“ vor. Darüber hatte Braverman sich besonders enttäuscht gezeigt. Es ist noch unklar, ob es nach diesen Entwicklungen zu Neuwahlen in Großbritannien kommen wird, im Moment gilt dies jedoch als unwahrscheinlich. Die Tories haben bereits angekündigt in den kommenden Wochen einen neuen Premierminister aus ihren eigenen Reihen wählen zu wollen. Wer genau das sein könnte, bleibt vorerst  ungewiss.




„Rebel, Rebel – I love you so!“- David Bowie ist ein Vorbild für alle jungen Leute


Von Jonas Kürsch | Biographische Kinoverfilmungen über die Lebenswege einflussreicher Musiker gibt es wie  Sand am Meer – man denke nur an die jüngsten Filme über Freddie Mercury, Elton John  oder Elvis Presley. Es war daher auch nur eine Frage der Zeit bis ein Kinofilm über das Leben des britischen Rockmusikers David Bowie produziert werden würde. “Moonage Daydream” ist allerdings mehr als nur ein biografischer Spielfilm: die gezeigten Aufnahmen ermöglichen uns den Einblick in die Geisteswelt eines begnadeten Visionärs.  

 

Das Vermächtnis eines Rebellen  

Es gibt nur wenige Künstler, die einen derart großen Einfluss auf meine persönliche  Entwicklung hatten wie David Bowie. Das erste Mal stieß ich auf seine exzentrische  Musik, als ich selbst noch zur Schule ging und gerade damit begonnen hatte, mich für  politische und gesellschaftliche Probleme mit einer tieferen Wahrnehmung zu  beschäftigen. Das subversive und rebellische Auftreten Bowies beeindruckte mich, denn  besonders seine radikalen Frühwerke leisten seit jeher starken Widerstand gegen eine  freiheitsfeindliche Diskussions- und Bildungskultur, die jungen Menschen vorgefertigte  Verhaltens- und Denkmuster indoktrinieren soll. Gerade zu jener Zeit, als ich zum ersten  Mal mit Unworten wie „Cancel Culture“ und „Klimaleugner“ konfrontiert wurde, erkannte  ich die Relevanz seiner Lieder. Aus diesem Grund habe ich mich sehr über die  Veröffentlichung von „Moonage Daydream“ gefreut. 

David Bowie ist wohl den allerwenigsten Menschen völlig unbekannt. Der britische  Musiker kam 1947 in London zur Welt. Als Kind irischer Migranten bemerkte er recht  schnell, dass er in vielerlei Hinsicht anders als die meisten Menschen in seinem direkten  Umfeld war, weshalb es ihm auch sehr schwer fiel, sich in das spießbürgerliche  Vorortsleben von Brixton zu integrieren. Einen großen Einfluss auf Bowies musikalischen  Werdegang hatte vor allem sein Halbbruder Terry, welcher an Schizophrenie litt und  mehrere Male bis zu seinem Tod in einer Nervenheilanstalt gegen seine Leiden behandelt  werden musste.  

Die häufig als chaotisch beschriebenen Frühwerke Bowies sind stark durch seine  persönliche Wahrnehmung dieser Geisteskrankheit geprägt. Nach kleineren Erfolgen in  den 1960er Jahren, veröffentlichte Bowie bis 1971 mit Alben wie Space Oddity, The Man  Who Sold the World und Hunky Dory seine ersten musikalischen Klassiker, die auch heute  noch von Millionen Fans gehört werden. Der große Durchbruch gelang ihm mit dem 

legendären Konzeptalbum The Rise and Fall of Ziggy Stardust and the Spiders from  Mars, das 1972 veröffentlicht wurde. Gerade durch seine revolutionäre Bühnenshow, bei der in exzentrischen Kostümen und mit gewagter Maskerade die titelgebende Figur des außerirdischen Rockmusikanten Ziggy Stardust mimte, gewann er die Herzen tausender Fans.

 

Die tiefgründige Darstellung eines komplexen Künstlers  

Der Film zeigt eine kompakte Zusammenfassung des großen Lebenswerks von Bowie.  Dabei verzichtet Regisseur Brett Morgan vollständig auf eigene Moderation oder einen  klassischen Handlungsplot, stattdessen wird die künstlerische Entwicklung allein durch echte Interviews mit Bowie, seine Bühnenauftritte, Musikvideos und sonstige  Videoausschnitte erzählt. Die Aneinanderreihung von Zeitdokumenten aus Bowies Leben zeigen den Glamrockstar als philosophischen und grüblerischen Menschen, der mit seinem Werk viel mehr ausdrücken wollte als nur idealisierte Science-Fiction-Fantasien der 1960er Jahre.  

Die Videoausschnitte selbst versetzen den Zuschauer in eine andere Zeit zurück: Fast fühlt man sich durch die eigenartig intim wirkenden Nahaufnahmen seiner hysterisch  kreischenden Fans in den 70er Jahren so, als wäre man selbst bei der legendären Ziggy Stardust Tour dabei gewesen. Die Lichteffekte und der gut durchdachte Soundtrack  verstärken dieses Gefühl zusätzlich – es ist beeindruckend. 

Untermalt sind die vielen Filmaufnahmen  selbstverständlich mit den einzigartigsten Liedern aus seinen verschiedenen Schaffensperioden. Das Repertoire ist vielschichtig: sowohl seine größten Hits wie Space Oddity, Life on Mars und Ashes to Ashes sind dabei, als auch (heutzutage) weniger bekannte Songs wie Memory of a Free Festival. Dadurch wird man auf eine wunderbare Zeitreise geschickt, die es einem ermöglicht, die Stimmungslage längst vergangener Tage nachzuempfinden. Schade nur, dass einige wirklich bahnbrechende Lieder des Sängers völlig außer Acht gelassen wurden: Ziggy Stardust und The Man Who Sold The World finden im Film keinerlei Erwähnung. Nun, ich gebe aber zu, dass man schwer alle Nummer-1-Hits unterbringen kann, die Bowie in 26 Studioalben herausgebracht hat.

