Neues aus Italien: Rom geht vor die Wildschweine

Von Elena Klagges | Ragazzi, zu allererst möchte ich mich für die lange Pause entschuldigen. Der letzte Bericht ist leider schon einige Zeit her, doch die Universitätsprüfungen am Ende des Semesters haben mehr Zeit und Nerven abverlangt als gedacht.Jedenfalls war ich vor kurzem mal wieder für einen Kurztrip in Rom, wo zur Zeit einiges los ist.

Die erste Hammer-Meldung: In Rom sind die Wildscheine einmarschiert. Ganz neu ist dieses Phänomen nicht, dafür ist der ganze Müll in der Stadt ein zu einfach gefundenes Fressen für die Tiere. Aber bisher handelte es sich noch um periphere Stadtgebiete. Jetzt hausen die Schweine mitten in der Stadt, halten den Verkehr auf und haben Berichten zufolge sogar schon Menschen angegriffen.

Zu dem großen Glück der Wildschweine ist der Platz momentan auch da. Die meisten Römer sind selber schon an ihre Ferienziele gereist und überlassen die Stadt den Touristen. Was auf der einen Seite auch seinen Charme hat. Ich, die die Hitze sehr gut erträgt, war direkt nach der Landung in Fiumicino, als ich mir endlich zwei Schichten Wollpullover ausziehen konnte, um mir bei diesen schrecklichen Klimaanlagen im Flugzeug nicht den Tod zu holen, wieder in Italien akklimatisiert.

Also den kurzen Stopp in der Hauptstadt voll ausnutzen und zunächst in die Galleria Doria-Pamphilij. Zwischen einigen Ausländern und unzähligen Ventilatoren wurde ich in diesem Palast einer klerikalen Familie aus dem 15. Jahrhundert in den Bann gezogen. Unendliche Prachtstücke der alten Meister, von Velazquez über Tintoretto bis hin zu Poussin, tapezierten die meterhohen Decken der repräsentativen Räume. So bestaunte ich nicht nur die bildende Kunst, sondern träumte gleichzeitig im Ballraum zu stehen, in einem wunderschönen Kleid mitten unter der wichtigen romanischen Gesellschaft, unter mir der Holzboden knarzend, zum Tanz aufgefordert zu werden. Und dann in der Mitte der Führung ein extra abgedunkelter Raum, in dem DER Caraviggio, ein Bildnis von Johannes dem Täufer mit Lamm, hing – nur, um dann festzustellen, dass das Bild schief hing!

Ach, wie ich die Italiener vermisst habe. Sie wissen, was für ein Reichtum Roma, caput mundis, zu bieten hat. Da macht das eine oder andere schief hängende Bild doch nichts aus. Und es stimmt, diese Farben, die Architektur, die Pracht der Stadt, welche gerade in der Abenddämmerung in einem rosafarbenen Goldschimmer zum Erleuchten kommen, könnten Rom noch als die ursprüngliche Weltstadt Europas gelten lassen. Wären da nicht das politische Chaos, die wirtschaftliche Krise und die Migrationsprobleme. Italien ist in diesen Tagen sagen wir mal führungslos. Die im Frühjahr 2021 vom Staatspräsidenten Mattarella ernannte Regierung, Draghis Regierung nationaler Einheit, ist gefallen. Momentan überlebt er mehr schlecht als recht Vertrauensvoten, wobei man eigentlich noch gar nicht weiß, ob er überhaupt weiterhin das Amt des Ministerpräsidenten fortführen möchte. Das Ausland vor allem schätzt den ehemaligen EZB Präsidenten als ruhigen und gesonnenen Staatsmann mit viel Erfahrung. Die Italiener widerum sind geteilt. Einige sehen in dem Verlassen des Plenarsaals durch die mitte-rechts Parteien Lega und Forza Italien eine Art Revanche Berlusconis, nachdem er 2011 durch einen ,,Coup’’ unter anderen unterstützt von Draghi abgesetzt wurde. Andere halten verzweifelt an ihm fest und sehen Draghi naiverweise noch fest im Sattel.

Nun, man wird sehen was passieren wird. Wahlen, bis dato erst im Frühjahr 2023 angesetzt,wären immerhin ein demokratischer Fortschritt, aber längst noch keine sichere Gegebenheit.

Nach der Galerie wollte ich vor dem pranzo ein bisschen bummeln und da erschlug es mich. Auf der Via del Corso überrannte mich eine wild gewordene Horde konsumsüchtiger Touristen, die die Werte und Schätze dieses Landes nicht einmal wahrnahmen. Mit Handys vor den Sonnenbrillen, mit angeschwollenen Füßen in verschwitzten Sandalen – teils mit teils ohne Socken – verstopften sie wie die Wildschweine oben die Straßen. Aiutò, dachte ich mir. Wie kann es nur sein, dass ein Bekannter ausgerechnet im August die Stadt genießen möchte?! Nun, er sagt auch, Rom ist die schönste Stadt der Welt – wären da nur nicht die Römer an sich. Doch ich muss dem widersprechen. Gerade die Einwohner Roms sind mir doch sympathisch, und wenn vereinzelt auch nur wegen ihres geschmackvollen Stils. Dabei sollte ich betonen, dass ich das alltägliche Rom mit Zeit, Ruhe und Nerven genießen kann und hier aus meiner subjektiven Perspektive schwärme.

Doch am Nachmittag, nach einem köstlichen Mittagessen, lichtete sich die Situation und die Piazza del Popolo präsentierte sich fast menschenleer in vollster Schönheit. Da zahlte es sich wieder aus, hitzeresistent zu sein und bella Roma noch strahlen zu sehen – ohne den Massen jeglicher Art. Die Stadt bleibt, wie ich zu sagen pflege, das dreckigste Juwel der Welt – und ebenhochkarätig.

