„Opposition ist Mist“ – Lieber Jamaika als Ampel!

Von Simon Rabold | „Opposition ist Mist. Lasst das die anderen machen – wir wollen regieren.“ Das sagte einst Franz Müntefering von der SPD. Lange ist es her, doch ist dieser Satz immer noch aktuell. Aktueller als Christian Lindners „Es ist besser nicht zu regieren, als falsch zu regieren“ sowieso. Und das gilt jetzt ganz besonders für die CDU. Sie steht vor der Wahl: entweder Jamaika, also eine Koalition mit den Grünen und der FDP oder die Oppositionsbank.

Zugegebenermaßen keine leichte Entscheidung. Die CDU muss sich dringend erneuern. Sie hat viele, einst sicher geglaubte Direktmandate verloren. Prominente Beispiele, die auch gegen den anhaltenden Linkskurs sind: Hans-Georg Maaßen, Sylvia Pantel, Saskia Ludwig. Aber auch hohe Parteifunktionäre haben ihr Direktmandat verloren: Julia Klöckner, Annegret Kramp-Karrenbauer, Peter Altmaier, …  Die Ironie des Schicksals: letztere sind durch die Landesliste abgesichert, ziehen also trotzdem in den neuen Bundestag ein und sind auch Teil der nächsten Unionsfraktion. Ergo: es sieht so aus, als ob der aktuelle Links- und Wischiwaschi-Kurs der Unionsfraktion weiter geht, wenn nicht sogar noch schlimmer wird.

Daher vertreten viele die „Oppositionstheorie“. Der Gedanke ist im Grundsatz der, dass die CDU einfach mal wieder nach 16 Jahren Merkel und Regierungsverantwortung lernen sollte, die Oppositionsbank zu drücken, dann würde sie sich erneuern. Das Problem, das die Befürworter dieser Theorie in meinen Augen verkennen, ist, dass es keinen Automatismus im Sinne von: Union in der Opposition = Erneuerung/Rechtsverschiebung der Union gibt. Gäbe es diesen, würde auch ich vier Jahre Ampel in Kauf nehmen. Es gibt ihn aber nun mal nicht und ich befürchte, dass eine CDU in der Opposition sogar noch linker wird. Wieso sollten die Parteioberen dann plötzlich merken, dass sie fast zwei Jahrzehnte lang die Union heruntergewirtschaftet und entkernt haben? Eher werden Klöckner, Spahn, Röttgen, AKK und Co. die (deutlich weniger!) zu besetzenden Posten in der Opposition unter sich aufteilen, aber gewiss kein Platz für neue oder konservativere Köpfe machen. 

Auch medial wird es die CDU/CSU noch schwerer haben, ist sie doch neben einer mit weniger als 5% unbedeutenden Linken und der AfD dann einzige Oppositionspartei. Sie wird sich permanent von der AfD abgrenzen und sich vorwerfen lassen, mit dieser zusammen gegen Gesetze zu stimmen. Klingt bescheuert, aber so tickt heutzutage leider der ÖRR.

Die Merkel-Wähler sind dann ohnehin bei der SPD, die mit Olaf Scholz im Grunde ja eine Merkel mit Halbglatze als Bundeskanzler stellen. Wenn die AfD geschickt ist, wird sie sich als echte Opposition verkaufen, professioneller auftreten und das konservative Vakuum ausfüllen. Also konservative, libertäre und marktwirtschaftliche Stimmen abgreifen. Wem die AfD zu rechts ist, der wählt FDP oder Freie Wähler. Im Endeffekt handelt es sich bei der CDU/CSU dann um eine SPD-Light, die in der Opposition zerrieben wird. Wie tief man fallen könnte, lässt ein Blick auf die jüngere Vergangenheit der SPD erahnen. 

