Europaweites Verbot 2035 – was wird aus unseren Verbrennungsmotoren?!

Von Simon Ben Schumann | Das Ende des Verbrennungsmotors wurde besiegelt. Am Donnerstag, den 27. Oktober 2022, einigten sich die nicht gewählten Unterhändler der Europäischen Union darauf, dass die „Flottengrenzwerte“ für Fahrzeugemissionen ab 2035 auf „Null“ sinken sollen. Damit wäre es ab diesem Zeitpunkt für Hersteller illegal, Neufahrzeuge mit Diesel- oder Benzinantrieb zu verkaufen.


Die Reaktionen 

„Mit diesen Standards schaffen wir Klarheit für die Autoindustrie und regen Innovation und Investitionen für die Hersteller an“, sagte der niederländische Chefunterhändler des EU-Parlaments. Vom grünen Parlamentarier Michael Bloss gab es den Kommentar, es handele sich um „eine Zeitenwende, die den Wohlstand von morgen sichert“. Die Augsburger Allgemeine berichtet ebenfalls von der Reaktion des SPD-Europaabgeordneten Tiemo Wölken. Der Beschluss sei ein gleich „doppelt gutes Signal“.

Kritik gibt es hingegen durchweg von CDU, CSU, und AfD. Von Realitätsferne über zu wenig Kompromissbereitschaft bis Dummheit stehen viele Vorwürfe im Raum. So twitterte die „AfD im EU-Parlament“, dass sich „Grün und Gelb“ nicht einig seien, „wer dem Verbrennungsmotor die rote Karte härter gezeigt hat“. Eine Anspielung auf die Haltung der Freien Demokraten. Sie sprachen sich für die neue Regelung aus – unter einer Bedingung. Mit „E-Fuels“ betriebene Fahrzeuge sollen weiterhin neu zugelassen werden können. Dabei handelt es sich um synthetische Kraftstoffe, also weder Benzin noch
Diesel. Ob die allerdings erlaubt bleiben, zeigt sich erst in Zukunft: Die Entscheidung wurde vertagt.


Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der FDP im Bundestag, Carina Konrad, äußerte über Twitter: „Sehr gute Nachricht! […] Danke an alle in der @fdp, die dafür die Weichen gestellt haben!!“ Im Wahlprogramm der FDP aus 2021 heißt es eigentlich: „Wir Freie Demokraten sind gegen unverhältnismäßige Verbote in der Mobilität. […] Ein pauschales
Verbot von Verbrennungsmotoren lehnen wir ab.“ Zumindest in Bezug auf Neuwagen weicht man eindeutig davon ab.


Von Sinn und Unsinn

Wie sinnvoll die Regelung ist? Ich würde sagen nicht mal im Ansatz – einige Menschen sehen das jedoch anders: Viele Stimmen aus dem Lager der Klimaaktivisten loben das Verbot oder finden es noch zu lasch. Professor Volker Quaschning, eine der führenden Stimmen des „Klimaretter-Lagers“, sagt auf seinem YouTube-Kanal mit über 60.000 Abonnenten: „Wir werden […] darüber diskutieren, ob das ausreichend ist. Aus meiner Sicht: Nein.“ Was das Klima-Lager meiner Meinung nach vergisst: Auch Strom für E-Autos kommt nicht aus der Steckdose. Selbst wenn ab 2035 alle nur noch E-Autos kaufen oder sich auf Wasserstoff beschränken – eine „emissionsfreie“ Stromversorgung ist mitnichten gesichert.

In Deutschland machen erneuerbare Energien nach Angaben des Umweltbundesamtes ca. 20 Prozent am „Bruttoendenergieverbrauch“ aus. 2016 betrug der Anteil von als „erneuerbar“ geltenden Energiequellen in der EU-weiten Stromerzeugung zusammengefasst ca. 15 Prozent. Wie der Strom 2035 gemacht wird, werden wir sehen – aber vielleicht fährt man dann einfach mit Kohlestrom durch die Stadt, statt mit Benzin.

Doch noch viel wichtiger: Es sollte doch jedem selbst überlassen sein, was für ein Auto er fährt, oder nicht? Ich persönlich habe nicht den Drang, mir von irgendjemandem sagen zu lassen, ob ich elektrisch fahre oder mit Super. Es scheint immer dasselbe Spiel zu sein: Eine „absolute Wahrheit“ wie „die Klimakatastrophe“ wird als Feigenblatt für massive Bürgerrechtsbeschränkungen und Verbote verwendet. „Was ist Wahrheit?“, fragte schon Pontius Pilatus vor Jesus Kreuzigung. Harald Lesch, Luisa Neubauer und Extinction Rebellion haben immer die Antwort parat – verpackt in manchmal brillante, manchmal aus der Irrenanstalt geflüchtete Worthülsen.

 

Hoffnung?

Das EU-weite Neuzulassungsverbot hat eine Hintertür: 2026 soll die Entscheidung noch einmal überprüft werden. Damit gibt es noch eine kleine Hoffnung für den Verbrennungsmotors – vielleicht sehen die Menschen bis dahin ein, dass es nicht besonders attraktiv ist, nur noch mit dem Eselkarren unterwegs zu sein. Eine Elektro-Autofahrer-Elite finde ich auch nicht besonders erstrebenswert – den Linken dürfte das eigentlich auch nicht gefallen: Wenn sich dank staatlicher Verordnung nur noch reiche Leute erlauben können durch die Straßen zu fahren, hat das mit Chancengleichheit und Gerechtigkeit nicht mehr all zu viel zu tun. 


Neues Abkommen im nahen Osten: Wenn Gas für Verständigung sorgt

Von Simon Ben Schumann | Das historische Abkommen wurde am Mittwoch  unterzeichnet: Israel und der Libanon, zwei verfeindete Nationen, trafen eine  Vereinbarung. Beide Staaten erkennen die gemeinsame Seegrenze an – womit sich neue  wirtschaftliche Möglichkeiten ergeben. 