Kleiner Tipp: Für einen Besuch dort bleibt Anfang September mit die beste Zeit für meinen Geschmack. Langsam kehren die Einheimischen zurück und mit ihnen etwas Normalität in den Gassen. Und auch die Erkundungstour gestaltet sich bei Anfang bis Mitte zwanzig Grad angenehmer als unter brüllender Hitze.

Jetzt geht es aber auch für mich ans Meer nach Sizilien, denn das muss man den Italiener lassen: Im Tourismus waren sie immer und sind sie ungeschlagen. Freundlich und sympathisch bieten sie die beste mediterrane Küche, klischee-erfüllende Unterhaltung und unvergessliche Ferien


Bildung für die Herausforderungen der Zukunft – ein Interview mit einem Privatschulleiter 

Von Elena Klagges | Peter Rösner ist seit 2014 Schulleiter des Internatsgymnasium Stiftung Louisenlund in Güby an der Schlei und möchte die Schule neu denken. Im Sinne der Kurt Hahn’schen Reformpädagogik wird der Campus zur Zeit auch architektonisch erweitert und steht mitten in einem Aufbruch. Ich habe als Altschülerin bei Herrn Rösner angerufen und mich mit ihm ein bisschen über die neue, moderne Schule unterhalten.



Elena:
Herr Rösner, könnten Sie das neue Lern- und Forschungszentrum einmal kurz vorstellen? Was soll dadurch erreicht werden?

Peter Rösner:
Wir wollen Bildung für eine nachhaltige Zukunft entwickeln. Etwas plakativ gedacht: Die gesellschaftlichen Themen werden gerade in letzter Zeit vor allem durch zwei Fragestellungen geprägt.
Zum Einen ist da die Gestaltung der Energiewende. Bei schwindenden Ressourcen müssen wir neue Konzepte entwickeln, die uns unter Anwendung der Technik und Naturwissenschaften die Versorgungssicherheit in der Zukunft gewährleisten. Das zweite Thema umfasst die gesellschaftliche Teilhabe und demokratische Gerechtigkeit. Beispiele hierfür sind das kürzlich von der Regierung eingeführte 9-Euro-Ticket oder die Benzingutscheine, die es allen ermöglichen sollen, auch in Zeiten steigender Preise weiterhin mobil am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben.
Die Struktur unserer heutigen Gesellschaft ist im Wesentlichen nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden, sie trägt aber viele Elemente in sich, die vorher schon existierten. Die Staatsfinanzierung beruht nicht zuletzt auf dem System, dass der Mensch arbeitet. Mit den Steuerbeiträgen werden die Schulen, die Verwaltung und Straßen finanziert.

Nun aber werden durch die Automatisierung große Teile der menschlichen Arbeit rationalisiert. Auf gesellschaftliche Fragen, die auf uns zukommen, brauchen wir somit neue Antworten, die wir mit der Bildung für eine nachhaltige Entwicklung lösen wollen. Die Schulen von heute behandeln diese Fragen jedoch nicht. Sie beruht im Wesentlichen noch auf dem Modell der Fabrikschule aus dem 20. und 21. Jahrhundert, als Bismarck die Schulpflicht etablierte. Zu der Zeit brauchte man vor allem preußische Verwaltungsbeamte, welche uniform sein mussten, also verwalten und nicht abweichen bzw. erfinden sollten. So wurden nach der klassischen Methode viele Kinder mit einem Lehrer in einen viereckigen Raum gesteckt.


Ich glaube aber, dass diese Methode sehr ineffektiv ist, denn Kinder sind nicht alle gleich und sie lernen unterschiedlich. Folglich sollte man sie auch nicht alle gleich behandeln. Die neue Pädagogik möchte mit dem Modell der Fabrikschule brechen und es dem Individuum ermöglichen, sich bestmöglich zu entwickeln und zu bilden. Dabei sage ich bewusst sich ,,zu bilden‘‘, nicht ,,zu unterrichten‘‘.

Die Schule von heute beruht im Wesentlichen noch auf dem Modell der Fabrikschule aus dem 20. und 21. Jahrhundert, als Bismarck die Schulpflicht etablierte.



Elena:

Zu Bismarcks Zeiten versuchte Humboldt mit Einführung des dreigliedrigen Schulsystems den Zugang zur Schule breiter zu demokratisieren. Dann versuchten die 68er-Bewegung und weitere Bildungsreformen das Gliedsystem abzuschaffen, allerdings sieht man beispielsweise an den seit 2000 stattfindenden PISA-Studien, dass der Bildungsstandort Deutschland eher gescheitert ist. Wie wollen Sie jetzt erreichen, dass diese Art Schulreform ein Erfolg wird?


Rösner:

Im Rahmen der Mehrgliedrigkeit hingegen, also die Unterteilung in Gymnasium, Real- und Hauptschule, bringen wir die Kinder am Ende alle zu einem Ziel, dem Schulabschluss.

Aber wenn jetzt ca. 43% der Schulwechsler auf ein Gymnasium gehen – was nebenbei bemerkt keine Bestenauslese nach dem Leistungsprinzip ist, sondern vor allem von dem sozialen Background und der Herkunft der Eltern abhängig ist – dann haben wir viele Schüler mit einem 1,0 Abi, aber auch viele mit 3,0. Und sogar Prüflinge mit 0 Punkten in Klausuren. Da könnte man jede andere Person in die Prüfung schicken und die Prüfung wäre besser gelaufen. In diesem Moment ist Schule gescheitert. Denn in den allermeisten Fällen beruht das Scheitern nicht auf Leistungsverweigerung, sondern schlicht und einfach darauf, dass der Schüler es nicht verstanden hat. Das reflektiert sich auch in der Schulabbrecherquote, die laut dem Bildungsmonitor 2019 auf 6,3 % gestiegen ist. Diese Kinder machen noch nicht einmal einen Abschluss, waren aber Jahre in der Schule, die aber nicht erfolgreich funktioniert.

