Archiv: Oktober 6, 2021

Die Union ist Reif für die Insel – aber nicht für Jamaika

Von Sebastian Thormann | Nach 16 Jahren Regierung unter Merkel hat die Union das schlechteste Ergebnis aller Zeiten bei einer Bundestagswahl eingefahren. Das ist vor allem Konsequenz der inhaltlichen Entkernung der letzten Jahre: Man wollte alles mögliche für alle Wähler sein und steht am Ende für nichts. Seit Jahren sehnen sich daher die Konservativen in der Union einen Kurswechsel herbei, zeitweise verkörpert durch Friedrich Merz. So einen vielbeschworenen liberal-konservativen „Aufbruch“ oder „Neustart“ wird es aber nur in der Opposition geben.

Eine Ampel-Koalition ist unzweifelhaft ein Linksruck für das Land. Jamaika erscheint daher vielen daneben als das kleinere Übel, dort wären wenigstens noch einige CDU-Positionen vertreten.

Das an sich ist natürlich überzeugend, setzt aber eins voraus: Nämlich, dass es den führenden Akteuren an der CDU-Spitze aktuell primär um Inhalte und nicht um Macht geht. Und spätestens an der Stelle wäre es Zeit große Zweifel anzumelden. Viele scheinen nämlich mehr mit dem eigenen Macht- und Postenerhalt beschäftigt als damit CDU-Positionen in eine Regierungskoalition einzubringen. Das hat man in den vergangen Koalitionen bereits eindrucksvoll beobachten können – und da war die Partei noch in einer viel besseren Verhandlungsposition. Jamaika drohte daher zum völligen Ausverkauf der eigenen Positionen zu eskalieren, damit sich einige wenige noch Regierungsposten sichern können.

Vor der Bundestagswahl 2017 hatte die Union noch 49% aller Sitze im Bundestag, heute sind es 26%. Sie hat sich also mehr oder weniger halbiert. Aber ein Kurswechsel in der CDU fand nicht statt, es galt das bekannte „weiter so“. Alles nach dem Motto: „Lieber schlecht regieren als gar nicht regieren“ Das liegt auch an der Dynamik der Parteipolitik, in der man Fehler der eigenen Partei kaum eingestehen will. Selbst in diesem Wahlkampf verteidigte Armin Laschet noch die Flüchtlingspolitik von 2015. Und dabei ist da Thema nur eines von vielen Fehlentscheidungen, die die Union eingestehen müsste um einen überzeugenden inhaltlichen Neustart hinzulegen.

Nachdem sich die Unionsspitze nicht dazu aufrappelt die eigenen Fehler einzugestehen, bleibt nur eins: Lasst eben den politischen Gegner die Fehler machen. Alleine aus der Rolle der Opposition heraus wird die Union dann gezwungen sein sich neu zu positionieren und die linke Politik der Ampel-Koalition zu attackieren. Man müsste das erste Mal in anderthalb Jahrzehnten von Defensive auf Offensive schalten. Denn der Partei würde es gut tun wenn sie nicht weitere 4 Jahre gezwungen wäre, die Inhalte ihrer linken Koalitionspartner zu verteidigen, die es mit ins Regierungsprogramm geschafft haben. Auch eine personelle Neuaufstellung wird es viel eher in der Opposition als in der Regierung geben. Und auch die wäre dringend notwendig.

Denn es sollte nicht mehr darum gehen, wer auf welchen Posten überlebt, sondern welche CDU-Positionen überhaupt überleben. Die CDU muss jetzt aus der Rolle der Status-Quo-Partei raus und sich auf ihre alten Kernthemen zurückbesinnen. Und das geht nicht, wenn man sich wieder um jeden Preis am Kanzlersessel festklammert, statt der Realität ins Auge zu schauen.


Lässt die FDP sich wieder mal über den Tisch ziehen?

Von Jonas Aston| Claus Kleber fielen im Heute-journal fast die Augen aus. Bei den Wählern unter 30 wurden die Grünen mit 22 %, wie zu erwarten, die stärkste Kraft. Direkt dahinter reihte sich jedoch die FDP mit 20 % des Stimmanteils ein. Was den GEZ-Großvater schockierte, war für viele unseres Alters keine große Überraschung. In der App „Jodel, eine App die zumeist von Studenten genutzt wird und in der man unter anderem anonym an Umfragen teilnehmen kann, zeichnete sich die Teilung in Grün und Gelb deutlich ab. Wenn die Frage „Wen wählst du?“ gestellt wurde, stimmten teilweise 40% aller Teilnehmer für die Grünen und 40% für die FDP ab. Die anderen Parteien konnten unter „Sonstige“ verbucht werden. In den Kommentaren wurde schnell deutlich, dass sich der Baerbock-Block und das Lindner-Lager unversöhnlich gegenüberstehen. Wechselseitig wurden sich Begriffe wie„Ökostalinist“ oder „neoliberales Arschloch“ um die Ohren gehauen.

Die FDP fährt in der Darstellung ein relatives Kontrastprogramm zu dem der Grünen. Gleichzeitig gilt sie nicht als ewiggestrig und ist gesellschaftlich einigermaßen akzeptiert – aber immer noch umstritten genug, um etwas Rebellisches auszustrahlen. Dass die Jugend sich ein solches Programm wünscht, ist keine große Überraschung. Auf YouTube erzielen Deutschraplieder mit Titeln wie „RS6“, „Huracan“ oder auch „Benz Diggi“ Millionenaufrufe. Glorifiziert werden also teure Autos und das ist mit einem grünen Weltbild leider so gar nicht vereinbar. Überhaupt scheint sich in der Deutschrapszene, der Libertarismus Bahn zu brechen. Auf dem Track „Die Straße lebt“ legt Rapper Gzuz dar, wie er einen großen Teil seiner eigentlich zu zahlenden Steuern „spart“. Das ist aber wieder ein anderes Thema.

