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Vorschau auf die US-Midterms: Republikaner vorne

Von Sebastian Thormann | Ab 3. Januar 2023 bläht ein anderer Wind in Washington D.C.: Es ist der Tag, an dem der 118. Kongress der USA zusammentritt. Und der dürfte Präsident Joe Biden allerhand Kopfschmerzen bereiten. Denn es ist abzusehen, dass die oppositionellen Republikaner einen ordentlichen Sieg einfahren werden – die einzige Frage ist eigentlich nur noch, wie groß der ausfällt.

Gewählt wird in den USA bereits in weniger als einem Monat, am 8. November 2022. Zur Wahl stehen alle Sitze des Repräsentantenhauses und ein Drittel aller Senatoren. Aktuell kontrollieren die Demokraten beide Kongresskammer, allerdings nur mit hauchdünnen Mehrheiten. Im Repräsentantenhaus haben sie gerade einmal 8 Abgeordnete mehr als die Republikaner – bei 435 Sitzen. Im 100-köpfigen Senat steht es gar 50 zu 50, eine Mehrheit haben die Demokraten dort nur, weil die Vizepräsidentin bei Stimmgleichheit eine Stimme abgeben darf und Kamala Harris heißt.

Bereits jetzt deuten alle Zeichen dafür, dass das Repräsentantenhaus an die Republikaner fällt und ab Anfang 2023, der Sprecher des Repräsentantenhauses und wohl zweitwichtigste Politiker des Landes ein Republikaner ist. Bei den sog. Midterms zur Hälfte der Präsidentschaft ist es fast immer so, dass das Repräsentantenhaus an die Opposition fällt. Zu Umfragen, die die Republikaner in den allermeisten Fällen vorne sehen, kommt außerdem der Umstand, dass eine rekordverdächtige Zahl an demokratischen Abgeordneten im Repräsentantenhaus nicht mehr zur Wahl antreten. Ganze 31 Demokraten treten dort nicht mehr an. Zuletzt gab es eine solche Welle in den 90ern. Dazu kommt, dass darunter auch nicht wenige Ausschussvorsitzende sind, also eigentlich in wichtigen Posten sitzen, die man wohl kaum ohne Grund aufgibt. Die Vorsitzenden gehören in den USA aber immer der Mehrheitspartei an. Das bedeutet konkret, erwarten wohl viele, dass ihre Partei demnächst nicht mehr in der Mehrheit ist und sie damit sowieso den Vorsitz los sind.

Mit dem Repräsentantenhaus fällt die Hälfte des Kongresses an die Republikaner, das Durchregieren von Bidens Demokraten ist dann beendet. Ab 3. Januar werden sie für jedes Gesetz und ganz besonders auch für jeden Haushalt einen Kompromiss mit der Opposition finden müssen. Bidens Agenda ist damit größtenteils auf Eis gelegt. Aber wie sieht es mit der anderen Kongresskammer aus, dem Senat?

Der Senat hat im amerikanischen System einige Privilegien, die ihn vom Repräsentantenhaus unterscheiden, so ist er etwa alleine für die Bestätigung von Bundesrichtern, inklusive denen am Supreme Court, als auch Kabinettsmitgliedern und hohen Beamten zuständig. Mit dem Senat hinter sich könnte Biden also gerade bei der Richterbesetzung noch weitestgehend ungestört weitermachen – so wie es Trump nach den Midterms 2018 tat. Verliert Biden allerdings auch den Senat, wäre es desaströs. Ohne eine der beiden Kongresskammern hätte er am Verhandlungstisch mit den Republikanern kaum noch etwas zu bieten. Im Grunde bliebe ihm nur noch eins: Sein Veto, dass er ständig gegen Gesetze einlegen müsste, die die Republikaner durch den Kongress bringen. Kurzum: Er würde zur „lahmen Ente“, einem Schicksal, dass viele Präsidenten, wie etwa Obama, erst spät in ihrer Präsidentschaft widerfährt, nicht in Jahr 2.

Im Senat ist die Besonderheit, dass immer nur ein Drittel neugewählt wird, d.h. je nachdem wie die „Senatskarte“ in der jeweiligen Wahl aussieht, umso bessere Chancen hat die eine oder andere Partei. Dieses Jahr stehen 21 republikanische Sitze zur Wahl, aber nur 14 demokratische. Damit sieht die Karte eigentlich sehr gut für die Demokraten aus – eigentlich, aber 2022 ist trotzdem kein gutes Jahr für die Demokraten. Die Umfragewerte von Biden sind nämlich im Keller und das sorgt dafür das er seiner Partei ein Klotz am Bein ist, sowohl im Repräsentantenhaus als auch im Senat. Man sieht es eindrücklich daran, dass viele der gefährdeten Demokraten auf Distanz zu Biden gehen und in Fernsehwerbung, ihre Kritik an bestimmten Punkten seiner Regierungspolitik hervorheben. Die Chancen stehen damit viel eher 50-50. Im Kern wird die Kontrolle über den Senat in 4 Swing States entschieden: Pennsylvania, Arizona, Georgia und Nevada. Zwei davon müssen die Republikaner gewinnen, um die Kontrolle über den Senat zurückzugewinnen.

Pennsylvania ist von den viern, der einzige Staat, der bisher von dem Republikaner Pat Toomey repräsentiert wird, der in den Ruhestand geht. Dort kämpfen nun John Fetterman von den Demokraten, Vize-Gouverneur gegen Mehmet Oz, ein erfolgreicher Herzchirurg und Fernsehdoktor auch bekannt als Dr. Oz, von den Republikanern. Fetterman tritt gerne im Hoodie auf, versucht sich als Mann der Arbeiterklasse zu geben und attackiert Dr. Oz als Reichen aus New Jersey – dabei verschweigt Fetterman nur zu gerne, dass sein Haupteinkommen bis in seine 40er von seinen Eltern kam und er etwa sein Haus für einen Dollar von seiner Schwester kaufte. Dazu kommt, dass Republikaner nun auch seine Zeit in der Bewährungskommission ins Licht der Öffentlichkeit bringen, wo er nicht selten für eine frühe Entlassung von Schwerstkriminellen eintrat. Das Rennen bleibt also eng.

