Von Selma Green | Berlin hat Ende 2019 als erstes Bundesland die „Klimanotlage“ erklärt, um uns alle vor dem nahenden Hitzetod zu bewahren. Seitdem wird vom Berliner Senat langsam, aber sicher das verhasste Automobil aus unseren Straßen verbannt – und damit der feuchte Traum der Berliner Grünen endlich wahr.

Ausgerechnet der Kiez, in dem ich wohne, sollte ihr erstes Pilotprojekt werden. Es begann mit dem Opfern von (eh schon knappen) Parkplätzen für sogenannte „Parkletts“ – „Begegnungszonen“ die – sehr zur Freude der Anwohner – aber hauptsächlich Obdachlose und betrunkene Jugendliche anzogen. Dann kamen immer mehr Poller und komische grüne Punkte auf die Fahrbahn: Der ganze Spaß kostete uns von 2014 bis 2019 ganze 1,6 Millionen Euro. Ende 2019 wurden die Parkletts dann wieder abgerissen und die hässlichen gelben Dinger von unserem Baustadtrat Florian Schmidt kurzerhand durch „Stoneletts“ ersetzt. Der Mann ließ ohne Ankündigung (und ohne Beschluss der BVV) riesige Findlinge auf die Straße kippen. 

Die „Kreuzbergrocks“ wurden nur kurze Zeit später wieder abgeschafft, aber der Traum vom generellen Fahrverbot blieb. Erst dachte ich noch, ich könne dem mit meinem Motorroller entkommen. Aber zu früh gefreut – alle anliegenden Straßen werden komplett autofrei. Man soll weder hindurch fahren, noch parken können. Das gibts dann nicht mal mehr das Schlupfloch “Anlieger frei”. 

Überall in Berlin wachsen die Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung wie Krebsgeschwüre: Einbahnstraßensysteme, Tempolimits von 30 km/h, Parkplätze, die als Blumenbeete oder Kneipen umfunktioniert wurden, Popup-Radwege und Fahrbahnschwellen. Radfahrer, die sich in Berlin schon länger wie die Könige der Straße aufführen, gewinnen in den Nebenstraßen die Oberhand.

Warum ziehen die Grünen nicht einfach aufs Land und lassen uns in Ruhe, fragt sich vielleicht mancher bei soviel Verkehrsberuhigungs-Terror. Nun: Weil es eben auf dem Land so gar nicht wie in Bullerbü aussieht. Meine Familie erwarb vor ein paar Jahren ein Feriengrundstück auf dem Land. Vom Unkrautzupfen, Pflanzenschneiden und Rasenmähen kann ich seitdem ein Liedchen singen. Das ist alles andere als angenehm: Spinnen in den Haaren, Fliegen im Mund, Marienkäfer im Tee und Bienen im Bett. Die Natur ist weder ein Opfer der Menschen noch ein Idyllischer Ort. Je mehr ich über das grüne Bullerbü-Projekt nachdenke, desto gefährlicher stelle ich mir meine Zukunft in Berlin vor.

Wie sollen Krankenwagen und Polizei zum Einsatz kommen, wenn die Straßen zu Fußgängerzonen oder immer enger werden? Wie werden wir eigentlich mit Lebensmitteln versorgt. Wie kann ein Handwerker meine Wohnung erreichen, falls wir mal einen Rohrbruch haben sollten ? Was wird im Winter sein, wenn man als Normalsterblicher kein Fahrrad mehr fahren kann?

Trotzdem beharren die Grünen auf ihrer Utopie von einem autofreien Pflanzenparadies, in dem alle Probleme wie von Zauberhand verschwinden sollen. Wenn das nicht mal nach einem besseren Heim für Dealer und Obdachlose aussieht. Mein Schulweg wird komplizierter und mein Motorroller rostet mir ein. Als Stadtkind möchte ich das Gegenteil von Ruhe, Pflanzen und Insekten haben – deshalb lebe ich ja auch in einer Stadt. In Zukunft möchte ich ja auch meinen Führerschein machen und mit meinem Auto durch die Stadt tuckern, nicht mit meinem klapprigen Damenrad.