Von Max Roland | Der amtierende Bundesverfassungsrichter Peter Müller hat die absurden Vorgänge bei den Berliner Wahlen im September 2021 scharf kritisiert. Wenn sich das so darstelle, wie das den Medien zu entnehmen sei, „dann dürfte das ein einmalig gelagerter Fall sein“, sagte Müller. Da würden Verhältnisse geschildert, dass man versucht sei zu sagen, „sowas hätte man sich vor einigen Jahrzehnten vorstellen können in irgendeinem diktatorischen sogenannten Entwicklungsland, aber doch nicht mitten in Europa, mitten in Deutschland“.
Das seien, soweit er es übersehen könne, „tatsächlich Abläufe, wie sie in vergleichbarer Weise jedenfalls in Deutschland noch nie stattgefunden haben“. Müller, der im Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts für das Wahlrecht zuständig ist, äußerte zudem, die Mandatsverteilung nach dem Bundeswahlgesetz habe „mittlerweile ein Maß an Komplexität erreicht, das für den Normalbürger aus meiner Sicht nicht mehr durchschaubar ist“. Zurzeit läuft ein abstraktes Normenkontrollverfahren gegen diese Regelung. „Apollo News“ hatte 40.000 Akten ausgewertet, die die Mandatsrelevanz der Wahlunregelmäßigkeiten belegt hatten.
Von Max Roland | Von Oben verordnete Sparsamkeit ist wieder en Vogue: Wirtschaftsminister Habeck appelliert wieder und wieder an die deutschen, Gas zu sparen. Sein grüner Parteifreund, Bundesnetzagentur-Chef Klaus Müller, schimpft mit den Bürgern, weil sie mehr Gas verbrauchen als im letzten Jahr. Im Fernsehen werden quasi 24/7 „Spartipps“ gesendet: Im „ZDF“ heißt es beispielsweise, man solle nur die Kleidung bügeln, die es „wirklich brauche“. „Ich warte nur darauf, dass der Staat uns einen Eintopfsonntag verordnet“, schimpft der Publizist Henryk M. Broder. Auch auf Demonstrationen fällt immer wieder das zynische Wort vom „Eintopfsonntag“. Doch was ist das eigentlich?
Der „Eintopfsonntag“ war eine Propaganda- und Sparmaßnahme der NS-Regierung. Er wurde am 1.Oktober 1933 eingeführt. Zugunsten des kurz zuvor gegründeten Winterhilfswerks (WHW) sollten die deutschen Haushaltevon Oktober bis März auf die traditionellerweise üppigen Sonntagsmahlzeiten verzichten – und stattdessen einen preiswerten Eintopf kochen. Dessen Preis sollte pro Kopf fünfzig Pfennig nicht überschreiten. Der Differenzbetrag zum höheren Preis einer gewohnten Sonntagsmahlzeit sollte dann dem WHW gespendet werden – im Sinne der „solidarischen Volksgemeinschaft“. Das war der deutsche „Sozialismus der Tat“, wie ihn das NS-Regime propagierte. NS-Größen aus Partei und Staat ließen sich immer wieder öffentlichkeitswirksam beim Eintopf-Essen ablichten – auch der „Führer“ selbst, um seine angebliche Volksnähe zu demonstrieren. An vielen Sonntagen kam es zu vom Winterhilfswerk veranstaltetem, öffentlichem Eintopfessen. In den Zeitungen wurden wiederholt Eintopfrezepte als Vorschläge veröffentlicht. Die Botschaft: Seid sparsam, seid solidarisch. „Das ganze deutsche Volk soll bei diesem Eintopfsonntag bewußt opfern […] um bedürftigen Volksgenossen zu helfen“, hieß es in der Propaganda.
