Archiv: April 17, 2022

Weder Rebellion noch Exzess: laut Studie wollen Jugendliche vor allem Sicherheit

Von Gesche Javelin | Den Jugendlichen wurde schon immer vieles nachgesagt. Wir waren dafür bekannt, mal unvernünftig zu sein und immer nur Spaß haben zu wollen. Schon Platon hat sich über die rebellische Jugend brüskiert. Trotzdem blieb und bleibt der aktive Protest gegen Corona-Maßnahmen von unserer Generation mehrheitlich aus. Wo bleibt die Rebellion nun? Eine Umfrage aus 2020 könnte die Antwort darauf bieten: „Die heutige Jugendgeneration ist stark [von der Sehnsucht nach Zugehörigkeit, Halt und Orientierung] geprägt.“ Die Sinus-Studie „Wie ticken Jugendliche?“ zeigt uns eine ernste und problembewusste Jugend. Die Jugend wolle nicht mehr so viel „Fun und Action“, sondern Sicherheit. Sie strebe nach Zusammenhalt und wolle „in der Mitte der Gesellschaft ankommen“.

Ein großes Bedürfnis nach Sicherheit – das ist mal was Neues. Auf einmal soll und will die Jugend seriös sein. Früher wehrten sich die Jugendlichen gegen die Wehrpflicht. Ihnen wurde vorgeworfen, dass sie sich der moralischen Verpflichtung, das Land zu verteidigen, entziehen. Auch über den Schutz der Umwelt wurde schon diskutiert. Gegen die Atomkraft sind viele auf die Straße gegangen. Die Jugend hat sich gegen die Regierung gewehrt. Die Jugend war unverantwortlich. Heute sind die Umweltaktivisten in der Regierung und es wird denen, die nicht für die Umwelt auf die Straße gehen, vorgeworfen, sich der moralischen Verpflichtung zu entziehen. Doch heute ist die Jugend verantwortungsbewusst. Was hat sich geändert? Sie fühlen sich immer noch als Teil einer Veränderung, nur rennen sie bei der Regierung offene Türen ein. Jetzt, wo die Regierung links-grün ist, ist sie gut? Die Jugendlichen reden der Regierung nach dem Mund, also sind Jugendliche jetzt pflichtbewusst. Die herrschende Ideologie wird nicht mehr hinterfragt.

Doch bevor man eine ganze Generation verurteilt, sollten wir uns eine Frage stellen: Wie kann es sein, dass sie – obwohl wir keinen Krieg kennen, keinen Hunger, keine Gewalt – so große Angst hat, dass für sie Sicherheit über Spaß, Lebensfreude und Freiheit steht? Und warum stellt niemand diese Frage? Stattdessen wird diese Angst von der Regierung instrumentalisiert, sogar noch gefördert. Schon 2020 wollte die Jugend Sicherheit – seitdem ist viel passiert. Statt ihr zu helfen und dafür zu sorgen, dass sie keine Angst mehr hat, wurden ihr noch neue Ängste eingeredet.

Was ist mit uns Jugendlichen passiert?

Interessant finde ich, was die Studie dazu sagt: „Der Ernst der Lage und die Unübersichtlichkeit der Verhältnisse in der Welt verstärken […] die Sehnsucht nach Zugehörigkeit, Halt und Orientierung.“ Anders gesagt: Löst die andauernde Weltuntergangsstimmung bei der Jugend ein verstärktes Sicherheitsbedürfnis aus? Tatsächlich kann man dieses Phänomen in der gesamten Gesellschaft beobachten.

Die Medien zeigen uns Bilder von Krieg, Not und Leid. Jeden Tag werden wir mit Katastrophen-Meldungen überflutet. Wir müssen Angst vor dem Klimawandel und damit einhergehenden Naturkatastrophen haben, vor Krieg, vor Terrorismus, vor dem Stromausfall, vor der Inflation, jetzt auch vor einem Virus, vor den Menschen um uns herum, aber auch vor uns selbst. Die Gesellschaft sehnt sich nach dem Gefühl von Sicherheit. Sicherheit ist eines der Grundbedürfnisse des Menschen. Wir streben danach, uns sicher zu fühlen und nicht in ständiger Verteidigungs- und Vorsichtshaltung verharren zu müssen. Ein Dach über dem Kopf, einen sicheren Job oder auch eine Krankenversicherung geben uns dieses Gefühl von Sicherheit. Wahrscheinlich war gerade die junge Generation für Impfung und Maske so anfällig: sie verkörpern diesen Wunsch nach Sicherheit – sich vor unsichtbaren Feinden mit handfesten Mitteln zu verteidigen.