In Georgia muss der Demokrat Raphael Warnock um sein Mandat kämpfen, er wurde nur zwei Jahren zuvor in einer Nachwahl vor dem Hintergrund von Bidens Wahl und ausbleibender republikanischer Mobilisierung ins Amt gewählt. Georgia gilt eigentlich als republikanischer Staat, zu dem Warnocks Abstimmungsverhalten im Senat kaum passt. Für die Republikaner tritt der Ex-Football-Star Herschel Walker an, der viel Popularität genießt. Er schleppt allerdings ein Problem mit sich, während seiner Zeit in der NFL hat er durchaus das ein oder andere Problem mit Alkohol, Drogen, Affären und Ehestreits. Ob das oder Warnocks linkes Abstimmungsverhalten den Ausschlag gibt, wird wohl diese Wahl entscheiden.

Weiter südwestlich in Arizona dreht sich der Wahlkampf immer mehr um den Rekordansturm von illegalen Einwanderern an der US-Grenze. Senator und Ex-Astronaut Mark Kelly von den Demokraten versucht deshalb in Einwanderungspolitik auf Distanz zum Weißen Haus zu gehen und attackiert schonmal Joe Biden. Sein Gegenspieler heißt Blake Masters und ist einer von zwei republikanischen Senatskandidaten (der andere J.D. Vance in Ohio) die dieses Jahr im Vorwahlkampf massiv vom konservativen Milliardär Peter Thiel unterstützt wurden. Wie Vance vertritt auch Masters in vielen Punkten einen populistischeren Kurs. Anders als Vance im roten Ohio muss er damit in Arizona nun auch in einem Swing State konkurrenzfähig werden. Mit Aussagen wie „Die letzte Präsidentschaftswahl wurde gestohlen“ (wegen Manipulation der Nachrichten auf den Sozialen Medien, wie Masters sagt) könnte er moderate Wähler verschrecken. Gleichzeitig steht die ähnlich kontroverse republikanische Gouverneurskandidaten Kari Lake in Umfragen gut da. Gut möglich, dass am Ende Rekord-Inflation, steigende Kriminalität und offene Grenze zu Mexiko Wähler in der Mitte trotzdem dazu bringt ihr Kreuz bei Masters zu setzen.

In Nevada stehen die Chancen der Republikaner wohl mit am besten. Dort tritt mit Adam Laxalt ein ehemaliger Generalstaatsanwalt des Bundesstaates (in den USA oft wie auch hier, eine direkt gewählte Position) gegen die amtierende und größtenteils profillose Catherine Cortez-Masto von den Demokraten an. Nevada ist mit Las Vegas bekanntlich Hochburg der Hotel-, Gastronomie-, und Unterhaltungsbranche und gerade dort hat die Corona-Politik der Einschränkungen, die auch Biden unterstützt, die Existenz vieler getroffen. Dazu kommen nun die Inflation und der Kriminalitätsschwung. Ein gefährlicher Mix für die Demokraten, gerade wenn die Amtsinhaberin wie Cortez-Masto selbst keine besondere Persönlichkeit und im Staat nicht weit bekannt ist. Sie gilt damit bei vielen als generische Demokratin – und das ist bei der politischen Stimmung in diesem Jahr ein Problem.

Das ist die Übersicht über die wichtigsten Senatswahlkämpfe, nebenbei machen einige „Long Shot“-Kandidaten der Republikaner mit besonderer Fähigkeit moderate Wähler zu begeistern auch noch in blauen Staaten Bidens Parteifreunde Konkurrenz – so etwa Tiffany Smiley im Staat Washington und Joe O’Dea in Colorado. Das Rennen um den Senat bleibt also spannend – und ist bei weitem nicht für die Demokraten entschieden so wie man es vielleicht anhand der Karte erwarten würde, da viele der republikanischen Sitze aus sicher roten Staaten kommen. Das Rennen ums Repräsentantenhaus ist zwar noch nicht vorbei, aber hier kann man sich so gut wie sicher sein, dass der nächste Sprecher des Repräsentantenhauses nicht mehr die 82-Jährige Nancy Pelosi sein wird, sondern Kevin McCarthy der republikanische Fraktionsvorsitzende und aktuelle Minderheitsführer im Repräsentantenhaus.


Linker Hass auf die Queen: In Großbritannien unerwünscht

Von Sebastian Thormann | Bereits Stunden nach dem Tod von Queen Elizabeth II. entlud sich online der Hass. Von Identitätspolitik zerfressene Linke ließen ihrer Wut auf die Queen freien Lauf. Von Rassismus bis Völkermord wurde der verstorbenen Monarchin alles Mögliche vorgeworfen.

Aber im Kern wurden ihr und der gesamten britischen Krone zwei Dinge angelastet: Dass sie über das britische Empire herrschten und sie sich zusammen mit allen anderen für dieses einstiege Empire schämen müssten.

Klar war die britische Kolonialherrschaft nicht überall makellos, aber das Empire ist bei weitem nichts wofür sich Royals oder Briten schämen müssten. Mit ihrem Empire verbreitete die Seefahrernation Großbritannien die westliche Zivilisation und die Werte von Freiheit und Demokratie im Westminster-Stil bis ans Ende der Welt.