Doch die „Eintopfsonntage“ hatten auch einen ganz praktischen, volkswirtschaftlichen Effekt: Sie sparten Ressourcen. Insbesondere Fett. Denn Fett war knapp – im NS-Deutschland herrschte eine sogenannte „Fettlücke“, aus eigener Erzeugung wurde 1936 nur 68,8 % des Pro-Kopf-Fettverbrauchs für die Ernährung erwirtschaftet. Die Einfuhr war teuer und widerstrebte der nationalsozialistischen Ideologie, die auf Importe verzichten und das Reich in allen Bereichen autark machen wollte. Und da die NS-Zentralwirtschaft sich auf Aufrüstung und Schwerindustrie konzentrieren wollte, war für Konsumgüter kein Platz: Selbst für Butter nicht. „Erz hat stets ein Reich stark gemacht, Butter und Schmalz haben höchstens ein Volk fett gemacht“, erklärte ausgerechnet das NS-Schwergewicht Hermann Göring 1935 bei der Eröffnung der „Hermann-Göring-Werke“. Er hielt eine „freiwillige“ Reduzierung des Fettverbrauchs um 25 Prozent für erforderlich. Goebbels etablierte den Spruch „Kanonen statt Butter“.Sparen und Verzichten für das höhere Ziel einer nationalen Kraftanstrengung.
Sind wir wieder beim „Eintopfsonntag“? Nein – faktisch und politisch sind wir das nicht. Und Vergleiche mit dem Nationalsozialismus und Goebbels-Propaganda hinken ohnehin meistens. Aber die Assoziation kann man den Menschen in Zeiten eines Waschlappen-Kretschmanns oder Blackout-Schönrederei in den Öffentlich-Rechtlichen wirklich nicht übel nehmen.
Bild: Bundesarchiv, Bild 133-295 / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5338075
Von Max Roland | Mao hat einen Nachbarn bekommen. Bis 2011 überblickte die Statue des „Großen Vorsitzenden“ alleine den Tiananmen-Platz – dann bekam sie Gesellschaft durch den großen chinesischen Denker Konfuzius. Der dicke Kommunist würde sich im Grabe umdrehen, wenn er das wüsste – denn die chinesischen Kommunisten taten zu Maos Lebzeiten alles, um die Ideen von und die Erinnerung an Konfuzius und andere Väter von chinesischer Kultur und Gesellschaft auszulöschen. Kulturrevolutionär Mao hatte zu Lebzeiten versucht, den konfuzianischen Einfluss aus der Seele Chinas zu verdrängen. In den letzten Jahren kehrten er und andere Väter der imperial-chinesischen Kultur, wie Lao Zhou und Sun Tsu, ins kulturelle Gedächtnis des „Reiches der Mitte“ zurück. Eine Geschichte, die China einst verteufelte, ist wieder relevant, und ihre Charaktere, die einst verschrien waren, sind als Helden der Nation wiederauferstanden. Heute sind Konfuzius und co. der jungen Akademikergeneration Chinas wichtiger als Mao. China distanziert sich ein Stück weit vom Kommunismus – Kommunistisch ist am Land eigentlich nur noch der Name und die Struktur der herrschenden Partei, der KP Chinas. Sie ist intern strikt leninistisch organisiert. Aber die chinesische Wirtschaft ist keine Planwirtschaft – eher eine regierungsabhängige und -beeinflusste, aber doch marktorientierte Wirtschaft. Stattdessen ordnet der chinesische Staat sich in die dreitausendjährige, imperiale Geschichte der Nation ein – und Präsident Xi beschleunigt diesen Prozess.
Über Jahrtausende bestand die imperiale Ordnung des „himmlischen Reiches“. Die Welt des Handels drehte sich um China und sein Imperium – schon die Römer handelten mit dem chinesischen Reich, welches so eine kontinuierliche Instanz war, dass die Chinesen die Außenwelt kaum noch wahrnahmen. Sie mussten es nicht – die Außenwelt kam ja zu ihnen. Die Gleichgültigkeit gegenüber den „Barbaren“ dieser Außenwelt zeigt der Kontakt zwischen den Handelsdelegationen der Briten und den Chinesen im 18. Jahrhundert. Die Briten boten den Chinesen ihre neuesten Erkenntnisse in Seenavigation, Bildung und Waffentechnologie an. Die Chinesen lehnten das Angebot ab – auf Latein. Denn Latein war die Sprache dieser „europäischen Barbaren“. Dass das römische Reich seit über Tausend Jahren aufgehört hatte, zu existieren, scherte die Chinesen nicht – die Briten waren für sie das gleiche Barbarenpack, als das sie die Römer sahen. Über die Jahrhunderte schwand Chinas Einfluss jedoch. Dieser Schwund kulminierte im „Jahrhundert der Demütigung“ – als China im späten 19. Jahrhundert durch die Europäer bedrängt, überwältigt und aufgeteilt wurde. Jahrtausende war China das Zentrum der Welt – plötzlich nicht mehr. Europa und später Amerika wurden zu Weltmächten.