All das kann Jamaika verhindern. Das wäre der FDP auch lieber, zudem kennen sich Laschet und Lindner bereits. Sicherlich muss man den Grünen Zugeständnisse machen, aber es ist das geringere Übel als vier Jahre lang eine Koalition aus SPD und Grünen mit gelben Sprenklern. Laschet als Kanzler ist zunächst keine glückliche Vorstellung, aber wohl immer noch besser als Scholz. Auch Kohl war am Anfang sehr unbeliebt, wer weiß welche Entwicklungskurve Laschetnehmen könnte. Und noch einen Vorteil hat Jamaika: Merz ist wieder in der Fraktion und wird als Wirtschaftsminister gehandelt, auch Linnemanns Einfluss wird steigen. Laschet kann Flügel einbinden und versöhnen, das hat er in NRW gezeigt. Schließlich sind mir selbst linke CDU’ler lieber an der Macht als Esken, Kühnert und Chebli. Um dies zu verhindern und sich zu erneuern, muss die CDU nicht in die Opposition gehen. Sie muss es einfach machen. Oder frei nach Müntefering: Lasst das die SPD machen – wir wollen regieren!


Lässt die FDP sich wieder mal über den Tisch ziehen?

Von Jonas Aston| Claus Kleber fielen im Heute-journal fast die Augen aus. Bei den Wählern unter 30 wurden die Grünen mit 22 %, wie zu erwarten, die stärkste Kraft. Direkt dahinter reihte sich jedoch die FDP mit 20 % des Stimmanteils ein. Was den GEZ-Großvater schockierte, war für viele unseres Alters keine große Überraschung. In der App „Jodel, eine App die zumeist von Studenten genutzt wird und in der man unter anderem anonym an Umfragen teilnehmen kann, zeichnete sich die Teilung in Grün und Gelb deutlich ab. Wenn die Frage „Wen wählst du?“ gestellt wurde, stimmten teilweise 40% aller Teilnehmer für die Grünen und 40% für die FDP ab. Die anderen Parteien konnten unter „Sonstige“ verbucht werden. In den Kommentaren wurde schnell deutlich, dass sich der Baerbock-Block und das Lindner-Lager unversöhnlich gegenüberstehen. Wechselseitig wurdensich Begriffe wie„Ökostalinist“ oder „neoliberales Arschloch“ um die Ohren gehauen.

Die FDP fährt in der Darstellung ein relatives Kontrastprogramm zu dem der Grünen. Gleichzeitig gilt sie nicht als ewiggestrig und ist gesellschaftlich einigermaßen akzeptiert – aber immer noch umstritten genug, um etwas Rebellisches auszustrahlen. Dass die Jugend sich ein solches Programm wünscht, ist keine große Überraschung. Auf YouTube erzielen Deutschraplieder mit Titeln wie „RS6“, „Huracan“ oder auch „Benz Diggi“ Millionenaufrufe. Glorifiziert werden also teure Autos und das ist mit einem grünen Weltbild leider so gar nicht vereinbar. Überhaupt scheint sich in der Deutschrapszene, der Libertarismus Bahn zu brechen. Auf dem Track „Die Straße lebt“ legt Rapper Gzuz dar, wie er einen großen Teil seiner eigentlich zu zahlenden Steuern „spart“. Das ist aber wieder ein anderes Thema.

Unter vielen Deutschen Streamern kommen die Grünen ebenfalls nicht gut weg. Der erfolgreichste deutsche Streamer „MontanaBlack“ bezeichnet die Grünen als „Schmutz“ und überlegt schon seit langem aus steuerlichen Gründen auszuwandern. Youtuber „justinveröffentlicht regelmäßig Videos mit dem Titel: „Ich habe mir ein neues Auto gekauft“ (alternativ: „Ich habe mir eine neue Uhr gekauft“). Er ist mit Sicherheit auch kein Fan von grünen Steuererhöhungsplänen.

Der Erfolg der FDP kann aber nicht nur auf die Youtube– und Deutschrapszene reduziert werden. Vielmehr haben junge Menschen das Thema Geldanlage für sich entdeckt. Seit dem Corona-Crash März letzten Jahres hat der Dax eine beispiellose Aufholjagd hingelegt und so viele unter 30-Jährige wie noch nie sind am Aktienmarkt investiert. Diese Gruppe konnte die FDP mit der Forderung nach einer Aktienrente für sich gewinnen. Hinzu kam das jugendliche Auftreten von Christian Lindner und die Schwerpunktsetzung in den Bereichen Bildung und Digitalisierung. Dass die Partei in der Corona-Politik eine vergleichsweisemoderate Linie fährt, hat ebenfalls nicht geschadet.

Die Hoffnung der Jugend nach Modernisierung und Freiheit wird die FDP jedoch nicht erfüllen.