Entgegen dem Irrglauben vieler Queen-Hasser verbreitete es sich aber eben nicht durch rücksichtslose Eroberungen fremder Imperien, sondern vor allem durch Kolonisierung im klassischen Sinne, also Besiedlung kaum bewohnter Gebiete, und dem Aufbau und der Verteidigung von Handelsposten. Die Briten zogen nie in den Kampf die Welt zu erobern oder gar zu unterdrücken. Wohl kaum ein anderes Reich behandelte seine Untertanen so gut, und entließ sie dann später so friedlich in die Autonomie und schließlich Unabhängigkeit.

Man bedenke auch an dieser Stelle: Selbst die USA, die sich ihre Unabhängigkeit vom Empire schon früh erkämpften, taten dies nicht, weil sie sich vom britischen König unterdrückt fühlten, sondern vom britischen Parlament, in dem sie nicht repräsentiert waren.

Der wohl wahnsinnigste dieser Kommentare zum Tod der Queen stammte von Uju Anya, einer US-Professorin, die auf Twitter schrieb: „Ich habe gehört, dass der oberste Monarch eines diebischen, vergewaltigenden Völkermordimperiums stirbt endlich. Möge ihr Schmerz entsetzlich sein“

Aber auch der Deutschlandfunk legte nach und erklärte Queen Elizabeth ebenfalls verantwortlich für „jahrzentelange Unterdrückung“ und für „unendliches Leid in den Kolonien und Rassismus bis heute“

Für Achtung Reichelt war ich vor Ort in London und habe dort Briten zu diesen heftigen Attacken auf die Queen und die britische Monarchie interviewt: Nur so viel kann man sagen, der Hass auf die britische Monarchie aus Deutschland und von Linken aus Übersee kam alles andere als gut an.

Schauen Sie hier rein:

Bildquelle: Screenshot Achtung Reichelt


Goethe Uni Frankfurt verschickt über 200 falsche Medizinstudiums-Zulassungen

Von Sebastian Thormann | Die Johann Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt am Main hat wohl 282 Medizinstudiums-Zulassungen zu viel herausgeschickt als sie Plätze hat, wie die Bild-Zeitung berichtet. Dieser „Übertragungsfehler“ ist nun der Grund dafür, dass hunderte zukünftige Medizinstudenten eine nachträgliche Absage bekamen.

Der vermeintlich kleine Rechenfehler hat dabei für die fast 300 angehenden Studenten schwere Folgen. Die Betroffenen haben teilweise Wohnungen und Arbeitsplätze gekündigt in Aussicht auf das Medizinstudium in Frankfurt. Manch ausländische Studenten hatten bereits Flugtickets gekauft. All das nun umsonst. Ebenso können nun Zulassungen anderer Unis nicht mehr angenommen werden, nachdem der Rückzieher der Goethe-Universität Frankfurt zu spät kam und entsprechende Plätze anderswo schon vergeben wurden. Keine Wohnung, kein Job, kein Studienplatz bedeutet das nun erstmal für einige.

Manche haben jahrelang auf einen der begehrten Studienplätze gewartet, begeistert die Zulassung erhalten nur um dann zuerst aus der Presse davon zu erfahren, dass es einfach nicht genug Plätze gibt und sich die Uni bei einem so wichtigen Vorgang schlicht verrechnet hatte. Die Lebensplanung Vieler ist damit in sich zusammengefallen.

Von einer der größten Universitäten Deutschlands kann man eigentlich besseres erwarten. Dieses Desaster ist ein Fehler der nicht passieren darf. Aber trotzdem kam es dazu. Und leider ist er beispielhaft für ein Pannen-behaftetes und an manchen Stellen teilweise völlig dysfunktionales Bildungssystem in diesem Land. Häufig auf Schulebene, aber eben teilweise auch in den Unis. Wenn die Goethe-Uni in Frankfurt nicht mehr richtig rechnen kann, wie wird das dann bei Fünftklässlern aussehen?

Natürlich können Rechenfehler einmal passieren, aber bei solchen Dingen hat jeder nur zu gut das Recht von der Universität zu erwarten, dass man so etwas sensibles wie Studienzulassungen gerade in hoch nachgefragten Studiengängen doppelt und dreifach überprüft bevor man sie verschickt und dann die Betroffenen noch tagelang im Unwissen bleiben, dass ihre Zulassungen völlig wertlos ist. Gerade hier muss eine Bildungsinstitution eine hohes Maß an Sorgfalt an den Tag legen, was ganz offensichtlich nicht der Fall war.

Was ist das für ein Vorbild für die Studenten, wenn ihre eigene Universität solch einfache Dinge nicht auf die Reihe bekommt? Solche Fehler können sich die meisten Studenten wohl kaum in ihrem späteren Beruf leisten, und gerade bei Medizin-Studenten dürfte es wohl eine Erwartungshaltung zu äußerster Sorgfalt geben. 

Die Bildungsnation Deutschland scheint auf dem absteigenden Ast zu sein. Selbst wenn einige deutsche Unis es auf Top-Ranglisten schaffen, dann oft nur hinter solchen aus nicht nur den USA oder China, sondern auch Großbritanniens und der Schweiz. Bei hochpeinlichen Skandalen wie jenem aus Frankfurt ist das auch kein Wunder.

Der Unmut der betroffenen Beinahe-Studenten ist auf jeden Fall nun verständlich groß. Auf change.org haben sie nun eine Petition gestartet um doch noch irgendwie einen Platz an der Goethe-Uni in Frankfurt zu bekommen. Fast 20.000 haben bereits unterschrieben. 


Beispiellose FBI-Razzia bei Ex-Präsident Trump

Von Sebastian Thormann | Das FBI stürmte am Montag unangekündigt nach Mar-a-Lago und durchsuchte das Anwesen von Ex-Präsident Donald Trump für mehrere Stunden. Noch während die Durchsuchung lief meldete sich Trump mit einem Statement und verurteilte die Razzia. Sein Resort sei „unter Belagerung, durchsucht und besetzt von einer großen Gruppe von FBI-Agenten“.