Nun strebt China zurück an die Spitze der Weltordnung, geführt von seinem ambitionierten Präsidenten Xi Jinping. Was im Westen als ein Umsturz dieser Weltordnung wahrgenommen wird, gilt in China eher als historische Korrektur – zurück zur natürlichen Weltordnung, in der China als Herz und Zentrum steht. Dieses chinesische Selbstverständnis begreift man im Westen erst langsam. China geht es nicht um Kapitalismus und Kommunismus, nicht um Multilateralismus oder globale Gerechtigkeit gegenüber dem Westen – es geht um die Rückkehr an die Spitze einer Weltordnung, die sich um China dreht. Das imperiale Denken der letzten dreitausend Jahre dominiert die chinesische Politik erneut – der Maoismus wird inoffiziell als Unfall der Geschichte an den Rand gestellt. Natürlich distanziert man sich offiziell nicht von Mao Tse-Tung und seinem Kommunismus – immerhin ist er nach wie vor die Machtbasis der KP. Aber an sich ist die chinesische Staatsdoktrin längst zurück im kaiserlichen Denken des Imperialismus – nichts ist ewig, außer der chinesische Staat.
Von Max Roland | Die Queen ist tot – lang lebe der König! Während Großbritannien in tiefer Trauer um seine prägende Monarchin ist, besteht die britische Monarchie weiter, wie sie es seit Jahrhunderten tut.Die Kontinuität des Königshauses ist der Stabilitätsanker Großbritanniens – die schwersten Krisen in der britischen Geschichte waren fast immer Krisen der Krone. In weltweit fast unvergleichlicher weise sind Krone und Demokratie in Großbritannien nicht Gegensätze, sondern garantieren einander. Das war einer der Gründe, warum der Faschismus in Großbritannien nie Fuß fassen konnte – anders als in Deutschland.
Genau jene deutschen sind es aber nun, die den Briten aus der Ferne ungebetene Ratschläge erteilen wollen. Ausgerechnet der deutsche Staatsfunk ruft jetzt auf englisch zum Sturz zur Monarchie auf. Die „Deutsche Welle“, ein zu 100% nicht etwa über Gebühren, sondern direkt über Steuergelder finanzierte, staatliche Auslandsfunk der Bundesrepublik, erklärt den Tod der Königin in einem Meinungsbeitrag zur Chance für Großbritannien – die Chance, endlich eine „richtige Demokratie“ zu werden. Charles sei schwach, schreibt der „DW“-Autor Zulfikar Abbany in seinem Kommentar – deswegen sei die Gelegenheit gekommen, die Monarchie zu stürzen. Der Autor spricht von „royalen Resten“, die man jetzt beseitigen könne – zusammen mit der „undemokratischen Hierarchie“, die das Land beherrsche.
Die „Deutsche Welle“ ist kein Regierungssprecher – aber eben doch staatlicher Rundfunk. Umso problematischer sind solche Kommentare – kommend aus einem Land, das erst demokratisch wurde, nach dem sich vor allem auch britische Soldaten bis zur Elbe gekämpft hatten. Die deutschen wollten immerhin schonmal die britischen Institutionen zerstören, weil sie ihren Nationalsozialismus für das bessere, fortschrittlichere System hielten. Es wird heute gerne vergessen, dass die Nazis, aber auch die Faschisten generell, sich als progressive Bewegung verstanden – und Monarchien ablehnten. Die Briten werden über solche Beiträge „not amused“ sein – those bloody germans again.
Die finnische Delegation um Präsident Kekkonen bei der KSZE. Foto: Tapio Korpisaari
(Wenn ihr Teil 1 zur Geschichte Finnlands von 1917 bis 1947 lesen wollt, klickt hier)
Von Max Roland | Unabhängigkeit, Krieg mit Russland, zweiter Weltkrieg – seit 1917 wurde die finnische Geschichte durch seine Nachbarschaft zu Russland bestimmt. Vor der Niederlage des deutschen Reiches konnte Finnland noch seinen Kopf aus der Schlinge ziehen. Helsinki konnte so seine Unabhängigkeit bewahren – mit Abstrichen.