Die beiden Länder haben in der Vergangenheit erbittert gegeneinander gekämpft. Im  israelischen Unabhängigkeitskrieg bis Juli 1949 stand der Libanon auf der Seite der arabischen Armeen, die den neuen Staat vernichten wollten. Auch im Jom-Kippur-Krieg  1973 unterstützte der Libanon zumindest die anti-israelischen Kräfte. Nach der Aufnahme  zahlreicher Palästinenser ist die Stimmung im Libanon nicht besonders pro-israelisch,  wobei dies auf Gegenseitigkeit beruht. Schließlich schlägt Israel aus dem Libanon wenig  entgegen, außer dem Wunsch der Existenzvernichtung. 

Wenn Gier zu Annäherung führt 

Es ist vielleicht etwas ironisch, aus welchen Motiven Israel und der Libanon ihre  gemeinsame Seegrenze nun doch anerkannt haben. Nicht etwa, weil beide Länder akzeptiert hätten, dass Kriege und Feindseligkeiten mal beigelegt werden  sollten. Nein, es geht ums liebe Geld – und darum, dass die Klimaanlagen in Beirut und Tel Aviv  nicht zu horrenden Stromrechnungen führen. Ob man jetzt Abraham oder Ibrahim  heißt: Keiner hat Bock, dass die Stadtwerke einem zum Monatsende mit der Horror-Rechnung kommen.  

Die Energiekrise führt dazu, dass besonders der Libanon leidet. Seit 3 Jahren schon ist das  Land von einer Wirtschaftskrise betroffen, die auch die Energiepreise weiter anziehen  lässt. Schon verlockend, wenn hochlukrative Gasfelder vor der Küste schlummern. Das  Offshore-Gasfeld Kana kann durch das Abkommen vom Libanon mithilfe des Konzerns  Total erschlossen werden. Die Karisch-Gasplattform liegt nun in israelischen Gewässern.  Israels Ministerpräsident Lapid kündigte „Milliardeneinnahmen“ an – da würde ich mich  auch freuen. Und der Libanon will sich laut Präsident Aoun mithilfe des Abkommens „aus  dem Abgrund“ ziehen. Klingt beides ziemlich geil. 

Europa als Friedensprofiteur 

Doch auch wir Deutschen können feiern. Denn das Gas und Öl, welches jetzt gefördert  werden könnte, kann in flüssiger Form übers Mittelmeer importiert werden. Wann es  losgeht, ist unklar – der Libanon wird für die Erschließung wohl etwas brauchen. Israel will aber schon jetzt loslegen.  

Und das Beste kommt noch: Sogar Hisbollah-Chef Nasrallah ist für das Abkommen und will ein Stück vom Kuchen. Bisher hat keine amoklaufende Terror-Miliz Einwände gegen günstigere Energiepreise gezeigt; keines der heiligen Bücher hat was gegen eine kürzere Gasrechnung. Egal, wie wörtlich man sie nimmt. 

Die Zeder auf der Flagge des Libanon entstammt dem 92. Psalm: „Der Gerechte wird  wachsen wie eine Zeder auf dem Libanon.“ Der Hisbollah-Chef ist wahrscheinlich nicht  die Inkarnation der Gerechtigkeit – aber ich denke, dem lieben Gott ist Frieden aus  Geldgier immer noch lieber als Krieg aus demselben Grund. Die Wahrscheinlichkeit für  einen Atomkrieg ist gesunken, und die Klimaanlagen von Israelis, Libanesen und  vielleicht auch Europäern könnten nächsten Sommer für lau auf Anschlag laufen. In diesem Sinne: Gott sei Dank für dieses Abkommen.


Frank Thelens „10 x DNA“ – Fonds: Abzocke oder Jahrhundertinvestment? 

Von Simon Ben Schumann | Er ist bekannt aus der „Höhle der Löwen“: Lange war der Unternehmer Frank Thelen Dauerbesetzung in der Gründershow. Die Sendung verhalf  ihm zu deutschlandweiter Popularität. Durch diese mit Rückenwind versorgt, gründete er  einen eigenen Aktienfonds. „10x DNA“ heißt er – wie eines seiner Bücher. Er verspricht  riesige Gewinne im Technologie-Sektor. Zurecht? 

Große Versprechen – falsche Erwartungen? 

Der Fonds wurde im September 2021 aufgelegt. Startkurs: 25,90 €. Nicht wenig. Im  Börsenjargon steht 10x für einen „Tenbagger“ – also eine Aktie, die sich gleich mehrfach  verdoppelt. 

Frank Thelen trat in vielen Interviews auf und stellte seine Investment-Strategie vor.  Besonders „bullish“ ist er im Tech-Sektor, wo er auf steigende Kurse setzt. Er rechnet  damit, dass durch „disruptive Technologien“ die nahe Zukunft grundlegend auf den Kopf  gestellt wird. Und damit das Portfolio derjenigen, die jetzt richtig investieren. 

Schaut man sich die einzelnen Unternehmen im Fonds an, sind Thelens Lieblings Branchen schnell zu identifizieren.  

Autonomes Fahren, Zelltherapie, Krypto-Finance: alles ist dabei. An Diversifizierung  mangelt es nicht. Nicht alles auf eine Karte zu setzen, verringert die Crash Wahrscheinlichkeit. Besonders im riskanten Growth-Sektor. 

Ein Problem des Fonds wird an der Gewichtung der Aktien deutlich. So stecken ganze  8,00 % des Anlagekapitals in Tesla. Thelen sagte, er halte die Aktie für stark zukunfts und gewinnträchtig. Dabei ist die Firma schwer einzuschätzen. Derzeit liegt Musks Auto Unternehmen bei 240,00 € Handelspreis – das sind beinahe 100,00 € weniger als Ende  2021. Auch Gegner des Kommunismus dürfte der Fonds nicht begeistern: Chinesische  Konzerne wie Tencent oder die zensierte Suchmaschine „Baidu“ sind hoch gewichtet. 