Bei dem Gleichschaltungsprinzip der Schule hat man permanente Überforderung sowohl der Schüler als auch der Lehrer. Jeden Tag wird jemand vom eigenen Scheitern frustriert und demotiviert. Gleichzeitig hat man aber auch Schüler, die ständig gebremst werden und sich langweiligen. Das ist ethisch nicht vertretbar.

In Louisenlund möchten wir deshalb die Klassen auflösen und durch aktives Lernen und eigenes Bemühen die Kinder als individualistisch Lernenden sehen. Diese muss man dann mit einem neuen System unterstützen. Hier legen wir die pädagogische Leiter an, bei der jeder seinem Lerntempo gemäß berücksichtigt wird.


Elena:

Wie werden bei diesem System die Vorgaben des Landes, angefangen bei G8 und G9 und die Lehrpläne eingehalten werden können?

 

Rösner:
In der Tat, der Lehrplan gilt weiterhin, aber diesen einzuhalten können wir problemlos tun. Das staatliche Bildungsmonopol bleibt und gilt auch für uns als Privatschule. Und wir bleiben auch weiter ein Gymnasium.

Doch wir erlauben es den Kindern die Lerninhalte und den Lernstoff, der für die 4 Jahre, wie z.B. die Juniorenstufe fünf bis acht vorgesehen ist, innerhalb des neuen Systems in ihrem Tempo zu erarbeiten. Also etwas mehr Zeit zum Verstehen in Anspruch zu nehmen oder eben auch kürzer. Dabei ,,überspringt‘‘ man aber nicht wie in öffentlichen Schulen eine ganze Klasse und verpasst dadurch den für diese Klasse vorgesehenen Lernstoff, sondern das Kind hat sich diesen selbstständig im Prozess angeeignet und wird dadurch keine Lücken aufweisen.
Plastisches Beispiel: Im Lehrplan sind 10 Stunden Mathe für Bruchrechnung eingeplant und danach soll das Thema Geometrie folgen. Wenn der Schüler bis zum Ende eines Themas den Lerninhalt nicht verstanden und durchdrungen hat, dann wird beim linearen Unterricht einfach weiter gemacht, mit der Folge, dass wir schlechten Noten sehen.

Der Lehrplan schreibt aber nur eine gewisse Kontingentstundenzahl an. Das wird definiert mit Anwesenheit des Schülers und Anwesenheit des Fachlehrers.
Die neue Lernform erreicht diese Stundenzahl innerhalb der ,,Flip-class-rooms‘‘ bei der selbstständigen Studio-time, wo die Verantwortung des Lernens beim Einzelnen liegt.

Während der Studio-time findet mit digitalisierten Inhalten die Aneignung von Wissen statt. Dabei hat der Lehrer vorher diese Inhalte auf Videos aufgenommen und Lerninhalte auf einer Plattform erstellt, wobei sich der Schüler auch direkt selbst überprüfen kann, um seinen Lernstand abzuchecken. Schweift man aber mal ab oder hat etwas nicht verstanden, dann kann man das Video wiederholen und nochmal versuchen, das Thema zu durchdringen.
Für uns bedeutet dies gleichzeitig auch, dass wir nie wieder Unterrichtsaufall haben. Denn die Lerninhalte sind in der Cloud für jeden zu jeder Zeit aufrufbar.


Elena:
Das heißt aber auch, dass klassische Klassenarbeiten nicht mehr stattfinden und durch den Einsatz der digitalisierten Lehre ersetzt werden?

Rösner:
Nicht ersetzt, aber ergänzt. Denn zu der Studio-time kommen noch die Seminare dazu.
An der öffentlichen Schule vermittelt der Lehrer nur das Wissen und die Anwendung erfolgt dann meist alleine bei den Hausaufgaben. Bei uns drehen wir das Ganze um und der ursprüngliche Frontalunterricht fällt in die selbstständige Studio-time. Die Anwendung des Wissens, was auch eine deutlich kompliziertere Aufgabe ist, wird der Lehrer dann bei den Seminaren unterstützen und er kann auf diese Weise viel effektiver und individueller die Lücken schließen.

Diese beiden Lernzeiten, also die Studio-time und die ca. 60 Minuten lange Seminare werden zusammengerechnet und so kommen wir auch auf die Vorgaben des Landes. Die formalen Ansprüche werden alle eingehalten, aber die Vermittlung wird ganz anders sortiert.

Elena:
Und wie sieht die Arbeit in diesen Seminaren konkret aus?

Rösner:
Es sitzen bis zu maximal 15 Schüler zusammen. Aber auch hier haben wir keinen Frontalunterricht, sondern die Teilnehmer befinden sich im kollaborativen Lernen, also in gemeinschaftlicher Arbeit, in Diskussion und in Operation. Dies wird durch den Lehrer nur gesteuert und moderiert.

Als klassenähnliche Arbeit ist ein Seminar zeitlich vorgeben, wird aber flexibel mehrmals pro Woche angeboten. Da es aber nicht mehr so lange ist wie eine übliche Doppelstunde, ist der Unterrichtsplan ziemlich ausgedünnt. Dies heißt aber nicht, dass weniger gearbeitet werden kann. Denn die Wissensaneignung muss vorher in der Studio-time erfolgen.