Unter vielen Deutschen Streamern kommen die Grünen ebenfalls nicht gut weg. Der erfolgreichste deutsche Streamer „MontanaBlack“ bezeichnet die Grünen als „Schmutz“ und überlegt schon seit langem aus steuerlichen Gründen auszuwandern. Youtuber „justinveröffentlicht regelmäßig Videos mit dem Titel: „Ich habe mir ein neues Auto gekauft“ (alternativ: „Ich habe mir eine neue Uhr gekauft“). Er ist mit Sicherheit auch kein Fan von grünen Steuererhöhungsplänen.

Der Erfolg der FDP kann aber nicht nur auf die Youtube– und Deutschrapszene reduziert werden. Vielmehr haben junge Menschen das Thema Geldanlage für sich entdeckt. Seit dem Corona-Crash März letzten Jahres hat der Dax eine beispiellose Aufholjagd hingelegt und so viele unter 30-Jährige wie noch nie sind am Aktienmarkt investiert. Diese Gruppe konnte die FDP mit der Forderung nach einer Aktienrente für sich gewinnen. Hinzu kam das jugendliche Auftreten von Christian Lindner und die Schwerpunktsetzung in den Bereichen Bildung und Digitalisierung. Dass die Partei in der Corona-Politik eine vergleichsweise moderate Linie fährt, hat ebenfalls nicht geschadet.

Die Hoffnung der Jugend nach Modernisierung und Freiheit wird die FDP jedoch nicht erfüllen.

Ausgerechnet mit den Grünen lotet man „Gemeinsamkeiten und Brücken über Trennendes aus“. Als Annalena Baerbock nach Schnittmengen zwischen Lindner, Habeck und ihr gefragt wurde, äußerte sie allen Ernstes, „wahrscheinlich essen wir alle drei gerne Eis“. Ein Vorgeschmack auf das Niveau der künftigen Bundesregierung. Hinzutreten wird – so sieht es zur Zeit aus – die SPD mit ihren stark repräsentierten Jusos. Die Verhandlungsposition der FDP ist dabei äußerst schlecht. Christian Lindner kann nicht schon wieder „Nein“ sagen. Außerdem will er unbedingt Finanzminister werden. Auch Kubicki wird nicht dazwischen grätschen. In einer Ampel könnte er sogar Bundestagspräsident werden.

Die FDP begeht faktisch Wählertäuschung. Gelockt wurden die Wähler mit dem Versprechen der Freiheit und bekommen nun eine Regierung der Selbstkasteiung. Claus Kleber kann also wieder beruhigt schlafen. Ändern wird sich durch die FDP nichts.


„Opposition ist Mist“ – Lieber Jamaika als Ampel!

Von Simon Rabold | „Opposition ist Mist. Lasst das die anderen machen – wir wollen regieren.“ Das sagte einst Franz Müntefering von der SPD. Lange ist es her, doch ist dieser Satz immer noch aktuell. Aktueller als Christian Lindners „Es ist besser nicht zu regieren, als falsch zu regieren“ sowieso. Und das gilt jetzt ganz besonders für die CDU. Sie steht vor der Wahl: entweder Jamaika, also eine Koalition mit den Grünen und der FDP oder die Oppositionsbank.

Zugegebenermaßen keine leichte Entscheidung. Die CDU muss sich dringend erneuern. Sie hat viele, einst sicher geglaubte Direktmandate verloren. Prominente Beispiele, die auch gegen den anhaltenden Linkskurs sind: Hans-Georg Maaßen, Sylvia Pantel, Saskia Ludwig. Aber auch hohe Parteifunktionäre haben ihr Direktmandat verloren: Julia Klöckner, Annegret Kramp-Karrenbauer, Peter Altmaier, …  Die Ironie des Schicksals: letztere sind durch die Landesliste abgesichert, ziehen also trotzdem in den neuen Bundestag ein und sind auch Teil der nächsten Unionsfraktion. Ergo: es sieht so aus, als ob der aktuelle Links- und Wischiwaschi-Kurs der Unionsfraktion weiter geht, wenn nicht sogar noch schlimmer wird.

Daher vertreten viele die „Oppositionstheorie“. Der Gedanke ist im Grundsatz der, dass die CDU einfach mal wieder nach 16 Jahren Merkel und Regierungsverantwortung lernen sollte, die Oppositionsbank zu drücken, dann würde sie sich erneuern. Das Problem, das die Befürworter dieser Theorie in meinen Augen verkennen, ist, dass es keinen Automatismus im Sinne von: Union in der Opposition = Erneuerung/Rechtsverschiebung der Union gibt. Gäbe es diesen, würde auch ich vier Jahre Ampel in Kauf nehmen. Es gibt ihn aber nun mal nicht und ich befürchte, dass eine CDU in der Opposition sogar noch linker wird. Wieso sollten die Parteioberen dann plötzlich merken, dass sie fast zwei Jahrzehnte lang die Union heruntergewirtschaftet und entkernt haben? Eher werden Klöckner, Spahn, Röttgen, AKK und Co. die (deutlich weniger!) zu besetzenden Posten in der Opposition unter sich aufteilen, aber gewiss kein Platz für neue oder konservativere Köpfe machen. 