Bei Börsen-Fans wie mir schrillen die Alarmglocken, wenn man sich Thelens Gewinn Vorhersagen anhört. In den nächsten Jahren sei mit einer Verdreifachung des Kurses zu  rechnen. Das wünsche ich zwar allen Anlegern – aber solche Aussagen sind schlicht unseriös. 

Fazit: Nur etwas für Risiko-Freunde 

Frank Thelens Strategie scheint zu sein: Wachstum, Wachstum, Wachstum. Allerdings ist  es unmöglich zu wissen, wer in 15 Jahren die Big-Player sein werden. Als Amazon Ende  der 1990er an die Börse kam, war kaum jemand so schlau, die Aktie zu kaufen und stur zu  halten. 

Der Vorteil von Thelens Fonds ist, dass die riskanten Tech-Papiere transparent analysiert  werden. Doch die hohen Gewinnversprechen sind ein Manko des Fonds. Growth-Aktien  bleiben riskant.  

Bisher büßte der Fonds ca. die Hälfte seines Kurswertes ein. Aktuell steht er bei rund  14,00 €. Keine Anlage-Empfehlung – aber ich würde raten: Nur kaufen mit Geld, das man  bereit ist, ganz zu verlieren.




Elon Musks Twitter-Deal: Jetzt geht es vor Gericht

Von Simon Ben Schumann | Es war eine der großen News dieses Jahres: Elon Musk, Tesla- und Space-X-Chef, kauft Twitter. Für über 40 Milliarden US-Dollar wollte der Tech-Tycoon das soziale Netzwerk übernehmen. Doch dann platzte der Deal.

Mitte April bot Musk eine Übernahme des Dienstes an. Die News sorgte weltweit für Schlagzeilen. Der vorgeschlagene Kaufpreis waren 54,20 $ pro Aktie des Unternehmens, was zusammengerechnet 43 Milliarden Dollar entspricht. Nach einigem Hin und Her kam schließlich noch eine Milliarde drauf. Der Preis sollte allerdings nicht von Musk alleingezahlt werden: Eine Vielzahl verschiedener Investoren war beteiligt. Nur 20 Milliarden Dollar für den Vorschlag waren „Cash“ von Musk, der Rest setzte sich aus Krediten und dem Geld der Investoren zusammen. Obwohl es in der Geschäftswelt eher um finanziellen Gewinn geht, sagte Musk von sich, dass er Twitter aus einer rein inneren Motivation heraus erwerben wollte. So ließ er Ende April verlauten: „I am against censorship that goes far beyond the law.“ Als öffentliche Plattform sei es gerade für Twitter wichtig, Meinungsfreiheit zu fördern und Zensur zu unterbinden. 

Für dieses Ziel wurde er gefeiert – nicht zuletzt auf Twitter selbst. Doch es wurde nichts aus der Übernahme des Kurznachrichten-Dienstes. Und das, obwohl schon die halbe Welt spekulierte: Kehrt der „gebannte“ Ex-US-Präsident Trump bald auf die Plattform zurück? Denn laut Elon Musk hat Twitter bei dem Deal unwahre Angaben gemacht. Von den über 200 Millionen Usern seien mindestens 20,00 % „Fake-Accounts“,also z. B. Bots. Das würde den Wert des Unternehmens massiv senken und damit auch einen fairen Kaufpreis.

Doch Twitter akzeptierte den Rückzug Musks vom Deal nicht. Das Unternehmenbehauptet: „Dieses Angebot war verbindlich!“ Im Oktober wird sich zeigen, wer Recht behält. Twitter hat Elon Musk wegen des Deal-Fehlschlags auf Leistung verklagt – eine Möglichkeit, die sich direkt aus dem „Deal“ ergibt. Mitte nächsten Monats geht es los, 5 Tage soll die Verhandlung dauern. Auch Musk selbst hat in den letzten Tagen bereits unter Eid ausgesagt. Möglicherweise wird er seine Aussagen vor dem „Delaware Court of Chancery“ fortsetzen müssen. Das Gericht, welches eines der am besten beschäftigten Gerichte für Streitigkeiten wie die zwischen Twitter und Elon Musk ist, ist bekannt für schnelle Entscheidungen.

Wahrscheinlich werden wir also schon bald herausfinden, ob und wie es mit dem Twitter-Deal weitergeht – und ob Donald Trump ja vielleicht doch auf die Plattform zurückkehrt


WDR Tip: Duschen als Wochenhighlight – oder: lang lebe das Stinken!

Von Simon Ben Schumann | Heterosexuelle, weiße „cis-males“ wie ich sind keine Geruchsexperten – schon klar. Nach der 8-Stunden-Schicht unter Tage kippen wir hier im Ruhrpott bekanntlich erstmal ein paar Liter Bier herunter und machen Frauen und Minderheiten schlecht, während wir so vor uns hindünsten. An Hygiene ist da nicht zu denken. Ein bisschen Deo ist für uns das Höchste der Gefühle.

Trotzdem finde ich die „Waschtipps“ des WDR doch eher skurril. Im Format „KugelZwei“, welches auf Instagram veröffentlicht wird, postete der Sender vor gut einer Woche seine Hygiene-Tipps. Die – pun intended – stinken zum Himmel. Der Video-Post beginnt mit der Frage, wie unser Alltag aussehen würde, wenn wir nur noch einmal die Woche duschen oder baden würden. Richtig gelesen: Entweder – oder, höchstens einmal die Woche. „Sonst bleiben die veganen Sojagummibärchen im Giftschrank, Jan-Filipp!“

Die Welt der Schmutzigen – ein Utopia?!

Bei der Eingangsfrage dachte ich sofort an ekligen Schweißgeruch, fettige Haare und das große Comeback der Pest. Nicht so die Macher von „KugelZwei“. Bei ihnen heißt es: „Häufiges Duschen und Baden kann laut Dermatolog:innen der Haut schaden.“ Daher wären „bessere“ Haut und Haare eine mögliche Folge der Wasch-Abstinenz. Ich bezweifle, dass hier irgendwelche Hautärzte befragt wurden. Und selbst wenn, wären bestimmt auch sie gegen ein Duschverbot. In dem Video wird außerdem argumentier -oder propagiert-, dass wir endlich mehr Zeit für „anderes“ hätten. Klar! Mit Freunden unterwegs sein macht natürlich doppelt Spaß, wenn es riecht wie im Zoo und man am besten eine Packung Penicilin dabei hat – nur zur Sicherheit. Aber: Kein Problem! Schließlich werden wir laut Video dann einfach toleranter bei „natürlichen Körpergerüchen“, wenn jeder weniger badet. Damit hätte sich der Stinke-Faktor erledigt.