Doch je mehr Sicherheit man verlangt, desto weniger Freiheit kann man sich bewahren.
Wenn wir nur noch in unserem Schneckenhaus bleiben, um auch den geringsten Gefahren zu entkommen, können wir uns nicht mehr bewegen. Wir nehmen in Kauf, dass unsere Handys überwacht werden, um vor Terroristen sicher zu sein. Wir lassen uns einsperren, um einem Virus zu entkommen. Wir sollen abbremsen, um das Klima zu schützen. Die Angst ist groß und die Freiheit wird immer kleiner. Wir suchen nach Geborgenheit und wollen endlich der Angst entkommen. Doch der Preis hoch.


Frustrationsaktivisten versalzen Jugendlichen die Lebensfreude: Man sollte Mitleid haben

Von Luca Tannek | Würde mich jemand fragen, welche auffallenden Merkmale junge Menschen ausmachen, dann wäre meine Antwort – neben Naivität und Neugier – vor allem: Lebenslust. Als Jugendlicher oder junger Erwachsener trägt man längst nicht so viel Verantwortung wie eine Person, die bereits in Lohn und Brot steht. Man hat weniger Pflichten zu erfüllen. Viele leben noch bei ihren Eltern, die Hochzeit liegt noch in weiter Ferne, man interessiert sich für Gott und die Welt, probiert sich aus. Das Leben scheint sehr unkompliziert zu sein – außer die Freundin oder der Freund beendet schlagartig die Beziehung. Dann herrscht erstmal Endzeitstimmung.

In jungen Jahren soll ein gebrochenes Herz eine der wenigen Frustrationen sein, die eine junge Frau oder einem jungen Mann die Lebensfreude nimmt.
Leider ist das heutzutage in bestimmten Kreisen der jüngeren Generation nicht mehr der Fall. Regelrechte Frustrationsorganisationen wie Fridays For Future oder Letzte Generation, deren Anhänger zumindest teilweise 15 bis 30 Jahre alt sind und eine enorme Angst vor dem Klimawandel haben, machen immer wieder auf sich aufmerksam. Man hat ihnen diese Angst eingejagt, sie regelrecht indoktriniert. 
Schließlich geht es um die Klimakrise – oder wie es jetzt schon heißt „Klimakatastrophe“. Man fürchtet sich vor der angeblich alles zersetzenden Apokalypse, die uns im Westen schon etliche Male in den 80ern und 90ern gepredigt wurde, aber nie eintrat. Und um diese Angst möglichst vielen Menschen mitzuteilen, haben sich diese Organisationen sehr ausgefallene Dinge ausgedacht.


Fridays For Future – der Klassiker

Beginnen möchte ich mit den Klima-Kids von Fridays For Future. Freitags die Schule zu schwänzen, um das Klima zu retten – ja, das haben sogar viele Lehrer beklatscht. Ich musste schon schmunzeln, wie leicht man Lehrkräfte dazu bringen kann, ein Vorhaben unterstützen, das sie unter anderem benachteiligt. Solange die Motive wohl „gut“ genug sind, funktioniert das. Noch absurder wurde es, als man die Proteste a) als „Streik“ bezeichnete (seit wann kann man streiken, ohne Arbeitnehmer zu sein?) und b) als die Corona-Pandemie den Aktivisten den Anlass gab, ihren „Streik“ online kundzutun. Mal außer Acht gelassen, dass es sich um eine Demonstration und nicht um einen Streik handelte, stellte sich mir die Frage, welchen Nutzen dieser „Online-Streik“ haben sollte. Demonstriert und gestreikt wird vor allem in aller Öffentlichkeit, weil man Aufmerksamkeit bekommen möchte. Ich bezweifle, dass solch ein Effekt online möglich ist. Aber wie heißt es so schön? Angst macht dumm.


Letzte Generation – die radikalen Öko-Mimosen

Mein Favorit ist die „Letzte Generation“. Ich tat mir ziemlich schwer, welche ausgefallenen Protest-Aktionen ich für diesen Text aussuchen soll. Denn diese Leute haben den Vogel einfach abgeschossen. Erstmals wurde ich im Sommer 2021 auf diese Bewegung aufmerksam, als einige Mitglieder im Regierungsviertel in Berlin zelteten und in den Hungerstreik gingen. Die Aktivisten suchten Gespräche mit Politikern – völlig ausgehungert. Die Hauptforderung bei dieser Initiative lautete:

„1. Ein sofortiges Gespräch mit den Kanzlerkandidat*innen Herrn Laschet, Herrn Scholz und Frau Baerbock, über den Mord an der jungen Generation.
2. Das Versprechen von Ihnen, in einer neuen Regierung direkt einen Bürger*innenrat einzuberufen. In diesem sollten Sofortmaßnahmen gegen die Klimakrise, unter anderem eine 100% regenerative Landwirtschaft, besprochen werden.“

Die sprechen tatsächlich von „Mord“. Da die „Letzte Generation“ ebenso strenge Maßnahmen gegen das Coronavirus befürwortet, stellt sich mir die Frage, ob die Aktivisten keine Gewissensprobleme hätten, wenn ein Krankenhaus aufgrund von Energieengpässen einen Corona- Patienten nicht mehr beatmen könnte. Schließlich produzieren Solar- und Windkraft nicht ansatzweise so zuverlässig Strom wie ein Atom- oder Kohlekraftwerk. Nach 25 Tagen endete der sogenannte Hungerstreik und ich stellte mir die Frage, ob diese jungen Menschen vor lauter – Achtung anglizistischer Neusprech – „Climate Anxiety“ nicht eine Gefahr für sich selbst sind.