„Sie brachen sogar in meinen Safe ein“, beschwerte sich Trump und verglich die FBI-Durchsuchung mit Watergate. Die Linken „wollen nicht, dass ich 2024 für das Präsidentenamt kandidiere“ behauptete er. Eine solche Razzia eines ehemaligen US-Präsidenten und möglichen Gegenkandidaten des amtierenden Präsidenten ist tatsächlich beispiellos in der amerikanischen Geschichte.

Die Durchsuchung müsste eigentlich von ganz oben abgesegnet werden. Erst im Mai dieses Jahres hatte Justizminister Merrick Garland nämlich ein Memorandum seines Vorgängers Bill Barr bestätigt, das besagt, dass es bei Ermittlungen gegen politische Persönlichkeiten und Kandidaten eine solche Zustimmung von der Führung des Justizministeriums braucht. Das bedeutet Garland müsste so eine Razzia eigentlich abgesegnet haben.

Daher wird es jetzt spannend, wenn es darum geht, was die Ermittlungen dahinter sind. Medienberichten zufolge geht es um Verstöße gegen Archivierungsgesetze. Manch einer mag sich dabei noch an den E-Mail-Skandal rund um Trumps Kontrahentin Hillary Clinton erinnern, in der sie Top-Secret-Mails auf privaten Servern speicherte und entsprechende Datenträger teilweise mit Hammer zertrümmert wurden, ohne dass es zu einer solchen Razzia kam.

In Anbetracht einer solchen beispiellosen Aktion sollte das FBI und Garland also eigentlich etwas Größeres in der Hand haben. Ansonsten wird diese Razzia zum Skandal für die Biden-Regierung, insbesondere wenn im November die Republikaner das Repräsentantenhaus zurückerobern und dann parlamentarische Untersuchung bis hin zu möglichen Amtsenthebungsverfahren gegen die Beteiligten einleiten können, falls es tatsächlich, wie Trump behauptet, keine Grundlage dafür gäbe. Viele Republikaner, selbst manche Trump-Kritiker, attackieren allerdings jetzt schon das FBI – schließlich wäre es nach verschiedensten Ermittlungen während seiner Präsidentschaft nicht das erste Mal, dass einzelne Beamte zu weit gehen. Nun muss man also die Ermittlungen abwarten.

Dann wird sich zeigen: Entweder Trump hat einen echten Skandal an der Hand – oder Justizminister Garland und das FBI.


Pelosis Taiwan-Reise war richtig – aber noch lange nicht genug

Von Sebastian Thormann | Vergangene Woche besuchte Nancy Pelosi (Demokratin), Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, die einzige chinesische Demokratie, den Inselstaat Taiwan. Einen so hochrangigen US-Polit-Besuch gab es zuletzt vor 25 Jahren als der damals republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses, Newt Gingrich, auf der Insel ankam. Diesmal fiel die Reaktion aus China allerdings viel schärfer aus. Mit Marine-Manövern teilweise bis in taiwanesische Hoheitsgewässern zeigte Chinas Führung sein Säbelrasseln.

Seit nun mehr als einem halben Jahrhundert hat Peking die Insel schon im Visier, nach dem Ende des Chinesischen Bürgerkrieges auf dem chinesischen Festland mit dem Sieg der Kommunisten um Mao Zedong, zogen sich deren Kontrahenten, die Kuomintang auf die gerade von Japan geräumte Insel zurück. Seitdem beanspruchen beide Staaten offizieller Vertreter ganz Chinas zu sein, bis in die 70er wurde dabei vom Westen noch Taiwan, offiziell die „Republik China“, anerkannt, dann allerdings wechselte man die diplomatischen Beziehungen zur kommunistischen „Volksrepublik China“ in Peking.

Zwei Chinas

Das Paradoxe ist dabei, auch wenn China Taiwan freilich nicht als offiziellen Staat anerkennt – Peking betrachtet die Insel lediglich als abtrünnige Provinz in Rebellenhand – zwingt Chinas Führung Taiwan dazu den Anspruch auf ganz China aufrechtzuerhalten. Sollte Taiwan nämlich den Staatsnamen ändern und seine de jure Ansprüche auf China fallen lassen, sähe Peking das als „Abspaltung“ und damit sofortigen Kriegsgrund – obwohl die Insel natürlich sowieso nicht von Peking kontrolliert wird. Das zeigt was für eine Bedeutung diplomatische Signale in dem Konflikt haben: Solange die vermeintlichen „Rebellen“ nicht die Abspaltung von China fordern, lässt man sie gewähren.

Allerdings auch nur für eine gewisse Zeit, denn es bleibt trotzdem Chinas langerklärtes Ziel, die Insel am Ende unter eigene Kontrolle zu bringen. Offerten a la „Ein Land, zwei Systeme“ sind allerdings spätestens seit Hongkongs Schicksal völlig undenkbar für Taiwaner, die sich an Demokratie und Freiheit gewöhnt haben. Damit forciert Peking nun eine gewaltsame „Wiedervereinigung“. Nach der Gleichschaltung des ehemals teildemokratischen Hongkongs wäre eine Invasion und Übernahme Taiwans der nächste Meilenstein für Xi Jinping und die kommunistische Partei.

Und hier kommen die USA ins Spiel. Zwar haben sie keine formellen diplomatischen Beziehungen mehr mit ihrem einstigen Verbündeten, aber sie verfolgen keineswegs die von Peking gewünschte „Ein-China-Politik“. Eine gewaltsame Übernahme Taiwans lehnt Washington vehement ab. Der „Taiwan Relations Act“ von 1979 hält fest, dass die USA es sich vorbehalten, sich „jeder Anwendung von Gewalt oder anderen Formen von Zwang“ gegen die Insel zu widersetzen. Außerdem erkennen sie eine staatliche Hoheit Pekings über Taiwan nicht an. Um die US-Unterstützung für Taiwan zu signalisieren, reiste Pelosi nun nach Taipeh. Und bekam dafür Unterstützung und Kritik von ungewöhnlicher Seite: Während die US-Republikaner den harten Kurs gegen China weiterführen wollen und damit nun ihre politische Gegnerin Pelosi bei ihrem Reisewunsch bestärkten, versuchte das Weiße Haus um Pelosis Parteifreund Joe Biden wohl die Reise zu verhindern – aus Sorge um eine vermeintliche „Provokation“ Chinas.