1947 und 1948 wurden Verträge mit der Sowjetunion geschlossen, die Rechte und Pflichten sowie territoriale Zugeständnisse regelten. Finnland blieb ein freies Land mit demokratischen und Marktwirtschaftlichen Strukturen – de Facto war Finnlands Außen- und Innenpolitik jedoch stark durch die Nachbarschaft zur Sowjetunion beeinflusst. Nach dem Friedensvertrag mit der Sowjetunion vom 10. Februar 1947 wurden die Geländegewinne der Sowjetunion nach dem Winterkrieg bestätigt (Ostkarelien). Zusätzlich zu den vereinbarten Bedingungen wurde Finnland nun außerdem verpflichtet, die Größe seines Militärs zu beschränken, das Gebiet um die Stadt Petsamo (und damit seinen Zugang zum Nordmeer) an die Sowjetunion abzutreten und Reparationen in Höhe von 300 Millionen Golddollar zu leisten.Zur Sicherung der Unabhängigkeit schlossen Finnland und die Sowjetunion den Finnisch-Sowjetischen Vertrag von 1948. Hier wurde die außenpolitische Ausrichtung Finnlands festgelegt, inklusive eines finnisch-russischen Beistandsabkommens. Außenpolitisch war Finnland weitgehend an die Sowjetunion gebunden – der Vertrag erkannte jedoch Helsinkis willen an, im aufkommenden kalten Krieg neutral zu bleiben. Die Sowjetunion war zufriedengestellt – und zumindest die innenpolitische Unabhängigkeit Finnlands konnte gewahrt werden. Finnland vermied auch den Beitritt zum Warschauer Pakt. Diese finnische Neutralität in „guter Nachbarschaft“ zu Russland ist auch als „Paasikivi-Kekkonen-Linie“ bekannt. Benannt ist sie nach Finnlands erstem Präsidenten der Nachkriegszeit, Juso Paasikivi, und dessen Ministerpräsidenten Urho Kekkonen. Kekkonnen sollte seinem Präsidenten im Amt nachfolgen und die finnische Politik wie kaum ein zweiter prägen.
Urho Kekkonen wurde im Jahr 1900 geboren und war der mit abstand am längsten amtierende Präsident der Republik Finnland. Vor dem Krieg bereits in diversen Kabinettsposten und politischen Rollen, wurde er 1956 zum Staatsoberhaupt gewählt – ein Amt, dass er fast 30 Jahre innehaben sollte. Kaum jemand verkörpert die schwierige Geschichte der finnischen Neutralität so wie Kekkonen. Er räumte der Außenpolitik Vorrang vor allen anderen Fragen ein, wobei der Schwerpunkt der Außenpolitik wiederum auf der Pflege der guten Beziehungen zur Sowjetunion lag. Die Balance in der Beziehung mit Moskau war so wichtig, dass Kekkonen dafür auch demokratische Grundsätze zumindest bog. Als die Sowjets 1961, vor dem Hintergrund des Mauerbaus und der Berlin-Krise, in der sogenannten „Notenkrise“ militärische Konsultationen mit den Finnen verlangten und damit die Neutralität des Landes gefährdeten, löste Kekkonen das Parlament auf und verhandelte persönlich mit dem sowjetischen Parteichef Chruschtschow. Diese Verhandlungen hatten Erfolg: Moskau sah von militärischen Konsultationen ab und entschärfte so eine Krise, die inzwischen auch die anderen nordischen Länder sowie die Bundesrepublik Deutschland tangierte. Chruschtschow erklärte gegenüber Kekkonen: „Sie sind unser guter Freund und wir vertrauen Ihnen vollkommen.“ Worte, die die Ära Kekkonen prägen sollten.
