Am 15. August 2022 jährte sich der Fall von Kabul von 2021 zum ersten Mal, Apollo bringt daher diese Woche eine Artikelserie zum Rückblick auf die Geschehnisse von damals und ihren Konsequenzen.
Von Gesche Javelin | Seit der Übernahme der Taliban am 15. August 2021 wurden die Freiheiten und Rechte der Frauen in Afghanistan wieder drastisch eingeschränkt. Frauen dürfen das Haus nicht ohne Begleitung eines männlichen Verwandten verlassen und müssen sich verhüllen. An öffentlichen Orten wie Cafés oder Parks gibt es geschlechtergetrennte Bereiche oder Öffnungszeiten. Auch die Kurse an Universitäten werden strickt nach Geschlechtern getrennt. Frauen bekommen kaum noch Chancen, ein Studium zu beenden, denn es gibt wenn überhaupt nur wenige Kurse für Frauen. Dazu kommt noch, dass Mädchen keine weiterführenden Schulen mehr besuchen dürfen.
In Sachen Frauenrechte war Afghanistan selbst vor einem Jahrhundert schon weiter als im letzten Jahr. Als Amanullah Khan im Jahr 1919 König wurde, änderte er einiges für die Frauen in seinem Land. Er setzte sich mit seiner Frau zusammen unter anderem für Bildung für Mädchen und Frauen und die Abschaffung der Burka ein. Seine Frau, Königin Soraya setzte ein Zeichen gegen die Verschleierung, indem sie auch in der Öffentlichkeit ohne Schleier auftrat. Sie war die erste Königin, die sich politisch engagierte. Die Stammesführer gingen jedoch gegen seine Regentschaft vor und Amanullah Kahn musste abdanken und nach Europa fliehen.
Während in den letzten 20 Jahren die Zahl der erwerbstätigen Frauen von 15% auf knapp 20% stieg, schaffte die Taliban in nur einem Jahr den Fortschritt wieder rückgängig zu machen. Tausende Anwältinnen, Polizistinnen und Journalistinnen mussten ihre Arbeit aufgeben, weil die neuen Taliban-Gesetze nicht mehr zulassen, dass Frauen in diesen Jobs arbeiten. In der Taliban-Regierung sind Frauen gar nicht vertreten. Das Ministerium für Frauenangelegenheiten wurde abgeschafft. Anstatt dessen wurde das „Ministerium für die Verbreitung von Tugend und Verhinderung von Lastern“ eingeführt. Dieses Ministerium ist hauptverantwortlich für die meisten Beschränkungen der Frauenrechte in Afghanistan.
Frauen und Mädchen müssen sich nicht nur äußerlich verschleiern. Sie werden vom öffentlichen Leben großteils ausgeschlossen und ihrer Zukunftschancen beraubt. Wenn sie sich nicht fügen, werden sie in Gefängnisse gesperrt, mit Gewalt versucht gefügig zu machen oder ihre Familien werden bedroht. Der friedliche Protest am letzten Samstag auf den Straßen Kabuls für Essen, Arbeit und Freiheit wurde mit Warnschüssen und Gewalt beendet. Die Frauen werden bedrängt, eingesperrt und verletzt. Auch vier Journalisten, die über den Protest berichten wollten, sind laut dem Verband unabhängiger Journalisten in Afghanistan (AIJA) festgenommen worden. Diese Menschen kämpfen für ihre Rechte, für ein Leben in Freiheit und das teilweise unter Lebensgefahr.
Von Sven Verst | Der deutsche Sommer war bisher sehr ereignisreich: Neben einer bundesweiten Debatte darüber, ob man ein vulgäres Schlagerlied verbieten sollte, gab es auch lebensbetreffende Themen. Steigende Preise in allen Lebensbereichen, ein neues Infektionsschutzgesetz, die mögliche Verlängerung der Laufzeit von Atomkraftwerken und die Vorbereitung auf einen kalten Winter, einen „Wutwinter“, dominieren den politischen Diskurs. Da geraten die USA, welche während Trumps Präsidentschaft dauerhaft in den Medien waren, in den Hintergrund. Die Situation in den USA ist jedoch nicht entspannter – das Land ist gespalten wie eh und je, vielleicht sogar wie selten zuvor. Eine profilierte Politikerin blamierte sich diesen Sommer gleich mehrmals.
Alexandria Ocasio-Cortez, kurz AOC, sitzt seit Januar 2019 im Repräsentantenhaus und gehört zu den radikalsten Politikern im Land. Auf ihrer Instagramseite erstellt sie regelmäßig Stories für ihre 8,7 Millionen Follower über ihren Tag. AOC ist vor allem Polit-Influencer, ihre Arbeit in den sozialen Medien scheint für sie fast wichtiger als die Arbeit im Kongress. Erst kürzlich wurde sie dafür von einer anderen Demokratin angegriffen: Senatorin Ramos aus New York kritisierte Ocasio-Cortez für Mangel an Arbeit mit Menschen aus ihrem Wahlkreis sowie Mitarbeitern. Stattdessen betreibt sie möglichst medienwirksamen Aktivismus. Auch in Deutschland haben wir eine junge Abgeordnete, welche ihre Zeit vor allem damit verbringt, Tanzvideos auf TikTok hochzuladen, während 104 Fragen auf abgeordetenwatch.de auf eine Antwort warten. Diese neue Politikerklasse, die lieber im Netz als im Parlament wirkt, ist also kein deutsches Phänomen.
Zurück zu Ocasio-Cortez, welche an den Stufen zum Kapitol von einem Comedian geschmacklos angesprochen wurde. Er beschrieb sie als seine „favourite big booty Latina“. Ocasio-Cortez war besonders verärgert darüber, dass dieser Mann nicht von der anwesenden Polizei in seinem Recht eingeschränkt wurde, frei zu sprechen. Ein Recht, welches in den USA im Vergleich zu Deutschland deutlich ausgeprägter ist. Verstört von dem Vorfall berichtete sie auf Instagram und erfand weitere anzügliche Komplimente dazu. Es ist nicht das erste mal, dass „AOC“ sich als Opfer von Sexismus inszeniert – dem profilierten konservativen Kommentator Ben Shapiro warf sie „catcalling“, also Belästigung vor, weil dieser sie auf Twitter zu einer Debatte eingeladen hatte.