Auch medial wird es die CDU/CSU noch schwerer haben, ist sie doch neben einer mit weniger als 5% unbedeutenden Linken und der AfD dann einzige Oppositionspartei. Sie wird sich permanent von der AfD abgrenzen und sich vorwerfen lassen, mit dieser zusammen gegen Gesetze zu stimmen. Klingt bescheuert, aber so tickt heutzutage leider der ÖRR.

Die Merkel-Wähler sind dann ohnehin bei der SPD, die mit Olaf Scholz im Grunde ja eine Merkel mit Halbglatze als Bundeskanzler stellen. Wenn die AfD geschickt ist, wird sie sich als echte Opposition verkaufen, professioneller auftreten und das konservative Vakuum ausfüllen. Also konservative, libertäre und marktwirtschaftliche Stimmen abgreifen. Wem die AfD zu rechts ist, der wählt FDP oder Freie Wähler. Im Endeffekt handelt es sich bei der CDU/CSU dann um eine SPD-Light, die in der Opposition zerrieben wird. Wie tief man fallen könnte, lässt ein Blick auf die jüngere Vergangenheit der SPD erahnen. 

All das kann Jamaika verhindern. Das wäre der FDP auch lieber, zudem kennen sich Laschet und Lindner bereits. Sicherlich muss man den Grünen Zugeständnisse machen, aber es ist das geringere Übel als vier Jahre lang eine Koalition aus SPD und Grünen mit gelben Sprenklern. Laschet als Kanzler ist zunächst keine glückliche Vorstellung, aber wohl immer noch besser als Scholz. Auch Kohl war am Anfang sehr unbeliebt, wer weiß welche Entwicklungskurve Laschetnehmen könnte. Und noch einen Vorteil hat Jamaika: Merz ist wieder in der Fraktion und wird als Wirtschaftsminister gehandelt, auch Linnemanns Einfluss wird steigen. Laschet kann Flügel einbinden und versöhnen, das hat er in NRW gezeigt. Schließlich sind mir selbst linke CDU’ler lieber an der Macht als Esken, Kühnert und Chebli. Um dies zu verhindern und sich zu erneuern, muss die CDU nicht in die Opposition gehen. Sie muss es einfach machen. Oder frei nach Müntefering: Lasst das die SPD machen – wir wollen regieren!


Endlich kann ich mitmischen: Meine Erfahrung als Erstwähler

Von Michael Friese | Ich bin dieses Jahr 18 geworden. Das bedeutet, dass die Wahl zum 20. Bundestag meine erste Gelegenheit war, im politischen Spiel mitzuspielen. Natürlich ist eine einzelne Stimme bei Millionen wahlberechtigten Bundesbürgern ein kleiner Beitrag, aber jeder sollte seinen Beitrag leisten, um der Regierung zu sagen, dass sie entweder alles richtig gemacht oder alles komplett vermasselt hat (und was es da noch so in der Mitte gibt). Der Tag der Wahl war für mich ein sehr wichtiger. Zum ersten Mal durfte ich ein Recht ausführen, welches sonst nur meinen Eltern vorbehalten war. Es hört sich vielleicht wie etwas an, was ein Zehnjähriger sagen würde, aber so ist es eben.

Der Weg zum Wahllokal und das Wählen selbst waren nicht besonders spektakulär. Da ich auf dem Land lebe, waren nicht besonders viele Leute im Wahllokal – um genau zu sein, waren wir zu dem Zeitpunkt die einzigen – und da ich nicht in Berlin lebe, konnte man mir auch einen Wahlzettel aushändigen. Alles lief in gewohnten Bahnen ab: Ich ging in die Wahlkabine und verinnerlichte mir noch einmal meine Wahlentscheidung. Ich würde nämlich lügen, wenn ich sagen würde, dass ich mir sicher bei der Wahl war. Auf diese Entscheidung haben mich monatelanges Hadern und Überlegen „vorbereitet“. Es war letztendlich die Wahl des geringsten Übels.

Nachdem ich meine zwei Kreuze gesetzt hatte, habe ich meinen Wahlzettel gefaltet – selbstverständlich so, dass man die Kreuze nach außen hin sehen konnte, habe ich bei meinem guten Onkel Armin gelernt – und ihn in die Wahlurne gesteckt. Als ich dann das Wahllokal verließ, fühlte ich mich, als hätte ich meinen Teil dazu beigetragen, dass der Bundestag nun so besetzt sein wird, wie er eben sein wird. Da mag mir nicht jeder zustimmen, aber so habe ich mich eben gefühlt, wobei diese Wahl auch meinen inneren Wunsch nach Volksabstimmungen nochmals verstärkt hat. Denn auch ich finde es zugegebenermaßen frustrierend, dass man alle vier Jahre einmal zur Urne gebeten und dann in Berlin auf Villa Kunterbunt gemacht wird.

Nach dem Wählen kam dann natürlich das Auszählen. Viele Leute gucken sich alle fünf Minuten die Hochrechnungen an, egal ob sie aktualisiert wurden oder nicht. Nichts gegen solche Leute, aus ihnen spricht ein Enthusiasmus, den ich schätze, aber ich gehe eher einen entspannten Weg. Ich schaue mir die Zahlen einmal bei den ersten Hochrechnungen an, horche so ein bisschen herum, was andere Leute gerade so über die möglichen Wahlergebnisse erzählen und warte einfach bis zum nächsten Tag, an welchem dann langsam ans Licht kommt, wer nun wie gewählt hat. Das liegt vermutlich daran, dass ich keine Partei habe, für die ich wirklich brenne, aber auch so schont es die Nerven, weil man sich eben nicht stresst.