Es hat dennoch den großen Vorteil, dass der Schüler sich die Studio-time in seine persönlich produktivste Phase des Tages legen kann. Einige werden abends erst oder nochmal sehr leistungsfähig, doch dort findet normalerweise kein Klassenunterricht statt. Innerhalb unseres Systems hat man nun aber die Möglichkeit, morgens eventuell schon an einer Gilde (Anmerkung der Redaktion: Das sind sportliche oder soziale Aktivitäten, wie z.B. Hockey, Tennis oder die freiwillige Feuerwehr, Debattierclub etc.) teilzunehmen, und danach erst in die Lernzeit zu gehen.
So wird jeder Schüler seinen ganz individuellen Stundenplan haben. Aber dies ist ein reines EDV-Problem, welches wir ganz einfach lösen können. Bisher hatte ja jeder Lehrer auch seinen eigenen Plan und anstatt, dass wir nur 80 Pläne erstellen, werden wir nun einfach 350 Pläne erstellen.

Elena:
Wie werden die Lehrer auf diese neue Lehr- und Unterrichtsweise vorbereitet? Welche Rolle wird der Lehrer einnehmen?

Rösner:
Der Lehrer wird sich nicht mehr ausschließlich als Lehrer im Klassenzimmer definieren, sondern als Lehrer in der Schule insgesamt. Dadurch, dass die Seminare weniger Zeit in Anspruch nehmen, hat er mehr Zeit für seine anderen Aufgaben. Man wird zwischen zwei Rollen unterscheiden können. Zunächst ist der Lehrer ein Mentor, der seinen Schüler begleitet und gerade demjenigen, der es braucht, etwas mehr Anleitung geben.

Ein Mentor wird bis zu 8 Schüler betreuen und sich in regelmäßigen Abständen mit den Kindern treffen, um die Lernstände zu besprechen. Dabei kann er mit reflexiven Fragen den Schüler dazu anregen, das Lernen zu erlernen und seine beste Arbeitsweise zu finden. Wir sprechen hier von Metakognition in der Reflexion.
Und gleichzeitig bleibt er Fachlehrer. Hier kommt als Arbeitsaufwand hinzu, dass er die digitalen Inhalte erstellen muss. Ansonsten müssen die Seminare geleitet werden. Anweisungen in den Seminaren könnten so aussehen, dass innerhalb des Seminars ein Kurzreferat präsentiert werden soll, welches sich an Leitfragen orientiert, die mit dem vorher angelernten Wissen ausgearbeitet werden können.

Zusammenfassend wird der Lehrer somit als Mentor die Entwicklung des Schülers individuell begleiten, seine Bildung einmal unter Ausnutzung der Digitalisierung
ermöglichen und schließlich bei der Moderation in den Seminaren vertiefen.


Elena:

Einmal zurück zur fachlichen Ebene: Dass es große Defizite bei Mathematik gibt und ein Fokus auf die naturwissenschaftlichen Fächer gelegt werden muss, ist schon länger bekannt. Schulen und Universitäten beklagen sich jedoch immer mehr, dass große Schwächen auch in der Allgemeinbildung, v. a. bei der Rechtschreibung und Grammatik bestehen. Wie wollen und können Sie dieses Problem angehen?

 

Rösner:
Ich bin ein Fan vom Leistungsprinzip und von der allgemeinen breiten Bildung und setze mich, der selbst aus der naturwissenschaftlichen Richtung kommt, gerne für diese Fächer ein. Doch die Abiturprüfungs- und Oberstufenverordnung gilt ja weiterhin, also die allgemeinen Anforderungen müssen erfüllt werden. Im Modularen Prinzip kann man nun viel besser an individuelle Schwächen arbeiten, als dies bisher an staatlichen Schulen der Fall war. Indem man diejenigen Seminare ggf. zusätzlich besucht, in denen man Lücken aufweist. Wird in einem Quartal der Kurs ,,Auffrischung Rechtschreibung und Grammatik‘‘ angeboten, dann nimmt man sich als Schüler dafür die Zeit. Und wenn sich das Seminar nicht mehr nur an eine spezifische Klasse richtet, sondern allgemein an die Oberstufe, lohnt es sich für uns als Schule auch stets, einen Kurs einzurichten. Die Anzahl der Schüler, die das Seminar besuchen werden, findet man dann schon. Bei dieser Arbeit an Defiziten profitieren die Schüler auch gegenseitig voneinander. Denn wenn man sich bei der Gruppenarbeit untereinander etwas erklärt und selber lehrt, vergisst man die Inhalte nie wieder. Das ist eine sehr effektive Methode und wurde z.B. mit der Hattie-Studie belegt.

Elena:
Haben Sie dennoch irgendwelche Ängste, Befürchtungen oder Sorgen bezüglich der Umsetzung dieses Projektes? Worin sehen Sie beispielsweise Vorteile, die eine Privatschule dabei im Vergleich zu einer öffentlichen Schule hat?

Rösner:
(lehnt sich nachdenklich zurück, überlegt und lacht kurz)
„Elena, weißt du was: Ich bin eigentlich sehr zuversichtlich und überzeugt, dass das ganze Projekt gut laufen wird.
Man sollte Schule nämlich als lernendes System verstehen. Unser Motto ist ja: ,,Heute sind wir gut, morgen sind wir besser.‘‘ Natürlich wird es eine gewisse Testzeit geben, aber dabei werden wir uns nur weiterentwickeln. Ein ständiger Prozess.
Der Vorteil an einer Privatschule ist, dass wir jeden Schüler problemlos mit einem digitalen Endgerät ausstatten können. Das ist dann vergleichbar mit einem Unternehmen, denn auch dort werden die Endgeräte und Ressourcen gestellt. Die Schüler sind in diesem Fall also vollwertige Mitarbeiter.
Die Lerninhalte und Aufgaben sind ja online über die Cloud von überall abrufbar und somit wird es auch keine Ausrede mehr geben, die Hausaufgaben nicht gemacht zu haben oder generell nicht lernen zu können.