Ausgerechnet mit den Grünen lotet man „Gemeinsamkeiten und Brücken über Trennendes aus“. Als Annalena Baerbock nach Schnittmengen zwischen Lindner, Habeck und ihr gefragt wurde, äußerte sie allen Ernstes, „wahrscheinlich essen wir alle drei gerne Eis“. Ein Vorgeschmack auf das Niveau der künftigen Bundesregierung. Hinzutreten wird – so sieht es zur Zeit aus – die SPD mit ihren stark repräsentierten Jusos. Die Verhandlungsposition der FDP ist dabei äußerst schlecht. Christian Lindner kann nicht schon wieder „Nein“ sagen. Außerdem will er unbedingt Finanzminister werden. Auch Kubicki wird nicht dazwischen grätschen. In einer Ampel könnte er sogar Bundestagspräsident werden.

Die FDP begeht faktisch Wählertäuschung. Gelockt wurden die Wähler mit dem Versprechen der Freiheit und bekommen nuneine Regierung der Selbstkasteiung. Claus Kleber kann also wieder beruhigt schlafen. Ändern wird sich durch die FDP nichts.


Die Union ist reif für die Insel – aber nicht für Jamaika

Von Sebastian Thormann | Nach 16 Jahren Regierung unter Merkel hat die Union das schlechteste Ergebnis aller Zeiten bei einer Bundestagswahl eingefahren. Das ist vor allem Konsequenz der inhaltlichen Entkernung der letzten Jahre: Man wollte alles mögliche für alle Wähler sein und steht am Ende für nichts. Seit Jahren sehnen sich daher die Konservativen in der Union einen Kurswechsel herbei, zeitweise verkörpert durch Friedrich Merz. So einen vielbeschworenen liberal-konservativen „Aufbruch“ oder „Neustart“ wird es aber nur in der Opposition geben.

Eine Ampel-Koalition ist unzweifelhaft ein Linksruck für das Land. Jamaika erscheint daher vielen daneben als das kleinere Übel, dort wären wenigstens noch einige CDU-Positionen vertreten.

Das an sich ist natürlich überzeugend, setzt aber eins voraus: Nämlich, dass es den führenden Akteuren an der CDU-Spitze aktuell primär um Inhalte und nicht um Macht geht. Und spätestens an der Stelle wäre es Zeit große Zweifel anzumelden. Viele scheinen nämlich mehr mit dem eigenen Macht- und Postenerhalt beschäftigt als damit CDU-Positionen in eine Regierungskoalition einzubringen. Das hat man in den vergangen Koalitionen bereits eindrucksvoll beobachten können – und da war die Partei noch in einer viel besseren Verhandlungsposition. Jamaika drohte daher zum völligen Ausverkauf der eigenen Positionen zu eskalieren, damit sich einige wenige noch Regierungsposten sichern können.

Vor der Bundestagswahl 2017 hatte die Union noch 49% aller Sitze im Bundestag, heute sind es 26%. Sie hat sich also mehr oder weniger halbiert. Aber ein Kurswechsel in der CDU fand nicht statt, es galt das bekannte „weiter so“. Alles nach dem Motto: „Lieber schlecht regieren als gar nicht regieren“ Das liegt auch an der Dynamik der Parteipolitik, in der man Fehler der eigenen Partei kaum eingestehen will. Selbst in diesem Wahlkampf verteidigte Armin Laschet noch die Flüchtlingspolitik von 2015. Und dabei ist da Thema nur eines von vielen Fehlentscheidungen, die die Union eingestehen müsste um einen überzeugenden inhaltlichen Neustart hinzulegen.

Nachdem sich die Unionsspitze nicht dazu aufrappelt die eigenen Fehler einzugestehen, bleibt nur eins: Lasst eben den politischen Gegner die Fehler machen. Alleine aus der Rolle der Opposition heraus wird die Union dann gezwungen sein sich neu zu positionieren und die linke Politik der Ampel-Koalition zu attackieren. Man müsste das erste Mal in anderthalb Jahrzehnten von Defensive auf Offensive schalten. Denn der Partei würde es gut tun wenn sie nicht weitere 4 Jahre gezwungen wäre, die Inhalte ihrer linken Koalitionspartner zu verteidigen, die es mit ins Regierungsprogramm geschafft haben. Auch eine personelle Neuaufstellung wird es viel eher in der Opposition als in der Regierung geben. Und auch die wäre dringend notwendig.