Wie waren aber nun die Ergebnisse für mich? Nun ja, sie nehmen mich tatsächlich nicht sonderlich mit. Die Partei, die ich gewählt habe, wird niemals die Möglichkeit bekommen, in der Regierung mitzuwirken, also kann ich dahingehend nicht viel mitfiebern. Denn egal, ob jetzt die CDU mit den Grünen und der FDP ins Boot steigt, oder die SPD für bestimmte Assoziationen an der Straßenkreuzung sorgt: am Ende wird sich gar nichts ändern, denn in dieser Wahl ging es nicht um die Frage „Wie geht es weiter?“, sondern um „Wie halten wir Deutschland auf (Kollisions-)Kurs?“. Es mag eher resignierend wirken, aber was nützt es, sich über Wahlergebnisse aufzuregen? Man könnte seine Zeit auch produktiver verwenden und zwar indem man der neuen Regierung und generell allen Politikern genau auf die Hände schaut und ihnen unverblümt einen Klaps auf die Finger gibt, wenn sie mal wieder alles gegen die Wand zu fahren versuchen. Sei es durch journalistische Arbeit oder eben durch den nächsten Gang zur Wahlurne in vier Jahren.


Grün, grüner, U18-Wahl. Ein Erfahrungsbericht

Von Selma Green | „Allgemein, unmittelbar, frei, gleich und geheim”, zählte ich im Politikunterricht die Wahlrechtsgrundsätze vor der Klasse auf. Zum neuen Thema, den Wahlen, wurde in meiner Klasse schon heiß diskutiert, ob man das Wahlalter auf 16 Jahre senken sollte. Der Großteil war dafür. So wie viele Schüler auf meiner Schule, die der Meinung sind, wir Jugendlichen sollten wählen gehen. „Wenn wir schon nicht richtig wählen können, dann aber fake”, war der Gedanke, denn es wurde eine U18 Wahl für die Fünft- bis Zwölftklässler auch an meiner Schule veranstaltet.

Innerhalb von zwei Pausen konnte man auf dem Schulhof wählen gehen. Man muss es sich so vorstellen: Vier Tische wurden zu einer langen Tafel aufgestellt. Die zwei inneren Tische wurden von drei Zehntklässlern besetzt. Vor den Tischen bildete sich eine Schlange quer über den ganzen Schulhof. Vorne an den Tischen wurde gedrängelt ohne Ende. Die drei Zehntklässler mussten jeden Wähler auf einer Liste unterschreiben lassen und die Wähler darauf abhaken. Nachdem ich unterschrieb, bekam ich einen Wahlzettel mit den Parteien für die Zweitstimme und musste mich irgendwie durch das Gewusel zu den “Wahlkabinen” vorarbeiten. Die beiden äußeren Tische sollten die Wahlkabinen darstellen.

Naja, “Wahlkabine” konnte man das nicht nennen: Auf den Tischen waren Trennwände platziert, die eigentlich für Klassenarbeiten gedacht waren. Sie sind ca. 30 cm hoch und bestehen aus nur einer Wandseite. Sichtschutz bieten die erst, wenn man an dem Tisch sitzt. Die ganze Wahl wurde etwas improvisiert und somit auch Stühle für die Wähler vergessen. Nun stand ich gebückt da, während mein Körper immer mehr einer Zuckerstange ähnelte, versuchte ich ein Kreuzchen zu setzen, sodass meine Mitschüler es nicht sehen konnten. Eine Wahlkabine neben mir stand ein Fünftklässler, der seinen Wahlzettel musterte, als wäre es eine schwierige Matheaufgabe. Bis sich seine Kumpels grölend gegen ihn warfen und ihm in die Ohren brüllten: ”Grün! Wähl die Grünen! Da, hier stehen sie!” Der Junge grinste etwas gezwungen. Ich guckte nicht hin als er zögernd sein Kreuzchen setzte, ich wollte die Wahl schließlich noch ernst nehmen. Seine Kumpels jubelten daraufhin. 
Man gab sich noch nicht einmal die Mühe für eine richtige Wahlurne. Ich meine: Karton umdrehen, Schlitz einritzen und mit Filzstift „Wahlurne” drauf kritzeln. Wäre das so schwer gewesen?

Die Aufgabe sollte stattdessen ein Jutebeutel übernehmen – damit war dann der letzte Funken Hoffnung, auf eine halbwegs seriöse U18-Wahl erloschen… Dieser Wahljutebeutel lag irgendwo im Nirgendwo zwischen den Zehntklässler auf den Tischen. Durch das Gedränge brauchte ich eine Weile, bis ich ihn überhaupt gefunden und erreicht habe. Nach dieser chaotischen U18-Wahl dauerte es eine Ewigkeit, bis die Stimmen ausgezählt wurden. Jetzt, zwei Wochen später, wurde das Ergebnis veröffentlicht.

Kein Wunder, dass 35 Prozent der Schüler die Grünen wählen, wenn uns im Geografieunterricht eingetrichtert wird, die Welt gehe wegen des Klimawandels bald unter. Von Lehrern und Schülern wird das Bild erzeugt, die AfD-Politiker sind Nazis und die Grünen die Guten. Das ist wohl ein Grund, weshalb die Grünen so viele Stimmen bekommen haben.