Reisen sind nicht genug

Ähnliche Kritik hat man auch hierzulande gehört. Warum denn den roten Drachen aus Peking „provozieren“? So die Argumentation. Die Antwort ist recht einfach: Egal wie die diplomatischen Beziehungen mit Taiwan im Detail gehandhabt werden, aber wenn der Westen China das Recht zugesteht, alle Angelegenheiten Taiwans zu diktieren, ist das ein Freifahrtschein für die logische nächste Stufe im Konflikt: Die Invasion und gewaltsame Machtübernahme auf der Insel durch Peking. Insofern, war Pelosis Besuch völlig richtig, die USA sollten sich ihre Außenpolitik nicht von China diktieren lassen.

Allerdings – und das sollten auch gerade wir in Deutschland, wo politische Symbolgesten und Rhetorik nur zu gerne Taten ersetzen, nicht vergessen – ist eine Reise bei weitem nicht genug, um Taiwans Selbstständigkeit zu bewahren. Die große Gefahr ist, dass eine Invasion Taiwans die sich gerade bildende Ant-China-Koalition in Asien aufbrechen könnte, vor allem wenn im Kriegsfall die Unterstützung aus dem Westen ausbleibt. China weiß, am Ende des Tages wird die Entscheidung über Taiwan mit militärischen Mitteln fallen. Und das sollte uns auch bewusst werden. Was der Westen jetzt tun muss, ist nicht wieder nur mit erhobenem Zeigefinger und Sanktionen zu drohen, sondern für militärische Abschreckung zu sorgen. Die USA spielen dabei die Schlüsselrolle. Xi Jinping und die kommunistische Partei planen kühl – eine fehlgeschlagene Invasion wäre für sie wohl bei weitem schlimmer als der Status quo. In genau so einer Situation müssen sie stecken, damit sie von einem Angriff absehen.

Ansonsten wären die Konsequenzen für Asien und die Welt desaströs.

Bildquelle: Nancy Pelosi und Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen (Foto: Präsidialbüro Taiwan via CC-BY-2.0) 


Das vergessene Watergate der Demokraten

Von Sebastian Thormann | In vielen deutschen Medien haben sich Skandale in der US-Politik vor allem auf die vergangene Präsidentschaft Trumps bezogen. Lange vor seiner Weigerung die Wahl von Joe Biden anzuerkennen wurde alles mögliche zum Skandal gemacht, “Trump-Gate” hier, “Russia-Gate” da. Alles natürlich in Anspielung auf den berüchtigten Watergate-Skandal des 37. US-Präsidenten, der Skandal der amerikanischen Politik, der so schockierend war, dass er Republikaner Richard Nixon zum Fall brachte und ihn zum Oberschurken der US-Präsidenten stilisierte. Aber kaum jemand kennt das Watergate vor dem Watergate, den Spionageskandal Nixons demokratischen Vorgängers Lyndon B. Johnson.

Unter Nixon war es ein „Klemptner-Team”, dass im Wahljahr 1972 in die Büroräume des Democratic National Committee (DNC), des Parteivorstands der Demokratischen Partei, im Watergate Komplex in Washington DC einbrach mit dem Ziel, Dokumente abzufotografieren und Wanzen anzubringen. Die Einbrecher wurden jedoch gefasst und die Involvierung des Weißen Hauses zusammen mit den darauffolgenden Vertuschungsversuchen kosteten Nixon schließlich das frisch wiedergewonnene Amt. Mit ähnlich illegalen Mitteln aber deutlich geschickter und noch dreister handelten Johnsons Leute. Aber von Anfang an:

Johnson wurde 1963 am Tag der Ermordung von John F. Kennedy als 37ter Präsident der Vereinigten Staaten vereidigt. Im darauffolgenden Jahr trat er als Kandidat der Demokraten zur Präsidentschaftswahl 1964 an. Auf der Republikanischen Seite verhalf eine konservative Graswurzel-Bewegung Barry Goldwater zur Nominierung. Sie setzten sich damit erstmals gegen das auf die politische Mitte ausgerichtete Establishment der sogenannten Rockefeller-Republikaner durch. Der Senator aus Arizona, bekannt geworden unter anderem durch seinen Bestseller “Das Gewissen eines Konservativen”, begründete damals mit anderen, wie dem Publizisten William F. Buckley Jr., den modernen US-Konservatismus. 

Die Goldwater-Kampagne, die sich für ein Ende des Wohlfahrtsstaats, Föderalismus, mehr individuelle Freiheit und einen entschlossen anti-kommunistische Außenpolitik einsetzte, wurde von Johnson und den Medien immer wieder als radikal oder extremistisch dargestellt, worauf Goldwater mit den Worten “Extremismus zur Verteidigung der Freiheit ist kein Laster” antwortete. Obwohl eine Wiederwahl Johnsons wahrscheinlich erschien, wollte dieser auf Nummer sicher gehen:

Es begann eine Anti-Goldwater-Kampagne mithilfe illegaler Mittel. Auch wenn es der CIA untersagt war, im Inland zu operieren – erst recht gegen politische Gegner – platzierte Johnsons Regierung einen CIA-Spion in Goldwaters Wahlkampfteam. Dadurch wusste sein Team vorab von Goldwaters Terminkalender und ließ demokratische Politiker vor und nach seinen Wahlkampfveranstaltungen auftreten. Die demokratische Kampagne erhielt aus Langley so etwa Reden des Republikaners lange bevor er sie tatsächlich gehalten hatte. 