Denn Moskau schätzte und Vertraute Kekonnen in der Tat – das setzte sich auch unter Chruschtschows Nachfolgern fort. Ihren „guten Freund“ im Amt zu halten, war den Sowjets extrem wichtig. So übten Moskaus Diplomaten immer wieder Druck auf die finnische Opposition aus. Auch in Finnland selbst war das bekannt – Kekkonens unverzichtbare Beziehung zu den Sowjets war häufig Argument für seine Wiederwahl. Die finnische Demokratie jedoch nahm dadurch Schaden. Kekkonen bog die Regeln der Demokratie und verstieß zumindest gegen den demokratischen Geist – er entwickelte einen oft kritisierten, autoritären Führungsstil. Nach der Notenkrise hatte er, auch wenn er allen demokratischen Regeln pro forma folgte, die Opposition in Politik und Medien ausgehebelt. Doch ihm gelang es, die beiden Supermächte von der Zuverlässigkeit des finnischen Neutralitätskurses zu überzeugen – ein Kurs, der in den Augen der Sowjets und vieler Finnen auch und vor allem an seine Person gebunden war.
So wurde Finnland zu einem neutralen Mittler – insbesondere dank Kekkonens diplomatischen Fähigkeiten. 1975 brachte er die Staatsoberhäuter Europas in Helsinki zusammen. Kekkonen erkannte, dass alle Staats- und Regierungschefs des Kontinents zu diesem Zeitpunkt persönliche Erfahrungen im zweiten Weltkrieg hatten – von Helmut Schmidt bis Leonid Breschnew. Es war die Zeit von „Neuer Ostpolitik“ und einer Entspannung der Blockkonfrontation. Kekkonen nutzte diesen „Wind of change“. So kam es zur „Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa“, kurz KSZE. Die folgende KSZE-Schlussakte gilt als einer der wichtigsten Wendepunkte im Kalten Krieg – auf ihr baut – oder baute – die europäische Friedensordnung auf, die sich als eine der stabilsten in der Geschichte des Kontinents erweisen sollte. „Im Geiste von Helsinki“ wurde ein geflügeltes Wort. In Europa war man sich einig: Nie wieder sollten Grenzen mit Gewalt verschoben werden. Ein Meilenstein – der allerdings am 24. Februar 2022 brutal umgestürzt werden sollte.
Von Max Roland | Jahrzehntelang war Finnland neutral – und spielte eine wichtige Rolle für die europäische Friedensordnung. Unter dem Eindruck von Putins Angriffskrieg will das Land jetzt der NATO beitreten. Was bedeutet das für Europa, für den Westen und für Moskau?
Wer an Neutralität denkt, denkt oft an unsere südlichen Nachbarn aus der Eidgenossenschaft – „neutral wie die Schweiz“ zu sein ist längst sprichwörtlich. Dabei ist die Schweiz nicht das einzige Beispiel von erfolgreicher Neutralität. Genauso gut könnte man an Finnland denken – bisher zumindest.
Neutralität war lange ein Eckpfeiler der Politik Finnlands. Die finnische Geschichte ist seit Jahrhunderten geprägt durch seine Nachbarschaft zu Russland. 1917 erklärte Finnland seine Unabhängigkeit vom kollabierenden russischen Zarenreich: Eine Unabhängigkeit, die die Sowjetunion als Nachfolgestaat nie wirklich akzeptieren wollte. Der sowjetische Diktator Josef Stalin warf sein Auge schon bald auf die verlorenen Territorien des Zarenreiches. Nach Vereinbarung mit Hitler annektierte er teile Polens sowie die baltischen Staaten – auch Finnland geriet ins Visier der Sowjets. Es folgte der berühmte „Winterkrieg“ von 1939 bis 1940, in dem die Finnen ihre Unabhängigkeit erfolgreich verteidigten und dem roten Imperium de facto eine peinliche Niederlage zufügten – am Ende musste das nordische Land nur minimale Gebietsverluste hinnehmen. Der Fehdehandschuh war für beide Länder damit jedoch noch nicht begraben – im Gegenteil. Nach wie vor sah Stalin in Finnland nicht viel mehr als eine abtrünnige Provinz – und Finnland unter seinem Präsidenten Gustav Mannerheim suchte nach einer Gelegenheit, seine Territorien zurückzuerobern.