Ein absolut logischer Gedankengang. Man kann ihn gut auf andere Lebensbereiche anwenden. Kein Brot mehr im Handel? Iss halt Kuchen! Heizung geht nicht? Sei weniger kälteempfindlich, du Frostbeule! Karl Lauterbach ist Gesundheitsminister? Gib deine Grundrechte einfach ab, alter Meckerfritz!

„KugelZwei“ schlägt auch konkrete Änderungen der „Waschkultur“ vor. So könnte man in Fitnessstudios statt Duschen einfach „Waschkabinen“ einführen, in denen es dann nur Waschbecken gibt. Das Duschen und Baden könnte man als „wöchentliches Highlight“ zelebrieren (wörtliches Zitat), gemeinsam mit „Freund*innen“ im „öffentlichen Badehaus“.

Ein Intendant des ÖRR im „öffentlichen Badehaus*in“ – das möchte ich gerne sehen. Bestimmt wären die Video-Ersteller angetan, wenn ihr Chef schnell noch den Porsche um die Ecke parkt, um dann – nach dem Abscannen seines Social-Credit-Scores – gemeinsam in eine komplett verdreckte, braune Plörre zu steigen. Ich für meinen Teil stelle mich lieber täglich unters Wasser und manage meine Sauberkeit selbstständig.


Kulturkampf in Jerusalem: Stadt des Friedens? Von wegen!

Von Simon Ben Schumann | Jerusalem ist ein besonderer Ort. Der Name, auf Hebräisch „Jeruschalajim“ ausgesprochen, wird gerne als „Stadt des Friedens“ übersetzt. Doch von „Schalom“ ist wenig zu spüren.

 

Ultra-Orthodoxe machen Welle

In Jerusalem – einer geteilten Stadt – geht es deutlich anders zu als im Paradies auf Erden. Dort leben momentan ca. 920.000 Menschen. Etwa 60% der Bevölkerung sind jüdisch, darauf folgen die Muslime mit ungefähr 30%. Die Christen bilden mit 2% eine kleinere Minderheit. Bei so einer Mischung kann man sich schonmal in die Haare kriegen.

In der Bibel ist Jerusalem der ultimative Begriff für den „himmlischen Frieden“. Weil ich mich für Religionen interessiere, dachte ich mir, dass ein Urlaub in der heiligen Stadt bestimmt eine gute Idee wäre. Auch wenn ich nicht sehr gläubig bin. Immerhin kann man sich an der Klagemauer bei Gott persönlich über die Verhältnisse in Deutschland echauffieren. Zwei Worte und er würde mich vielleicht sofort verstehen: Karl Lauterbach. Doch leider könnten einem z. B. radikal-religiöse Sittenwächter den Urlaubsspaß verderben.

Die ultra-orthodoxen Juden machen wegen ihrer strengen Religiosität einen wachsenden Teil der israelischen Bevölkerung aus. Während andere in Tel Aviv feiern gehen oder sich über Benjamin Netanjahu aufregen, gründen sie Familien. Das schlägt sich besonders in Jerusalem nieder, wo sie eine der großen Gruppen darstellen. Besonders super-radikale Teile der Ultra-Orthodoxen haben Einfluss, denn: Extrem Religiöse zwingen anderen gerne ihre Gesetze auf – so auch in Jerusalem.

Wer dort an einem Sabbat-Samstag mit dem Auto unterwegs ist, kann sich auf was gefasst machen. Da will man nur kurz zum Picknick an den Jordan (was gefährlich genug ist), schon werfen sich zig Leute vor die Karre. Wer so leichtfertig sein Leben riskiert? Manch ultra-orthodoxer Pharisäer, für den Autofahren am heiligen Tag eine schreckliche Sünde darstellt.

Noch viel Schlimmer: In Bussen müssen Männer und Frauen oft getrennt sitzen. Die einen vorne, die anderen hinten. Ein zivilisatorischer Rückschritt in mittelalterliche Moralvorstellungen. Weil sich die mega-Religiösen damit durchsetzen können. Auf dem Tempelberg darf man als Jude nicht einmal beten, unter anderem, weil Israels und Jerusalems Chefrabbinate aus theologischen Gründen dagegen sind – und wegen Sicherheitsbedenken.

Außergewöhnliches gibt es in der heiligen Stadt an jeder Ecke. So ist Jerusalem, ähnlich wie Berlin im kalten Krieg, geteilt. Nicht nur in Stadtviertel, nach Bevölkerungsgruppen sortiert – sondern auch in Ost und West. Durch einige Ortsteile, wie Mea Shearim, dürfen Frauen nur in „modest clothing“ gehen. Riesige Plakate weisen Passanten auf diese Kleidervorschriften hin. Sowohl die Palästinenser als auch die Israelis beanspruchen Jerusalem als ihre alleinige Hauptstadt. Die einen als Himmelfahrtstätte ihres Propheten, die anderen als Wohnstätte Gottes. Was er wohl dazu sagen würde?

 

Eine Stadt des Friedens?

Extremistische Palästinenser tragen zum bedrückten Alltag in der Stadt bei. So gab es erst am 15.08.2022 einen Anschlag eines Palästinensers gegen Juden, bei dem acht Menschen verletzt wurden, zum Teil sehr schwer. Gewalt gibt es in Jerusalem häufig, ob an Ostern, während des Ramadan oder, wie zuletzt, an der Klagemauer. Von israelischer Seite wird immer wieder – zurecht – die Gewalt der Palästinenser beklagt. Selbst und besonders in Israel kann man sich als Jude nie vor Terror sicher fühlen. Daher ist in der Stadt die militärische Präsenz groß.

