Von Simon Ben Schumann | Ist einer der führenden liberalen Juden im Lande  Opfer einer Schmierenkampagne? Seitdem ihm Machtmissbrauch und Vertuschung  vorgeworfen werden, lässt Walter Homolka seine Ämter ruhen.  Aber was ist wirklich dran an den  Anschuldigungen? 

Die Vorwürfe 

Walter Homolka spielte beim „Wiederbeleben“ des progressiven Judentums in  Deutschland eine große Rolle. Aus einer Familie mit jüdischen Wurzeln stammend,  konvertierte er schon mit 17 Jahren zur Religion. Nach der Gründung des Abraham Geiger-Kollegs in Potsdam war Homolka seit 2002 Rektor. An der jüdischen  akademischen Einrichtung leitete er die Ausbildung von Rabbinerinnen und Rabbinern. Außerdem hatte er mehrere Professuren und Dozentenstellen inne, z. B. an der Universität  Potsdam. 

Anfang Mai kamen Vorwürfe gegen seinen Ehemann, Hartmut Bomhoff, ans Licht.  Dieser war Dozent am Kolleg und dessen Pressesprecher. Er soll am 6. Juli 2019 ein  Video an den Studenten Itamar C. verschickt haben, in dem er sich selbst befriedigt.  Dieser Vorwurf gegen den Ehemann von Homolka ist Hauptthema des so bezeichneten  „Skandals“. 

Die Hintergründe des Videos sind indes völlig unklar. So erstattete der Student zwar  Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Potsdam; dies aber erst im November des Folgejahres. Die Strafanzeige wurde auch nicht weiterverfolgt. 

Falsche Verdächtigungen? 

Trotzdem folgte Entrüstung. Der AStA der Universität Potsdam verschickte im Mai eine  E-Mail an Studierende, in welcher er sich zum „Skandal“ äußerte. Darin wurden die  Vorwürfe zu Fakten erklärt und Homolka zum korrupten Egomanen. 

So heißt es in der Mail, dass Walter Homolka „allem Anschein nach“ Ermöglicher und  Dulder von sexueller Belästigung am Abraham-Geiger-Kolleg gewesen sei. Er habe durch  seine „toxische Personalunion“ verschiedener Ämter die Potsdamer Theologie völlig  unangebracht „im Griff“. Er hätte eine Kultur der Angst herbeigeführt, inklusive  Machtmissbrauch und Manipulation. Der AStA hoffe auf einen „unbeschwerten Neustart“ ohne eine „Monarchisierung“ durch Homolka. 

Unschön, jemandem etwas so Schwerwiegendes vorzuwerfen – wenn es überhaupt nicht  belegt ist. Nach einem Schreiben von Homolkas Anwalt David Geßner musste der AStA  alles richtigstellen. So stand eine „sexuelle Belästigung“ nie im Raum. Stattdessen ging es  um eine – nicht weiterverfolgte – Anzeige wegen Verbreitens pornographischer Inhalte gegen Bomhoff. Laut Geßner sei der Welt-Artikel, in dem Homolka am 6. Mai zuerst  „angegriffen“ wurde, von der Pressekammer des Landgerichts Berlin in Teilen für  rechtswidrig erklärt worden. Außerdem hat sich Homolka bereits im November 2020,  nach der Strafanzeige gegen seinen Mann, für befangen erklärt.

Die Richtigstellung des AStA ging sodann auch an die Studierenden an der Uni Potsdam.  Zu Homolkas Gunsten, dessen Ämter weiterhin ruhen. 

Auch die Kantorin Avitall Gerstetter, die sich über Konvertiten sehr kritisch äußerte, ging  Homolka an. „Ein Neuanfang ist nicht nur in Potsdam dringend nötig, strukturell wie  personell.“, sagte sie der „Welt“. Dass aber „in dubio pro reo“ gilt, ließ sie außen vor.  Menschlich finde ich das schade. Zumal die Anschuldigungen zuvorderst gegen  Homolkas Mann gingen, nicht ihn selbst. 

Es scheint so, als ginge es hier nicht nur um die sogenannte „Causa Homolka“ – sondern  auch um politische und religiöse Fragen. Der orthodoxe Rabbi Walter Rothschild nahm  Homolka in der „Welt“ sogar als Beispiel für die Probleme, welche es mit Konvertiten  gäbe.  

Homolka selbst äußerte, er habe auf das Verhalten ihm nahestehender Personen keinen  Einfluss. Die Vorwürfe würden ihm weh tun, da er sich immer für das liberale Judentum  eingesetzt habe. 

Jeder muss selbst entscheiden, wem er hier Glauben schenkt – dabei ist es aber vielleicht  besonders wichtig, auf eine unvoreingenommene Betrachtung Wert zu legen.

 

 

 

Bild: Rabbi Homolka trifft den Papst. Foto: Ellenson via Wikimedia commons (Lizenz)