Diese Gelegenheit bot sich rund ein Jahr später. Seit dem Ende des Winterkrieges suchte Finnland nach Verbündeten, um eine neuerliche sowjetische Invasion abzuwehren. Moskau übte jedoch weiterhin massiven Druck auf Helsinki aus – eine von Finnland angestrebte Zusammenarbeit mit dem Nachbarland Schweden wurde durch Stalin zu einem Casus Belli erklärt. Die Westalliierten waren derweil damit beschäftigt, in Frankreich durch die Wehrmacht überrannt und eingekesselt zu werden – von ihnen war keine Hilfe zu erwarten. So wandte sich Mannerheim an die einzige Großmacht, die fähig und willens war, Finnland zu unterstützen, war das deutsche Reich. Ab Ende 1940 begann ein enges Zusammenwirken zwischen den militärischen Führungsspitzen des Reichs und Finnlands. Mit dem Zusammenwirken beabsichtigte Nazi-Deutschland eine Sicherung der Lieferung kriegswichtiger Rohstoffe aus Finnland. Im Mai 1941 verlegte die Wehrmacht Truppen nach Finnland – die Verteidigung des Nordens war vertraglich den Deutschen Übertragen worden. Gemeinsam rüstete man sich für „Operation Barbarossa“, den Angriff auf die Sowjetunion. Am 25. Juni trat Finnland an der Seite Deutschlands in den Krieg ein.
Der Verlauf und das Endergebnis von „Operation Barbarossa“ sind dem Leserbekannt. Die Finnen kämpften vor allem im Norden in der Region Karelien, waren an der langen Belagerung Leningrads beteiligt und stießen mit den Deutschen un Richtung des Nordmeer-Hafens Murmansk vor. 1944 begannen die Sowjets eine gezielte Großoffensive, um Finnland zum Ausscheiden aus dem Krieg zu bewegen. Im gleichen Jahr schloss Finnland, trotz massiver deutscher Bemühungen dagegen, einen Waffenstillstand mit den Sowjets. Der endgültige Frieden von 1947 mit der UdSSR und Großbritannien wurde nach der Pariser Friedenskonferenz 1947 zu noch härteren Bedingungen geschlossen als nach dem Winterkrieg. Zu diesen Bedingungen zählte unter anderem die Abtretung des Gebietes um Petsamo, womit Finnland seinen einzigen eisfreien Nordmeerhafen verlor. Dafür blieb dem Land allerdings die Besetzung durch sowjetische Truppen erspart, und Helsinki konnteseine Unabhängigkeit bewahren.
Von Max Roland | Die Panikfraktion will Kinder für ihre NoCovid-Strategie einspannen; ausgerechnet jene, die die Interessen junger Menschen in den letzten anderthalb Jahren systematisch übergangen haben, spielen sich jetzt als ihre Retter auf.
Dass sich die „Coronazeit“ in Deutschland nun dem Ende zuneigt, ist eigentlich unstrittig. Fast zwei Drittel der Bevölkerung sind geimpft, alle Menschen hatten Chancen über Chancen, sich entsprechend impfen zu lassen. Eine Virus-Krankheit für „beendet“ zu erklären, ist natürlich absurd – Corona hat sich noch nie für politische Erklärungen interessiert – aber dass die Gesellschaft das Virus mittlerweile gemeistert hat, ist nicht von der Hand zu weisen.
Doch 18 Monate Angst und Panik wollen bei manchen Leuten nicht mehr so recht aus den Köpfen verschwinden. Die Fraktion derer, die die fast schon pathologische Corona-Sorge zum Zentrum ihrer politischen Existenz gemacht hat, ist immer noch da: Die Covid-Sirenen, die Panikmacher und -haber. Leute, die Karl Lauterbach und Melanie Brinkmann trotz zahlreicher Fehleinschätzungen immer noch einen Propheten-Status zuschreiben, die trotz doppelter Impfung weiterhin Maske zu allen möglichen und unmöglichen Gelegenheiten tragen und sich wahrscheinlich bereits für die möglichen „Booster-Shots“ angemeldet oder diesen auch schon hinter sich haben.
Ungünstig nur, dass die Angst mittlerweile kaum noch mit der Realität korreliert. Doch für die, die Lust an der Angst empfinden, bietet sich anscheinend ein letzter rettender Strohhalm – zumindest solange, wie noch keine neue maximale Mega-Mutante entdeckt worden ist. Und das sind die Kinder. Sie sind weitgehend ungeimpft und nehmen trotzdem am Leben teil. Der ängstliche Bürger wittert Gefahr und spricht von „Kinderdurchseuchung“.