Neulich sorgte die radikale Sozialistin erneut für Aufsehen: In einer weiteren von ihr als „ziviler Ungehorsam“ betitelten Aktion wurde sie nach einer Demonstration gegen das amerikanische Supreme Court zusammen mit 16 weiteren demokratischen Abgeordneten verhaftet. Hintergrund der Aktion war die umstrittene Entscheidung des obersten Gerichtes, das bundesweite Recht auf Abtreibung zu kippen. Republikaner werfen ihr vor, es aussehen zu lassen, als wäre sie in Handschellen abgeführt worden, was nicht der Fall war.
Als weitere Aktion gegen die Gerichtsentscheidung bezüglich Abtreibung verkündete sie in einer Instagramstory, zur Maniküre zu gehen. Diese Maniküre sei eine persönliche Reklamationshandlung. Die klare Absurdität dieser Aktion wirft selbstverständlich Fragen auf bezüglich der Wichtigkeit des Themas. Mutige Maniküre ist das nicht – eher peinliche, persönliche Inszenierung.
Alle guten Dinge sind drei. Dementsprechend informierte sie auf Twitter ihre 13 Millionen Twitter-Follower, wie man Abtreibungsregeln umgehen kann. Dafür ruft sie jedoch nicht nur auf, in einen anderen Bundesstaat zu reisen oder eine Fehlgeburt vorzutäuschen, sondern weist auf die Organisation AidAccess hin, welche illegale Abtreibungsmedikamente zur Verfügung stellt. Dafür schreiben Ärzte in Europa ein Attest, mit welchem diese Medikamente dann von indischen Apotheken bestellt werden können. Das Ganze soll lediglich um die 105€ kosten.
Eine weitere wichtige Entscheidung des Supreme Court reduziert die Macht der Environmental Protection Agency (EPA). Die darf nun nicht mehr Treibhausgasemissionsgrenzen festlegen und somit tief in die amerikanische Wirtschaft eingreifen. Emissionsgrenzen dürfen laut dem Urteil nur vom Kongress und Senat festgelegt werden. Ocasio-Cortez beschrieb dieses Urteil als Putsch und forderte nichts weniger als die Auflösung des Gerichts. Aus der Perspektive von freiheitsliebenden Menschen ist es ein positives Urteil, denn Entscheidungsgewalt wurde dem Regierungapparat entzogen und zurück an die Repräsentanten des Volkes gegeben – und wer die Auflösung des obersten Organs der unabhängigen Judikative fordert, ist zumindest deutlich näher am Vorwurf eines „Putsches“, als das oberste Gericht es je sein könnte.
Auch vor Eigennutz macht Ocasio-Cortez keinen Halt. Eine ihrer Kernforderungen ist das Vergeben von Studienschulden. Allerdings hat sie und weitere Demokraten Studienschulden, sie würden sich also direkt mehr Geld ins Portemonnaie zaubern. Zur Einordnung: Mitglieder im Repräsentantenhaus verdienen $174 000 im Jahr. Damit gehören sie zu den amerikanischen Gutverdienern, denn das durchschnittliche Jahreseinkommen von Haushalten liegt gerade mal bei $95 000. Eine Umverteilung von unten nach oben, mit Unterstützung der selbsterklärten demokratischen Sozialisten.
Nicht verwunderlich also, dass Jim Messina, ehemaliger Obama Campaign Manager, sich auf Twitter negativ über Ocasio-Cortez auslässt – und sich nicht zurückhält. Messina kritisiert ihre „progressiven“ Vorstöße besonders in den kommenden Primaries wörtlich als „dumme Scheiße“. Demgegenüber steht ein Kommentar im Politmagazin „The Hill“, laut dem Ocasio-Cortez die vermeintlich besten Chancen gegen Trump in 2024 hätte. Der Ex-Präsident dürfte sich ins Fäustchen lachen, wenn er solche Beiträge liest – selbst gegen Hillary Clinton hatte er es nicht so leicht, wie er es gegen die Lifestyle-Sozialisten AOC hätte.
Von Boris Cherny | Das Hollywood der letzten Jahre ist für seine Neigung zur politischen Korrektheit und linker Identitätspolitik bekannt. Keine Preisverleihung vergeht, ohne eine Rede, in der uns ein Schauspieler mit Sektglas in der Hand auffordert, dem Klima zuliebe weniger zu konsumieren. Ein Monat, in dem nicht einem Regisseur oder Darsteller entweder Rassismus, Transphobie, Sexismus oder alles gleichzeitig vorgeworfen wird, ist zur Seltenheit geworden. Außerdem kommt kaum noch ein Film ohne politische Agenda aus. Die meisten solcher Streifen gehen vor dem Publikum gnadenlos unter, doch das scheint bisher den Studios und Drehbuchautoren herzlich egal gewesen zu sein.
Doch nun ist es nach dem jahrelangen Trend von woken Filmen zur Katastrophe gekommen. Der fast fertiggestellte woke Superheldenfilm „Batgirl“ wird gar nicht erst erscheinen, wie das Studio Warner Bros. am 2. August bekannt gab. Der Film sollte auf der Streamingplattform von Warner Bros. HBO Max erscheinen. Einen gedrehten Film noch vor Streaming-Start zu verwerfen, ist eine äußerst drastische und seltene Entscheidung, die für Hollywood-Studios einem Super-Gau gleichkommt.