Für die meisten Schüler war es einfacher, beim Mainstream mitzuschwimmen oder dasselbe wie ihre Eltern zu wählen, um sich keine Gedanken über die Partei zu machen. Computerspielen oder das andere Geschlecht sind für viele in meinem Alter interessanter als Politik.
Dass Wahlen frei und geheim sein sollten, wurde bei der U18-Wahl, übrigens – organisiert von 16-Jährigen – ignoriert. Die ganze Wahl wurde nicht ernst genommen.

Geht es bei Wahlen nicht darum, eine Partei zu wählen, die die eigenen politischen Ansichten am besten vertritt? Ich wüsste nicht, wie ein Wahlalter ab 16 Jahren funktionieren sollte – ich bin doch gerade erst dabei, meine politische Meinung zu bilden. Wie wenig ich und meine Mitschüler über politische Themen Bescheid wissen, merke ich an Diskussionen mit denen. An der Schule erfahren wir meist grüne Indoktrination statt Bildung. Durch die größtenteils einseitige Presse ist es auch nicht einfach, sich eine eigene Meinung zu bilden. Die Wenigsten in meinem Alter informieren sich politisch. Ein Wahlalter ab 16 Jahre halte ich deswegen für keine gute Idee. Und das sage ich als 16 Jährige.


Back to the DDR? – die Berliner haben für die Enteignung von 300.000 Wohnungen gestimmt

Von Jerome Wnuk | Neben der Nachrichten-bestimmenden Bundestagswahl und der Berliner Abgeordnetenhauswahl ist der Berliner Volksentscheid zur Enteignung großer Wohnungsunternehmen wie „Deutsche Wohnen“ in der Berichterstattung über die Ergebnisse des Wahlsonntags fast untergegangen. Dabei ist das Ergebnis erschreckend: Mit 56,4 Prozent haben die Berliner Wahlberechtigten mit eindeutiger Mehrheit für den Volksentscheid gestimmt.

Die Wohnungsknappheit und die damit verbundenen steigenden Wohnungspreise will man nun also mit einem Mittel aus der düsteren DDR-Zeit lösen. Ein Eingriff in die Eigentumsrechte, der bislang einzigartig in Deutschland wäre und jegliche Grundfeste der Marktwirtschaft angreift. Dennoch liegt der Entscheid jetzt auf dem Tisch und der Berliner Senat muss sich in der kommenden Legislaturperiode mit diesem auseinandersetzen, auch wenn der Entscheid nicht verbindlich für die Regierung ist. Die ins Abgeordnetenhaus gewählten Parteien positionierten sich in den letzten Monaten schon fleißig, die ehemalige Rot-Rot-Grüne Regierung vertrat dabei, mit Ausnahme des ehemaligen Bürgermeisters Michael Müller (SPD), die befürwortende Position.

Sollte es also wieder zu einer Rot-Rot-Grünen Bündnis in Berlin kommen, was nicht unwahrscheinlich ist, da die Koalition trotz ihres Versagens in den letzten fünf Jahren, an Stimmen zu gewinnen konnte, ist zumindest der politische Weg zur Verwirklichung des sozialistischen Traums nicht mehr weit. Die Linke fordert die Enteignung von Immobilienkonzernen ohne Wenn und Aber, die Grünen können sich Enteignungen als „letztes Mittel“ durchaus vorstellen, auch die SPD-Basis ist von der Idee nicht wirklich abgeneigt. Nur die voraussichtlich neue Bürgermeisterin der SPD Franziska Giffey positionierte sich, genauso wie ihr Vorgänger, gegen Enteignungen und stieß damit auf großen Unmut in der eigenen Partei. Zustimmung für ihre Position kriegt Giffey aus den anderen Fraktionen des Abgeordnetenhauses – CDU, FDP und AfD sind entschieden gegen Enteignungen. Es liegt also viel an Franziska Giffey und mit welcher Koalition sie regieren möchte.

Nur ein erneutes Rot-Rot-Grünes Bündnis würde dem Volksentscheid eine wirkliche Perspektive geben. Giffey sehnt sich jedoch eher nach einer anderen Koalition, zum Beispiel einer Ampel. Der Druck aus der linken SPD-Basis könnte jedoch irgendwann so groß werden, dass sich Giffey einem Rot-Rot-Grünen Bündnis beugen müsste und auch konkrete Enteignungspläne verhandeln müsste. Sonst könnte sie ihren Posten verlieren. Die ersten Anti-Giffey Kampagnen liefen ja schon während des Wahlkampfes durchaus prominent an.

Dass die Politik dem Enteignungsvorschlag zustimmt, wenn es erneut zu RRG kommt, ist also durchaus möglich. Doch selbst wenn sich eine kommende Koalition auf einen konkreten Gesetzesvorschlag zur Enteignung einigen könnte, müssten die Immobilienkonzerne noch nicht wirklich zittern. Denn der Volksentscheid ist praktisch zum Scheitern verurteilt. Obwohl in den letzten Tagen die ersten Aktivisten der Initiative schon feierlich durch die Straßen Berlins zogen, ist eines klar: Ein solcher Volksentscheid ließe sich vermutlich nicht rechtskonform durchsetzen, auch wenn Artikel 15 des Grundgesetzes Enteignungen für das Gemeinwohl theoretisch möglich machen würde. Denn dieser darf nur eingesetzt werden, wenn es keine Alternativen zu der Enteignung gibt. Das ist hier wohl nicht der Fall, denn die einfache Idee mehr Häuser zu bauen, würde schon für Entlastung sorgen.