Circa ein halbes Jahr später, Anfang 2022, starteten die Klima-Helden ihre nächste Kampagne „Essen Retten – Leben Retten“. Und die hatte es in sich. Die Aktivisten klebten sich nämlich mitten auf vielbefahrene Straßen und behinderten den Verkehr. Polizisten mussten sie vom Asphalt entfernen und Menschen kamen zu spät in die Arbeit. Bei einer Aktion hatte selbst ein Krankenwagen Schwierigkeiten durchzukommen. Anders als beim Hungerprotest haben die jungen Leute nicht nur sich, sondern auch andere Personen erheblich in Gefahr gebracht und mir war im – Gegensatz zum Hungerprotest – eher zum Schreien als zum Lachen.

Aber es hielt sich nicht lange, da brachten mich die selbsternannten Weltretter wieder zum Lachen. Denn Mitte Februar baute die Letzte Generation wortwörtlich ordentlich Mist. Im Bundeswirtschaftsministerium entschied man sich nämlich, Pferdemist auf dem Gang zu verteilen, um der Regierung mitzuteilen, welch schlechte Politik sie betreibt. Unser gelernter Schweinebauer und Wirtschaftsminister Robert Habeck sollte den strengen Gestank gewohnt sein und nahm es wahrscheinlich auf die leichte Schulter.


Das bemitleidenswerte Leben der Angsthasen

Manche Kollegen schauen mich schief an, wenn ich meine ehrliche Meinung zu Fridays For Future oder Letzte Generation sage. Denn sie halten diese Leute schlicht für geistig gestört. Ich aber habe einfach nur aufrichtiges Mitleid. Während manche Climate-Girls ihren halben Nervenzusammenbruch auf Instagram teilen und zottelige Soja-Sörens sich auf die Straße festkleben und von ehrlichen Arbeitern wegen ihrem fahrlässigen Verhalten angeschnauzt werden, habe ich seit dem Wegfall etlicher Corona-Maßnahmen ein durchaus spaßiges und angstbefreites Leben. Das so wichtige Element Lebenslust blüht bei mir voll auf und ich wünsche mir, dass auch unsere Apokalyptiker noch in ihren jungen Jahren ebenfalls in den Genuss kommen. 


Songbird (2020): Ein Maßnahmen-skeptischer Hollywoodfilm?

-Achtung Spoiler-

Von Laura Werz | „Es ist schön zu wissen, dass es noch was da draußen gibt, dass einen töten kann“ – ein zentraler Satz in dem US-amerikanischen Film „Songbird“ aus dem ersten Pandemiejahr 2020. Der Science-Fiction-Thriller ist weniger aufgrund der schauspielerischen Leistungen oder des Unterhaltungswertes interessant, sondern wegen des dargestellten fiktiven Zukunftsszenarios. Bei der Produktion wurden die bis dato erlebten Pandemieerfahrungen bis in „irreale“ Sphären weitergesponnen, welche erschreckende Parallelen zu unseren Wirklichkeitserfahrungen der letzten Monate aufweisen.

Wir befinden uns bereits im vierten Jahr der Corona-Pandemie, an welcher inzwischen über 100 Millionen Menschen gestorben sind. Infizierte werden gegen ihren Willen in sogenannte „Q-Zones“, vergleichbar mit Slams oder Konzentrationslagern, gebracht. Die Handlung spielt in Los Angeles, das einer Geisterstadt gleicht. Niemand darf seine Wohnung oder sein Haus verlassen, da sich das Virus über die Luft überträgt. Nico, der sich als Genesener, sogenannter „Imuni“, frei bewegen darf und als Fahrradkurier arbeitet, lernt während des Dauerlockdowns Sara kennen. Sara, die gemeinsam mit ihrer Großmutter die gemeinsame Wohnung nicht verlassen darf, verbringt ihre Jugend ordnungsgemäß hinter verschlossenen Türen mit täglichen vorgeschriebenen Fiebermessungen. Liebe im Jahre 2024 ist schwer und von absoluter körperlicher Abstinenz geprägt. Als Saras Großmutter in kürzester Zeit an dem Virus stirbt, ist klar, dass Sara vom Hygieneschutz abgeholt und in ein Lager gebracht werden wird.