Batgirl sollte von einer Latina gespielt werden
Die Bibliothekarin Barbara Gordon alias Batgirl ist, wie der Name schon verrät, eine Heldin im Fledermauskostüm aus der Welt der Superhelden von DC. Bisher überwiegend in der Rolle als Helferin von Batman bekannt, sollte sie endlich einen eigenen Blockbuster bekommen. Selbstverständlich konnte der Film über diese feministische Ikone nicht ohne eine ordentliche Portion Diversität auskommen. Batgirls beste Freundin ist transsexuell und die Superheldin selbst wird von der Latino Schauspielerin Leslie Grace verkörpert. Auch wenn sonst nicht viel über die Story bekannt ist, kann man sich eines Films voll von politischer Korrektheit sicher sein, vor allem wenn man den Ergebnissen der Probevorführungen des Films Glauben schenken darf. Denn neben einer allgemein unterirdischen Qualität soll der Film für die Testaudienzen hauptsächlich viel zu politisch gewesen sein. Zwar bestreitet Warner Bros., dass der Film aufgrund seiner Qualität nicht erscheint, gleichzeitig beteuert CEO David Zaslav jedoch, man bringe keinen Film heraus, an den man nicht glaube. Die genaue Bedeutung dieses Satzes ist unklar, doch einen Film mit einem 90 Millionen Dollar Budget zu verwerfen, ohne dass es einen Mangel an Qualität gibt, wäre eine wirtschaftlich nur bedingt sinnvolle Entscheidung von Warner Bros. Gewesen – insbesondere da schon die letzten DC Filme floppten und Warner Bros. einen Erfolg mit dem Franchise dringend braucht.
Rassismusvorwürfe gegen Warner Bros
Der erwartete Aufschrei der englischsprachigen Mainstream-Presse kam sofort. NBC betitelte die Aufgabe des Films als „unvernünftigen Schlag für diverse DC Comic Fans“ und brachte das Fiasko mit vermeintlichem Rassismus und Sexismus des Managements von DC und Warner Bros. in Verbindung. Auch in einer Online-Kolumne des Film-Magazins „Variety“ wurde Warner Bros. Entscheidung kritisiert und dem Studio vorgeworfen, aufgrund von Rassismus nicht an Latinos und ihre filmischen Geschichten zu glauben. Dass Zuschauer möglicherweise nicht den tausendsten Film durchtränkt von Themen wie Feminismus, Rassismus und Homophobie sehen wollen könnten, und das unabhängig von der Hautfarbe der Schauspieler, kam den Journalisten nicht in den Kopf.
Die Rassismusvorwürfe können allerdings nicht über das Ergebnis hinwegtäuschen: Erstmals ist ein woker Hollywood Film nicht erst in den Kinos gescheitert, sondern bereits vor der Veröffentlichung. Das Ereignis lässt ein Umdenken in der Branche erhoffen, sodass wir vielleicht öfter die positiven Beispiele von alter unpolitischer Unterhaltung, beispielsweise „Top Gun: Maverick“ zu sehen bekommen.
Am 15. August 2022 jährte sich der Fall von Kabul von 2021 zum ersten Mal, Apollo bringt daher diese Woche eine Artikelserie zum Rückblick auf die Geschehnisse von damals und ihren Konsequenzen.
Von Simon Ben Schumann | Für radikale Islamisten ist „Rechtsstaatlichkeit“ ein Fremdwort. Afghanistan – hin und hergerissen zwischen Modernisierung und Fundamentalismus – bekommt das jetzt zu spüren. Aber was bedeutet das konkret?
Letzten Sommer übernahmen die Taliban die Staatsgewalt in Afghanistan. Es ist nicht das erste Mal: Im Jahr 1997, während des afghanischen Bürgerkrieges, konnte die Terrorgruppe ihre Vorstellungen schon einmal in die Tat umsetzen. Damals proklamierten die selbsternannten „Gotteskämpfer“ das Islamische Emirat Afghanistan, das bis 2001 an der Macht blieb. Die Folgen waren verheerend.
So fand kurz vor der Jahrtausendwende ein beispielloser Abbau der Frauenrechte statt. Sie wurden damals in die „Sklaverei light“ geschickt. Weibliche Berufstätige wurden entlassen und teilweise mit einer minimalen Abfindung ausgestattet; sie sollten fortan von männlichen Verwandten abhängig sein. Ärztinnen durften nicht mehr praktizieren. Männlichen Ärzten wurde derweil verboten, sich um weibliche Patienten zu kümmern. Die Folge war eine medizinische Krise und vermeidbare Todesfälle.
Alle Frauen mussten in der Öffentlichkeit eine Burka tragen – die vollständigste Form der Verschleierung. Fenster von Häusern sollten in den ersten zwei Stockwerken verbarrikadiert oder abgeschirmt werden, damit vorbeigehende Männer die Hausfrauen nicht zufällig sehen konnten. Und das ist nur eine Auswahl der damals herrschenden Gesetze. Kritik an der Religion oder am Regiment der Taliban waren natürlich tabu. Sogar das Kino und unreligiöse Musik wurden verboten. Stattdessen stand die taliban’sche Islam-Interpretation an erster Stelle.
Wie sieht es heute aus?
Ein Pressesprecher der Taliban (ja, die gibt es wirklich), sagte ZDF-Journalisten in Bezug auf Frauenrechte: „Sie haben auch das Recht auf Bildung, solange gesichert ist, dass sie den islamischen Hijab tragen.“ Das steht im Widerspruch zum Fundamentalismus der Terrorgruppe.
Nun wollen die Taliban eine erneute Isolation auf der Weltbühne vermeiden und geben deswegen die Pragmatiker. Tatsächlich werden auch jetzt Frauenrechte beschränkt und Minderheiten diskriminiert. Grundrechte werden längst nicht mehr gewahrt, obwohl die Taliban sich öffentlich zu diesen bekannten.
Friedliche Proteste sind offiziell verboten und werden mit Gewalt verhindert. Frauen werden gesellschaftlich stark benachteiligt. Willkürjustiz, Folter und andere Formen der Rechtslosigkeit sind an der Tagesordnung. Es gibt Hinrichtungen im Schnellverfahren oder außergerichtliche Morde an Regimegegnern. Zusammengefasst: Die Taliban versuchen ihren neuen Staat als legitimen Rechtsnachfolger der Islamischen Republik Afghanistan zu etablieren.
Dafür fahren sie die Strategie, ihre menschenverachtende Ideologie mit schönen Worten zu tarnen. Daher ist äußerste Kritik angebracht, wenn Vertreter des neuen Regimes ihre „Werte“ in die Öffentlichkeit tragen wollen.
