Von Anna Graalfs, 15 Jahre | „Liebe Bürger*innen, liebe Schüler*innen, liebe Stadtbewohner*innen, ich begrüße Sie ganz herzlich zu der heutigen Bürger*innen-meister*innen-Wahl!” So oder so ähnlich könnte eine Begrüßung für eine – nein, ich gendere privat nicht – Bürgermeisterwahl stattfinden. Gendern im Sinne der Gerechtigkeit und als reine Gewöhnungssache – das ist im Moment ziemlich kontrovers. Im Folgenden möchte ich erklären, warum ich Gendern, zumindest in der Extremform, für nicht weniger als selbstsüchtigen Zeitvertreib halte. 

Es gibt durchaus Argumente, die die Forderung nach gendergerechter Sprache plausibel erscheinen lassen. Der Grundgedanke dahinter, also das Sich-Sehnen nach Gerechtigkeit, ist nämlich an sich nachvollziehbar. Allerdings stellt sich doch vorerst die Frage, inwiefern die angesprochene Diskriminierung, zumindest in der Sprache, überhaupt vorliegt. Dazu lohnt es sich, sich mit der Unterscheidung von Genus und Sexus vertraut zu machen. Unter dem Eintrag „Personenbezeichnungen“ im Duden wird schnell klar, dass sich der Genus, also DER Baum oder DIE Pflanze, auf das grammatische Geschlecht bezieht und nichts mit dem Natürlichen zu tun hat. Die dritte Klasse des Genus’ besagt, dass das generische Maskulinum nicht nur Männer spezifisch bezeichnet, sondern auch „verallgemeinernd auf Frauen und Männer“ angewendet wird. Es dürfte also diesbezüglich kaum zu Missverständnissen kommen, wenn eine Gruppe von männlichen und weiblichen Schülern mit dem Substantiv „Schüler“ adressiert wird. Durch das generische Maskulinum entsteht also keine Diskriminierung. 

Doch selbst wenn es ein solches Problem gäbe oder man außersprachlichen Sexismus bekämpfen wollte, wäre die Doppelnennung dann eine erfolgreiche Maßnahme? Oder bräuchte es das Binnen-I? Meines Meinung dazu: Ein Wort an sich, ohne jegliche Gestik oder Mimik, verändert nicht das Denken. Es ist das Denken, das die Sprache verändert, die Intention hinter dem Gesagten ist das, was den Unterschied macht. 

Eine gute Sache bringt das Gendern, in Formen wie Gendergap oder Gendersternchen, ja doch mit sich: Die Hervorhebung von Menschen, die weder männlich noch weiblich sind. Aber zu welchem Preis kommt diese? Verständlichkeit geht durch unlesbare Satzungetüme zugrunde. Oder kann mir jemand erklären, wie ich die Genitivform „des Tischlers“ auch nur in irgendeiner verständlichen Weise gendern kann? Aber das Vorzeige-Problem des Genitiv-s ist nicht die einzige sprachliche Hürde, die Genderfanatiker übersehen. Selbst die Substantivierung bringt ihre Probleme mit sich. So stellt sich die Frage, was beispielsweise mit Possessivbegleitern wie „sein“ oder „ihr“ geschieht. Ein anderes Problem sind Substantive, die männliche Personenbeschreibungen enthalten, wie zum Beispiel „Schützenfest“ oder „Wirtshaus“. Wo fängt Gendern also an und wo hört es auf? 

Ich glaube, was vielen Genderbefürwortern nicht bewusst ist, ist diese erschreckende Größe des Eingriffes in unsere Sprache und das mit einhergehende Schwinden von Verständlichkeit. Wenn Gendern also mit großem Aufwand verbunden ist, zu unleserlichen Satzgewirren führt und das generische Maskulinum eh schon alle mit einbezieht, warum tun es dann einige Leute trotzdem? Ich erkläre mir das so: In der Genderdebatte geht es längst nicht mehr um Sprache und ihre Nachteile gegenüber Anderen, sondern vielmehr um ein sozial-politisches Statement, welches auf den Ruf des Einzelnen bedacht ist. Wenn ich gendere, sage ich automatisch: „Seht her! Ich bin Anti-Diskriminierung, ich bin modern, ich gehe mit der Zeit!“ Letztendlich geht es um einen selbst, anstatt um andere Personen.

Eine von „YouGov“ im Jahr 2016 durchgeführte Umfrage zeigt, dass rund 43 Prozent aller über 18-jährigen Deutschen der Meinung sind: „Geschlechtergerechte Sprache nervt mich.“ Und trotzdem glauben 52 Prozent, dass sich diese langsam durchsetzen wird. Wie hiermit im Privaten umgegangen wird, ist wohl jedem selbst überlassen, aber Gendern im öffentlichen Leben als Pflicht einzuführen, wäre – so muss ich doch sagen –  eine höchst undemokratische Bevormundung.