Von Anna Graalfs | Was machen wir eigentlich, wenn die Energiekrise so schlimm wird, dass wir nicht einmal mehr ohne schlechtes Gewissen den Wasserhahn aufdrehen können? Der WDR-Instagram-Kanal “KugelZwei” hat die Lösung: Wir duschen einfach nur noch einmal die Woche! Jetzt fühle ich mich wirklich intellektuell unterlegen: Dass die Lösung so einfach ist – warum ist mir das nicht früher eingefallen? In einem nicht einmal einminütigem Video wird vom WDR aufgeklärt: Tägliches Waschen zur Körperhygiene — das ist ein Mythos. Mit süßen Animationen und belehrenden Beschriftungen wird gezeigt, wie der Alltag des 21. Jahrhunderts perfekt mit den Hygienemaßnahmen des Mittelalters harmonieren kann. 

WDR meint: Wasser ist schlecht für die Haut

Die Begründung für einmal in der Woche unter der Dusche stehen: “Häufiges Duschen und Baden kann laut Dermatolog:innen der Haut schaden.” Dazu wird ein Mädchen beim Haare waschen gezeigt, welches förmlich mit schmerzverzehrtem Gesicht im Badeschaum untergeht. Tja, duschen ist eben mit sehr viel Stress verbunden. Folglich hätten wir bei seltenerem Duschen bessere Haut und Haare. Diesen “Dermatolog:innen” würde ich persönlich nicht vertrauen. Es stimmt zwar, dass zu viel Wasser die Haut austrocknen und den natürlichen Säureschutzmantel der Haut beschädigen kann, aber – und da ist sich zumindest jeder “Dermatologe” einig – das hängt auch von vielen anderen Faktoren ab. Wie heiß ist das Wasser beim Duschen? Wie mild sind die Pflegemittel die benutzt werden? Doch der WDR macht’s für uns ganz einfach: Wasser = schlecht

Ein toller neuer Alltag

Für den Rest des Videos wird veranschaulicht wie wunderbar unser neuer Alltag wäre nachdem wir zu stinkenden Höhlenmenschen mutiert sind. Als erstes kommt ein ganz wichtiger Punkt: Wir hätten viel mehr Zeit für anderes, weil wir nicht mehr so viel Zeit im Bad verbringen würden. Natürlich! Hätte ich heute nicht meine Dusche ausfallen lassen, hätte ich nie die Zeit dazu gehabt diesen Artikel erst zu schreiben! Dann kommt das Beste: Wir hätten vielleicht mehr Toleranz bei natürlichen Körpergerüchen. Und jeder weiß, dass Toleranz in unserem Zeitalter von ganz wichtiger Bedeutung ist. Jetzt wird auch endlich der fehlenden Toleranz bei Körpergerüchen Aufmerksamkeit geschenkt. Die Frage ist jedoch, was denn der WDR als “natürliche” Körpergerüche definiert. Was ist, wenn Rainer aus der Redaktion die nackten Füße aus seinen Schuhen nimmt und sie auf dem Bürotisch ausbreitet? Man bekommt so den Eindruck Angestellte beim WDR hatten noch nie das Glück im prallvollen Bus unter die Achsel eines schwitzenden 1,90-Typen gequetscht zu sein.

Glauben Sie mir, lieber WDR, dann sind Sie nicht mehr tolerant bei Körpergerüchen. Doch “KugelZwei” macht uns selbstverständlich auch mit ein paar Vorschlägen bekannt, wie man die “1-Duschen-pro-Woche“-Kultur im Alltag einbetten kann. In Fitnessstudios könnte es dann zum Beispiel nur noch Waschbecken statt Duschkabinen geben. Waschbecken sind ja auch schließlich alles was es braucht, nach einem anstrengenden Händeworkout, nachdem die WDR-Redakteure sich wieder schlagfertig zurück vor ihre Computertastaturen setzen können. Und wenn Karen aus dem Recherche-Team ihr Kniebeugen-Hampelmänner Workout macht, reicht es danach auch vielleicht aus sich einen Waschlappen ins Gesicht zu klatschen. Außerdem könnte es zu einem richtigen Highlight werden, wenn man nur einmal in der Woche duscht.

Das glaube ich gern, wenn ich nach einer Woche vom WDR verhängtem Duschverbot endlich wieder duschen darf. Wir würden Duschrituale zusammen mit “Freund:innen” in öffentlichen Badehäusern zelebrieren. Moment, das sagt mir etwas… Ach ja, Badehäuser gab es vor Allem vom 13. Bis 16.Jahrhundert und teilweise auch weiter, weil sich gerade die Arbeiterklasse kein eigenes Badezimmer leisten konnte. Aber wir geben gerne freiwillig ein Stück von unserem riesigen Luxus ab. Schließlich freut man sich doch immer, sich nackt zwischen den Bierbäuchen von Hans-Günther und Klaus-Joachim zu tummeln. 

Ich könnte dem WDR nicht dankbarer sein, dieses Video im Internet verbreitet zu haben. Endlich wird darüber aufgeklärt, dass einmal die Woche duschen völlig ausreicht. Egal ob man gerade einen Marathon gelaufen ist und man einen Tag lang bei 35 Grad im Büro saß, überlegt es euch lieber zweimal unter die Dusche zu springen! Denn wer nachhaltiger leben will, muss eben auch die Körperhygiene etwas reduzieren. Wer sich noch mehr zur Natur verbunden fühlen will, dem empfehle ich es mit saftigen, grünen Blättern statt Duschgel zu probieren. Einfach in die Hand nehmen und über den Körper reiben – das Ergebnis ist fast dasselbe!