Denn es sollte nicht mehr darum gehen, wer auf welchen Posten überlebt, sondern welche CDU-Positionen überhaupt überleben. Die CDU muss jetzt aus der Rolle der Status-Quo-Partei raus und sich auf ihre alten Kernthemen zurückbesinnen. Und das geht nicht, wenn man sich wieder um jeden Preis am Kanzlersessel festklammert, statt der Realität ins Auge zu schauen.


E-Scooter – mehr Fluch als Segen

Von Gesche Javelin | Wie eine Invasion übernehmen die E-Scooter mittlerweile die Straßen der Städte. Überall stehen sie an den Straßenrändern, aber leider nicht nur da. Im Rhein wurden um die 500 E-Scooter gefunden, sie liegen auf Gehwegen, in Einfahrten, in den Stadtparks. Achtlos zur Seite geschmissen. Ganz nach dem Motto „gehört ja nicht mir, also ist es ja auch nicht meine Verantwortung“. Dass der Staat das bezahlt und somit auch wir, wird vergessen.

Der Nutzen für die Gesellschaft beziehungsweise für die Umwelt lässt auch zu wünschen übrig. Bei der Herstellung der Lithium-Akkus verschmutzen Chemikalien und Schwermetalle die Umwelt. Außerdem ist beim Kobaltbergbau bekannt, dass häufig Kinderarbeit und Ausbeutung stattfindet. Die Entsorgung der Lithium-Akkus ist sehr gefährlich, da die Akkus leicht entzündlich sind und sich schwer löschen lassen. Dies stellt nicht nur bei der Entsorgung ein Problem dar. Inzwischen sind schon mehrere Fälle von brennenden E-Scootern auch in privaten Haushalten bekannt.

Auch den Autoverkehr in der Stadt, den sie ersetzen sollen, behindern sie eher. Sie ersetzen meist die Fuß- und Fahrradstrecken. Immerhin bringen sie dadurch vielleicht einen kleinen wirtschaftlichen Nutzen: Ein paar Besuche mehr im Fitnessstudio, weil die Menschen noch nicht mal mehr den Weg von der Bushaltestelle zur Wohnung zu Fuß machen, das Krankenhaus hat ein paar mehr Patienten und auch die Polizei ist öfter im Einsatz. Die E-Scooter werden schnell im Straßenverkehr übersehen und in Fußgängerzonen gefahren, wo es eigentlich verboten ist.

Also ich fahre ich da lieber mein gutes altes Fahrrad, um wenigstens ein bisschen Bewegung zu bekommen. Das sieht auch nicht so albern aus, wie die erwachsenen Männer, die man aktuell auf Rollern durch die Stadt gurken sieht. 


Und, für wen gibt’s du dir den Pieks?

Von Sarah Victoria | Für die Singles, das Real-life oder doch die Schlager-Homies? Wer an dieser Stelle verwirrt ist: Die Rede ist natürlich von der Corona-Impfung.  „Ärmel hoch und impfen gehen! Für dich, für uns, für alle. “ heißt es in der Kampagne des bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege, die seit Juni in den sozialen Medien zu sehen ist. Seien es kurze Werbesports, in denen mehr oder weniger prominente Menschen für die Impfung werben, oder neue Memes über sogenannte Impfmuffel – das bayerische Gesundheitsministerium unter Klaus Holetschek hat keine Kosten und Mühen gescheut, die Zielimpfquote des Robert Koch Instituts von 85% zu erreichen. Bayern soll in der Pandemie schließlich weiterhin Vorreiter bleiben.  

Ein Wettbewerb von Ideen, das Vertrauen in jeden Einzelnen, vernünftige Entscheidungen zu treffen? Fehlanzeige. Stattdessen werden von Steuergeldern Werbekampagnen finanziert, die an kollektivistischen Beiklängen kaum zu überbieten sind. Impfen ist nun eine politische Mission. Für die Erhöhung der Impfquote werden Videos gedreht, Plakate aufgehangen oder gar Cocktails und Bratwürste verteilt. In den sozialen Medien, Clubs, auf dem Schulhof – die Impfkampagne ist überall. Die staatliche Bevormundung breitet sich immer weiter aus und versucht, die öffentliche Meinung zu steuern. Es sind Aussagen wie „Wir impfen Deutschland zurück in die Freiheit!“, jüngst getätigt vom Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, die einen freiheitlich denkenden Menschen stutzig werden lassen. Sollte Freiheit nicht ein Selbstverständnis sein und nicht als Anreiz verwendet werden?