Diskussionen oder Vorhaben, die Maskenpflicht in Schulen aufzuheben, sind für sie ein Sakrileg. Man wittert die Gefahr, dass Jugendliche dadurch zum qualvollen Existenzkampf auf der Intensivstation verdammt seien. In den sozialen Medien wird unter Schlagworten wie #DieMaskebleibtAuf nicht nur die eigene Angst zelebriert – sie soll auch den jungen Menschen aufoktroyiert werden.
Doch wer sich die Zahlen anschaut, wird merken: Für eine Kinderimpfung gibt es gar keine Notwendigkeit. Denn was seit Beginn der Pandemie bekannt ist, hat nichts an Gültigkeit verloren – Kinder und Jugendliche ohne Vorerkrankungen sind durch das Coronavirus nicht nennenswert gefährdet. Hunderttausende Kinder und Jugendliche haben sich laut RKI seit Pandemiebeginn mit Corona infiziert – rund 1.700 davon mussten stationär behandelt werden, 85 kamen auf die Intensivstation. Nur 27 unter 19-Jährige starben an Covid-19. Die Zahlen zeigen: Die Gefährdung von Kindern ist ein Mythos. Selbst die beschworenen „LongCovid“-Folgen für Kinder, die angeblich massenhaft drohen, finden statistisch quasi nicht statt. Jemand warf mir online vor, ich würde schlimme Nebenwirkungen wie PIMS verharmlosen. PIMS ist eine Krankheit, welche nach Coronainfektionen auftritt und für schwere Entzündungen im ganzen Körper sorgt – und die in Deutschland in über einem Jahr keine 300 mal aufgetreten ist. Das angebliche „Team Wissenschaft“ hat es nicht so mit Zahlen.
Das Argument des angeblichen Schutzes von Kindern und Jugendlichen ist aber nicht nur faktisch ohne Grundlage. Vor allem ist es durchweg verlogen. Denn diejenigen, die es vorbringen, haben offensichtlich nicht wirklich den ehrlichen Schutz von jungen Menschen im Kopf. Für eine Krankheit, die sie statistisch nicht betrifft, mussten Kinder und Jugendliche massenhaft härteste Einschränkungen in Kauf nehmen – Einschränkungen mit teils gravierenden Folgen. Depressive Symptome bei Minderjährigen haben sich im Lockdown mehr als verdoppelt. Die Krankenkasse KKH berechnet, dass 2020 die Zahl derer, die sich etwa aufgrund von Essstörungen behandeln lassen mussten, um rund 60 Prozent gestiegen sei.
Auch andere psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Burnout haben um rund 30 Prozent zugenommen. Laut Studien soll nach der Lockdownzeit jedes dritte Kind „psychisch auffällig“ sein. Steht das im Verhältnis zur statistisch minimalen Gefahr für Kinder und Jugendliche, die von Corona ausgeht? Diese Frage stellte sich die Politik nicht – und die manisch-panischen Befürworter eines harten Lockdowns natürlich noch weniger. Sie waren seit März 2020 allzeit bereit, die Gesundheit junger Menschen dem Lockdownbus zu unterwerfen.
Als Student in der Lockdownzeit weiß ich aus erster Hand, wie groß die psychische Belastung ist, wie sehr die Gesundheit junger Menschen gelitten hat. Und ich weiß auch, wer dabeistand und immer nur nach noch mehr Lockdown, Shutdown und Isolation gerufen hat – die Fraktion der Coronapanikmacher, die ausgerechnet uns jetzt als ihr Argument für Angst und Panik vorschieben wollen. Sie wollen und wollten die Gesundheit der Jugend nicht schützen, sondern instrumentalisieren.
Falsche Solidarität von dieser Seite brauchen junge Leute nicht – wer erst Scheiben einwirft und dann Glaser sein will, hat vor allem sich selbst im Sinn.
Von Max Roland | Seit 16 Jahren sitzt die CDU/CSU federführend in der Bundesregierung. „Die Merkel-Ära war gut, aber jetzt muss vieles besser werden“, lautet die Parteiparole. Das Wahlprogramm der CDU im Check.