Juristen sind sich zudem größtenteils einig, dass eine Enteignung gegen verfassungsrechtliche und europarechtliche Vorgaben verstoße. Denn ganz offensichtlich würde hier in die Eigentumsrechte eingegriffen werden. Und ebenfalls sollte jedem klar sein: Ein Mittelfinger gegen den Kapitalismus und das komplette Umkrempeln des Wohnungsmarktes wie hier wird die Wohnungsnot in Berlin nicht lösen.
Es könnte eher noch nach Hinten losgehen, da durch Enteignung zukünftige private Investoren abgeschreckt werden würden.

Zu der Enteignung von 300.000 Wohnungen in Berlin wird es also vermutlich nicht kommen, selbst wenn das blanke Berlin es irgendwie hinbekommen würde, die 25 bis 39 Milliarden Euro, die für die Enteignung fällig wären, locker zu machen. Und dennoch: das Ergebnis des Volksentscheides ist wieder Mal ein Beleg dafür, wie verrückt Berlin manchmal tickt.

Denn obwohl es in Berlin unmöglich ist, online oder analog einen Bürgeramtstermin zu bekommen oder eine Wahl reibungslos zu organisieren, trauen die Berliner ihrer Verwaltung trotzdem noch zu, sich um Hunderttausende Wohnungen zu kümmern. Und übrigens, wo Elemente direkter Demokratie gerade so im Trend zu sein scheinen: Wie war nochmal das Ergebnis zum Volksentscheid über Tegel?

Bildquelle: Shushugah, CC BY-SA 4.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0, via Wikimedia Commons 


Air Türkis zu Gast bei „Links.Rechts.Mitte“ auf Servus TV!

Große Neuigkeiten: Apollo kennt man jetzt sogar schon in Österreich! Am Tag der Deutschen Einheit war unser Chefredakteur Air Türkis (bzw. Max Mannhart) eingeladen bei der österreichischen Talkshow „Links.Rechts.Mitte“ auf Servus TV. Weitere Gäste waren Bernhard Heinzlmaier (Jugendforscher und Buchautor), Michael Jungwirth (Ressortleiter Innenpolitik „Kleine Zeitung“) und Katia Wagner (Journalistin und Moderatorin, krone.at, krone.tv). Thema war „Generation Corona & Jugend“ – da hatte unser Chefredakteur natürlich einiges zu sagen.

In den 66 Minuten Sendung kritisierte Max unter anderem die Gleichgültigkeit, mit der seit anderthalb Jahren Corona-Pandemie über die Interessen junger Menschen hinweggegangen werde. „Nein, es ist kein Spaß, wenn Kinder ein Jahr nicht mehr zur Schule gehen können.“, sagte Max und betonte, dass es bei all den Maßnahmen in den Schulen nicht um den Schutz der Kinder, sondern um den Schutz der Eltern und Großeltern gehe. Denn: „Für Kinder und Jugendliche ist das Virus überwiegend nicht tödlich.“

Auch die deutsche Politik bekam ihr Fett weg: „Nach 16 Jahren Merkel – was gibt es da langweiligeres als die deutsche Politik?“ Max erklärte: „Die SPD und die CDU in Deutschland sind für die jungen Menschen nicht mehr attraktiv.“

Und natürlich räumte er auch mit dem Klischee auf, wird würden alle zur Generation Greta gehören. Man könne nicht „eine kleine Gruppe im urbanen Milieu, die im Prenzlauer Berg sitz und überall mit dem Fahrrad hinkommt“ stellvertretend für eine ganze Genration nehmen. Stattdessen erzählte Max den älteren Herrschaften, für was sich die meisten jungen Leute wirklich interessieren: „Schauen Sie sich mal an, welche Stars in der Jugend en vogue sind, welche Musik gehört wird – das ist das absolute Gegenteil einer Klimabewegung, die sich mit der ökologischen Wende beschäftigt. Da geht es um dicke Autos um viel Geld, um Karriere um Geschäfte machen – das ist die Jugendkultur!“

Max störe außerdem, dass wir Jugendliche in der Politik und von vielen Erwachsenen so über einen Kamm geschoren werden. „Wir haben unterschiedliche Herkünfte, unterschiedliche Meinungen, wir sind Teil der Debatte.“ So zu tun, als wären wir eine homogene Gemeinschaft, die ein Ziel hat, sei absurd.

Neugierig geworden? Die ganze Sendung könnt ihr hier ansehen: https://www.servustv.com/aktuelles/v/aa-288dhphds1w11/.


Am 3.Oktober geht es um Deutschland – doch was ist das eigentlich noch?

Von Michael Friese | Der 3. Oktober ist der Tag der Deutschen Einheit, der Tag, an welchem vor 31 Jahren die DDR in die BRD eingegliedert wurde. Er ist der Tag, an dem es einmal um die deutsche Nation, Kultur und auch Geschichte außerhalb von Hitlers Schreckensherrschaft gehen soll. So, sieht jedenfalls das Konzept in meinem Kopf aus. Aber der Tag der Deutschen Einheit hatte für mich nie einen hohen Stellenwert außerhalb von „Hey, ich muss heute nicht zur Schule“. Und das ist eigentlich sogar ziemlich schade, wie ich finde. Deutschland hat nämlich sowohl kulturell und geschichtlich sehr viel zu bieten und damit meine ich nicht die ach so schöne „Vielfalt“ oder das Dritte Reich. Ich gehe auch gerne zum Chinesen oder Dönermann, versteht mich da nicht falsch, aber typisch deutsch ist daran nichts. Deshalb wäre es vermutlich gut, mal hervorzuheben, was Deutschland denn eigentlich ist.