Die Hygieneabteilung von Los Angeles ist die alleinige Exekutivgewalt, welche totalitär und willkürlich die Lockdownregelungen durchsetzt. Die menschenverachtende Regierungsgewalt wird in dem Leiter der sanitären Einrichtungen Harland personifiziert. Harland, vor Pandemiebeginn noch Müllwagenfahrer bei der Behörde für Hygieneschutz, hat mit der Pandemie einen rasanten Aufstieg erlebt. Parallelen zum derzeitigen hiesigen Chef des Gesundheitsressorts sind erschreckend. Hat sich nicht auch hier ein Hinterbänkler durch Talkshowsitzungen und Selbstinszenierung auf der Coronawelle in die Regierung tragen lassen? Die tatsächliche Gefährlichkeit des Virus bleibt auch im Jahre 2024 im Dunkeln. Es stellt sich heraus, dass Sara immun ist und somit keine rechtliche Grundlage besteht, sie zu deportieren. Harland ordnet dies dennoch an und beweist an dieser Stelle die alleinige Despotie der Exekutive. Notwendige Maßnahmen und tatsächliche gesundheitliche Zustände spielen keine Rolle bei der Machtausübung. Als deutscher Zuschauer wird man fast zwangsläufig wieder an die hiesige Verkürzung des Genesenenstatus erinnert.

Der Film zeigt eine internationale Metropole in ca. zwei Jahren. Eine tote Stadt, Menschen ohne Zukunft, umgeben von Düsternis, Einsamkeit und Hoffnungslosigkeit.


Tja, liebe Politiker: Ich habe heute leider kein Foto für euch.

Von Elena Klagges | In diesen Wochen läuft die 17. Staffel von Germanys next Topmodel. Heidi Klums Modelschmiede, in der es allein schon mit der Auswahl der Kandidaten an politischen Statements nicht fehlt.
In diesen Wochen hatte sich zuletzt auch der Wahlkampf in Frankreich zugespitzt und pünktlich zu dessen Ende tauchte das Bild vom Präsident mit lässigem 3-Tage Bart, Jeans und einem grünem Pullover der französischen Fallschirm-Spezialeinheit auf. Versuchte der eigentlich eitle Macron den ukrainischen Präsidenten nachzuahmen, der mit Kriegsbeginn seinen staatsmännischen Anzug mit olivgrünen Militärkleidern getauscht hat? Was möchte der Franzose inszenieren? Kampfbreitschaft? Loyalität? Solidarität?

Ein Trendsetter ist Emmanuel jedoch nicht. Die bewusste Kleidungswahl als Symbol für Volksnähe und Nahbarkeit haben längst auch schon andere Politiker für sich entdeckt.
Auf der anderen Seite des Ärmelkanals versucht Boris Johnson, herausragender Eton-Schüler und typisches Mitglied der Upper Class mit seinem radical-chic Clown-Look die Briten zu umgarnen.
Deutsche Models: Bis vor kurzem machte sich Karl Lauterbach mit seiner knallbunten Fliege zum Clown. Jetzt, da er Bundesminister geworden ist, versucht er zwar stilistisch seriöser aufzutreten. Aber wenn er glaubt, dadurch seine lächerlichen Aussagen relativeren zu können – Fehlanzeige! Unvergessen auch Ex-Außenminister Heiko Maas, der sich in Lederjacke und Sneakern einen modischen Fauxpas leistete. Und Scholz vergriff sich auch schon im Kleiderschrank, als er im Oversize-Hoodie vor die Journalisten im Flieger nach Washington trat.

Wollten die beiden Jugendlichkeit ausstrahlen? Der jungen Generation zeigen, wie aktiv, lässig und cool Politiker sein können?
Ganz zu schweigen von dem Papageivogel Claudia Roth. In einem Interview verriet die Grüne kürzlich erst, natürlich schon mehrere Kleiderschränke zu Hause stehen zu haben. Grundsätzlich kein Vorwurf, v.a. bei Frauen. Schön wäre es aber, wenn die Politikerin diese Vielfalt auch im Bundestag repräsentierte. Sich Diskussionen und Meinungen öffnen würde, anstatt wie eine Vogelscheuche die Nachhaltigkeitsdoktrin durchsetzen und andere Lifestyles vergrauen zu wollen.

Wir leben zwar nicht mehr im 20. Jahrhundert – auch wenn ich zugegeben gerne mal in diese Zeit zurückreisen würde und deshalb den deutschen Kinostart des zweiten Downton Abbey Films am 28. April kaum erwarten kann. Aber ein bisschen stilistischen Anstand, eine gewisse Etikette mag man doch noch erwarten dürfen. Zumal der legere Style den Politiker nicht besonders gut steht und außer einer reinen Symbolpolitik und Solidaritätsbekunden wenig bezwecken dürfte.

In die Absurdität wird die Debatte getrieben, wenn man noch identitätspolitische Accessoires auftragen möchte. Als ich am vergangenen Dienstag bei BILD TV in die Sendung Viertel nach Acht schaltete, erläuterte die Welt-Journalistin Susanne Gaschke, dass die military Frühlingskollektion 2022 von einigen sogar als Inbegriff der toxischen Männlichkeit gesehen werde. Unter anderem Selenskys medialer Catwalk verwerfe die feministischen Errungenschaften der letzten Jahrzehnte und repräsentiere den Inbegriff des unterdrückenden weißen Mannes.