Von Selma Green | Tief atmete ich die frische Meeresluft ein. Ich lag in der Sonne am Strand und genoss den Urlaub – da fiel mir auf, dass ich Corona vollständig vergessen hatte. Drei ganze Wochen meiner Sommerferien durfte ich auf Mallorca verbringen. Abends takelte ich mich endlich wieder auf und schlenderte durch die engen Straßen. Mir gefiel der Anblick von den Spielplätzen, die wieder von Kleinkindern überfüllt waren und den Menschen, die wieder in Massen auf den Straßen unterwegs waren. In Spanien ist Corona genauso wichtig, wie ein Sack Reis, der in China umfällt. Es gibt noch nicht mal mehr eine Quarantänepflicht.
Und doch fühlte es sich falsch an, wenn ich mich durch eine Menschenmenge quetschte oder die prallvollen Clubs und Bars sah. Ungewollt dachte ich immer daran, wie schnell sich Corona dort wohl ausbreiten würde. Der ganze Corona-Irrsinn hatte sich in meinem Kopf festgesetzt wie eine Zecke im Fleisch.
Ich finde es selber blödsinnig – doch mir fiel auf, dass ich mir nicht mehr sicher bin, wie nah man einer fremden Person eigentlich kommen sollte auf der Straße oder beim Einkaufen. Wenn ich ins Wasser gegangen bin, habe ich immer große Bögen um andere Menschen gemacht. Im Nachhinein hatte ich plötzlich Angst, dass ich einer Person vielleicht viel zu nah gekommen war. Fast wusste ich auch nicht mehr, was ich mit meinem Mund machen soll – sonst war da ja immer eine Maske.
Inzwischen soll es ja Kindergartenkinder geben, die Gesichter nur noch mit Maske malen. Und es gibt offenbar Kinder und Jugendliche, die panische Angst davor haben, ihr Gesicht nicht hinter einer Maske verbergen zu können.
Die Menschen in Spanien bekommen es offenbar ganz gut hin, mit dem Virus zu leben. Wie sie sich dabei fühlen, ob sie auch von solch bescheuerten Gedanken gequält werden – wer weiß. Jedenfalls interessiert es in Spanien keine Sau, ob man geimpft, genesen oder getestet ist. Ich konnte es zuerst kaum glauben, doch den Infizierten in Spanien ist es tatsächlich erlaubt, sich frei zu bewegen. Den Kranken ist es überlassen, wen sie treffen und wohin sie gehen, solange sie dabei eine Maske tragen. Sie dürfen sogar arbeiten gehen.
Tja, und in Deutschland? Da gurkt man mit einem neuen Entwurf des Infektionsschutzgesetzes herum, das ein Labyrinth aus Corona-Maßnahmen zu sein scheint. Darin sind Hirngespinste festgehalten, die man längst für vergessen hielt – wie Testungen und Maskenpflicht in Schulen von Oktober bis Ostern und die Privilegien von Frischgenesenen und -geimpften, die in Zukunft auf der Tagesordnung stehen sollen. Die Maskenpflicht soll wieder zum Alltag gehören und Geimpfte gelten nur dann als geimpft, wenn sie die Impfung innerhalb der letzten drei Monate erhalten haben.
Auf Mallorca konnte ich endlich mal wieder aufatmen, mich entspannen und mich mehr und mehr von inneren Beschränkungen befreien. Jetzt bin ich gerade mal seit 2 Wochen zurück in Deutschland, und schon steht ein neues Infektionsschutzgesetz auf der Matte.
Mir graut davor, in der Schule wieder eine Maske tragen zu müssen, dass der ganze Irrsinn wieder von vorne beginnt.
Von Jonas Kürsch | Als ich bei meiner ersten Post-Corona-Reise nach Athen reisen und mit absoluter Begeisterung erstmalig die Akropolis besuchen durfte, musste ich voller Erschrecken feststellen, dass Deutschland sich nach der Pandemie in einem wesentlich desolateren Zustand befindet als viele seiner Nachbarn. Denn das deutsche Kulturgefühl und die deutsche Freude am Leben sind, vor allem im Kontrast zu vielen anderen Ländern Europas, fast gänzlich verloren gegangen.
Die Ästhetik des Alltags
Schon auf den ersten Blick war ich von der Akropolis schwer fasziniert. Besonders ihre viel gepriesene Ästhetik beeindruckte mich zutiefst. Doch anders als die meisten Menschen verbinde ich mit der Akropolis nicht nur die Geschichte des antiken Griechenlands: für mich ist das Monument auch auf sehr skurrile Art und Weise mit Deutschland und unserer jüngeren Geschichte verbunden. Denn wann immer jemand die Akropolis auch nur zu erwähnen gedenkt, habe ich sogleich die legendäre Anfangssequenz des weltberühmten deutschen Films „Olympia – Fest der Völker“ vor Augen, der während der olympischen Spiele in Berlin 1936 von der umstrittenen Filmemacherin Leni Riefenstahl gedreht wurde.
In Anlehnung an die antiken olympischen Spiele eröffnet Riefenstahl ihren Kunstfilm mit einigen imposanten Aufnahmen der Athener Ruine. Sie zeigt die hohen Säulen der Akropolis und blendet dazu die idealisierten Statuen von griechischen Götzenbildern über das alte Bauwerk ein. Die Statuen verwandeln sich dann im Übergang von der einen auf die andere Szene mit damals völlig unvergleichbaren Effekten in die Berliner Olympiaathleten, die in statischen Sportlerposen beim Diskuswerfen oder Hochsprung verewigt wurden.
Die dargestellten Motive bilden einen hochinteressanten und in vielerlei Hinsicht auch heute noch aktuellen Kontrast zwischen dem deutschen Wunsch- und Selbstbild einer romantischen Alltagsästhetik sowie der erschütternden Realität des Landes. Schon damals, in dieser grässlichsten Zeit der Deutschen, schien der Wunsch nach körperlicher, geistiger und kultureller Schönheit größer zu sein als je zuvor. Dieses Schönheitsverständnis entspringt der römisch-griechischen Lebensphilosophie und ist eine starke Inspiration für die Renaissance gewesen. Die Deutschen haben diese Werte vollständig aus dem Auge verloren und widmen sich heute eher plakativer Pseudomoral anstelle von wirklich ästhetischen Dingen.