Als private Schule sind wir aber auch unabhängig und haben die Freiheit, fundamental andere Richtungen als Vorreiter einschlagen zu können. Zwar gelten die grundsätzlichen und allgemeinen Landesregelungen weiterhin, aber wir können das System Schule von Grund auf neu denken. Es gibt mehr Möglichkeiten, von den alten Mustern abzuweichen und flexibel Neues zu experimentieren, um die Zukunft zu gestalten.

Für mich als Schulleiter kommt als zusätzliche Kontrolle hinzu, ob ich den richtigen Weg eingeschlagen habe, wie viele Anmeldungen es für das Internat gibt und wie groß die Akzeptanz unseres Erziehungsprinzips ist.
Sollten wir irgendwann den richtigen Weg gefunden haben, Schule nachhaltig zu verbessern und zu entwickeln, dann lass es die anderen Schulen übernehmen. Das Finden dieses Konzeptes, das positive Beeinflussen des Bildungswesens, ist dann ein toller gesellschaftlicher Beitrag

 

 


Coronawahnsinn in Italien: die schärfsten Masken-Maßnahmen Europas

Von Elena Klagges | Es kommt selten vor, aber zurzeit bin ich doch ganz froh, in Deutschland zu studieren und mich gerade nicht in Italien aufzuhalten. Das Wetter passt sich hier im Norden langsam dem Frühsommer an und man kann endlich auch hierzulande die ersten Sonnenstrahlen genießen. Und – der ausschlaggebende Grund – zur Uni gehe ich nach 1 1/2 Jahren endlich unbeschränkt wie zu Pre-Corona Zeiten. Das heißt ohne Testung, ohne vorheriger Platzreservierung und ohne Maske!

Ganz anders die Lage im Süden: Am 29. April hat die Regierung in Rom unter Leitung des italienischen Gesundheitsministers Speranza die verpflichtende Maskenpflicht in Schulen, Kinos, in Anstalten des Gesundheitswesens und öffentlichen Verkehrsmitteln bis Mitte Juni verlängert. Das bedeutet, dass die Schüler und Studenten (welche sowieso schon nicht zu der vulnerablen Gruppe gehören) bis zu Beginn ihrer Sommerferien ihren eigenen Atem wieder einatmen müssen und ausgerechnet jetzt bei den steigenden Temperaturen, aber sinkenden Infektionszahlen(https://www.rainews.it/ran24/speciali/2020/covid19/) ihr Gesicht verhüllen müssen.

Begründet werden die Maßnahmen damit, dass es eine letzte Anstrengung geben müsse, um dann den Sommer ohne jegliche Regelungen genießen und leben zu können. Besonders ironisch: Dass der Gesundheitsminister ausgerechnet Speranza heißt, also auf deutsch wörtlich ,,die Hoffnung’’. Zu häufig sind die Bürger zum letzten Durchhalten aufgefordert worden und genauso häufig auch wieder enttäuscht – bzw. man kann schon fast sagen – getäuscht worden, als dass man jetzt dem Versprechen hoffnungsvoll Glauben schenken kann.

In Italien gelten nun also die schärfsten Masken-Maßnahmen Europas und dies, obwohl immer mehr Berichte und Studien die Schutzwirkung der Masken minimieren. Dabei sollte man nicht vergessen, dass zu Beginn der Pandemie der Nutzen der Maske sogar noch abgesprochen wurde und wir dann erst über selbstgenähte Tücher zur obligatorischen Pflicht reguliert worden sind. (https://pagellapolitica.it/articoli/obbligo-mascherina-italia-europa)

Außerdem reduziert sich der Schutz bei falscher Verwendung der Maske nochmal deutlich. Undseien wir mal alle ehrlich. Wer tauscht die Maske regelmäßig und holt nicht mal schnell den dreckigen Fetzen aus einer Jackentasche? Der Gesundheitsminister Speranza fordert das Tragen der Maske auch bei der Arbeit – sogar in Außenbereichen an der frischen Luft, wo der Nutzen der Maske gegen Null geht. (https://www.nicolaporro.it/il-regime-speranza-continua-sul-lavoro-mascherine-anche-allaperto/)

Da dürfen wir uns nicht wundern, wenn auf der einen Seite das Immunsystem eher geschwächt aus der Pandemiezeit kommt und die neue Tanline nicht um die Augen liegt, als sei man grade aus dem Skiurlaub gekommen, sondern eine Art Bart auf die Gesichter zaubert.

Doch diese Entscheidung ist noch längst nicht der Gipfel der Unlogik und Absurdität: Vergangenes Jahr galten zwischenzeitlich Regelungen, die es den ausländischen Touristen erlaubten, ohne Maske die mediterrane Küche zu genießen, während die Italiener in ihrem Inland diskriminiert wurden und ihnen der Eintritt nur mit Maske gestattet war. Seit dem 1. Mai 2022 werden der private und öffentliche Sektor differenziert behandelt. So müssen nur die Arbeitnehmer bei privaten Unternehmen eine Maske tragen; für die Beamten ist es nur eine Empfehlung. Rechtfertigungsgründe sind nicht ersichtlich.

Es braucht wirklich nicht viel gesunden Menschenverstand, um den bürokratischen Schwachsinn zu erkennen. Denn immerhin während der Freizeit muss man in Parks, Bars und beim Sport auch in Italien keine Maske mehr tragen. Doch trifft man hier nicht genau seine Freunde aus der Schule oder sitzt mit Kollegen von der Arbeit für einen aperitivo zusammen?

Ganz zu Recht ruft der Journalist Nicola Porro die Studenten mit der humorvollen Idee dazu auf, ihrer Abneigung zur Maske durch ein fettes ,,L’’ für liberta (dt.: Freiheit) auf der Außenseite sichtlichen Ausdruck zu geben. Bleibt folglich nur zu hoffen (ital. sperare), dass Speranza den Wahnsinn hoffentlich jetzt schnell erkennt und die Regulierungen ein Ende finden.