Was mich persönlich an Deutschland fasziniert ist, dass hier auch außerhalb der Migrationsbewegungen seit den 1960ern sehr viele Völker in einer Nation leben. Mit „Völker“ meine ich hier die Bewohner der frühen Herzogtümer und Grafschaften und was es sonst noch so gab, welche vor dem Entstehen Preußens in dem Gebiet lebten, welches sich heute „Deutschland“ nennt. Sachsen, Bayern, Baden und Württemberg waren beispielsweise jeweils unabhängige Staaten. Und das zeigt sich bis heute: Hat sich mal jemand die Vielfalt an Dialekten und teilweise richtigen Sprachen angeschaut, die in Deutschland gesprochen werden? Wir haben Dialekte wie Sächsisch, Bayrisch, Badisch und Berlinerisch. Es fällt nicht nur mir, der so gut wie ausschließlich Hochdeutsch spricht, schwierig, diese Mundarten immer zu verstehen. Meine Familie und ich fahren seit einigen Jahren in den Schwarzwald in den Urlaub und sobald unsere Gastgeber anfangen, in ihrem regionalen Dialekt zu reden, muss ich mich äußerst konzentrieren, um alles verstehen zu können. Man kann sich denken, dass das nicht immer klappt – vor allem, wenn in diesem Dialekt zum Beispiel ein Wort verwendet wird, was man selbst noch nie gehört hat, weil man eben nicht in der Region lebt. Doch trotz dieser ganzen Unterschiede hat man es irgendwie geschafft, diese kunterbunten Zutaten in einem Kochtopf zu vereinen. Wobei man auch anmerken muss, dass es bis heute hin und wieder Spannungen zwischen den Regionen gibt, das beste Beispiel dafür wäre Bayern, was oft und gerne was eigenes zu sein versucht.

Vielleicht habe ich doch einen Punkt gefunden, mit welchem ich den 3. Oktober für mich schmücken könnte. Hinzu käme dann natürlich als rein geschichtlicher Punkt die Wiedervereinigung selbst. Man könnte dann auch noch auf berühmte Komponisten oder Dichter Bezug nehmen oder auf Politiker, welche großes für Deutschland geleistet haben (Und nein, Hitler gehört da nicht dazu).

Aber wie wird heute der 3. Oktober präsentiert bzw. zelebriert? Eigentlich sogar ziemlich wenig im Vergleich zu anderen großen Festen wie Weihnachten und das ist im Vergleich mit anderen Ländern schon irgendwie traurig. Mir persönlich ist nichts von großen Festen, Paraden in der Bundeshauptstadt, die landesweit ausgestrahlt werden oder ähnliches bekannt. Als Kind übersieht man so etwas vielleicht auch öfter, aber auch heutzutage lässt sich sehr wenig erblicken. Das Einzige, was mir beispielsweise letztes oder vorletztes Jahr ins Auge stach waren ein paar Plakate, welche halt auf den 3. Oktober anspielten und entweder einen einfachen Werbespruch beinhalteten oder eben ein Plädoyer für die Dönerbude. Keine Plakate, die Komponisten wie Johann Sebastian Bach oder Dichter wie Johann Wolfgang von Goethe als große deutsche Künstler zeigten. Keine Plakate, die Konrad Adenauer als ersten Bundeskanzler oder Ludwig Erhardt als Mann des Wirtschaftswunders zeigten. „Deutschland ist eins: vieles.“ war der Leitspruch zum 30-jährigen Jubiläum der Wiedervereinigung.

Ich würde mir darunter jetzt Ossis, die mit Wessis freudig plaudern, oder einen Norddeutschen mit Krabbenbrötchen im Biergarten neben einen Bayer mit Bier und Schweinshaxe sitzend vorstellen, aber was bekommen wir? Sockensandalen und Dönerbuden. Die Klischees, wenn es um Deutschland geht. Manch einer wird nun sagen, dass Bier und Schweinshaxe doch auch Klischees seien. Ich finde, sie sind ein Teil der deutschen Kultur aber einer, der sich stark von manch anderen Bräuchen unterscheidet, wie das Krabbenbrötchen aus dem Norden.

Ich habe es zwar schon einmal gesagt, aber ich sage es sicherheitshalber noch einmal: Ich gehe gerne in die Dönerbude und ich gehe gerne zum Chinesen. Aber die Vielfalt an unterschiedlichen Kulturen aus unterschiedlichen Ländern wird das ganze Jahr über betont. Doch die Vielfalt an deutschen Kulturen zu erkunden, wird jedem selbst überlassen. Am Tag der Deutschen Einheit sollte es jedoch meiner Ansicht nach um die Deutschen, die deutsche Kultur und die Geschichte der deutschen Nation gehen und nicht um irgendein Gefasel von „kultureller Vielfalt“. Sonst könnten wir diesen Tag doch gleich in den „Tag der Vielfalt“ umbenennen, oder? Vielleicht ist das ja der Grund, weshalb der Deutsche Nationalfeiertag für so viele Deutsche an Bedeutung verloren hat: er wird kaum gefeiert, er wird nicht beachtet, Deutschlandflaggen und -Hymnen sind eh schon Nazi – und wenn der Tag dann doch mal Beachtung bekommt, dann komplett zweckentfremdet. 