Heute scheint es so, als würden Spaltung und Fundamentalismus Jerusalem beherrschen. Die Tatsache, dass eine Stadt, die Gott geweiht ist, von Militärs geprägt wird, gibt zu denken. Ironischerweise beten täglich Millionen Menschen für Frieden und Gerechtigkeit zu genau dem Gott, dessen biblische Heimat heute geteilt und umstritten ist. Religion ist ein eher persönliches Thema. Für mich wird daran deutlich, dass man nie zu sehr glauben sollte, die Wahrheit zu kennen. Wieso sonst sollte die Stadt weder den Christen, noch den Juden oder den Muslimen allein gehören? Ich könnte mir ja vorstellen, dass Gott bei politischen Fragen, Nichtwähler ist. Wäre wahrscheinlich auch am besten.

Ob man an sie glaubt, ist natürlich jedem selbst überlassen. Aber eines steht fest: Zumindest heute geht von Jerusalem noch nicht die „Erlösung der Welt“ aus.


Es geht um – Nichts. Verrückte Machtkämpfe der Schülerpolitik

Von Simon Ben Schumann | „In der Politik geht es nur um eins: Die Gesellschaft voranzubringen“ – Said nobody ever. Aus meiner Erfahrung geht es in politischen  Organisationen oft darum, sich zu profilieren. Bei der Schüler Union hieß es „Wer auf der  falschen Seite steht, wird fertiggemacht.“ 

Ich war ungefähr 15, als mir der Gedanke kam: „Ich will mich politisch engagieren.“ Damals war ich mir unsicher, ob das wirklich eine gute Idee ist – zurecht, wie sich später zeigte. Trotzdem schrieb ich eine Anfrage an die lokale Schüler Union. Ein Verwandter von mir  war sowieso bei der CDU. Als er mal zu Besuch war, gingen wir dann zusammen zum  „christdemokratischen“ Stadtfest.  

Dort umringten alle, wie im alten Ägypten, den Pharao. Nur, dass der sich jetzt  „Bundestagskandidat“ nannte. Vom Titel abgesehen, fehlte nur die Sänfte. Wie beim  Wrestling, bildete die lokale Partei eine Traube um den Mann. Er glänzte in der  Freundlichkeit und dem Zuvorkommen, das ihm seine Gefolgschaft entgegenbrachte. Für mein 15-jähriges Ich waren die schnatternden CDUler zunächst nicht der Typ Mafioso. Obwohl mich der Personenkult skeptisch stimmte, wollte ich erstmal  dabeibleiben. 

Doch mein Anfang bei der Schüler Union verlief desaströs. An einem Spätsommerabend saßen wir zum ersten Mal im Kreisbüro der CDU. Ein Mädchen, ungefähr 17, tischte eine  Flasche auf. „Möchtest du auch?“, fragte sie nett. Ich schaute auf das Etikett. Das war  keine Fanta – sondern „Hugo“. „Nein, danke“, lächelte ich nervös. Die anderen  begannen zu trinken. Dann fingen sie an zu diskutieren. 

Nach dem Ende der Sitzung war ich verwirrt. Alkohol war als 15-jähriger für mich  Neuland. Aber vor Allem: Wieso wurde schlecht über den Kandidaten geredet – vorher wurde er doch so bewundert? 

In einer urdeutschen, holzvertäftelten Kneipe fand ein weiterer gemeinsamer Abend statt.  Sofort wurde deutlich: Diese Schüler Union ist echt was anderes. Denn in einem stickigen  Hinterzimmer teilte sich die Gruppe. Auf der einen Seite: Eine junge Frau und ihre  Verbündeten, über die schon viel gelästert wurde. Auf der anderen „meine Gruppe“ und  ich. Die Stimmung war toxisch. Subtil, aber in vollem Ernst bekämpften sich die beiden  Flügel der lokalen Schüler Union. Auch ich wurde mit reingezogen. Ich sollte mich auf  eine Seite stellen, obwohl ich niemanden persönlich kannte. Um Inhalte ging es dabei  nicht. Das war dann mein Ausflug in die CDU. 

Hochmut kommt vor dem Fall 

Was Machtgier angeht, bin ich auch nicht ganz ohne. Bei der Schüler Union hatte ich  keine größeren Absichten. Anders war das bei der „Wahlsimulation“. Das war ein Projekt  von ca. 100 Jugendlichen, welches von 2016 bis 2019 lief. Es ging darum, Bundes- und  Landtagswahlen, Parteien und Parlamente online zu simulieren. Die Kommunikation ging über „Telegram“, alles weitere über Instagram und Online-Abstimmungen. Neben mir  waren auch einige weitere Kollegen von Apollo dabei. Ich stieß damals interessiert mit  einem Schulfreund dazu.

Und die Gier nach mehr packte uns. Innerhalb des Projektes gründete ich eine rechts liberale, mein Freund eine linke Partei. Auf Instagram begannen wir fleißig Wahlwerbung  zu machen und Mitglieder zu gewinnen. In der Gruppe des Projektes auf Telegram ging  die Post ab. Politische Diskussionen eskalierten öfter. 

Nach einiger Zeit kam bei uns der Verdacht auf, dass die Leiter des Projekts nicht ganz  ehrlich waren. Sie gehörten nämlich selbst zu einer virtuellen Partei. Wir beschlossen, sie  zu stürzen. Mit einigen Intrigen – so weit waren wir bereit zu gehen – gelang es uns. Wir  übernahmen in einer Nacht-und-Nebel-Aktion die Online-Präsenzen des Projektes. Mit  „besten“ Absichten. 

Als Projektleiter hatten wir die Kontrolle über die simulierten Parlamentswahlen und  „wichtige“ Positionen. Mein Freund, ein weiterer Kollege und ich bildeten ein Trio mit  unbegrenzter Machtfülle. Es gab keine Kontrollinstanz. Wir gründeten zu dritt eine  Telegram-Gruppe, die wir – kein Witz- „Elite“ nannten. Schon bald zogen wir in  Erwägung, Wahlen zu fälschen, wenn wir eine Partei nicht mochten. Personen, die wir für  „schlecht“ hielten, ließen wir nicht in Positionen kommen. Wir machten zwar auf  Unschuldslämmer, aber die anderen in der „Wahlsimulation“ vermuteten schnell, dass  irgendwas im Busch war. 