Movie Review: Downton Abbey 2 ,,A New Era’’ – man sollte aufhören, wenn es am schönsten ist

Von Elena Klagges | Endlich war es mal wieder so weit: Ich war nach Ewigkeiten im Kino und habe mir als großer Downton Abbey Fan den lang ersehnten 2. Film ,,A New Era’’ ausgesucht. Eine Zeitreise in die britischen 1920er und 1930er Jahre. Wo, was von Anfang an auffällt, Manieren, Anstandsgefühl und die guten Sitten noch erstrebenswerte und grundlegende Werte waren, die selbstverständlich vorausgesetzt wurden, wenn man nicht das Gesprächsthema einer bestimmten Klasse sein wollte.

In the big picture: Es ist mal wieder ein gelungener Film, der alle Generationen begeistern kann. So hatte man im Kinosaal das Gefühl, wie in einem großen Wohnzimmer zusammen mit Großeltern, Eltern und Geschwistern zu sitzen und den Erlebnissen der Crawley Familie zu folgen.
Aber nicht nur alteingesessene Eingeweihte werden 100 Jahre zurück in die Vergangenheit geschickt. Ein Freund von mir hat noch keine einzige Folge der Serie gesehen, auch nicht den ersten Teil des Filmes und verließ das Kino mit einem großen Lächeln. Julian Fellows hat es sehr feinfühlig geschafft, nette Anekdoten zu den vergangenen Ereignissen in die Dialoge einzubinden, die den Vertrauten ein rundes Bild der Familiengeschichte geben; gleichzeitig aber für die Neuen nicht den Witz aus der Story nehmen.

Durch die Kameraführung, die im Vergleich zu der Ersten Staffel aus dem Jahre 2010 mit tollen Drohnenaufnahmen arbeitet, bekommt der Zuschauer eine atemberaubende Tour des ikonischen Highclear-Castles und der französischen Villa an der Cote d’Azur. Wie diese zweite Location in das Vermögen der Crawleys kommt, ist eines der spannenden Geheimnisse der DowagerCountess Violet Crawley (Maggie Smith), welche schlagfertig wie eh und je geblieben ist. Deutlich in die Jahre gekommen – was man aber logischerweise dem gesamten Cast von upstairs und downstairs ansieht – sorgt eine ihrer jugendlichen Affären mit dem Marquis de Montmirail für Aufregung. Könnte es sein, dass die ganze Erbfolge des Earl of Grantham auf einem jugendlichen Fauxpas aufbaut?

Während Robert Crawley (Hugh Bonneville) und seine Frau Cora (Elisabeth McGovern) mit einem Teil der Familie diesem Mysterium bei einem sommerlichen Besuch in Südfrankreich nachgehen, leitet die älteste Tochter des Grafen, Lady Mary Talbot (Michelle Dockery) das Estate zu Hause. Doch auch hier wird es nicht langweilig. Wie man auch schon im Laufe der Serie immer wieder mitbekommt, ist die Aufrechterhaltung eines solchen Anwesens mit enormen Kosten verbunden, die viele Familien grade nach dem Ersten Weltkrieg nicht mehr stemmen können. Noch gelingt es den Crawleys sich zu finanzieren, auch wenn man natürlich sehr ungerne über Geld redet. Um die Schäden des Daches überhaupt decken zu können, öffnet Mary nun die Türen für eine Filmproduktion. Hollywood kommt ins das kleine Yorkshire und bringt die moderne Kinowelt mit, die sich grade von den Stummfilmen in die ersten Tonfilme wandelt. Mit bei dieser Partie ist der attraktive Regisseur Jack Barber (Hugh Dancy), der dem Ehemann von Lady Mary, Mr. Henry Talbot (Matthew Goode), große Konkurrenz macht. Zur großen Enttäuschung sei hier schon verraten, dass der hotte Rennfahrer dieses Mal leider kein einziges Mal zu sehen sein wird, weil er auf einer Autorallye rund um die Welt unterwegs ist.Trotzdem legt Michelle Dockery erneut eine tolle schauspielerische Leistung ab.

Wer im Laufe der Geschichte sehr positiv heraussticht, ist Lady Edith (Laura Carmichael), die zweite Tochter des Earls. Die etwas vernachlässigte Schwester entwickelt sich zu einer modernen Frau des 20. Jahrhunderts. Wenn wir Fans mal ehrlich sind, war das Beste, was ihr passieren konnte, von dem alten Herren Anthony Strallan (Robert Bathurst) in der Dritten Staffel am Altar stehen gelassen zu werden. Denn danach fängt eine erfolgreiche Karriere an: Zunächst lernt Edith den Verleger Micheal Gregson kennen, mit dem sie sogar eine Tochter bekommt. Zwar verschwindet dieser tragischerweise bei dem Hitler-Mob in München 1923, aber vermachtet Lady Edith das Magazin ,,The Sketch‘‘. So wird sie eine der interessantesten und stylischen Frauen Londons. Schließlich findet auch Edith ihr Eheglück mit dem Marquess of Haxam, Bertie Palham(Harry Hadden-Paton), der seine Frau sehr offen und herzlich in ihren Projekten unterstützt.

Trotz der ganzen geschilderten Euphorie, muss ich leider gestehen, dass dem Film eine gewisse Spannung, das excitement, fehlt. Probleme und Skandale können erstaunlich schnell gelöst werden, die Dynamiken zwischen den Charakteren sind überwiegend harmonisch; eben zu schön, um wahr zu sein. Vielleicht waren meine Erwartungen dafür zu hoch, aber etwas völlig Neues und Schockierendes enthält das Skript nicht.