Ein Rückschritt, der unbedingt ein Ende haben müsse.
Zumindest in diesem Punkt kann ich zustimmen. Denn säße ich auf dem Jury-Stuhl: Ich hätte auf jeden Fall kein Foto für sie.


Wie die politische Linke immer das bekommt, was sie möchte

Von Leon Hendryk | Wer den politischen Diskurs der letzten Jahrzehnte in Deutschland und anderen westlichen Staaten verfolgt hat, ist oft überrascht, wie erfolgreich linke Parteien und Themen die Mitte der Gesellschaft erobert haben. Geradezu exemplarisch dafür stehen die Grünen, die es seit ihrer Gründung im Jahre 1980 geschafft haben, von einer Außenseiterpartei zu einer wichtigen politischen Kraft zu werden. Dabei haben sie nicht nur das Programm anderer Parteien massiv beeinflusst, sondern lösten bei der letzten Bundestagswahl auch die ebenfalls „begrünte“ CDU in der Bundesregierung ab.

Dieser Erfolg erklärt sich meiner Ansicht nach unter anderem mit einer Strategie, die linke Parteien schon lange anwenden, um ihre Ideen in der Gesellschaft durchzusetzen. Sie besteht darin, ein legitimes gesellschaftliches, politisches oder soziales Problem zu finden und dann Lösungsansätze zu präsentieren, die mit voller Absicht weit über die Lösung dieses eigentlichen Problems hinausgehen.
Da ein unverpackter Sozialismus im Deutschland der achtziger Jahre für die große Masse der Bevölkerung unattraktiv war – schon allein wegen des abschreckenden Beispiels der DDR – entschloss man sich dazu, die Umweltbewegung als Basis für das Erreichen sozialistischer Ziele zu benutzen. Der Schutz der Umwelt war damals wie heute ein durchaus legitimes Ziel, mit dem sich viele Bürger identifizieren konnten. Noch in den fünfziger und sechziger Jahren sorgte die ungeklärte Einleitung von Industrieabwässern auf vielen Gewässern für Schaumkronen, die einem frisch gezapften Bier Konkurrenz machen konnten. Selbst Anfang der achtziger Jahre war verbleites Benzin noch überall Standard, anders als Katalysatoren, die erst ab 1989 verpflichtend in Neuwagen wurden. Dementsprechend konnten sich die Grünen in den Augen vieler Deutscher als sympathische Umweltschutzpartei etablieren, wobei ihre tatsächliche Ideologie weit über dieses Themengebiet hinaus ging. Schon das erste Parteiprogramm war unverblümt antikapitalistisch (ein Hohn in Anbetracht der weit größeren Umweltzerstörung in der DDR und den sozialistischen Ländern Osteuropas). Zudem zeigte es in Bezug zur Wirtschafts-, Migrations- und Familienpolitik schon damals klar die Marschrichtung der Partei an, der sie bis heute folgt. Und marschiert wird bei den Grünen trotz der freundlichen Umweltfassade noch immer stramm nach links.
Die Frage, warum hohe Steuern, offene Grenzen und eine enge Interpretation der Meinungsfreiheit für den Umweltschutz notwendig sein sollen, bleibt desweilen offen.

Diese Strategie ist alles andere als neu. Schon die marxistischen Bewegungen des ausgehenden 19. Jahrhunderts und frühen 20. Jahrhunderts nutzten eine ähnliche Taktik. Ihr legitimes Ziel war die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in den damals boomenden Industrien Europas und Nordamerikas. Selbstverständlich war das an sich ein ehrbares Ziel, denn die Arbeitsbedingungen waren vielerorts unhaltbar, Arbeitsunfälle und Verletzungen an der Tagesordnung. Doch diese Zustände waren vielerorts schon von den aufkommenden sozialdemokratischen und christlichen Arbeiterbewegungen und Gewerkschaften im Prozess, zurückgedrängt zu werden. Die Marxisten wollten allerdings mehr als bessere Arbeitsbedingungen und Löhne. Eine vollkommen neue Gesellschaft sollte entstehen, die Diktatur des Proletariats, und dazu musste die bestehende Gesellschaft zerschlagen werden. Also nutzte man die Arbeiterbewegung und unterwanderte sie, um sie als Sprungbrett für seine eigentlichen Ziele zu nutzen. Schon damals zeigte sich klar, welchen geringen Belang die Behandlung der Arbeiter eigentlich für sozialistische Parteien hatte. Sobald sie einmal die Macht erlangt hatten, war es vorbei mit der Sozialromantik, so zum Beispiel in der Sowjetunion. Dort waren zum einen die Arbeitsbedingungen stets deutlich schlechter als im kapitalistischen Westen. Zum anderen führte dort das Streiken nicht zu Lohnerhöhungen, sondern zu unfreiwilligen Langzeitaufenthalten in den Gulags.