Es dauerte nicht lange, bis auch wir gestürzt wurden. Ich glaube, das passierte durch eine Hackerattacke seitens einer Person, die wir ungerecht behandelt hatten. Innerhalb weniger  Minuten verloren wir wichtige Zugangsdaten und hatten nichts mehr zu melden. Danach  waren wir für einige Monate Fußabtreter, bis man uns wieder rehabilitierte. Und das  zurecht. 

Die Lektion aus diesen Geschichten ist für mich: Politik und Macht korrumpieren. Auch  wenn es um wenig geht. Daher ist man immer selbst gefragt, wenn es heißt: „Helf‘ ich  noch, oder regiere ich schon?“




Rabbi Homolka – Opfer einer Schmierenkampagne oder Übeltäter?

Von Simon Ben Schumann | Ist einer der führenden liberalen Juden im Lande  Opfer einer Schmierenkampagne? Seitdem ihm Machtmissbrauch und Vertuschung  vorgeworfen werden, lässt Walter Homolka seine Ämter ruhen.  Aber was ist wirklich dran an den  Anschuldigungen? 

Die Vorwürfe 

Walter Homolka spielte beim „Wiederbeleben“ des progressiven Judentums in  Deutschland eine große Rolle. Aus einer Familie mit jüdischen Wurzeln stammend,  konvertierte er schon mit 17 Jahren zur Religion. Nach der Gründung des Abraham Geiger-Kollegs in Potsdam war Homolka seit 2002 Rektor. An der jüdischen  akademischen Einrichtung leitete er die Ausbildung von Rabbinerinnen und Rabbinern. Außerdem hatte er mehrere Professuren und Dozentenstellen inne, z. B. an der Universität  Potsdam. 

Anfang Mai kamen Vorwürfe gegen seinen Ehemann, Hartmut Bomhoff, ans Licht.  Dieser war Dozent am Kolleg und dessen Pressesprecher. Er soll am 6. Juli 2019 ein  Video an den Studenten Itamar C. verschickt haben, in dem er sich selbst befriedigt.  Dieser Vorwurf gegen den Ehemann von Homolka ist Hauptthema des so bezeichneten  „Skandals“. 

Die Hintergründe des Videos sind indes völlig unklar. So erstattete der Student zwar  Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Potsdam; dies aber erst im November des Folgejahres. Die Strafanzeige wurde auch nicht weiterverfolgt. 

Falsche Verdächtigungen? 

Trotzdem folgte Entrüstung. Der AStA der Universität Potsdam verschickte im Mai eine  E-Mail an Studierende, in welcher er sich zum „Skandal“ äußerte. Darin wurden die  Vorwürfe zu Fakten erklärt und Homolka zum korrupten Egomanen. 

So heißt es in der Mail, dass Walter Homolka „allem Anschein nach“ Ermöglicher und  Dulder von sexueller Belästigung am Abraham-Geiger-Kolleg gewesen sei. Er habe durch  seine „toxische Personalunion“ verschiedener Ämter die Potsdamer Theologie völlig  unangebracht „im Griff“. Er hätte eine Kultur der Angst herbeigeführt, inklusive  Machtmissbrauch und Manipulation. Der AStA hoffe auf einen „unbeschwerten Neustart“ ohne eine „Monarchisierung“ durch Homolka. 

Unschön, jemandem etwas so Schwerwiegendes vorzuwerfen – wenn es überhaupt nicht  belegt ist. Nach einem Schreiben von Homolkas Anwalt David Geßner musste der AStA  alles richtigstellen. So stand eine „sexuelle Belästigung“ nie im Raum. Stattdessen ging es  um eine – nicht weiterverfolgte – Anzeige wegen Verbreitens pornographischer Inhalte gegen Bomhoff. Laut Geßner sei der Welt-Artikel, in dem Homolka am 6. Mai zuerst  „angegriffen“ wurde, von der Pressekammer des Landgerichts Berlin in Teilen für  rechtswidrig erklärt worden. Außerdem hat sich Homolka bereits im November 2020,  nach der Strafanzeige gegen seinen Mann, für befangen erklärt.

Die Richtigstellung des AStA ging sodann auch an die Studierenden an der Uni Potsdam.  Zu Homolkas Gunsten, dessen Ämter weiterhin ruhen. 

Auch die Kantorin Avitall Gerstetter, die sich über Konvertiten sehr kritisch äußerte, ging  Homolka an. „Ein Neuanfang ist nicht nur in Potsdam dringend nötig, strukturell wie  personell.“, sagte sie der „Welt“. Dass aber „in dubio pro reo“ gilt, ließ sie außen vor.  Menschlich finde ich das schade. Zumal die Anschuldigungen zuvorderst gegen  Homolkas Mann gingen, nicht ihn selbst. 

Es scheint so, als ginge es hier nicht nur um die sogenannte „Causa Homolka“ – sondern  auch um politische und religiöse Fragen. Der orthodoxe Rabbi Walter Rothschild nahm  Homolka in der „Welt“ sogar als Beispiel für die Probleme, welche es mit Konvertiten  gäbe.  

Homolka selbst äußerte, er habe auf das Verhalten ihm nahestehender Personen keinen  Einfluss. Die Vorwürfe würden ihm weh tun, da er sich immer für das liberale Judentum  eingesetzt habe. 

Jeder muss selbst entscheiden, wem er hier Glauben schenkt – dabei ist es aber vielleicht  besonders wichtig, auf eine unvoreingenommene Betrachtung Wert zu legen.