Liberale Prinzipien wie individuelle Freiheit oder moralische Autonomie werden Stück für Stück umgangen und durch eine Vormundschaft politischer und gesellschaftlicher Institutionen ersetzt. Eigenständiges Denken ist fortan nicht mehr nötig, immerhin gibt es Ministerien und natürlich „die Wissenschaft“, die diese Aufgabe übernehmen. Die Willensbildung in liberalen Systemen dauert lange und politischen Entscheidungsträgern sind in vielerlei Hinsicht die Hände gebunden. Da erscheint es natürlich verlockend, diese Prinzipien unter dem Deckmantel des Allgemeinwohls zu umgehen. Das hat einen großen Vorteil für die Politik: Entscheidungen können viel schneller getroffen werden. Heute ist es noch die Corona-Impfung, morgen die Bekämpfung des Klimawandels. Warum warten, bis 85% der Bevölkerung davon überzeugt sind, sich impfen zu lassen, wenn man denselben Effekt auch mit Werbefilmen und Gruppendruck erreichen kann? Warum nicht gleich gegen den Klimawandel vorgehen? Man übernimmt Verantwortung, kümmert sich um die Bevölkerung und gewinnt ganz beiläufig immer mehr Einfluss. Die Frage ist allerdings, wer bestimmt, was das Allgemeinwohl ist und für welche Entscheidungen Politik verantwortlich ist. Die Impfkampagne zeigt, dass zumindest das bayerische Gesundheitsministerium bereit ist, diese Verantwortung auch in Zukunft zu übernehmen. Für dich, für uns, für alle, versteht sich.

 

 


Am 3.Oktober geht es um Deutschland – doch was ist das eigentlich noch?

Von Michael Friese | Der 3. Oktober ist der Tag der Deutschen Einheit, der Tag, an welchem vor 31 Jahren die DDR in die BRD eingegliedert wurde. Er ist der Tag, an dem es einmal um die deutsche Nation, Kultur und auch Geschichte außerhalb von Hitlers Schreckensherrschaft gehen soll. So, sieht jedenfalls das Konzept in meinem Kopf aus. Aber der Tag der Deutschen Einheit hatte für mich nie einen hohen Stellenwert außerhalb von „Hey, ich muss heute nicht zur Schule“. Und das ist eigentlich sogar ziemlich schade, wie ich finde. Deutschland hat nämlich sowohl kulturell und geschichtlich sehr viel zu bieten und damit meine ich nicht die ach so schöne „Vielfalt“ oder das Dritte Reich. Ich gehe auch gerne zum Chinesen oder Dönermann, versteht mich da nicht falsch, aber typisch deutsch ist daran nichts. Deshalb wäre es vermutlich gut, mal hervorzuheben, was Deutschland denn eigentlich ist.

Was mich persönlich an Deutschland fasziniert ist, dass hier auch außerhalb der Migrationsbewegungen seit den 1960ern sehr viele Völker in einer Nation leben. Mit „Völker“ meine ich hier die Bewohner der frühen Herzogtümer und Grafschaften und was es sonst noch so gab, welche vor dem Entstehen Preußens in dem Gebiet lebten, welches sich heute „Deutschland“ nennt. Sachsen, Bayern, Baden und Württemberg waren beispielsweise jeweils unabhängige Staaten. Und das zeigt sich bis heute: Hat sich mal jemand die Vielfalt an Dialekten und teilweise richtigen Sprachen angeschaut, die in Deutschland gesprochen werden? Wir haben Dialekte wie Sächsisch, Bayrisch, Badisch und Berlinerisch. Es fällt nicht nur mir, der so gut wie ausschließlich Hochdeutsch spricht, schwierig, diese Mundarten immer zu verstehen. Meine Familie und ich fahren seit einigen Jahren in den Schwarzwald in den Urlaub und sobald unsere Gastgeber anfangen, in ihrem regionalen Dialekt zu reden, muss ich mich äußerst konzentrieren, um alles verstehen zu können. Man kann sich denken, dass das nicht immer klappt – vor allem, wenn in diesem Dialekt zum Beispiel ein Wort verwendet wird, was man selbst noch nie gehört hat, weil man eben nicht in der Region lebt. Doch trotz dieser ganzen Unterschiede hat man es irgendwie geschafft, diese kunterbunten Zutaten in einem Kochtopf zu vereinen. Wobei man auch anmerken muss, dass es bis heute hin und wieder Spannungen zwischen den Regionen gibt, das beste Beispiel dafür wäre Bayern, was oft und gerne was eigenes zu sein versucht.