Ein CIA-Mitarbeiter, E. Howard Hunt, der später für seine Beteiligung an Watergate verurteilt wurde, konnte berichten, dass US-Präsident Johnson die Aktion angeordnet hatte. Hunt verteidigte seine Rolle in Watergate unter anderem mit Verweis auf die Spionage gegen Goldwater, dass solche Vorgänge schon vor Nixon Gang und Gebe bei der CIA waren. Auch CIA-Direktor William Colby musste die Spionage später zugeben.

Sogar das FBI nutze das Johnson-Lager zur Überwachung seines politischen Gegners. Man ließ Anrufe von Goldwaters Mitarbeitern abhören und installierte Wanzen in seinem Flugzeug, das er oft für vertrauliche Gespräche mit seinem Team nutze. Senator Goldwater wurde von Journalisten teilweise über Vorschläge befragt, die nur sein innerster Zirkel kannte. Auf die Frage woher die Journalisten diese Informationen hätten, hieß es einmal: “Aus dem Weißen Haus”. 

Eines der krassesten Beispiele, wie Johnson diese illegalen Techniken ausnutzen konnte, ereignete sich im September 1964: Um der Darstellung, Goldwater verfüge über zu wenig außenpolitische Erfahrung, entgegenzuwirken sollte er eine „Task Force für Frieden und Freiheit“ unter (damals) Ex-Vizepräsident Nixon verkünden. Johnson bekam dank der Überwachung Wind von der Idee und setzte sofort eine eigene Pressekonferenz an, während Goldwater noch im Flugzeug unterwegs war. Der Präsident kam seinem Kontrahenten zuvor und erklärte die Einrichtung einer eigenen Task Force. Goldwaters Ankündigung ging so in der Presse unter. 

Robert Maridian, Republikaner und 1964 selbst Regional-Direktor für die Goldwater-Kampagne, erfuhr von diesen Abhörmaßnahmen in seiner späteren Amtszeit als Vize-Justizminister. Ihm gegenüber erzählte FBI-Direktor J. Edgar Hoover in einem Gespräch über technische Abhörmaßnahmen, dass er auf Anweisung Johnsons die Kampagne des Republikaners überwacht hatte. Er erklärte das mit den Worten: “Du tust was der Präsident der Vereinigten Staaten von dir verlangt.”

Was Johnsons damit erreichen wollte? Sein Sieg war auch so wahrscheinlich. Es ging ihm vor allem darum, eine besonders breite Unterstützung für seine Politik zu gewinnen und zu beweisen, dass die Ideen von Barry Goldwater nicht mehrheitsfähig sind. 

Ein damals politisch noch unbekannter Schauspieler namens Ronald Reagan hielt dann 1964 für Goldwaters Kampagne die Rede “A Time For Choosing”, die ihm landesweite Bekanntheit verschaffte. 1968 würde dieser mit der Wahl als Gouverneur Kaliforniens erstmals ein politisches Amt übernehmen. 

Bei der Präsidentschaftswahl 1964 hatte sich Lyndon B. Johnson noch eindeutig gegen Barry Goldwater durchgesetzt, der nur 6 Staaten für sich gewann. 1980 war es dann Jimmy Carter, der mit nur 6 gewonnen Bundesstaaten gegen Ronald Reagan, den konservativen Newcomer aus Kalifornien, unterlag. Der Kolumnist George Will schrieb dazu treffend: “Goldwater gewann die Wahl von 1964. Es dauerte bloß 16 Jahre die Stimmen auszuzählen.” Johnson hatte seinen Vorsprung vor Goldwater durch illegale Methoden und Amtsmissbrauch vergrößert, das Aufkommen der freiheitlich-konservativen Bewegung konnte er am Ende aber nicht aufhalten.


Heiko Maas – Ein Rückblick seiner Instagram-Amtszeit

Von Sebastian Thormann | Die deutsche Außenpolitik in den letzten Jahren war häufig vor allem Folgendes: Leere große Worte, realitätsferne Appelle und Selbstdarstellung. Wohl kaum jemand stand dafür so symptomatisch wie Heiko Maas. Statt einem Artikel, also hier an dieser Stelle ein Rückblick seiner Amtszeit als Außenminister in Bildern. 

Und zwar in Bildern, die allesamt genau so (!) auf seinem Instagram-Account oder dem des Auswärtigen Amtes gepostet wurden.

Heiko Maas stellt nach einem Jahr im Amt fest:

Screenshot Instagram: Auswärtiges Amt

Nach einer EU-Außenministerkonferenz:

Screenshot Instagram: Heiko Maas

Maas bewundert den künstlerischen Einsatz “gegen Nationalismus”:

Screenshot Instagram: Heiko Maas

Heiko Maas und das – wie er es nennt – “neue Banner der freien Welt”:

Screenshot Instagram: Heiko Maas

Er hat offensichtlich weiterhin mit der „Intensität des Jobs“ zu kämpfen, wie dieser 100% natürliche und völlig ungestellte Schnappschuss zeigt:

Screenshot Instagram: Heiko Maas

Screenshot Instagram: Heiko Maas

Nicht die Beatles in London, sondern Heiko in New York bei der UNO. 

Dort wollte er den Rest der Welt u.a. für Abrüstung begeistern. Besonders schade: Mit seinem Ausscheiden aus dem Amt kann er nicht mehr an der diesjährigen UN-Konferenz zu nuklearer Abrüstung teilnehmen, die unter Vorsitz von Kim Jong-uns “Demokratischer Volksrepublik Korea” stattfindet. 