Das könnte natürlich daran liegen, dass ein Film in seiner Laufzeit deutlich beschränkter ist, als eine ganze Serie. Und dann muss man auch betonen, dass alle Charaktere in dem Film extrem gut eingebunden worden sind. Jeder hat die Chance, seinen Moment auf der Leinwand zu beweisen. Es scheint, dass man noch im Kinosaal den Spaß transponiert bekommt, den das eingespielte Team während der Dreharbeiten gehabt haben muss. Doch sollte ,,Die Neue Ära’’ der Crawleys mit diesem Film ihr endgültiges Finale finden. Für diejenigen unter uns, – und das werden mit einem weltweiten Publikum von über 120 Millionen Zuschauer einige sein – für die die Crawley Familie sowieso schon eine Droge war, stillt auch dieser Film die Entzugserscheinungen. Doch wie heißt es auch: Man sollte immer aufhören, wenn es am schönsten ist.


Presseschau mal auf Italienisch: Was hält man in Bella Italia von unserer Außenpolitik?

Von Elena Klagges | Ciao Ragazzi, ich bin Elena, 23 Jahre alt und studiere Jura in Münster. Ich bin an der Ostseeküste mit meinen beiden Brüdern aufgewachsen. Hatte aber das große Glück, zweisprachig groß geworden zu sein, weil meine Mutter Italienerin ist. Mami ist in Mailand geboren und in Rom aufgewachsen und wenn sich welche von Euch fragen, wie man dann im Schietwetter in Schleswig Holstein landet, kann ich nur antworten: Amore…

Wir sind immer noch sehr regelmäßig in Italien, weil mein Großvater und die weitere Familie noch dort leben und so nehmen wir das Beste aus beiden Ländern mit. Großer Vorteil: Sollte ich in meinem Chaos auch mal einen Pass verlieren, ich könnte mich zum Glück immer noch mit dem Italienischen ausweisen.
Also falls ihr auch große Fans des italian way of life, der dolce vita seid, habt ihr Glück gehabt, denn ihr seid hier genau richtig. In Zukunft werdet ihr regelmäßig Post aus dem Süden und Insider für Reisen und aus der Küche bekommen.

A presto, Elena


Also, überlegen wir mal, was ist denn zur Zeit so relevant? Die deutschen Schlagzeilen werden weiterhin von dem Ukraine-Konflikt dominiert und es wird vergeblich nach einer Möglichkeit gesucht, sich von den russischen Gas- und Kohleimporten zu lösen.

Doch einige von uns sind so glücklich und können dieser Krisenzeit entfliehen, indem sie sich eine Auszeit gönnen und unser geliebtes Urlaubsland Italien bereisen. Allen voran: Unsere Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel. Anlass genug, sich mal die italienische Berichterstattung genauer anzusehen und herauszufinden, wie über uns Deutsche gedacht wird. Schaut man in die Zeitungen fällt auf, dass sich die Diskussion auf die Fehler der Merkel-Politik konzentriert. 

Die Repubblica berichtet, wie Deutschland ganz nach dem Motto ,,Wandel durch Handel’’ versucht hat, den russischen Bären mit Projekten wie Nord-Stream 1 und 2 in ein regelbasiertes Handelssystem einzubinden. Diese Umgangsart wird im Süden als nostalgische Brandtsche Ostpolitik interpretiert. Über die vergangenen 16 Jahre habe Merkel es geschafft, Deutschland so stark vom russischen Gas abhängig zu machen, dass wir jetzt wie ein ,,nützlicher Idiot Putins’’ dastehen würden. Auch Schröders Stellung bei Gazprom leistete zu dieser Ansicht ihren ganz eigenen Beitrag und mit der anfänglichen Einschätzung von SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz, bei Nord Stream 2 handle es sich um ein rein privatwirtschaftliches Projekt, schien diese Richtung weiter verfolgt zu werden.

Mit dem 100 Milliarden Zuschuss für die marode Bundeswehr, mit dem Deutschland endlich auch das 2%-Ziel der NATO erfüllen wird, scheint allerdings ein Strategiewechsel von der passiven Diplomatie-Politik hin zu einer Realpolitik stattgefunden zu haben. In liberaleren Medien sieht man in den Kriegsfolgen zumindest den positiven Effekt, dass Europa nun langsam ganz nach Platons Lehre: ,,Si vis pacem para bellum’’ (Wenn du den Frieden willst, bereite den Krieg vor) wieder selber in Waffen investiert und Russland entgegenhält, als nur mit Worten zu antworten. Um auf diese Weise zumindest einen angemessen europäischen Beitrag zur NATO zu leisten und sich im Ernstfall mit gewissem Eigengewicht nicht völlig abhängig von einer amerikanischen Verteilung machen zu müssen.

Auch die Autokritik Steinmeiers der letzten Tage scheint die Aufarbeitung des deutschen Ostpolitik-Kapitels abzuschließen; wenn auch dieses späte mea-culpa Geständnis nicht viel an der Situation ändert. Aber zurück zum dominierenden Thema der Energieimporte: Spätestens seit 2014 mit der Annexion der Krim hätte Deutschland die Aggressivität Russland bemerken, die Gasabhängigkeit zurückfahren und eine Wende in der Russlandpolitik einleiten können. Es brauchte aber erst die Bilder aus Bucha, um – oh sieh einer an, die Verteidigungsministerin Lambrecht meldet sich auch mal zu Wort -, eine ernsthafte Forderung nach einem Gasembargo laut werden zu lassen.