Das gleiche Spiel wiederholt sich heute beim modernen Feminismus, der insbesondere auf viele junge Frauen eine große Anziehungskraft ausübt. Für legitime und wichtige Probleme wie häusliche Gewalt und Vergewaltigungen wird eine Lösungsmöglichkeit präsentiert, die gewollt weit über das Ziel hinausschießt. Nicht vermehrte Aufklärung, Strafverfolgung oder Beratungs- und Unterstützungsangebote sollen es richten. Nein, stattdessen wird die Abschaffung der natürlichen Geschlechterrollen, der traditionellen Familie und natürlich des „kapitalistischen, patriarchalischen Systems“ gefordert. Die Frage, wie und ob das die oben genannten Probleme lösen kann, ist weder erwünscht noch wird sie beantwortet. Denn letztendlich werden diese Probleme nur benutzt, um linke Politik gesellschaftsfähig zu machen und an der Wahlurne durchzusetzen.

Nun muss man diesem Spiel aber nicht tatenlos zuschauen. Schon die kritische Frage nach dem Zusammenhang zwischen den echten Problemen und den präsentierten Lösungen bringt viele Linke ins Straucheln und potenzielle Wähler zum Nachdenken. Noch wichtiger aber ist es, eigene Lösungsansätze zu entwickeln und diese offensiv zu vermarkten! Das ist etwas, was liberale und konservative Parteien in der Vergangenheit oft versäumten, wohl in der Hoffnung, die Probleme würden sich irgendwann von allein lösen. Am einfachsten ist es also, neben den linken, oft politisch hochideologischen Lösungsansatz, einen eigenen zu setzen und dessen Vorteile herauszustellen. Des Weiteren ist es so, dass die oben beschriebene Strategie der Lösungsansätze, die bewusst über das eigentliche Problem hinausgehen, nicht nur von Linken genutzt werden kann. Auch Konservative können sie für die eigenen politischen Ziele nutzen. Dass dies so selten passiert, ist äußerst schade, insbesondere in Anbetracht der zunehmenden Marginalisierung ihrer politischen Positionen auf allen gesellschaftlichen Ebenen. Denn nicht nur im Fußball gilt: Angriff ist die beste Verteidigung!


12 Thesen, warum Masken so gar nicht super sind

Von Gesche Javelin | Über zwei Jahre Maskenpflicht. Im Supermarkt sieht man nur halbe Gesichter. Sauerstoffmangel ist nicht nur, wenn Menschen beatmet werden müssen präsent, sondern verfolgt einen auch im Alltag. Man soll sich jeden Tag Stoff vors Gesicht klemmen. Und jetzt, wo endlich Freiheit in den Tiefen des Coronawirrwarrs aufblitzt, fordert die taz uns dazu auf, die Masken aufzulassen. Dafür hat die Autorin zwölf Thesen aufgestellt, „warum Masken super sind“, die meiner Meinung nach sehr gut darstellen, was Sauerstoffmangel für negative Folgen auf das Gehirn haben kann. 

Ich kann es kaum erwarten, dass die Maske endgültig fällt. Deswegen hier meine zwölf Thesen; warum ich Masken nur noch im Theater sehen möchte:

  • Sicherheit?

Einige Menschen scheinen während der letzten zwei Jahre einen regelrechten Maskenfetischismus entwickelt zu haben. Ist auch kein Wunder, wenn man bedenkt, dass sie durch die Maske ein Gefühl von Sicherheit vermittelt bekommen. Bekanntlich ist das Bedürfnis nach Sicherheit für den Menschen mit am Wichtigsten. Scheinbar übersteigt es hier sogar das Bedürfnis nach freiem Atmen. Dabei ist fraglich, ob Masken überhaupt die versprochene Sicherheit gewährleisten.

  • Unfreiheit

Die Maske bedeutet eine Einschränkung der Freiheit. Vor allem die Einschränkung, nicht frei atmen zu können. Aber auch die Einschränkung, ohne Maske in der Öffentlichkeit nirgendwo mehr erwünscht zu sein. Man kann nicht mehr spontan einkaufen gehen, wenn man keine Maske dabei hat. Freiheit hat normalerweise in einer Demokratie einen sehr großen Stellenwert. In Deutschland wohl nicht mehr so.

  • Atemnot, Übelkeit, Hautprobleme … 

Ganz Deutschland leidet darunter. Wir sollen unseren eigenen Atem wieder einatmen. Jeden Tag in der Schule sollen wir aushalten, die kondensierte Atemluft in unserem Gesicht kleben zu haben oder zu merken wie einem schummrig wird. Und mit den Hautproblemen, die uns sowieso quälen, will man es uns auch nicht einfacher machen. Man gibt sein ganzes Taschengeld aus und hat schon alles ausprobiert, um die Pickel endlich loszuwerden, um dann vom ganzen Maske tragen wieder Pickel zu bekommen.