 

Der ultimative Bowie-Film  

„Moonage Daydream“ ist ein hervorragender Dokumentarfilm, der das Leben von David  Bowie aus vielen verschiedenen Perspektiven beleuchtet. Doch vor allem ist er eins: Eine Anleitung zum Widerstand. David Bowie ist mit jeder Faser seines Körpers Rebell – und kann auch heute noch vielen jungen Leute den Mut geben, sich aus dem Mainstream herauszubewegen und ein selbstständiger Menschen mit eigenen Gedanken zu werden. Den vielen ängstlichen Mitläufern an den deutschen Unis würde es guttun.

 

„Rebel rebel, you’ve torn your dress. Rebel, rebel, your face is a mess. Rebel, rebel, how  could they know? Hot tramp, I love you so!“ 
David Bowie

 


Italien wählt das „weiter-so“ ab

Von Jonas Kürsch | Die Wahlkabinen in Italien sind geschlossen und inzwischen steht ein erstes  Zwischenergebnis fest: der konservative Block liegt aller Voraussicht nach mit deutlichem  Abstand vor der linken Allianz. Das italienische Medienportal „La Repubblica“ berichtet,  dass Giorgia Meloni’s erzkonservative Fratelli D’Italia (dt. Brüder Italiens) die Wahl mit  26,2% haushoch gewonnen haben. Deutlich abgeschlagen liegt die Partito Democratico  (dt. Demokratische Partei) mit gerade einmal 19% auf dem zweiten Platz. In Umfragen  wurde die Partei noch bei weit über 20% eingeschätzt. 

Der wirtschaftsliberal-konservative Block aus Meloni’s Fratelli D’Italia, Mateo Salvini’s  Lega, Silvio Berlusconi’s Forza Italia und der moderaten Sammelbewegung „Noi  Moderati“ wird daher mit großer Wahrscheinlichkeit sowohl im Senat, als auch in der  Abgeordnetenkammer eine regierungsfähige Mehrheit abbilden. Das bestehende linke  Bündnis aus der Satirepartei Movimiento 5 stelle und die Partito Democratico verblieb  weit abgeschlagen hinter den Konservativen.  

Der Wind dreht sich in Europa  

Nach dem massiven Wahlerfolg des konservativen Blocks in Schweden und der Wahl  einer kapitalistischen Premierministerin in Großbritannien, hat sich nun auch das  italienische Volk für eine Richtungsänderung in der Politik entschieden. Maßgeblich  entscheidend waren vor allem die paternalistische Bevormundung des Landes durch die  Europäischen Union sowie die wirtschaftsfeindliche Lockdownpolitik der  Vorgängerregierungen. Auch die Einführung des „Covid-Green-Pass“ und einer  wahnwitzigen, partiellen Impfpflicht hatten schon im Vorjahr in Italien zu großen Protesten  geführt, die besonders durch Giorgia Meloni als de facto Oppositionsführerin unterstützt  wurden. Auch die katastrophale Situation an den Stränden Italiens, die durch die  Flüchtlingskrise ausgelöst wurde, gab Meloni einen großen Popularitätsaufschwung. 

Vor einigen Stunden gab die Parteivorsitzende eine erste Pressekonferenz zum  Wahlausgang ab. Sie erklärte, dass die Projektionen zwar noch recht volatil seien, durch  die Wahl aber klar geworden sei, dass das italienische Volk sich für einen  Regierungswechsel mit Fratelli D’Italia an der Spitze entschieden habe. Die deutsche  Presse warnt schon jetzt vor den gefährlichen Plänen der „ultrarechten“ Parteienallianz,  die vor allem mit einer liberaleren Finanz- und Wirtschaftspolitik geworben haben.

Von der Leyen steht unter Kritik  

Im Rahmen der Wahl sorgte vor allem ein Statement der europäischen  Kommissionspräsidentin Ursula Von der Leyen (CDU) für große Unruhe. Während einer  Veranstaltung an der amerikanischen Princeton University erklärte Von der Leyen mit  Hinblick auf die italienischen Parlamentswahlen und den möglichen Sieg des  konservativen Parteinblocks: „Wenn sich die Dinge in eine schwierige Richtung  entwickeln (…), dann verfügen wir über Instrumente.“ Damit bezog sich die Präsidentin  vor allem auf die Möglichkeit schwerwiegender Sanktionsmaßnahmen seitens der  Europäischen Union, wie sie im Moment auch gegenüber Polen und Ungarn angewandt  werden. Oder möchte Von der Leyen die Wahl „rückgängig machen“, wie es  Altbundeskanzlerin Angela Merkel vor einigen Jahren in Thüringen nach der Wahl von  Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten gefordert hatte? 

Besonders aus der italienischen Politik wurde diese Formulierung stark kritisiert. Von der  Leyen wird nun die öffentliche Einmischung in den demokratischen Wahlprozess und  damit eine klare Überschreitung ihrer Kompetenzen vorgeworfen. Der italienische  Oppositionspolitiker und frühere Innenminister Mateo Salvini (Lega) warf der  Kommissionspräsidentin eine „beschämende Arroganz“ vor und forderte ihren Rücktritt.


Charles der Dritte ist König – wer waren die beiden anderen Charles’s?

Von Jonas Kürsch | Mit dem Tod von Königin Elisabeth II. ist ihr Sohn Charles, der „ewige Thronfolger“, mit  über siebzig Jahren zum britischen Monarchen ausgerufen wurden. Damit trägt der  ehemalige Prince of Wales nun den offiziellen Titel „His Majesty King Charles III. of the  United Kingdom and other Commonwealth realms“. Doch die Tatsache, dass er bereits  der dritte britische Monarch mit dem Namen Charles ist, ließ auch in Deutschland das  historische Interesse an seine beiden berühmt-berüchtigten Namensvettern wieder  aufleben. Wer also waren die beiden „Karls“ vor dem jetzigen King Charles? Es folgt der  Versuch einer kurzen Zusammenfassung: 

Der Anfang einer neuen Dynastie  

Nachdem die kinderlose Königin Elisabeth I. aus dem Hause Tudor im Jahr 1603 verstarb,  wurde der ihr am nächsten stehende Blutsverwandte zum neuen König ausgerufen. Die  Erblinie der Tudors war damit an ihrem Ende angelangt. Elisabeths nächster Verwandter  fand sich in der Gestalt des schottischen Königs Jakob VI. wieder, dessen Mutter Maria  Stuart auf Anordnung der Königin vor vielen Jahren im Rahmen eines dramatischen  Machtkampfes enthauptet wurde. 

