Von Simon Ben Schumann | Quadratische, goldfarbene Stolpersteine auf Deutschlands Gehwegen erinnern an viele Opfer des Holocaust. In Berlin-Friedrichshain haben Unbekannte ihrem Antisemitismus nun freien Lauf gelassen. Es ist nicht das erste Mal.

Vermutlich in der Nacht vom 2. auf den 3. August übergossen bisher nicht ermittelte Täter drei Stolpersteine in der Hauptstadt mit einer zementähnlichen Substanz. Ausgehärtet macht diese es unmöglich, die Stolpersteine zu entziffern und damit die Namen der Opfer der Schoah. Eine Reinigung ist nur mit größerem Aufwand möglich, die Steine dürften ziemlich beschädigt sein.

Die schon zum zweiten Mal geschändeten Stolpersteine vor der Waldeyerstraße 1a erinnern an drei Opfer der Schoah. Zwei von ihnen sind Margarete und Ruben Reszka. Margarete Reszka wurde im Januar 1943 mit ihrem 4-jährigen Sohn Ruben nach Theresienstadt deportiert. Von dort mussten beide weiter nach Auschwitz, wo sie ermordet wurden. Eine tragische Geschichte, die beweist, wie skrupellos die Judenhasser auch heute noch sind. Die Erinnerung an ein 4-jähriges Kind auslöschen zu wollen, ist an Unmenschlichkeit kaum zu überbieten.

Der dritte Stolperstein erzählt eine etwas glücklichere Begebenheit: Er gedenkt an Berek Dembina. Zunächst nach Belgien geflohen und dort zu Zwangsarbeit erniedrigt, lebte er später als „U-Boot“ weiter, versteckte sich. Er konnte die Schreckensherrschaft der Nazis überleben.

„Projekt Stolpersteine“: Eine Erfolgsgeschichte der Erinnerungskultur

Leider kommt es nicht selten vor, dass die kleinen, aber auffälligen Gedenksteine auf irgendeine Art geschändet werden. Erst Anfang Juli wurden drei Stück in Berlin-Weißensee aus dem Gehweg gehebelt und gestohlen. Im Mai wurden vier frisch verlegte Stolpersteine in Erinnerung an die Familie Davidsohn in Berlin-Schöneberg mit einer bräunlichen Substanz beschmiert. Und das sind nur einige Fälle aus der Bundeshauptstadt; so etwas passiert deutschlandweit.

Trotzdem ist das Kunst- und Erinnerungsprojekt Stolpersteine von Gunter Demnig eine Erfolgsstory. Angefangen hat er im Jahr 1996. Im April 2022 knackte er die 90.000er Marke – eine unfassbare Anzahl an kleinen Gedenkstätten, die sich meist einer einzelnen Person widmen. Egal, ob in der Fußgängerzone oder in einem Wohngebiet: Überall in Europa stolpert man buchstäblich über die Erinnerung an individuelle Schicksale. Ansonsten wären diese wohl nur eine Fußnote in einem verstaubenden Geschichts- Wälzer, doch dank Demnig sind sie Bestandteil des Alltags. Dafür gebührt ihm eine Menge Respekt. Das Bundesverdienstkreuz am Bande und viele andere Auszeichnungen hat er mehr als verdient.