Die Innenstadt Athens wirkte durch die Wirtschafts- und Finanzkrisen der vergangenen Jahre schwer angeschlagen, das möchte ich hier nicht unerwähnt lassen. Viele Geschäfte stehen leer und auch die deutlichen Auswüchse der steigenden Obdachlosigkeit zeigen sich auf den Straßen (obgleich auch nicht in einer derartig drastischen Entwicklung, wie ich sie im Ruhrgebiet wahrnehmen muss). Dennoch merkt man den Griechen eine gewisse Leichtigkeit und Lebenslust an, die in Deutschland völlig verloren gegangen ist. Hier ist es noch möglich in lachende, ausdrucksstarke Gesichter zu blicken, während die Deutschen immer grauer und immer erschöpfter aussehen.
Man erkennt bei vielen Südländern – also auch den Italienern und Spaniern – eine grundsätzliche und ehrliche Verehrung ihrer Kultur und ihres eigenen Lebensstils, die ich als unglaublich befreiend empfinde. Die Menschen gehen mit großem Selbstbewusstsein und einer tiefen Verbundenheit zu ihrer freiheitlich und westlich geprägten Identität an die Herausforderungen des Alltags. Diese Selbstachtung schafft ein ästhetisches und harmonisches Gesamtbild, das selbst den Dreck in manchen Athener Stadtbezirken charmanter erscheinen lässt als den von resignierten Junkies okkupierten Theaterplatz meiner Krefelder Heimatstadt.
Rebellionswille als nationales Kulturgut
Im Anschluss an meinen Griechenlandbesuch konnte ich noch für einige Tage nach London reisen und dort die aufgeklärte, demokratische Kultur Großbritanniens genießen. Es ist nicht schwer festzustellen, dass den Engländern die Rebellion einfach in die Wiege gelegt zu sein scheint. Ganz egal, wo man hinschaut, die Briten behalten sich auch in Tagen von Black Lives Matter und anderen PC-Bewegungen ihr Recht vor, ihren altbekannten politisch inkorrekten Humor auszuleben. Hier kann man sich noch immer an dem legendären Kultmusical „The Rocky Horror Show“ erfreuen, in dem ein transsexueller, außerirdischer Wissenschaftler mit mörderischem Größenwahn an der Schöpfung des perfekten Liebhabers arbeitet, ohne einen Vortragder grünen Genderlobby über die „Diskriminierung der LGBTQI*+-Community“ befürchten zu müssen. Hier ist es noch möglich, den einfachen und ungezwungenen Menschen in England dabei zuzuhören, wie sie Liz Truss, die freiheitliche und stark von Margaret Thatcher inspirierte Anwärterin auf das Amt des konservativen Parteivorsitzes, für ihre zentrale Forderung nach großen Steuersenkungen sowie ihren Plan zur konsequenten Bekämpfung illegaler Immigration lautstark loben, ohne dabei von grünen Social-Justice-Warriors in aller Öffentlichkeit als Nazi diffamiert zu werden.
Großbritannien beweist mir auch in diesem Jahr wieder, dass es der europäische Nukleus für kulturelle Freiheit und demokratische Debattenführung ist. Das spiegelt sich gerade auch am West End wieder: in diesem Sommer kehrte das russische Theaterstück „Die Möwe“ von Anton Tschechow auf die Bühnen der britischen Hauptstadt zurück. Eine linksliberale Scheindebatte darüber, ob es ethisch vertretbar sei, russisches Kulturgut in Zeiten des Ukrainekriegs der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, gab es hier nicht. Stattdessen erfreute man sich einfach an der hohen Schreibkunst Tschechows.
Man kann durchaus sagen, dass London und die Briten in vielerlei Hinsicht das erreicht haben, was die Deutschen immer wieder vorgeben zu sein: es ist ein Ort von wahrhaftiger künstlerischer, politischer, gesellschaftlicher und kultureller Vielfalt. Anders als Berlin oder Köln müssen die Briten sich dabei aber nicht hinter einer ideologisch-woken und heuchlerischen Regenbogenmentalität verstecken. Den Briten ist die schöpferische Kreativität während der Coronazeit nämlich keineswegs abhanden gekommen.
Mit einem erfrischenden Willen zur Rebellion und einem ebenso großen Respekt vor der eigenen Kultur, wie die Südeuropäer ihn an den Tag legen, haben die Bürger des vereinigten Königreichs schon so manche geschichtsträchtige Krise gut überwunden. Bei den Deutschen hingegen zeigt sich im Antlitz des langsam wieder zurückkehrenden Coronawahns immer mehr, dass der preußische Philosoph Friedrich Nietzsche mit seinem harten Urteil über die eigenen Landsleute nicht ganz falsch lag: der Deutsche wäre der beste Hegelianer, selbst wenn es Hegel nie gegeben hätte. Will heißen: die Deutschen würden die Selbstunterdrückung selbst dann wählen, wenn es niemanden gäbe, der sie unterdrücken könnte.
Die Deutschen müssen ihr kulturelles Selbstverständnis verändern
Meine langersehnten Reisen in diesem Sommer haben das bestätigt, was ich ohnehin schon lange vermutet habe: die Deutschen zerstören mit ihrem Kurs der kulturellen Selbstgeißelung und Selbstvernichtung die eigene Lebensfreude. Wenn die Politik die Verachtung unserer eigenen Werte sowie die Ablehnung unserer eigenen Kultur weiterhin als neue deutsche Tugend verklärt, wird Deutschland auf einen Pfad der absoluten Identitätslosigkeit geführt, der unserem Land massiv schadet. Es kann nicht sein, dass wir eine Bundestagsvizepräsidentin Özoguz (SPD) dulden, die in der Vergangenheit mehrmals behauptete, es gebe neben der Sprache keine nennenswerten deutschen Kulturbeiträge. Und es darf nicht akzeptiert werden, dass das Amt der Innenministerin von einer Dame bekleidet wird (ebenfalls von der SPD), die den Heimatbegriff erst positiv umdeuten lassen muss, um damit überhaupt etwas anfangen zu können. Gleiches gilt für einen Wirtschaftsminister Habeck (B’90/Die Grünen), der Vaterlandsliebe stets „zum Kotzen“ fand.