Jakob VI. war damit nicht nur der erste englische König des Hauses Stuarts, sondern  auch der erste Monarch überhaupt, der Schottland, Irland und England gleichzeitig  regierte. Als strenggläubiger Protestant pflegte er ein angespanntes Verhältnis zum  englischen Parlament, das schon im siebzehnten Jahrhundert großen Einfluss auf die  politischen Geschehnisse im Land nahm: beispielsweise mussten vom Regenten  benötigte Staatsgelder erst vom Parlament genehmigt werden, bevor sie für die  Aufrüstung der Armee oder eine Vertiefung des Handels verwendet werden durften. Jakob  VI. vertrat jedoch die Auffassung, dass ein gottgegebener Königstitel die absolute  Kontrolle über einen Staat mit sich brachte, und lehnte es daher ab, die Ausgaben mit  seinem Parlament abzusprechen. 1625 starb der König, doch seine Abneigung  gegenüber der parlamentarischen Beteiligung lebte im Geiste seines Sohnes Karl I. weiter. 

Karl I. und die englischen Bürgerkriege  

Karl I. sah die eigene Königswürde ebenfalls im Lichte des sogenannten  Gottesgnadentums, also der Annahme, dass die Legitimation eines monarchistischen  Souveräns ganz allein auf dem Willen Gottes beruhe. Daher war das Weltbild des jungen  Königs stark vom Gedanken einer absolutistischen Herrschaft geprägt, mit der er ohne  Parlament und ohne die Einschränkungen anderer institutioneller Instanzen hätte regieren 

wollte. König Karl nahm das Parlament nicht besonders ernst, er ließ sich hohe  Geldsummen durch die Parlamentarier auszahlen um seine teuren Kriege zu finanzieren,  erfüllte jedoch häufig die mit den Parlamentariern ausgehandelten Vereinbarungen nicht.  Es ist historisch umstritten, doch viele Experten gehen davon aus, dass der König sogar  eine neue Kirchenverfassung etablieren und dadurch England in ein absolutistisches  Regime verwandeln wollte. Das Parlament hätte er vermutlich im Rahmen dieser  Reformen dauerhaft abgeschafft. 

Als sich eine Aneinanderreihung von Aufständen im irischen Königreich ereignete, war  das Parlament bereit dem König Gelder zu deren Bekämpfung zur Verfügung zu stellen.  Man sorgte sich jedoch davor, dass Karl die Armee im Rahmen dieses Einsatzes  missbrauchen und das Parlament überfallen würde. Der königskritische Abgeordnete  John Pym unternahm daher im Jahr 1641 den Versuch, dem König die Kontrolle über das  Heer im Rahmen einer Protestnote zu entreißen. Der Monarch empfand diesen Vorschlag  als Angriff auf seine Autorität und erlaubte sich einen unvergleichlichen Tabubruch: mit  bewaffneten Truppen stürmte der König das Unterhaus, um den aufsässigen  Abgeordneten Pym zu verhaften. Die Festnahme scheiterte kläglich, stattdessen löste  sein Angriff auf das Parlament große Protestwellen in London aus, die zur Flucht des  Königs und zum Ausbruch des ersten englischen Bürgerkriegs führte.  

Die „Cavaliers“ um Karl I. konnten zu Beginn des Krieges zwar kleinere Erfolge erzielen,  gegen die fortschrittliche Kriegsführung des puritanischen Heerführers Oliver Cromwell  und seiner „Ironsides“ konnte der König sich dennoch nicht behaupten. Das Ende des  ersten und der Beginn des zweiten Bürgerkrieges sind von nun an fließend. Der König  versuchte mit dem englischen Parlament und der schottischen Armee zu verhandeln, sein  Plan war es, beide Verhandlungspartner gegeneinander auszuspielen und so den eigenen  Machterhalt zu sichern. Letztlich konnte er mit der schottischen Armee eine Einigung  erreichen und so die ehemaligen Gegner auf seine Seite holen. Zu diesem Zeitpunkt  gingen die Puritaner um Cromwell und Pym noch davon aus, man könne mit dem König  verhandeln und letztlich die englische Monarchie mit einer bürgerlichen Verfassung  reformieren. 

Als der König im Mai des Jahres 1648 die Engländer durch sein schottisches Heer  angreifen ließ, erkannte Cromwell, dass der Monarch niemals von seiner  Wunschvorstellung eines absolutistischen Königreichs abweichen würde. Schon im 

August gelang es Cromwell mit seiner New Model Army die Truppen des Königs  entscheidend zu schlagen. Obwohl das Parlament weiter mit Karl I. verhandeln wollte,  empfand Cromwell das Überleben des Königs als zu hohes politisches Risiko. Er glaubte  nicht mehr daran, dass sich die absolutistische Überzeugung von Karl ändern ließe. 

Der König wurde unter Hausarrest gestellt und in einem provisorischen Gerichtsverfahren  in der Westminster Hall wegen Hochverrats gegen die eigene Bevölkerung angeklagt. Das  Gericht befand den uneinsichtigen Monarchen (dieser hatte selbst auf der Anklagebank  die Autorität der Justiz verleugnet und die Gerichtsverhandlung als illegitim bezeichnet)  für schuldig und verurteilte ihn zum Tode durch die Axt. 

Am 30. Januar 1649 wurde Karl I. als erster und einziger König in der britischen  Geschichte durch das eigene Volk hingerichtet. Selbst in seiner letzten Rede auf dem  Schafott verteidigte er das eigene Verhalten und erklärte, seine Regentschaft sei  gottgewollt gewesen, weshalb er auch nie eine Straftat vor Gott selbst begangen habe.  Aus rechtlicher Sicht ist man sich auch heute noch uneins, ob die Verhandlung mit der  damaligen Verfassung im Einklang war. 