Screenshot Instagram: Auswärtiges Amt

Maas in Kabul mit der Bildunterschrift: “Wir lassen #Afghanistan nicht allein! […] Wir ziehen zwar unsere Soldat*innen ab, aber nicht die politische Unterstützung.“ 

Ob der gleiche Helikopter zum Einsatz kam, als die deutschen Diplomaten knapp vier Monate später im Saigon-Stil aus Kabul flüchten mussten? Gut, er hielt daran fest, dass der Konflikt nur durch Dialog und nicht militärisch gelöst werden kann – nur schade, dass das die Taliban anders sahen.

Passend zum Ende seiner Amtszeit gab es dann noch diese Weisheit:

Screenshot Instagram: Auswärtiges Amt


Wer ist wirklich überrascht über den Vertrauensverlust in die Politik?

Von Sebastian Thormann | Seit Jahren schon reden die Medien darüber, dass immer mehr Deutsche das Vertrauen in die Politik verlieren. Man grübelt über die Ursachen – von Globalisierung, dem schlechten Einfluss Sozialer Medien und Politikverdrossenheit hört man alles Mögliche. Dabei sind die vergangenen zwei Corona-Jahre ein Paradebeispiel dafür, wieso immer mehr Menschen unseren Institutionen misstrauen: Nämlich, wenn diejenigen, die uns regieren, das eine sagen und sich dann Wochen später umdrehen und etwas völlig anderes tun.

Während der Pandemie haben wir beobachten können, wie die Verschwörungstheorien von gestern der Regierungsstandpunkt von heute wurden. 

Zu Beginn galt es noch als Panikmache, sich Sorgen um das Corona-Virus zu machen, wegen dem in China ganze Städte abgeriegelt wurden. Maskenträger wurden vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk verspottet und die Bundesregierung erklärte zukünftige Einschränkungen des öffentlichen Lebens zu „Fake News“. Binnen Wochen war all das Realität. 

Nun gut, über COVID-19 war zunächst kaum etwas bekannt, man hatte sich eben geirrt und hat dann sein Handeln angepasst, kann man jetzt sagen – und da ist etwas dran, so eine Pandemie haben wir schließlich nicht alle paar Jahre. Jetzt wissen wir allerdings weit mehr über das Virus – es geht nun schon das zweite Corona-Jahr zu Ende. Wie kann es da sein, dass alle möglichen Beteuerungen und Versprechen innerhalb von Wochen wertlos sind?

Noch im Juni 2021 sagte etwa Kanzleramtsminister Helge Braun: „Wenn wir jedem in Deutschland ein Impfangebot gemacht haben, dann können wir zur Normalität in allen Bereichen zurückkehren.“ Er versprach in diesem Fall nicht etwa eine halbe Rückkehr, sondern eine Rückkehr zur Normalität im „vollen Umfang“. „Alle Einschränkungen“ würden fallen. Davon sind wir weit entfernt. Stattdessen gibt es einen Lockdown für Ungeimpfte und auch für den Rest gelten bereits die ersten Regeln auf dem Weg zum Lockdown, etwa in Bayern. Ministerpräsident Söder hatte dort noch vor drei Monaten noch eine „eine neue Form von Freiheit“ angekündigt und versichert, es werde „definitiv keinen Lockdown mehr geben oder Beschränkungen, wie wir sie hatten“.

Söder ist es auch derjenige, der wohl den Rekord für die schnellste 180-Grad-Wende hält. Innerhalb von zwei Wochen schaffte er es, seine Ansichten zur Impfpflicht auf den Kopf zu stellen. Am 8. November schloss er eine allgemeine Impfpflicht noch aus, auf den Tag genau 14 Tage später forderte er dann explizit eine solche. Niemand kann einem erzählen, dass sich der Wissenstand zu Impfungen innerhalb dieser zwei Wochen geändert hat, aber dennoch hat sich seine Position geändert – und das war nicht das erste Mal. Bereits vor einem Jahr hatte er eine Impfpflicht ins Spiel gebracht und dann wieder verworfen, nachdem er feststellte, dass es „keine Mehrheit dafür“ gäbe. Damals erklärte Söder: „Das gilt es auch einfach zu respektieren. Es ist auch ein starker Grundrechtseingriff.“

Wenn die Politik also wieder Vertrauen zurückgewinnen will, wäre sie gut damit beraten, sich vielleicht wenigstens für sechs Monate an das zu halten, was man zuvor kategorisch festgelegt hat. Denn wenn einige der größten „Fake News“ während der Pandemie von offizieller Seite stammen und Irre aus den entferntesten Ecken des Internets derweil teilweise als Propheten dastehen, wäre das für Politiker doch Anlass, einmal den eigenen Umgang mit der Öffentlichkeit zu reflektieren.


Sebastian Thormann (*2000) ist Student aus Passau und Chef vom Dienst des Jugendmagazins Apollo News. Er schreibt vor allem über US- und Außenpolitik. Er publiziert auch in amerikanischen Medien, so z.B. Lone Conservative und Washington Examiner.


 


Der Traum vom Fliegen – ausgeträumt

Von Sebastian Thormann | Um die Welt reisen, andere Kulturen entdecken, Weltbürger werden – gehörte das nicht einmal zum kosmopolitischen Traum Linksliberaler? Und warum auch nicht? Unsere Technologie, allen voran das Fliegen, hat es möglich gemacht. Das war vor mehr als hundert Jahren gerade noch ein Traum – oder wie es Orville Wright, einer der Wright-Brüder formulierte: „Der Wunsch zu fliegen ist eine Idee, die uns unsere Vorfahren überliefert haben, die in prähistorischer Zeit bei ihren zermürbenden Reisen durch wegloses Land neidisch auf die frei schwebenden Vögel schauten.“

Heute sieht es ganz anders aus: Fast jede Reise, die nicht mit dem Fahrrad zu bewerkstelligen ist, gilt da schnell als Klimasünde – erst recht natürlich Flugreisen. Versprachen diese einst noch jeden an die entlegensten Orte der Welt zu bringen, gehören sie heute zu den schlimmsten Dingen, die man seinem Klimagewissen antun kann. „Du bist geflogen? Da sind doch direkt ein paar Zentimeter Insel in Polynesien im Meer verschwunden!“, kann man schon die FFF-Flughafen-Demonstranten schreien hören.