Mit dieser nihilistischen Geisteshaltung wird man lebensfrohe Staatsbürger ins Ausland vertreiben. Schon jetzt werden immer mehr Leistungsträger zu Flüchtlingen der deutschen „Transformationspolitik“ unserer kulturfremden Ampelregierung. Ich befürchte, dass sich dieser Trend in den nächsten Jahren noch weiter verschärfen und Deutschland letztlich an seine sozialen und wirtschaftspolitischen Kapazitätsgrenzen führen wird. Gerade auch in meiner Generation entwickelt sich eine zunehmende Abneigung gegen die deutsche Identität, die ihren Ursprung nicht etwa in der Ablehnung unserer deutschen Literatur, Musik, Kunst, Philosophie oder Geschichte findet, sondern in einer frustrierten Enttäuschung über den politischen und kulturellen Totalitarismus, der unser Land in seinen Bann gezogen hat.
Gut beschrieben wurden diese Entwicklungen bereits im August 2019 durch den chinesischen Dissidenten und Performance-Künstler Ai Weiwei, der seinen Exilwohnsitz von Berlin nach London verlegte und die deutsche Mentalität mit der chinesischen Autoritätshörigkeit verglich: „Es ist eine Kultur, die offen sein möchte, aber vor allem sich selbst beschützt. (…) Es gibt kaum Raum für offene Debatten, kaum Respekt für abweichende Stimmen.“ Dieses Zitat stammt wohlgemerkt aus einer Zeit, in der das Coronavirus noch gar nicht existierte. Schon damals sah er in Deutschland ein Land, dessen nationale Psyche „intolerant, bigott und autoritär“ (seine Worte, nicht meine!) geprägt sei. Den Deutschen gefalle, so Weiwei, die Bequemlichkeit der Unterdrückung so gut, wie noch nie zuvor. Vor allem zum Schutz seines jungen Sohnes, den er nicht in einer Gesellschaft des neuaufkeimenden „Nazismus“ aufwachsen sehen wollte, kehrte Weiwei unserem Land den Rücken.
Die Deutschen empörten sich über diese Aussagen und die heiß geliebten „unabhängigen Faktenchecker“ widerlegten prompt die Stellungnahme des Künstlers mit altdeutscher Effizienz, aber eine echte, gesellschaftliche Debatte gab es über dieses tiefsitzende Problem nicht – wer würde es schon wagen, das eigene Selbstbild des „besten Deutschlands, das es jemals gab“ infrage zu stellen?
Daher wird es Zeit, dass wir jetzt eine breite, öffentliche Diskussion über die kulturelle Selbstwahrnehmung in unserem Land führen: denn kein Mensch kann in der Lage sein, das eigene Heimatland zu lieben, wenn es sich selbst im Kern so sehr verachtet!
„Ein Mensch, der sich selbst nicht achtet, kann auch nichts und niemanden anderes achten.“ – Ayn Rand
Von Laura Werz | Der Senegal gilt als demokratisches Vorbild Westafrikas. Seit der Unabhängigkeit 1960 gab es friedliche Machtwechsel demokratisch gewählter Regierungen. Ganz zum Kontrast der Nachbarländer, wie Guinea, Gambia oder der Elfenbeinküste, in welchen Präsidenten zum Machterhalt die Verfassungen veränderten oder sich über sie hinwegsetzten. Im März 2021 erlebte der Senegal jedoch, so sagen Beobachter, die schwersten Unruhen in seiner Geschichte. Tagelang gingen Zehntausende Menschen überall im Land auf die Straßen, um gegen die Festnahme des Oppositionspolitikers Ousmane Sonko zu protestieren.
Nun wurde am 31. Juli 2022 im Senegal ein neues Parlament gewählt. Für die Regierung gab es immer stärkeren Gegenwind – trotz des Wirtschaftswachstums im Land. Der Wahl gingen heftige Spekulationen voraus, da Kritiker dem seit 2015 amtierenden Präsidenten Macky Sall der sozialliberalen Koalition vorwarfen, entgegen der Verfassung für eine dritte Amtszeit im Jahr 2024 kandidieren zu wollen. Die Vorwürfe rühren daher, dass sich Sall bislang diesbezüglich nicht klar geäußert hat und Parteifreunde öffentlich sogar diese Möglichkeit angedeutet haben. Diese Diskussion hat den politischen Diskurs maßgeblich mitbestimmt. Sie war höchstwahrscheinlich ausschlaggebend für den Verlust der absoluten Mehrheit des Regierungslagers.
Nach den vorläufigen Ergebnissen der Wahl, die noch offiziell bestätigt werden müssen, hat die sozialliberale Regierungskoalition „Benno-Bokk-Yaakar“ (BBY) 43 der 165 Sitze verloren und kommt nun auf 82 Sitze. Der Verlust der absoluten Mehrheit stellt ein historisches Ergebnis dar: Es ist das erste Mal seit 1960, dass die Regierungskoalition nicht mehr die absolute Mehrheit innehat. Das größte Oppositionsbündnis „Yewwi – Wallu“ gewann 80 Sitze. Dabei handelt es sich um eine Wahlkoalition, die selbst aus zwei großen politischen Koalitionen besteht, sodass sie in der nationalen Presse auch als „Inter-Koalition“ bezeichnet wird. Besonders junge Menschen stärken die eher links geprägte Opposition. Mehr als ein Dritter der senegalesischen Bevölkerung ist jünger als 18 Jahre, dementsprechend noch nicht wahlberechtigt und doch potenzieller zukünftiger Wähler der Opposition. Die Oppositionskoalition umfasst auch die PASTEF-Partei des Oppositionsführers Ousmane Sonko, der Korruption und Vetternwirtschaft der Regierung kritisiert, sowie auch die Nationalpopulisten einer gegen Frankreich gerichteten Bewegung „France dégage“ (Frankreich hau ab). Außerdem findet sich in der Koalition eine der ältesten liberalen Partien Afrikas, die 1974 gegründete „Parti Democratique Senegalais“ (PDS). Dazu kommen noch mehrere bürgerliche Parteien. Ousmane Sonko ist heute der Hoffnungsträger vieler junger Senegalesen. Daran ändern auch Vergewaltigungsvorwürfe von Seiten der Regierung nichts, welche von seinen Anhängern als politisches Komplott gewertet werden.