Karl II. und ein Leben für die Lust  

Der englische Thronnachfolger Karl II. und Sohn des hingerichteten Monarchen ergriff die  Flucht aus seinem Königreich und lebte während der republikanischen Periode Englands  im Exil. Unter „Lordprotektor“ Oliver Cromwell wurde die Monarchie zwar abgeschafft,  freiheitlicher wurde der umbenannte Staat allerdings keineswegs. Im Gegenteil, unter  seiner Herrschaft entwickelte sich das Land immer mehr zu einer christlich fundamentalistischen Militärdiktatur. Als strenggläubiger Puritaner zwang Cromwell seine  Untertanten zum radikalen Verzicht auf alles, was in irgendeiner Art und Weise Freude  bereitete und demnach sündhaft sein musste: Ballspiele, Make-Up, bunte Kleidung,  Alkohol, Musik, Tanz und sogar das Weihnachtsfest waren unter seiner harten Führung  verboten. Würde man gegen die Gesetze verstoßen, drohten Folter und schlimmeres. Er  selbst soll sich jedoch an kaum eines seiner Gesetze gehalten haben. Vor allem ist  Cromwell auch heute noch für die brutalen, von ihm verübten Massaker an der irischen  Bevölkerung bekannt, die sich gegen seine Gewaltherrschaft auflehnten. Immerhin: die  ihm vom Parlament angebotene Königswürde hatte er abgelehnt, die Monarchie wollte er  also nicht wiedereinführen.

Im Jahr 1658 verstarb der Lordprotektor dann überraschend an den Folgen einer  unentdeckten Malariainfektion. Sein unerfahrener und willenloser Sohn Richard wurde  kurzzeitig zum neuen Herrscher der Republik, dankte allerdings auf Forderung des  Parlaments schon nach wenigen Monaten wieder ab. Das „Commonwealth of England“  galt als gescheitert und daher bemühten die Parlamentarier sich um eine vollständige  Restauration des alten Königreichs. Karl II. durfte nun nach London zurückkehren und  bestieg im Jahr 1660 den englischen Thron im Rahmen der staatlichen Wiederherstellung.  Als Monarch heiratete er kurzerhand die katholische Prinzessin Katharina von Braganza  aus Portugal, durch die er letztlich dazu gezwungen wurde, die Religionsfreiheit sowie die  wirtschaftliche Selbstverantwortung des einzelnen Bürgers gesetzlich in seinen  Königreichen zu verankern. Karl II. ist der Nachwelt aber vor allem wegen seines Images  als epikureischer Lebemann in Erinnerung geblieben. Den Großteil seiner Lebenszeit  verbrachte der König mit unzähligen Mätressen, edlem Wein und teuren Kunstwerken.  

Das wohl wichtigste historische Ereignis zu seiner Regierungszeit war der große Brand  von London im Jahre 1666, bei dem weite Teile der Stadt zerstört wurden. Die Beziehung  zum Parlament hatte sich unter seiner Regentschaft nicht wirklich verbessert, denn auch  er hat das Parlament zwischen 1679 und 1681 mehrere Male aufgelöst, um die  sogenannte Exclusion Bill der Parlamentarier zu verhindern. Damit wollte man die  Thronbesteigung des katholischen Bruders Jakob verhindern, der aufgrund des Mangels  an (legitimen) Königskindern in der Erblinie an nächster Stelle stand. Vor allem sorgte man  sich, bei der Thronbesteigung eines Katholiken um die mögliche Vollstreckung neuer  Volksmassaker, wie es sie bereits unter Königin Maria I. Aus dem Hause Tudor vor etwas  mehr als einem Jahrhundert gegeben hatte. Die hitzige Stimmung mündete im Jahr 1683  sogar zur Planung eines (weiteren) Mordkomplotts gegen den König, welcher letztlich  fehlschlug. Nur zwei Jahre später starb Karl II. dann eines natürlichen Todes. 

Der erste „Charles“ in mehr als 300 Jahren!  

Der historische Name des neuen Königs verbirgt viel mehr, als häufig angenommen wird.  Er beinhaltet die volle Bandbreite der englischen Geschichte und kann mit einer langen  Reihe von geschichtlichen Anekdoten assoziiert werden. Nach dem Tod des zweiten  König Charles dauerte es mehr als 300 Jahre bis ein weiterer britischer Monarch diesen  Namen tragen würde. Man kann daher mit großer Spannung das zukünftige Wirken des  dritten König Charles beobachten!

God save the King!


Ein neuer König – und eine neue „eiserne Lady“ in London? Epochenwechsel in Großbritannien

Von Jonas Kürsch | Die letzten zwei Wochen hinterließen deutliche Spuren an der politischen Struktur  Großbritanniens: neben der Ernennung eines neuen Premierministers haben viele Briten  zum ersten Mal in ihrem Leben den Wechsel des eigenen Staatsoberhauptes miterleben  dürfen. Mit dem Tod von Königin Elisabeth II. neigt sich eine Ära dem Ende zu – und  dennoch scheint die britische Geschichte sich mit einer neuen „eisernen Lady“ an der  Spitze der Regierung auf fast schon ironische Art und Weise zu wiederholen. Die Briten  befinden sich in einem surreal anmutenden Hin und Her aus institutioneller Erneuerung  und der scheinbar ewigen Wiederkehr des gleichen. 

The Queen is dead, God save the King!  

Kurz nach ihrem siebzigjährigen Thronjubiläum verstarb die Queen im hohen Alter von 96  Jahren hinter den Mauern des “Balmoral Castle“ in Schottland. Obgleich man ihren Tod  eigentlich hätte erwarten müssen – schon im Frühjahr gab es Berichte über die  Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes – kam das letztendliche Ableben der  Monarchin für viele Menschen wie ein Schock. Die allerwenigsten Briten haben die  Regentschaft eines anderen Monarchen selbst miterlebt. Die Queen galt daher als  sicherer Fels in stürmischen Zeiten. Ihr Tod stellt für viele einen monumentalen Epochenwandel  dar. Die Trauer ihrer Untertanen ist deutlich spürbar, es überwiegt aber vor allem der  Respekt für eine Frau, die mit großem Verantwortungsbewusstsein ihren nationalen  Verpflichtungen nachgekommen ist, wie es kaum ein anderer getan hat.  

Der „ewige Thronfolger“ Charles ist nun mit dem historisch höchsten Alter bei Amtsantritt  zum britischen König ausgerufen worden. King Charles III. tritt in der Öffentlichkeit  zurückhaltend auf, er bemüht sich um eine möglichst bescheidene Erscheinung. Die  Beliebtheit der Queen und sein eigenes, im Rahmen der vergangenen Jahre immer wieder  ins Wanken geratenes Image setzen ihn auch heute noch unter Druck. Die Skepsis  gegenüber des Königshauses ist auch unter den eigenen Untertanen in den vergangenen  Jahren gewachsen. Es könnte für den „jungen“ König zu einem Drahtseilakt werden, das  vielbeachtete Erbe seiner Mutter mit derselben Nonchalance fortzuführen, wie die Queen  es über mehr als ein halbes Jahrhundert lang getan hat. 