Vielleicht habe ich doch einen Punkt gefunden, mit welchem ich den 3. Oktober für mich schmücken könnte. Hinzu käme dann natürlich als rein geschichtlicher Punkt die Wiedervereinigung selbst. Man könnte dann auch noch auf berühmte Komponisten oder Dichter Bezug nehmen oder auf Politiker, welche großes für Deutschland geleistet haben (Und nein, Hitler gehört da nicht dazu).

Aber wie wird heute der 3. Oktober präsentiert bzw. zelebriert? Eigentlich sogar ziemlich wenig im Vergleich zu anderen großen Festen wie Weihnachten und das ist im Vergleich mit anderen Ländern schon irgendwie traurig. Mir persönlich ist nichts von großen Festen, Paraden in der Bundeshauptstadt, die landesweit ausgestrahlt werden oder ähnliches bekannt. Als Kind übersieht man so etwas vielleicht auch öfter, aber auch heutzutage lässt sich sehr wenig erblicken. Das Einzige, was mir beispielsweise letztes oder vorletztes Jahr ins Auge stach waren ein paar Plakate, welche halt auf den 3. Oktober anspielten und entweder einen einfachen Werbespruch beinhalteten oder eben ein Plädoyer für die Dönerbude. Keine Plakate, die Komponisten wie Johann Sebastian Bach oder Dichter wie Johann Wolfgang von Goethe als große deutsche Künstler zeigten. Keine Plakate, die Konrad Adenauer als ersten Bundeskanzler oder Ludwig Erhardt als Mann des Wirtschaftswunders zeigten. „Deutschland ist eins: vieles.“ war der Leitspruch zum 30-jährigen Jubiläum der Wiedervereinigung.

Ich würde mir darunter jetzt Ossis, die mit Wessis freudig plaudern, oder einen Norddeutschen mit Krabbenbrötchen im Biergarten neben einen Bayer mit Bier und Schweinshaxe sitzend vorstellen, aber was bekommen wir? Sockensandalen und Dönerbuden. Die Klischees, wenn es um Deutschland geht. Manch einer wird nun sagen, dass Bier und Schweinshaxe doch auch Klischees seien. Ich finde, sie sind ein Teil der deutschen Kultur aber einer, der sich stark von manch anderen Bräuchen unterscheidet, wie das Krabbenbrötchen aus dem Norden.

Ich habe es zwar schon einmal gesagt, aber ich sage es sicherheitshalber noch einmal: Ich gehe gerne in die Dönerbude und ich gehe gerne zum Chinesen. Aber die Vielfalt an unterschiedlichen Kulturen aus unterschiedlichen Ländern wird das ganze Jahr über betont. Doch die Vielfalt an deutschen Kulturen zu erkunden, wird jedem selbst überlassen. Am Tag der Deutschen Einheit sollte es jedoch meiner Ansicht nach um die Deutschen, die deutsche Kultur und die Geschichte der deutschen Nation gehen und nicht um irgendein Gefasel von „kultureller Vielfalt“. Sonst könnten wir diesen Tag doch gleich in den „Tag der Vielfalt“ umbenennen, oder? Vielleicht ist das ja der Grund, weshalb der Deutsche Nationalfeiertag für so viele Deutsche an Bedeutung verloren hat: er wird kaum gefeiert, er wird nicht beachtet, Deutschlandflaggen und -Hymnen sind eh schon Nazi – und wenn der Tag dann doch mal Beachtung bekommt, dann komplett zweckentfremdet.