Von Max Roland und Max Zimmermann | Die SPD spricht von „sozialer Politik für dich“, doch sind damit auch wir gemeint? Die Sozen wollen die Gesellschaft umbauen – konkret und konsequent. Das Wahlprogramm der SPD im Check.
Von Max Roland | Eigentlich sieht Bengt Rüstemeier nicht wirklich gefährlich aus. Der schmächtige Brillenträger ist im erweiterten Landesvorstand der Jusos Berlin, studiert Jura an der Humboldt-Universität Berlin und ist sehr besorgt, wenn es um das „Patriarchat“, „systemischen Sexismus“ und andere angeblich inhärente -ismen in unserer Gesellschaft geht. So hat er in seinem Uniparlament die Regel durchgedrückt, dass Debatten beendet werden, wenn nicht auch mindestens eine Frau spricht. „Wenn sich keine Frau meldet, darf niemand mehr reden, auch kein Mann“, erklärt er zufrieden dazu. Doch das sind nur erste Schritte: „Was wir an den Unis erreichen, kommt bald in der Gesellschaft an. Wir müssen nur konsequent weitermachen“. Er will es wissen, schmalschultrig die Revolution stemmen.
Doch im Internet zeigt Rüstemeier ein anderes Gesicht als das des „woken“, „problembewussten Mannes“ neuen Typs, der „marginalisierten Menschengruppen“ als „Verbündeter“ dient. Dort verbreitet er das, was in anderem politischen Kontext gerne als „Hass und Hetze“ betitelt wird, gibt sich Phantasien zu regelrechten Gewaltorgien hin und wünscht Menschen quer durch die Bank den Tod. Jüngst twittert der Juso, „codiert“ durch verschiedene Satzzeichen und Symbole, „jungliberale Erschießen wann?“. Mit diesem durch Satzzeichen und Symbole verschlüsselten, dennoch für alle klar verständlichen Tweet zog er die Aufmerksamkeit so mancher Medien auf sich, unter anderem der BZ, die seine Äußerung treffend als „irre Mordphantasien“ einordnete. Rüstemeier erklärte am Samstag, er habe „nie die Erschießung von Julis gefordert“ und löschte den Tweet – aber das Internet vergisst nicht, und so sind Screenshots dieses und anderer Gewaltaufrufe leicht aufzufinden. Das seien allerdings alles als „Witz“ gemeint gewesen, sagt er, und als Jurastudent stellt er fest, dass seine Aussagen sowieso nicht „justiziabel“ seien.
Doch nicht nur Jungliberale würden sich wohl eine Kugel fangen, wenn Rüstemeier erstmal „konsequent weitermacht“: Auch „Vermieterschweine“ könnten sich direkt in einer Reihe aufstellen, denn sie zu erschießen könnte „hilfreich sein“. Und sollte Amazon-Milliardär Jeff Bezos einmal „den Folgen einer Sprengstoffverletzung“ erliegen, käme der Student nicht umher, „klammheimliche Freude“ zu verspüren. Auch das sind wahrscheinlich rückwirkend „Witze“.
An der Humboldt-Universität, wo er sogar im akademischen Senat sitzt, sieht man bis dato offenbar noch keinen wirklichen Anlass, ihn zu disziplinieren. Die Berliner Jungsozialisten haben Rüstemeier inzwischen aufgefordert, seine Ämter niederzulegen. Dieser Aufforderung soll der 21-Jährige auch entsprochen haben. Landessekretär Arne Zillmer bezeichnete die Tweets als „untragbare Entgleisung“. „Wir möchten betonen, dass wir uns als Jusos Berlin an vielen Stellen gegen Gewalt und Hatespeech engagieren – im Netz und offline“. Auch der SPD-Landesvorstand wolle die Hassphantasien Rüstemeiers am Montag in einer Sitzung thematisieren. Die JuSo-Hochschulgruppe distanzierte sich zunächst auf Facebook, löschte den Post jedoch kurze Zeit später wieder. Andere Jusos teilen auf Twitter Rüstemeiers Phantasien: „Ich lese nur konkrete Lösungsansätze zur Bekämpfung der Gentrifizierung“, kommentierte ein Mitglied aus Berlin-Mitte.
Dieser Artikel von Max Roland erschien zuerst auf TichysEinblick.