Bekommt Europa eine zweite eiserne Lady?  

Wenige Tage vor ihrem Tod hatte die Königin noch die frisch gebackene Tory Parteivorsitzende Liz Truss mit der Bildung eines neuen Regierungskabinetts beauftragt.  Sie ist damit die 15. Premierministerin, der Elizabeth II. diesen Auftrag erteilt hat. Nach einem mehrere Monate andauernden Wettstreit konnte sie den harten Machtkampf  innerhalb der konservativen Partei für sich entscheiden und ihren Kontrahenten Rishi  Sunak (ehemaliger Finanzminister) endgültig besiegen. Die neue Premierministerin hatte  zuvor mit betont kapitalistischen Positionen bei der Parteibasis für das eigene Programm  geworben. Schon früh kündigte sie Steuersenkungen und eine harte Bekämpfung der  Kriminalität an, vor allem aber wolle sie Großbritannien wieder zu einem attraktiven Ort für  große Unternehmen, qualifizierte Arbeitskräfte und sonstige Finanziers machen. In ihren  ersten Tagen als Regierungschefin hatte Truss bereits ein milliardenschweres Finanzpaket  zur Bekämpfung der horrenden Lebenskosten angekündigt. Im Rahmen dieses  Krisengesetzes soll ein Deckel für Energiepreise in Höhe von 2500 Pfund erlassen  werden. 

Diese von der Presse als „Trussonomics“ bezeichneten Wirtschaftsmaßnahmen scheinen  zumindest kurzfristig Wirkung zu zeigen, denn kurz nach ihrem Amtsantritt ist die  nationale Inflationsrate zum ersten Mal seit etwa einem Jahr wieder leicht gesunken.  Truss will jetzt noch weiter gehen, sie fordert von der englischen Zentralbank eine starke  Erhöhung der Leitzinsen um so die Inflation zu bekämpfen und ihre Pläne zu den  versprochenen Steuerermäßigungen möglichst schnell umsetzen zu können. Mit ihrer  marktorientierten Wirtschaftsphilosophie erinnert die junge Premierministerin an Margaret  Thatcher, welche von 1979 bis 1990 das Amt innehatte. Sie war die erste weibliche und  zugleich die am längten amtierende britische Premierministerin des zwanzigsten  Jahrhunderts. Ihr kompromissloser Regierungsstil wurde schon zu Lebzeiten verehrt und  verdammt, zu Fall kam sie durch eine kabinetts- und parteiinterne Revolte, vergleichbar  mit der Regierungskrise, die letztlich das politische Karriereende von Boris Johnson  herbeiführte. Es erscheint wie ein makaberer Schicksalswink, dass gerade jene geistige  Nachfolgerin des Thatcherismus die letzte Premierministerin ist, die von Königin Elisabeth  II. ernannt werden würde. Schließlich soll die Queen keineswegs die neoliberale Politik der  Iron Lady unterstützt haben. 

Großbritannien wird sich verändern  

Sowohl mit dem Amtsantritt der neuen Premierministerin als auch mit der  bevorstehenden Krönung von Charles III. werden elementare, strukturelle Grundsätze des  Königreichs auf die Probe gestellt. Es ist wahrscheinlich, dass sich die Rolle des  Königshauses unter seinem neuen Monarchen ändern wird. Ebenso sehr ist davon  auszugehen, dass Liz Truss die internationale Rolle von Großbritannien mit ihrer 

ungewöhnlichen Wirtschafts- und Außenpolitik langfristig prägen wird. Den Umfragen  zufolge befinden sich die Konservativen seit Truss’ Amtsantritt wieder im Aufwind, obwohl  die Labour Party noch in Führung liegt. Es ist nicht klar, wie genau die Zukunft des  vereinigten Königreichs aussehen wird, nur eines scheint sicher: das Land wird sich in  den kommenden Jahren deutlich verändern.




Emmanuel Macron: Frankreichs illiberaler Präsident

Von Jonas Kürsch | Frankreichs Präsident Emmanuel Macron gilt inzwischen als einer der umstrittensten  Staatschefs der westlichen Welt. Während der Pandemie trat er als radikaler Hardliner  auf, der auch angesichts wachsender Straßenproteste keine Berührungsängste mit  pauschalen Impfpflichten und großen Ausgehverboten hatte. Auch die von ihm geplante  Klimasteuer auf fossile Kraftstoffe löste mit der Gelbwestenbewegung eine gewaltige  Lawine an gesellschaftlichem Widerstand aus. 

Nach der jüngsten Regierungssitzung seines Kabinetts vor einigen Tagen hielt Macron  eine Ansprache, in der er das französische Volk auf eine bevorstehende Zeit des Verzichts  einschwor. Dabei sprach der Präsident vom „Ende des Überflusses, der Sorglosigkeit und der Gewissheiten“. Sowohl der Ukrainekrieg als auch die Klimakrise würden ein Ende der  langandauernden Wohlstandsphase bringen. Das System der Freiheit koste einen Preis,  der auch große Opfer erfordern könne. Besagten Preis bezahlen sollen (wie könnte es anders sein) nun die einfachen Bürger des Landes, denen schon jetzt angesichts  steigender Energiekosten das Wasser bis zum Halse steht.  

Obwohl Macron zu nationaler Einheit aufruft, ist kaum davon auszugehen, dass die  Bürger seinem Ruf folgen werden: Die „Opferbereitschaft“ des französischen Volkes ist an einem Tiefpunkt angelangt.  

Macron, der illiberale Klima- und Coronafanatiker  

2017 bezeichnete die europäische Presse den ehemaligen Wirtschaftsminister des  sozialistischen Präsidenten François Hollande noch als liberalen Shootingstar der  französischen Politik. Mit seiner Reformpartei sollte er die Wirtschaft in Frankreich ankurbeln und vor allem die Bürger des französischen Mittelstandes entlasten. Es zeigte sich jedoch schnell, dass der „Macron-Hype“ nicht viel mehr als eine gut geplante Werbekampagne war, denn auf die versprochenen Entlastungen warten die französischen  Kleinunternehmer und Arbeiter auch heute noch.  