 

 

 

Bild: Rabbi Homolka trifft den Papst. Foto: Ellenson via Wikimedia commons (Lizenz)


Grüne Spree, gelber Stern & aufgebohrte LKW-Reifen – die irren Klima-Aktivisten kennen keine Grenzen

Von Simon Ben Schumann | Normalerweise sind Flüsse blau – trotz des Klimawandels. Doch jüngst war die Spree im Berliner Regierungsviertel plötzlich giftgrün. Nicht etwa, weil Gott zehn Plagen über Deutschland bringt, um Karl Lauterbach zum Aufgeben zu
zwingen. Nein: Es handelte sich um den genialen Protest einiger Klimaaktivisten.

Am Morgen des 7. Septembers schütteten die Angehörigen von „Extinction Rebellion“ eine färbende Chemikalie von einer Brücke aus in die Spree. Daraufhin verfärbten sich große Teile des Wassers in einem leuchtenden Neongrünton. Auf Twitter hieß es von Aussterbe-Gegnern: „Die grüne Spree steht für die Auswirkungen der #KlimaKatastrophe, die schon lange auf der ganzen Welt spürbar sind!“ Laut Eigenangaben hat man das Wasser mit Uranin gefärbt. Das sei „toxikologisch unbedenklich“. Wär ja noch schöner, wenn man ein wirksames Nervengift genommen hätte. Aber wahrscheinlich sogar „gerechtfertigt“ – Klimakiller Nummer Eins ist schließlich der Mensch. Ein paar Badende in der Spree weniger – schwupps, ist der CO2-Ausstoß reduziert.

Umweltschützer – oder Joker-Fans?

Eine Online-Recherche ergibt: Uranin wird unter anderem zur Markierung von unterirdischen Gewässern benutzt – weil die Farbe fluoresziert. Logischerweise sind bei ihrem Einsatz bestimmte Grenzwerte zu beachten und man sollte das Zeug nicht nach
Gutdünken ins Wasser kippen. In einem Online-Shop heißt es in der Artikelbeschreibung: „Laut Sicherheitsdatenblatt soll ein Einleiten in Gewässer vermieden werden.“ Meine Berliner Verwandten werde ich vorwarnen, die Spree erstmal zu meiden – es sei denn, sie haben Bock auf grüne Haartracht.


Bei der Spree-Färbung musste ich an den Film „Joker“ aus 2019 denken. In einer Szene erschießt der misanthropische, grünhaarige Antiheld live im TV einen Talkshow-Host mit den Worten „You get, what you fuc*ing deserve!“ Ähnliche Rhetorik fällt bestimmt im
Hauptquartier von Extinction Rebellion, wenn der nächste Aufstand geplant wird. Eine ähnliche Aktion gab es 2018: 3.500 Liter gelbe Farbe wurden im Kreisverkehr an der Siegessäule verschüttet. Der Grund für das Fiasko: Man wollte eine überdimensionale Sonne kreieren. Unzählige Fahrradfahrer rutschten umher, die Polizei ermittelte wegen „gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr“. „Nach dem ersten Regen ist das wieder weg.“, sagte ein Greenpeace-Sprecher. Am Ende musste Greenpeace 14.000 € (!) an die Berliner Stadtreinigung zahlen. Der Säuberungsaufwand war immens.

Nicht nur Natur und Straßenverkehr leiden unter den Aktionen. Es kann sogar richtig gefährlich werden. So blockieren die Extinction-Rebellion-Jünger regelmäßig Straßen. Letzten Sommer wurde die Bundesstraße B1 lahmgelegt. Schilder mit Sprüchen wie
„Entschuldigen Sie den Gesetzesverstoß, es geht ums Überleben!“ zierten die illegale Aktion. Aktivist Dominik Lange sagte vor Gericht, angeklagt wegen gemeinschaftlicher Nötigung: „Hier sitzt die falsche Person auf der Anklagebank. […] Ich übertrete bewusst Gesetze und Normen.“ Klar, denn im tugendhaften Umwelt-Utopia werden nur Fleischesser eingeknastet – es sei denn, sie sühnen ihre Schuld mit einem „gesunden“ Sojasteak.

Die „Aktivisten“ scheinen in Deutschland und in unseren Nachbarländern wirklich vor nichts mehr zurückzuschrecken. In. Südengland stürmte die Gruppe „Animal Rebellion“ vor kurzem das Gelände einer Milch-Fabrik und machte sich mit Bohrmaschinen und Bolzenschneidern an den Parkenden LKWs – genauer gesagt, an ihren Reifen – zu schaffen. Nach eigenen Angaben zerstörten die Klima-„Aktivisten“ die Reifen von 50 parkenden Fahrzeugen. Für die Firma bedeutet das einen gigantischen Schaden: Sie müssen ihre Produktionsabläufe stoppen, mit Lieferausfällen rechnen und vor allem müssen sie die zerstörten Reifen ersetzen –  je nach Fahrzeugtyp bedeutet das zwischen 300 und 1.000 Euro pro Reifen. Und das nur weil den selbsternannten Klima-Rettern von Politik und Polizei – in Deutschland und anscheinend auch in England – keine harten Grenzen gesetzt werden. 


Wir müssen uns wehren – Dänemark zeigt, wie es geht

Ein virales YouTube-Video dokumentiert, wie Vegan-Aktivisten einen McDonalds im dänischen Frederiksburg blockieren – weil er Fleisch anbietet. Mittlerweile hat der Clip Millionen Aufrufe. Die Aktivisten lassen keine Kunden mehr rein. Doch ein hungriger
Mann hat genug. „Ist mir egal“, antwortet er auf die Predigten der Blockierer und bricht durch die Menschenkette. Fairerweise muss man sagen, dass Mandelmilch halt keine Muskeln macht. Wenn wir alle solchen Protesten so entschieden entgegentreten, haben die Extremisten keine Chance. Und die Spree bleibt blau.


Fall Gerstetter: Hass gegen jüdische Konvertiten oder berechtigte Kritik?