Wenn Grüne, FFF und Co. es Ernst meinen mit ihren Forderungen, sieht die Welt von morgen dann tatsächlich internationaler, globaler aus? Das kann sie wohl kaum. Besonders verhasst bei ihnen ist ja das Reaktionäre, die Welt von gestern – bloß, wenn es um Mobilität angeht, klingen ihre Vorschläge selbst nach der Welt von vorvorgestern. 

Mit dem Lastenrad gibt es keine Europa- geschweige denn Weltreise. Jeder bleibt in seinem Land, in seiner Provinz. Das ähnelt eher dem Europa vor gut hundert Jahren, wo man sein Land vielleicht für sein ganzes Leben lang nicht verlassen hat (es sei denn es herrschte Krieg). Erscheint das auf den zweiten Blick nicht auch ein bisschen nationalistisch? „Aber es gibt doch die Bahn“ schallt es da einem entgegen. Ja genauso wie die E-Autos. Aber trotzdem will nicht jeder seinen halben Griechenland-Urlaub im Zug oder an der Ladestation verbringen.

Wird also im grünen Utopia niemand mehr eine Weltreise machen? Doch, aber nur diejenigen, die das nötige Kleingeld haben, um sich von ihren Klimasünden mit ein paar Klimawohltaten rein zu waschen, können dann auch ganz „klimaneutral“ fliegen. Verboten wird es nicht, nur so teuer, dass es sich immer weniger Menschen leisten können. Und damit machen wir dann auch zivilisatorisch einen Rückschritt: Statt die Bürger immer mobiler zu machen und immer mehr Menschen die Möglichkeit des technologischen Fortschritts nutzen zu lassen, gehen wir zurück und schränken unsere Mobilität und unsere technologischen Fortschritt weiter ein.


Corona-Föderalismus in den USA: Red States gegen Blue States – und das Weiße Haus

Von Sebastian Thormann | Im Dezember 2020 wurde der zukünftige US-Präsident Joe Biden von einem Reporter gefragt, ob eine Corona-Impfung verpflichtend sein sollte. Biden erwiderte damals: „Nein, ich denke nicht, dass es obligatorisch sein sollte, ich würde es nicht fordern.“

Neun Monate später hieß es dann von ihm aus dem Weißen Haus: „Wir waren geduldig, aber unsere Geduld lässt nach und Eure Weigerung hat uns alle gekostet.“ Biden kündigte eine de facto Impflicht für alle Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitern an. Zuvor hatte er bereits eine Impfpflicht für Angestellte der US-Bundesregierung verhängt. Damit geht er auch auf Konfrontationskurs mit vielen republikanisch regierten Bundesstaaten. 

Die haben nämlich vielerorts überhaupt keine staatliche Impfpflicht und verbieten teilweise eine solche sogar explizit Privatunternehmen und Kommunen. In Florida etwa, müssen Geschäfte auch ungeimpfte Kunden akzeptieren und kommunale Behörden dürfen ihre Mitarbeiter nicht zur Impfung zwingen. Solche Vorschriften gibt es auch in vielen anderen Red States. Ähnlich sieht es mit der Maskenpflicht aus: Während demokratisch regierte Staaten wie Kalifornien fast überall in Innenräumen Masken vorschreiben, haben Red States wie Arizona, Florida, Texas die Maskenpflicht komplett aufgehoben und für kommunale Behörden verboten.

Wie schon bei Lockdowns kann eigentlich jeder US-Bundesstaat selbst seine Corona-Politik festlegen – wenn da nicht Joe Biden wäre, dessen geplante Impfpflicht in vielen Punkten sogar direkt lokalen Vorschriften widerspricht, die teilweise Mitarbeitern erlaubt sich einer Impfvorschrift privater Unternehmen zu verweigern. Für das Weiße Haus ist klar: Bundesrecht bricht Staatsrecht. Das Problem ist nur, sein Vorhaben ist womöglich illegal und die Chancen stehen nicht schlecht, dass es vor Gericht gestoppt wird.

Noch im Juli sagte Bidens Pressesprecherin z.B. gefragt nach einer Bundesimpfpflicht: „Das ist nicht die Aufgabe der Bundesregierung“. Aber nun will Biden sie doch in Form einer Notfall-Gesundheitsvorschrift des US-Arbeitsministeriums einführen. Dafür müsste laut Gesetz allerdings feststehen, dass die Mitarbeiter einer „großen Gefahr“ ausgesetzt sind und eine solche Regel tatsächlich „notwendig“ ist, um sie davor zu schützen. In der Vergangenheit haben Gerichte diesen Paragraphen sehr eng interpretiert. Auch angesichts der Tatsache, dass Bidens Regel z.B. natürliche Immunität durch frühere Infektionen ignoriert, ist es gut möglich, dass es diese Vorgaben nicht erfüllt. Daneben haben Bundesstaaten eigentlich die volle Zuständigkeit über Gesundheitsangelegenheiten und ob eine solche Bundesvorgabe sich am Ende auf die Verfassungsklausel berufen kann, nach der „Geschäfte zwischen Bundesstaaten“ reguliert werden können, um dann Millionen von Amerikanern zur Impfung zu drängen, darf zweifelhaft gesehen werden. 

Es wäre auch nicht das erste Mal, dass Biden mit einer vor Gericht scheitert. So bereits geschehen bei seinem Räumungsmoratorium, bei dem Biden auch zunächst zugab, er habe die Befugnis dafür nicht, nur um dann Wochen später genau so etwas vorzuschreiben, das dann schließlich vom Supreme Court als illegal einkassiert wurde.