Wirklich liberal war die Politik des Emmanuel Macron eigentlich nie. Schon zu Beginn  seiner ersten Amtszeit entwickelte der amtierende Präsident sich zu einem der  paternalistischsten Staatschefs der fünften Republik. Mit seiner im Jahr 2018  angekündigten „Energiewende“ und den damit einhergehenden Preiserhöhungen für  Kraftstoffe, verursachte Macron eine der größten europäischen Protestbewegungen des letzten Jahrzehnts: die Mouvement des Gilets jaunes, die „Gelbwesten“

Doch anstatt auf die Kritik der Bürger einzugehen, verfolgte der Präsident seinen rücksichtslosen Führungsstil ungestört weiter und erhielt schon im Mai 2019 eine erste Quittung für diese Arroganz: Trotz hoher Zugewinne unterlag Macrons Partei dem oppositionellen Rassemblement National von Marine Le Pen und verlor die Europawahl. Auch seine einst positiven Umfragewerte sanken immer tiefer. Heute erreicht Macron nur noch  selten Zufriedenheitswerte, die bei mehr als 40% (geschweige denn 50%) liegen. 

Während der Pandemie versuchte Macron sich dann mit harten Freiheitseinschränkungen und tiefen Eingriffen in die Grundrechte als „starker Mann in Europa“ zu präsentieren. Neben der Drangsalierung umgeimpfter Arbeiter im Gesundheitswesen und der Einführung drastischer Lockdownregelungen, wollte Macron zuletzt sogar mit einer flächendeckenden Impfpflicht das Coronavirus bekämpfen. Aus wissenschaftlicher Sicht deutet nur wenig darauf hin, dass seine Maßnahmen wirklich erfolgreich waren, denn trotz Ausgangssperren, FFP2-Maskenpflicht und anderen irrsinnigen „Sicherheitskonzepten“ musste Frankreich mehr Todesfälle pro 100.000 Einwohner im Zusammenhang mit Corona vermelden als Schweden mit seiner wesentlich liberaleren Coronapolitik.  

Vor einigen Tagen gab der Präsident dann fast schon kleinlaut bekannt, dass die  Pandemie beendet sei und die von ihm verhängten, teils widersprüchlichen  Zugangsbeschränkungen im öffentlichen Raum wieder aufgehoben werden würden. Der  ehemalige Präsident des französischen Corona-Expertenrates, Jean-François Delfraissy,  bedauert inzwischen, dass Macrons Coronapolitik zu häufig „die Gesundheit über die  Menschlichkeit gestellt“ habe. Im Volksmund sprach man häufig davon, dass Frankreich  unter seinem Einfluss in ein „autoritäres Absurdistan“ verwandelt wurde. Vor allem zielt  diese Aussage auf die fatalistischen Brandreden des Präsidenten ab, der mehrfach ankündigte, er wolle den Ungeimpften „bis zum bitteren Ende auf die Nerven gehen“.

Macron arbeitet mit der Rhetorik eines Tyrannen  

Der fünfte Artikel der französischen Verfassung definiert den Aufgabenbereich des Präsidenten klar. Vor allem ist es Macrons Pflicht, die Funktionstüchtigkeit des französischen Staats sicherzustellen und dafür Sorge zu tragen, dass die nationale Verfassung zu jeder Zeit eingehalten wird. Ganz egal, ob Corona oder Klima: mit seiner radikalen Interventionspolitik hat er nicht nur vermehrt die von der Verfassung garantierten  Freiheitsrechte seiner Bürger angegriffen, sondern auch den wirtschaftlichen Totalzusammenbruch seines Landes billigend in Kauf genommen.  

Seine jüngsten Aussagen passen ebenfalls in das Bild eines Präsidenten, dem seine Amtsverantwortungen im Grunde völlig egal sind. Und es wird angesichts der steigenden Unzufriedenheit im Land deutlich, dass die Franzosen genug von seiner überheblichen Mentalität der Aufopferung haben. 

Bildquelle: Wikimedia Commons via CC-BY-2.0




Sprengt Polen die EU-Kommission?

Von Jonas Kürsch | Die europäische Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) könnte unter Umständen im Rahmen einer internen Revolte als de facto Regierungschefin der Europäischen Union entmachtet werden. Ihre vermehrte Kritik an den angeblichen Brüchen des Europarechts durch die polnische PiS-Regierung und die Ankündigung, man würde neben den üblichen Sanktionsmechanismen gegen Polen nun auch eine Nichtauszahlung der dem Land zustehenden Gelder aus dem Corona-Wiederaufbaubonds als Strafoption betrachten, führten jüngst zu einem hochangespannten Verhältnis zwischen der Kommissionschefin und der polnischen Regierung.

Nun hat der Vorsitzende der polnischen PiS-Partei angekündigt, man wolle gegen Von der Leyen „alle Geschütze auffahren“ und würde fortan sämtliche EU-Entscheidungen per Veto blockieren, sollte die Kommission ihren Zahlungsversprechen nicht nachkommen. Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki warnte im Rahmen dieses Konfliktes gar, man dürfe Europa nicht zur Basis eines „Vierten Deutschen Reiches“ werden lassen. Sollten die Polen diesen radikalen Schritt umsetzen und den EU-Rat langfristig beschlussunfähig machen, so könnte diese Vertrauenskrise das politische Karriereende der Präsidentin Von der Leyen bedeuten.

 

Wenn Polen sich verweigert, sind neue EU-Reformen kaum zu erreichen 

Im EU-Rat (also jener europäischen Institution, in der die europäischen Staatschefsgemeinsam die politische Leitlinie der Union vorgeben) herrscht grundsätzlich ein Wahlmodus der Einstimmigkeit. Alle Staatschefs müssen einem Reformpaket oder einem vom europäischen Parlament beschlossenen Gesetzesentwurf zustimmen, um diesen zu ratifizieren. Auch im Ministerrat ist – je nach Politikfeld – häufig eine Konsensentscheidung notwendig. Polens Ankündigungen sollten von der Kommission daher durchaus ernst genommen werden: würden die polnischen Vertreter diesen Plan umsetzen, so ließen sich die von Von der Leyen erwünschten Umstrukturierungspläne der europäischen Gemeinschaft auf lange Zeit nicht verwirklichen. Die Kommission wäre somit in ihrem Kern entmachtet.