Mit Merkel wurde in den italienischen Zeitungen reichlich abgerechnet, aber von Lambrecht bekommt man in den Medien sehr wenig mit. Und wie Oscar Wilde schon feststellte: „There is only one thing in life worse than being talked about, and that is not being talked about.’’ Deutschland und Italien jedenfalls befinden sich in einer ähnlichen Position. Die beiden Länder sind die größten Gasimporteure Europas, wobei Deutschland 55% seines Gases und Italien immerhin auch 45% aus Russland beziehen. Die Staaten betonen immer wieder, nun schnellstmöglich unabhängig von russischen Lieferungen werden zu wollen und haben Ende März in Berlin beschlossen, bei Versorgungsengpässen einen bilateralen Solidaritäts-Gasliefervertrag zu unterschreiben.

Wie der fatto quotidiano meldet, könnte es Italien allerdings leichter fallen, sich schneller von den Lieferungen zu lösen und die Energiequellen zu diversifizieren. Vor dem Hintergrund, dass das Land schon jetzt auch aus anderen Ländern – wie beispielsweise über die Trans-Adria-Pipeline (TAP) aus Aserbaidschan – Importe bezieht, sollen diese zukünftig deutlich erhöht und auch Kohlekraftwerke reaktiviert werden.

In Deutschland scheint es lediglich Verbraucherhinweise zu geben, so viel Energie wie möglich zu sparen und aus Solidarität zur Ukraine appelliert Joachim Gauck, für die Freiheit könne auch mal gefroren werden. Und auch Finanzminister Lindern verschweigt nicht, dass die Gasimporte momentan noch nicht gestoppt werden können. Kein Wunder, dass Deutschland sich deshalb einem sofortigen Gasembargo immer noch querstellt. Aber wer weiß, was da noch kommen könnte – zur Not: ab nach Italien, da macht es ohne Heizung einfach mehr Spaß. 


Tja, liebe Politiker: Ich habe heute leider kein Foto für euch.

Von Elena Klagges | In diesen Wochen läuft die 17. Staffel von Germanys next Topmodel. Heidi Klums Modelschmiede, in der es allein schon mit der Auswahl der Kandidaten an politischen Statements nicht fehlt.
In diesen Wochen hatte sich zuletzt auch der Wahlkampf in Frankreich zugespitzt und pünktlich zu dessen Ende tauchte das Bild vom Präsident mit lässigem 3-Tage Bart, Jeans und einem grünem Pullover der französischen Fallschirm-Spezialeinheit auf. Versuchte der eigentlich eitle Macron den ukrainischen Präsidenten nachzuahmen, der mit Kriegsbeginn seinen staatsmännischen Anzug mit olivgrünen Militärkleidern getauscht hat? Was möchte der Franzose inszenieren? Kampfbreitschaft? Loyalität? Solidarität?

Ein Trendsetter ist Emmanuel jedoch nicht. Die bewusste Kleidungswahl als Symbol für Volksnähe und Nahbarkeit haben längst auch schon andere Politiker für sich entdeckt.
Auf der anderen Seite des Ärmelkanals versucht Boris Johnson, herausragender Eton-Schüler und typisches Mitglied der Upper Class mit seinem radical-chic Clown-Look die Briten zu umgarnen.
Deutsche Models: Bis vor kurzem machte sich Karl Lauterbach mit seiner knallbunten Fliege zum Clown. Jetzt, da er Bundesminister geworden ist, versucht er zwar stilistisch seriöser aufzutreten. Aber wenn er glaubt, dadurch seine lächerlichen Aussagen relativeren zu können – Fehlanzeige! Unvergessen auch Ex-Außenminister Heiko Maas, der sich in Lederjacke und Sneakern einen modischen Fauxpas leistete. Und Scholz vergriff sich auch schon im Kleiderschrank, als er im Oversize-Hoodie vor die Journalisten im Flieger nach Washington trat.

Wollten die beiden Jugendlichkeit ausstrahlen? Der jungen Generation zeigen, wie aktiv, lässig und cool Politiker sein können?
Ganz zu schweigen von dem Papageivogel Claudia Roth. In einem Interview verriet die Grüne kürzlich erst, natürlich schon mehrere Kleiderschränke zu Hause stehen zu haben. Grundsätzlich kein Vorwurf, v.a. bei Frauen. Schön wäre es aber, wenn die Politikerin diese Vielfalt auch im Bundestag repräsentierte. Sich Diskussionen und Meinungen öffnen würde, anstatt wie eine Vogelscheuche die Nachhaltigkeitsdoktrin durchsetzen und andere Lifestyles vergrauen zu wollen.

Wir leben zwar nicht mehr im 20. Jahrhundert – auch wenn ich zugegeben gerne mal in diese Zeit zurückreisen würde und deshalb den deutschen Kinostart des zweiten Downton Abbey Films am 28. April kaum erwarten kann. Aber ein bisschen stilistischen Anstand, eine gewisse Etikette mag man doch noch erwarten dürfen. Zumal der legere Style den Politiker nicht besonders gut steht und außer einer reinen Symbolpolitik und Solidaritätsbekunden wenig bezwecken dürfte.

In die Absurdität wird die Debatte getrieben, wenn man noch identitätspolitische Accessoires auftragen möchte. Als ich am vergangenen Dienstag bei BILD TV in die Sendung Viertel nach Acht schaltete, erläuterte die Welt-Journalistin Susanne Gaschke, dass die military Frühlingskollektion 2022 von einigen sogar als Inbegriff der toxischen Männlichkeit gesehen werde. Unter anderem Selenskys medialer Catwalk verwerfe die feministischen Errungenschaften der letzten Jahrzehnte und repräsentiere den Inbegriff des unterdrückenden weißen Mannes.

Ein Rückschritt, der unbedingt ein Ende haben müsse.
Zumindest in diesem Punkt kann ich zustimmen. Denn säße ich auf dem Jury-Stuhl: Ich hätte auf jeden Fall kein Foto für sie.