Die Opposition rief vor der Wahl landesweit zu Demonstrationen gegen die Zurückdrängung der Demokratie auf. Es gab schon vor der Parlamentswahl heftige Kritik an der bevorstehenden Wahl. So wurden die Regelungen zu den Unterstützungsunterschriften, Verstöße, gegen die paritätisch zu besetzenden Wahllisten und die Fristen für die Einreichung der Kandidaturen kritisiert. Ousmane Sonko wollte die Wahl dementsprechend vorerst nicht akzeptieren. Er forderte den Vorsitzenden der Nationalversammlung auf, die Stimmauszählung zu pausieren, um Unregelmäßigkeiten überprüfen zu können. Die Opposition behauptete, dass es von der Regierungskoalition vorgefertigte Protokolle ohne Unterschrift gäbe. Es war von einem massiven Betrug, der nicht weniger als 200.000 Stimmen betreffe, die Rede. Der französische Präsident Emmanuel Macron bezeichnete die Wahlen hingegen als „friedlich und transparent“.
Das Oppositionsbündnis hat bereits Einspruch gegen das vorläufige Wahlergebnis eingelegt. Nichtsdestotrotz wertet man das Ergebnis dort bereits jetzt als „historischen Erfolg“. Es ging der Opposition insbesondere darum, dem Regierungslager eine Kohabitation (eine Zusammenarbeit des Präsidenten mit einer Regierung einer anderen politischen Richtung, wie derzeit in Frankreich), wie es sie im Senegal noch nie gab, aufzuzwingen. Mit einem starken Ergebnis wollten sie eine erneute Kandidatur Salls im Jahr 2024 verhindern. Der Verfassungsrechtler Ngouda Mboup von der staatlichen Universität Cheikh Anta Diop in Dakar hat sich diesbezüglich wie folgt geäußert: „Die Frage nach einer dritten Amtszeit von Sall ist vom Volk bereits bei dieser Wahl definitiv geregelt worden. Mit diesem Wahlergebnis und mit den Kräfteverhältnissen im neuen Parlament hat er keine Möglichkeit mehr, die Verfassung entsprechend für ein drittes Mandat zu ändern“
Die sonst relativ stabile, senegalesische Demokratie wackelt – das ist auch für Deutschland eine schlechte Nachricht. Denn wenn es nach Bundeskanzler Olaf Scholz geht, soll der Senegal bald eine wichtige Rolle für Deutschlands Energieversorgung spielen. Ab Herbst 2023 will das westafrikanische Land Flüssiggas exportieren – unter anderem nach Europa. So will Scholz zumindest einen Teil der Lücke füllen, die durch das fehlende Gas aus Russland entstanden ist. Im Mai besuchte der Bundeskanzler das Land und beschwor die Energiepartnerschaft – Instabilität im Land wäre da mehr als unpassend. Auch über Gas hinaus ist der Senegal Kooperationspartner Europas, etwa in Sicherheitsfragen.
Von Luca Tannek | Anscheinend existieren im Hochsteuerland Deutschland noch nicht genügend Steuern. Das könnte man annehmen, wenn man die Diskussion über die sogenannte Übergewinnsteuer verfolgt. Politiker, Journalisten und Ökonomen streiten nämlich derzeit darüber, ob der Staat Unternehmen mit sehr hohen Gewinnen eine zusätzliche Steuer aufdrücken soll. Bundeskanzler Olaf Scholz und Finanzminister Christian Lindner lehnen die neue Steuer bisher ab. Von den Anhängern einer solchen Steuer heißt es, vereinzelte Firmen (vor allem aus der Ölindustrie) würden durch den Krieg zu Krisengewinnern und profitierten angeblich vom Ukrainekrieg, während Haushalte die hohen Energiepreisen spüren.
Das Hauptargument von Linken und Grünen lautet: wenn der Staat eine Übergewinnsteuer einführt, könnte er diese Übergewinne an Haushalte umverteilen, die von den hohen Energiepreisen stark betroffen sind. Anstatt auf die Idee zu kommen, einfach die Mehrwertsteuer, Energiesteuer, CO2-Steuer und Mineralölsteuer auf Sprit gänzlich abzuschaffen und somit ein schnelles und wirksames Mittel gegen die hohe finanzielle Belastung der Bürger wirken lässt, möchten Grüne und Linke lieber ihren Umverteilungsfetischismus ausleben. Ebenso spricht niemand darüber, dass sich der Preis pro Kilowattstunde Strom aus rund 40% Steuern und Abgaben zusammensetzt. Die Abschaffung von indirekten Steuern wäre wohl zu einfach. Da müsste der Staat ja abspecken und der macht bekanntlich ungern eine Diät.
Neben der Abschaffung von indirekten Steuern auf Energie, könnten politische Verantwortliche die OPEC dazu auffordern, dass sie ihre Fördermenge wieder erhöht. Das Öl-Kartell hat sein Volumen seit geraumer Zeit minimiert und sorgt somit für Knappheit, die (neben der Geldemengenerhöhung der EZB) für hohe Preise sorgt. Ein höheres Angebot würde den Preis auf Erdöl senken. Entlastungen gehen auch marktwirtschaftlich.
Was ist überhaupt ein „Übergewinn“?
Und überhaupt stellt sich eine wichtige Frage für die Befürworter der Übergewinnsteuer: Was ist denn ein Übergewinn? Tja, so genau können die Damen und Herren von SPD, Grüne und Linke das nicht beantworten. Es liegen keine konkreten Zahlen vor. Aktuell gibt es keinen Vorschlag, wie sich ein Übergewinn definiert. Laut Tagesschau ist der wissenschaftliche Dienst des Bundestags bereits dabei, sich eine Hokuspokus-Formel für die neue Steuer zu überlegen. Man kann sich nur fragen, wie dieser Entwurf genau am Ende aussehen soll. In der gesamten Betriebswirtschaftslehre gibt es nämlich keine Übergewinne – nur Gewinne. Und ein Gewinn resultiert ganz einfach dann, wenn ein Unternehmen höhere Erlöse als Kosten hat.