Einer der Hauptvorwürfe gegen Polen lautet, das Land würde sich nicht an die Überlegenheit des europäischen Rechts halten und die nationale Verfassung über das Europarecht stellen. Besonders ein Urteil des polnischen Verfassungsgerichts aus dem letzten Jahr, dem zufolge die souveräne Staatsverfassung nicht mit dem EU-Recht vereinbart werden könne, sorgte für große Unruhe in der zunehmend zentralistisch ausgerichteten EU. Dabei wurden in der europäischen Geschichte weder ein gemeinschaftlicher Vertrag noch eine europäische Strukturreform umgesetzt, die wortwörtlich das Europarecht über nationales Recht stellen. Im Gegenteil, der EU-Gründungsvertrag von Amsterdam sichert den einzelnen Mitgliedsstaaten im zweiten Paragraphen des vierten Artikels sogar zu, dass die Union die „grundlegenden politischen und verfassungsmäßigen Strukturen“ der einzelnen Nationen achten müsse. Es war letztlich eine undemokratische und in vielerlei Hinsicht willkürliche Aneinanderreihung von Gerichtsbeschlüssen des Europäischen Gerichtshofes, durch die man das Europarecht außerhalb des vertraglichen Regelwerks über die nationale Rechtssprechung gestellt hat.

Daher sind sich auch Rechtsexperten keineswegs so einig, wie es die Vertreter der EU gerne sehen würde, was den vermeintlichen „Rechtsbruch“ durch das polnische Gericht angeht. Vielmehr stellt sich – angesichts der voranschreitenden Entmachtung nationaler Entscheidungsträger durch die EU – vermehrt die Frage, ob es nicht eher die Union gewesen ist, die das eigene Recht im Rahmen unzähliger Kompetenzüberschreitungen in
den letzten zwei Jahrzehnten mehrfach gebrochen hat.

 

Von der Leyen ist angezählt – und das ist auch gut so!

Polen ist nicht das einzige Land, dessen Regierung mit der Arbeit von Ursula von der Leyen unzufrieden ist. Auch die ungarische Fidesz-Regierung unter Ministerpräsident Orban, dem die Präsidentin in der Vergangenheit „rassistische Diskriminierung“ und damit einen Bruch des Europarechts vorgeworfen hat. Politikexperten vermuten daher, dass Orban die PiS-Regierung vermutlich unterstützen würde, sollte diese einen institutionellen
Putschversuch gegen Von der Leyen unternehmen. Das politische Ende der Ursula von der Leyen käme nicht unverdient. Unter ihrer Präsidentschaft wurde die Europäische Union im Rahmen von Corona-Wiederaufbaufonds, einer fast schon zentralistisch gesteuerten EU-Impfpolitik und der

Entwicklung radikaler Strukturreformen immer stärker zu einer supranationalen und antiföderalen Machtinstitution aufgebaut. Die vertragsrechtlich garantierte Souveränität der einzelnen Mitgliedsstaaten wurde im Rahmen dieser paneuropäischen Agenda immer radikaler eingeschränkt. Hinzu kommen die ominösen Umstände ihrer einstigen Ernennung zur Kommissionschefin. Man sollte es immer wieder erwähnen: Frau Von der Leyen wurde nicht vom europäischen Volk gewählt. Sie wurde von Altbundeskanzlerin

Merkel im Rahmen eines der Öffentlichkeit weitestgehend unbekannten Deals mit den anderen Staatschefs der EU in diese Position fast schon hinein gezwängt. Vermutlich gab man ihr das Amt damals auch, um sie vor den Konsequenzen ihrer brenzligen Berateraffäre im Verteidigungsministerium zu beschützen.

Vor allem aber gäbe Von der Leyens Rückzug aus der Politik den Europäern die Chance, nach dem Chaos der drei vorangegangenen Jahre endlich wieder an die Wahlurne zu treten, den illiberalen EU-Bürokraten einen Denkzettel zu verpassen und freiheitliche Selbstbestimmung zu wählen.


Kate Bush: Der Weltstar hinter dem Nr. 1-Hit „Running Up That Hill“

Von Jonas Kürsch | Die jüngste Staffel der beliebten Netflix-Serie „Stranger Things“ löste bei vielen Zuschauern große Begeisterung aus. Beachtlich ist vor allem ihr Einfluss auf die internationalen Musikcharts, denn die Serie verhalf der Sängerin Kate Bush zu einem ungewöhnlichen Weltrekord: ihre surreale Synth-Pop-Song „Running Up That Hill“, der in der Serie mehrmals prominent in Szene gesetzt wurde, schaffte es knapp 37 Jahre nach seiner Erstveröffentlichung in etlichen Ländern erstmals auf Platz 1 der nationalen Chartlisten. 

Kaum einem anderen Künstler ist jemals ein vergleichbarer Erfolg gelungen. Überraschend ist der Erfolg dieses einzigartigen Liedes für mich nicht. Mit ihrer expressiven Stimmgewalt und den traumartigen Instrumentalklängen ihrer Songs, sorgt Bush schon seit den späten 1970er Jahren wie keine andere für einen musikalischen Romantizismus. Als großer Fan der Sängerin freue ich mich ungemein über das neuaufkeimende Interesse an Kate Bush, doch ich denke, dass es zutiefst oberflächlich wäre, ihr vielschichtiges und bahnbrechendes Lebenswerk ausschließlich auf „Running Up That Hill“ zu beschränken (obwohl ich auch dieses Lied für brillant halte, bitte verstehen Sie mich nicht falsch!). Angesichts des im September bevorstehenden vierzigjährigen Jubiläums ihres wohl exzentrischsten Albums „The Dreaming“ möchte ich den Blick auf die einzig- und eigenartigsten Lieder im Werk der Art-Rock-Pionierin richten. 

Von Emily Brontë bis Bertolt Brecht 

Schon 1973, im zarten Alter von 15 Jahren, wurden erste Musikproduzenten und der Pink-Floyd-Gitarrist David Gilmour auf das Talent der jungen Britin aufmerksam. Bis dahin hatte sie schon etliche Songtexte samt Klaviernoten geschrieben und anschließend ihr erstes Demo aufgenommen. Es bestand kein Zweifel daran, dass Bush eine große Karriere bevorstehen würde, nur war sie noch zu jung und viel zu sensibel, um schon jetzt dem großen Druck des Showgeschäfts ausgeliefert zu werden. Man entschied sich, ihr die Möglichkeit zur Reife fernab des Rampenlichtes zu ermöglichen und wartete mit der ersten Plattenaufnahme bis zum Jahre 1978. 