Von Simon Ben Schumann | Avitall Gerstetter, Kantorin in Berlin, wurde gefeuert. Der  Grund: Sie schrieb einen Artikel in der „Welt“ – mit explosivem Inhalt. Am 9. August, also vor drei Wochen, veröffentlichte Gerstetter ihren Kommentar.  Überschrift: „Warum die wachsende Zahl der Konvertiten ein Problem für das Judentum  ist.“ In dem Meinungsstück beschreibt die einzige weibliche Vorbeterin Deutschlands,  warum sie Konvertiten zum Judentum als „Problemauslöser“ betrachtet. Ihr wachsender  Einfluss verändere den ihr aus Kindertagen bekannten Gottesdient.  

Eine kontroverse Ansicht

Gerstetter schildert, dass Menschen unter anderem aus zwei Gründen zum Judentum  konvertierten. Einerseits gäbe es eine gewisse Orientierungslosigkeit unter Christen,  möglicherweise der mangelnden Nachwuchsarbeit der Kirchen geschuldet. Spirituell  heimatlose Menschen würden sich daher dem Judentum anschließen.  

Diese Sicht kann man hartherzig nennen oder realistisch – viel kontroverser aber ist der  zweite Grund: Das Wechseln von der „Täterseite“ auf die „Opferseite“, sozusagen auf die  richtige Seite der Geschichte durch Konversion. Avitall Gerstetter ist mit Sicherheit nicht  die erste Person, welche diesen Vorwurf äußert – aber dass er sehr verletzend für  Konvertiten sein muss, ist naheliegend. Auch beklagt Gerstetter, dass konvertierte Juden zu oft in Führungspositionen wären und  überhaupt einen zu großen Anteil in Betergemeinschaften ausmachten. Sie nennt die Zahl  von teilweise „80%“. 

Die Reaktion: „You’re fired!“ 

Nach der Veröffentlichung schlug der Artikel prompt Wellen. Viele Juden, ob geboren  oder konvertiert, führten eine eigentlich „innerjüdische“, emotionale Debatte nun in der  Öffentlichkeit. Tatsächlich beginnt Gerstetter ihren Kommentar in der „Welt“ mit der  Feststellung, man solle über den „Giur“, hebräisch für „Übertritt“, eigentlich nicht  sprechen. Wahrscheinlich genau wegen dem, was jetzt passiert. 

Denn die Diskussion war nicht mehr aufzuhalten. Die Synagoge in der Oranienburger  Straße (Berlin), in der Gerstetter Vorbeterin war, ist religiöse Heimat vieler Konvertiten,  inklusive der Rabbinerin Gesa Ederberg. Gerstetter legte sich also in gewisser Weise mit ihrer Chefin an, was zumindest Respekt verdient. Gut ging es für sie aber nicht weiter. 

Die Gemeinde erhielt aufgeregte Mails von Konvertiten und Nicht-Konvertiten, die sich  zum Artikel äußerten. So schrieb eine betroffene Frau, dass sie „in Wirklichkeit immer  schon“ Jüdin gewesen und mit ihrer Konversion nur ihre wahre Identität öffentlich  bezeugt habe. Der Vorwurf der „Ablasskonversion“, wie Gerstetter es nennt, sei ähnlich  wie der Vorwurf, Ausländer kämen nur für Sozialleistungen nach Deutschland. 

Differenzierter sieht das Ganze Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in  Deutschland. Einerseits kann er die Kritik Gerstetters nachvollziehen, da Konvertiten in  Führungspositionen durchaus Probleme verursachen könnten. Andererseits wollte er sich dem umstrittenen Punkt der „Ablasskonversion“ nicht anschließen.

Am 16. August wurde Avitall Gerstetter von der Jüdischen Gemeinde Berlins freigestellt,  jetzt ist sie gekündigt. Sie will rechtliche Schritte einleiten, da die Entlassung nicht  gerechtfertigt sei.  

Innerjüdische Konflikte 

Nach der „Halacha“, dem jüdischen Gesetz, ist Jude, wer eine jüdische Mutter hat. Nun  gibt es aber eine Menge Leute, die nur väterlicherseits jüdisch sind – also der Vater hat  eine jüdische Mutter. Sie werden in Amerika zwar von liberalen Gemeinden anerkannt,  von allen anderen Gemeinden aber nur nach einem Übertritt vor einem rabbinischen Gericht. 

Für Betroffene kann das belastend sein. Die Autorin Mirna Funk schreibt im Deutschland  Archiv der Bundeszentrale für politische Bildung über ihre Erfahrungen. So hänge es  immer vom „guten Willen“ anderer Familienmitglieder ab, ob man nun dazugehört oder  nicht. Interessanterweise war auch der Vater von Avitall Gerstetter, trotz des jüdisch klingenden Nachnamens, konvertiert. Ihre Mutter nicht, womit sie dem jüdischen Gesetz  gerecht wird. 

Ich persönlich frage mich, ob Gerstetter dieselbe Meinung hätte, wenn ihre Mutter keine  Jüdin wäre. Auch sie hätte dann konvertieren müssen, um dazu zu gehören. Mir selbst geht es  da ähnlich, weil ich getauft bin und keine jüdische Herkunft besitze, die für eine  Anerkennung ausreichend wäre. Höchstens in der allerliberalsten Gemeinde von Miami  würde man mich als Juden willkommen heißen – in diesen Kreisen aber wohl erst nach einer gemeinsamen Bong und nachdem meine Pronomen geklärt sind. 

Als insofern Außenstehender kann ich beide Seiten verstehen. Einerseits glaube ich, dass  man als aus Völkermord und Verfolgung kommender Mensch vorsichtig ist, wen man in  seine traditionsgebundene Gemeinschaft aufnimmt. Das ist nur nachvollziehbar. Noch  verständlicher ist das, wenn es um Führungspositionen mit Gestaltungsmacht geht.  Andererseits hätte ich mir von Avitall Gerstetter eine differenziertere und empathischere  Kritik gewünscht.  

Am Ende bleibt es beim alten Spruch: „Wer Jude ist, entscheiden immer die anderen.“ Vielleicht sollte deswegen mehr der innere Weg zählen – und nicht so sehr, was jetzt  formell und politisch richtig ist, egal aus welcher Sicht.