Interessant ist auch, dass – im Gegensatz zu Ölunternehmen – eine sogenannte „Übergewinnsteuer“ bei Pharmaunternehmen nie gefordert wurde. Dabei hat beispielsweise BioNTech im Jahr 2021 einen Gewinn von ca. 50% generiert. Dieser Gewinn konnte nur durch den Steuerzahler generiert werden, da die die EU sämtliche Impfdosen einkaufte. Anschließend wurden Bürger genötigt, eine Impfung in Anspruch zu nehmen. Solche staatlichen Methoden, um privaten Unternehmen hohe Gewinne zu beschaffen, sind für Linke und Grüne wohl in Ordnung. Aber wenn es Ölunternehmen gelingt, höhere Gewinne zu erzielen -und das ohne staatliche Gelder oder Repression der Bürger- schrillen die Alarmglocken.
Da es keinen Übergewinn gibt, sollte die Idee auch schnell wieder begraben werden. Wenn Entlastungen, dann bitte durch marktwirtschaftliche Methoden und keinen sozialistischen Humbug, der am Ende nur Unternehmen schwächt und darauf abzielt, den Staat unnötig fetter werden zu lassen.
Am 15. August 2022 jährt sich der Fall von Kabul von 2021 zum ersten Mal, Apollo bringt daher diese Woche eine Artikelserie zum Rückblick auf die Geschehnisse von damals und ihren Konsequenzen.
Von Boris Cherny | Vor etwas mehr als einem Jahr war die Welt für Präsident Biden noch in Ordnung. Seine Umfragewerte waren durchaus komfortabel, und sowohl wirtschaftlich als auch außenpolitisch schien die USA wieder an Fahrt aufzunehmen. Das änderte sich jedoch abrupt als eine Stadt 11.000 km von Washington DC entfernt in die Hände radikaler Islamisten fiel.
Die Zeit vor August 2021 kann man für Joe Biden als durchaus erfolgreiche Zeit einordnen (zumindest was die Erfüllung von Wahlversprechen angeht, die Sinnhaftigkeit dieser ist fraglich). Sein American Rescue Plan, der die Wirtschaft, mithilfe von keynesianischen Methoden, wieder ankurbeln sollte, wurde vom Kongress verabschiedet. Der Impffortschritt gegen Covid-19 ging rasant voran. Joe Bidens Infrastrukturplan, eines seiner größten Wahlversprechen, war auf dem Weg durch den Senat. Corona schien besiegt, und viele Bundesstaaten lockerten ihre Regeln deutlich, sodass ein fast unbeschwerter Sommer möglich war.
Last but not least konnte er fast schon nebenbei den längsten Krieg in der amerikanischen Geschichte beenden, und das scheinbar mit einem Sieg. Die Taliban, die nun seit Jahren erfolglos versuchten die Macht an sich zu reißen, waren zu Friedensverhandlungen bereit, und die ersten Verträge waren unter Trump schon geschlossen. Alles schien so, als ob die islamischen Fundamentalisten nie wieder an die Macht in Afghanistan zurückkehren könnten. Ihre letzte Regierungszeit, geprägt von der blutigen Durchsetzung der Scharia und dem zerstörerischen Bürgerkrieg, endete mit der Besetzung des Landes durch die USA nach 9/11. Doch nun machte sich Biden es zum Ziel die amerikanischen Truppen bis zum zwanzigsten Jahrestag dieser Tragödie komplett aus Afghanistan abzuziehen, und die afghanische Regierung und Armee vollkommen auf sich selbst zu stellen.
Allerdings kam die Freude zu früh, sowohl Trump als auch Biden unterschätzten die Taliban und ihre Kompromisslosigkeit. Und nach einem August, indem Kabul der im Mai begonnenen Offensive der Taliban zum Opfer fiel, sanken Bidens Zustimmungswerte in den Keller. Das gravierende Missmanagement der Krise nach dem Fall der Hauptstadt eröffnete erstmals vielen Amerikanern die Inkompetenz der Biden Regierung.
Das Chaos am Flughafen von Kabul, die zurückgelassenen Menschen stehen sinnbildlich für das Scheitern einer Präsidentschaft. Erstmals wagte der linke Mainstream à la CNN und MSNBC die politischen Entscheidungen des Staatsoberhaupts infrage zu stellen und sogar zu kritisieren. Das öffnete auch den Raum für Kritik fernab der Außenpolitik. Und plötzlich fingen auch moderate Wähler an, sich an Bidens unzähligen verbalen Ausrutschern zu stören. Mit dem Fall von Kabul begann, zwar unabhängig von der Situation in Afghanistan, eine selbstverschuldete Leidenszeit für Joe Biden und seine Politik. Die verantwortungslosen Stimulationsmaßnahmen des American Rescue Plans und die desaströse Inkompetenz der amerikanischen Notenbank führten zu einer galoppierenden Inflation. Die unnötigen Lockdowns, um ein Virus zu bekämpfen, das in seiner aktuellen Variante fast seine ganze Tödlichkeit verloren hat, schadeten Mensch und Wirtschaft.
In den Novemberwahlen 2021, wo wichtige Gouverneurswahlen anstanden, mussten die Demokraten einige herbe Niederlagen mitnehmen, und nun blickt Biden in diesem November einer Wahl entgegen, die seine Demokraten höchstwahrscheinlich die Mehrheit in mindestens einer Kongresskammer kosten wird. Ob der Niedergang Joe Bidens zusammen mit dem Fall von Kabul hätte verhindert werden können, ist fraglich, doch markiert dieses Ereignis das vorzeitige Scheitern eines Präsidenten, der im Grunde optimale Bedingungen vom Vorgänger geerbt hatte: Eine sich erholende Wirtschaft, autokratische Staaten wie China und Russland unter Kontrolle und sich beruhigende innenpolitische Verhältnisse. Das alles wurde innerhalb vom letzten Jahr, nach dem Fall von Kabul verloren.