Im Alter von 19 Jahren veröffentlichte sie dann ihr Debütalbum „The Kick Inside“, das in Großbritannien zu einem kommerziellen Riesenerfolg wurde. Vor allem die Single „Wuthering Heights“ (in Anlehnung an Emily Brontë’s Sturm-Und-Drang-Roman ‚Sturmhöhe‘) machte sie zur ersten englischen Sängerin, die mit einem selbstgeschriebenen Song den ersten Platz der UK Musikcharts erreichte. Mit schriller, fast schon sirenenartiger Stimme und einer bis dahin ungesehenen Mischung aus Ausdruckstanz und Pantomime, besingt Bush den tragischen Tod des literarischen Liebespaares Heathcliff und Cathy (‚Heathcliff, it’s me, Cathy, I’ve come home, I’m so cold, Let me in your window‘). Das Lied wurde zu einem europäischen Hit und selbst in Deutschland konnte man ihrer Darbietung nicht entfliehen, da der Moderator Alfred Biolek ihr in seiner Sendung Bio’s Bahnhof den allerersten Live-Fernsehauftritt ermöglichte. 

Noch im selben Jahr erschien ihr zweites Album, das von Fans und Journalisten gleichermaßen zerrissen wurde. Man empfand es als unausgereifte Kopie Ihres Debütalbums. Ich teile diese Einschätzung nicht und denke, dass sie sich mit ihrer sehnsuchtsvoll klingenden Stimme und einer Auswahl von wesentlich tragischeren Texten um einiges emotionaler und persönlicher zeigte. So singt sie in „Wow“ von der lähmenden Einsamkeit des Showgeschäfts und beschreibt in „Symphony of Blue“ das Gefühl existenzialistischer Depressionen. Unvergessen bleibt für mich vor allem aber ihr komisches Lied „Coffee Homeground“, das nach eigenen Angaben durch Bertolt Brechts episches Theater inspiriert wurde. Sie singt (mit deutschem Akzent!) über die Gefühlszustände eines paranoiden Cafébesuchers, der davon überzeugt ist, der Restaurantbesitzer wolle ihn mit Rattengift ermorden (‚You won’t get me with your Belladonna – in the coffee – and you won’t get me with your arsenic – in the pot of tea!‘). Besonders amüsant sind vor allem die letzten drei Verse des Liedes, die sie in einer Art deutschem Sprechgesang vorträgt: ‚Noch ein Glas, mein Liebchen? Es schmeckt so wunderbar! Und?‘ 

Ihr drittes Album „Never for Ever“ ist wesentlich politischer als die ersten beiden Alben. Besonders in der zweiten Hälfte singt Bush über die großen Krisen der frühen 1980er und bekennt sich als Kriegsgegnerin und Pazifistin. In ihrem Lied ‚Army Dreamers‘ trauert eine mittellose Mutter um ihren sinnlos während eines Kriegseinsatzes verstorbenen Sohnes (‚But he never even made it to his twenties – what a waste of Army Dreamers‘). Das provokative Lied schaffte es während des ersten Golfkrieges sogar auf die Zensurliste der BBC und wurde aufgrund seiner klaren Botschaft gegen staatliche Kriegsgewalt nicht länger im Radio gespielt.

The Dreaming 

Nach dem großen kommerziellen Erfolg ihres dritten Studioalbum, erteilte Bush’s Plattenfirma der Sängerin die totale Kontrolle über ihr Folgeprojekt. Erstmals konnte sie ihrer Kreativität völlig freien Lauf lassen und ihre Musik so gestalten, wie sie es sich wünschte. Das Resultat dieser grenzenloses Freiheit war eine der innovativsten Platten, die jemals produziert wurde: „The Dreaming“. 

Das neue Album unterschied sich radikal von ihrem vorigen Werk: Anstatt auf klassische und romantische Element zu setzen, experimentierte sie im Rahmen von „The Dreaming“ mit neuen Instrumenten, Musikstilen und ungewöhnlichen Produktionstechniken. Unter anderem war es das erste Album der Künstlerin, in dem sie den Gebrauch eines digitalen Sampling Synthesizers in den Vordergrund ihrer Arbeit stellte. Das Gerät war in „Never for Ever“ bereits zum Einsatz gekommen, doch dieses Mal wollte sie es zum zentralen Element ihrer Musik machen. Ähnlich wie bei Public Image Limited und Peter Gabriel verhalfen ihr diese undefinierten Technoklänge zur radikalen Intensivierung der in ihren Liedern beschrieben Gefühlslagen. Hinzu kommen klug durchdachte, ungewöhnliche Textdichtungen, die „The Dreaming“ für mich zu einem der ergreifendsten und mitreißendsten Alben des 20. Jahrhunderts machen. 

Inhaltlich beschäftigt sich das Album vor allem mit unerfüllten Verlangen und den schwerrealisierbaren Wünschen im Leben. Im Eröffnungslied „Sat in Your Lap“ besingt Bush den mühsamen Weg der Erkenntnisgewinnung und behandelt dabei vor allem die Frustration des menschlichen (Un-)Wissens. In eine ähnliche Richtung geht das Lied „Suspended in Gaffa“, welches sich mit der charakterlichen Eigenschaft auseinandersetzt, die schönsten Erfahrungen im Leben machen zu wollen, ohne dafür hart zu arbeiten. 

Kate Bushs Einfluss ist auch heute noch spürbar 

„The Dreaming“ war definitiv das Album, welches den Stil der Künstlerin etablierte. Bis in die späten 2010er Jahre veröffentlichte Bush in unregelmäßigen Abständen neue Platten. Seit ihrer letzten Konzertreihe im Jahr 2014 ist es dann recht still um die Sängerin geworden. Jetzt, wo ‚Running Up That Hill‘ ihr zu einem neuen Hype verhalf, kann man nur hoffen, dass sie sich in Zukunft eventuell wieder neuen Projekten widmen wird. 

„Suddenly my feet are feet of mud, it all goes slow-mo, I don’t know why I’m crying, Am I suspended in Gaffa?“ – Kate Bush 

Bildquelle: Stephen Luff from West Sussex, CC BY 2.0, via Wikimedia Commons