 


,,Hast du Lust, mit uns in den Club zu gehen?“ – ,,Ich würde gern, aber ich bin nicht geimpft“

Von Sophie Specker | Ich bin nicht geimpft, so wie viele andere auch. Nur wird das mittlerweile ziemlich problematisch. Als ich dieses Jahr 18 geworden bin, dachte ich, ich könnte feiern gehen und mein Leben genießen. Problemlos in mein Auslandsjahr starten und danach ins Studium.
Falsch gedacht! Nun braucht man für alles mindestens einen Test. Und der ist auch nur 24 oder maximal 48 Stunden gültig. Aber mal ehrlich, wer macht freiwillig einen PCR-Test?
Also sind es lediglich 24 Stunden, die man sich frei bewegen kann. Zumindest einigermaßen frei. Denn viele Clubs und Bars haben bereits die 2G-Regelung eingeführt, sodass nur noch Geimpfte oder Genesene Zutritt haben. Wie gesagt, ich bin 18 Jahre alt und war noch nie in einem Club. Besonders schwierig wird es dann, wenn im eigenen Freundeskreis alle geimpft sind. Denn auf ein ,,Hast du Lust, morgen Abend mit uns in den Club zu gehen?“ kann man nur mir einem ,,Ich würde gern, aber ich bin nicht geimpft…“ antworten.


Noch schlimmer wird es, wenn die Tests kostenpflichtig werden. Gemunkelt wird, dass demnächst normale Antigentests etwa 75 Euro kosten sollen und PCR-Tests 120 Euro. Ich persönlich gehe vier bis sechsmal die Woche zu verschiedenen Trainings, für die ich jedes Mal einen Test brauche. Jetzt schon anstrengend, aber dann? Auch noch unbezahlbar.
Wie soll man dann noch seinen Hobbies nachgehen? Oder überhaupt am allgemeinen Leben teilnehmen? Essen gehen, ins Kino gehen, sich außerhalb der eigenen vier Wände mit jemandem treffen? Und jetzt soll es in den Universitäten auch die 3G-Regel geben. Sollten die Testungen tatsächlich so teuer werden, können sich bald einige nicht mal mehr die Uni leisten. Wie ist es denn da mit dem Recht auf Bildung? Ist das aufgrund der pandemischen Lage auch ein veränderliches Gut? Scheint so. Im nächsten Schritt könnten sie den Ungeimpften doch auch die Staatsbürgerschaft entziehen. Aber hier höre ich lieber auf, bevor ich jemanden noch auf Ideen bringe.


Mir gegenüber wohnen zwei Studentinnen, die sich an einem der letzten Abende über die 3G- und 2G- Regeln unterhalten haben. Beide ungeimpft, beide ziemlich genervt.
Eine der beiden sagte: ,,Wie kann es denn bitte sein, dass wir uns jetzt schon testen müssen, nur damit wir in der Stadt etwas essen gehen können?“ Wenn man einmal objektiv die Situation betrachtet, wird schnell klar, dass das nichts mehr mit Logik oder einer Sinnhaftigkeit zu tun hat.

Auch für Geimpfte, die ihren Impfpass nicht digitalisiert haben, ist es ein wahrer Denksport nicht nur an die Maske, sondern auch den Impfausweis zu denken. Als ich gestern mit einer Freundin in der Stadt war (ich hatte noch satte drei Stunden Freiheit mit einem gültigen Testzertifikat), fiel ihr plötzlich auf, dass sie ihren Impfausweis vergessen hatte. Also, nicht mal eben gemütlich etwas beim Shopping in der Stadt trinken oder essen, sondern ab in den nächsten Supermarkt und ein Getränk to go kaufen.


Hinzu kommt, dass man durch die Impfkampagne, von der ich nicht wissen will, wie viele Steuergelder sie uns kostet, als verachtenswerter Mensch betrachtet wird. Dabei ist es vollkommen egal, ob man sich aus gesundheitlichen oder prinzipiellen Gründen nicht impfen lässt. Bei mir ist es eine Mischung aus beidem, doch wie kann es weitergehen?


Viele Menschen, mit denen ich gesprochen habe, fühlten sich aufgrund der neuen Impfstoffe unwohl. So wie sie frage ich mich auch, wieso wir nicht auf die bewährten und damit sicheren Methoden zurückgegriffen haben, wenn das Virus so bedrohlich ist. Warum wird ausgerechnet jetzt experimentiert?
Dann kam teilweise die Antwort, dass so auch die Varianten des Virus durch die Impfung abgedeckt wären. Und trotzdem werden Booster-Impfungen gebraucht? Weil die Impfung dann doch nicht so schützt wie gedacht? Für mich macht das alles nicht sonderlich viel Sinn und ich würde mir deutlich mehr Aufklärung und wissenschaftliche Studien von der Politik wünschen. Ein ,,Lasst euch impfen verdammt nochmal!“, wie es die CDU vor Kurzem auf ihrem Twitter-Account veröffentlicht hat, wird mich jedenfalls nicht umstimmen. 

Spannend wird es, wenn sich demnächst alle dreifach impfen müssen und die Dreifach-Geimpften dann auf die Zweifach-Geimpften losgehen. Ich bleibe jedenfalls bei meinem Standpunkt, sofern sich nichts Grundlegendes ändert. Denn dieser extreme Druck, der einem gemacht wird, macht mich nur noch misstrauischer.