  • Konzentration nimmt ab

Die Konzentration sinkt stetig. Und nicht nur vom Sauerstoff im Blut. Ein Großteil der Klasse wirkt so, als würden sie gleich einschlafen. Bei Einigen sind das vielleicht auch noch die Nachwirkungen vom nächtlichen Zocken, aber bei vielen hat die Konzentrationsfähigkeit seit der Maskenpflicht einen neuen Tiefpunkt erreicht.

  • „Niemand versteht mich“

Wer hat schon Lust gegen eine Wand zu reden. Jetzt ist es zwar keine Wand aber eine Schicht Stoff. Bei jedem zweiten Schüler versteht der Lehrer nicht, was gesagt wurde und das liegt nicht immer daran, dass der Schüler Unsinn vor sich hin murmelt.

  • Das Immunsystems hat Kontaktängste

Tatsächlich gibt es positive Effekte, wenn man krank ist. Das Immunsystem braucht Training. Es wird nicht besser, wenn man es 24/7 in Watte gepackt hat. Ich höre immer wieder von unterschiedlichen Seiten, dass sie jetzt zu Corona so oft erkältet sind, wie nie zuvor. Isolation hilft scheinbar nur gegen eine Krankheit und auch da nur beschränkt. 

  • Konfrontation ist die beste Therapie

Nicht nur dem Immunsystem fehlt der Kontakt. Viele Menschen haben Angst davor, die Maske abzuziehen. Die Sicherheit, die ihnen das Tuch verspricht, einfach aufzugeben, scheint unvorstellbar und unverantwortlich. Die Angst sich anzustecken und auf der Intensivstation zu enden ist zu groß. Dann lieber schlecht atmen statt Beatmungsgerät, lautet da die Devise. Dabei sagt man doch, dass die Konfrontationstherapie zu den wirksamsten Methoden gegen Angststörungen zählt…

  • Leben ist kontaktfreudig

Distanz dominierte die letzten zwei Jahre. Doch was ist das für ein Umgang, wenn man den Nachbarn nicht mehr sieht, niemanden mehr hinter der Maske erkennt und soziale Kontakte fremd sind. Gut, das mit den Nachbarn ist für manche vielleicht ein Segen. Trotzdem: Leben braucht Berührung.

  • Wer bist du?

Neulich habe ich meine Lehrerin ohne Maske auf dem Schulhof gesehen. Ich muss sagen, ich war sehr verwirrt. Gefühlt stand ein anderer Mensch vor mir. Ich habe sie noch nie ohne Maske gesehen. Sie hat ziemlich auffällige blonde Locken, sodass ich sie eindeutig identifizieren konnte, ansonsten hätte ich sie ohne Maske wahrscheinlich nicht erkannt.

  • So viele Vögel

Ganz abgesehen davon, dass man die Menschen nicht erkennt, könnte man sie manchmal mit Vögeln verwechseln. Vor allem die FFP2-Masken sehen aus wie Schnäbel. So viel zum Thema, Masken machen attraktiver …

  • Spaß, Lachen, Reden

Ich laufe durch die Stadt und ich sehe nur emotionslose Menschen an mir vorbei hetzen. Kein Lachen, noch nicht mal ein Lächeln läuft einem über den Weg. Alles verborgen hinter mehreren Schichten Stoff. Selbst das Reden wird unter der Maske gedämpft und ich muss immer zweimal nachfragen bis ich die Person verstehe. 

(Wenn ihr mal wieder herzhaft lachen wollt, kann ich euch empfehlen, die zwölf Thesen mal durchzulesen. Den Großteil ihrer „Argumente“ kann man schon als Gegenargument nehmen. Danke für die wunderbare Vorlage.)

  • Glücklich sein?

Wenn die Menschen sowieso den Gesichtsausdruck nicht mehr sehen können, warum dann noch lächeln? 

Wenn man lächelt werden Glückshormone ausgeschüttet. Dafür muss es noch nicht mal ein ehrliches Lächeln sein – und die taz-Autorin freut sich noch darüber, dass sie nicht mehr so viel lächeln muss.


Wirklich keine Maskenpflicht mehr! Die Regelungen der Bundesländer auf einen Blick

Von Simon Rabold | Endlich wieder entspannt einkaufen, Sport machen und vieles mehr. Wie und wo genau, erfahrt ihr hier.

Liebe Leser, vielleicht haben Sie es mitbekommen, vielleicht aber auch nicht, vielleicht sind Sie aber auch verwirrt. Brauche ich noch eine Maske? Diese Frage stellen sich aktuell viele: durch den Regelirrsinnbdurch Lauterbach & Co. blicken nur noch die wenigsten durch.

Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern bleiben Ausnahme

Wenn Sie in Hamburg oder Mecklenburg-Vorpommern leben, dann spreche ich Ihnen mein Beileid aus. Ihre Volksvertreter haben beschlossen, dass Sie, oder besser gesagt Ihr Land, als sogenannter „Hotspot“ gilt. Daher bleibt für Sie die Maskenpflicht bestehen. Von anderen ausgerufenen Hotspots ist bis jetzt nichts bekannt. Allen anderen kann ich daher gratulieren! Sie brauchen tatsächlich keine Maske mehr, wenn Sie in den Supermarkt gehen, im Einzelhandel etwas einkaufen wollen oder sich sonst in einem Innenraum aufhalten. Dazu zählen beispielsweise Gastronomie, Universitäten und Sport.

Leider gibt es Ausnahmen, so bleibt die Maskenpflicht in Krankenhäusern, Arztpraxen, Pflegeeinrichtungen und auch im ÖPNV bestehen. Auch dürfen die Inhaber gemäß ihrem Hausrecht eine Maskenpflicht verhängen.

Allerdings haben die großen Supermarktketten wie Rewe, Aldi, Edeka und auch Saturn, MediaMarkt und Ikea angekündigt, die Maskenpflicht nicht weiter durchzusetzen. Gleiches gilt auch für die „3G-Regel“. Diese könnte per Hausrecht durchgesetzt werden, abgesehen von Kliniken und bestimmten medizinischen Bereichen ist diese aber nirgends mehr Pflicht. Und bis jetzt sind auch noch keine Fälle bekannt, in denen größeren Ketten „3G-Regeln“ eingeführt haben. Ich werde auf jeden Fall Geschäfte meiden, in denen ich Gesundheitszertifikate zeigen oder Maske tragen muss.

Und für diejenigen, die weiter Maske tragen wollen, weil sie sich so besser geschützt fühlen, gibt es ebenfalls gute Nachrichten: mit dem Ende der Maskenpflicht ist kein Maskenverbot in Kraft getreten, wenn sie wollen, dürfen sie weiterhin Maske tragen.

Es scheint also, als habe die Bundesregierung das Prinzip der Eigenverantwortung entdeckt. Zwar nur ein kleiner, aber auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung. Ich gehe dann mal wieder „normal“ einkaufen!


Endlich: Die Maskenpflicht ist Geschichte!

Von Larissa Fußer | Endlich wieder durchatmen! Fast zwei Jahre ist es her, dass in Deutschland die allgemeine Maskenpflicht in Innenräumen eingeführt wurde. Egal, ob im Supermarkt, in Schulen und Unis, bei der Bank oder im Club – der Lappen vor dem Gesicht war nervig-juckende Konstante. Nun ist in den ersten Apriltagen mit dem neuen Infektionsschutzgesetz in fast allen Bundesländern die Maskenpflicht ausgelaufen (nur Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern halten daran fest). Bis auf ein paar Ausnahmen – zum Beispiel in Arztpraxen und in Öffentlichen Verkehrsmitteln – darf man jetzt wieder ganz ungeniert sein Gesicht zeigen – und ich sage euch: Ich bin heilfroh darüber!

Denn das Bedrückende ist doch: Man hatte sich langsam dran gewöhnt. Während ich in den ersten Monaten der Maskenpflicht bei jedem Supermarktbesuch ins Keuchen gekommen bin und bei jedem Flug ausgekostet habe, wie weit ich die Maske „runterrutschen“ lassen kann, bis die Stewardess meckert, habe ich inzwischen in einem Krankenhauspraktikum sechs bis acht Stunden am Stück (gezwungenermaßen) eine FFP2-Maske getragen, ohne es überhaupt noch zu bemerken.

Obwohl sich meine junge Lunge anscheinend an den mangelnden Sauerstoff gewöhnt hat (für sie war jeder Praktikumstag mit Maske wohl wie ein Alpen-Höhentraining), habe ich mich nie damit abgefunden, den Menschen, die mich umgeben, nicht mehr ins Gesicht gucken zu können. Wie oft habe ich es nun schon erlebt, dass ich eine Person nicht mehr erkannt habe, sobald sie ihre Maske abgelegt hat. Das ist doch irgendwie irre. Da spricht man tagelang mit einem Kollegen und im Pausenraum erkennt man ihn plötzlich nicht mehr und kommt erst ins Grübeln, wenn man seine Stimme hört. Teilweise versteckt sich hinter der Maske ein ganz anderer Mensch, als man erwartet hatte. Ein verschmitztes Lächeln, erbost aufgeblähte Nasenflügel, verkniffene Lippen – all das bleibt einem vorenthalten. Von Nasenpiercings und Gesichtstätowierungen ganz zu schweigen. 

Noch schlimmer war: Wenn man wie ich eh nicht der extrovertierteste Mensch ist, war die Maske immer eine Möglichkeit, seinen eigenen Unsicherheiten nachzugeben und sich hinter ihr zu verstecken. Blasse Haut, Pickel im Gesicht, ein schlecht gelaunter Mund – alles ließ sich hinter der Maske verbergen. Der Gang durch die Öffentlichkeit hat nicht mehr bedeutet, sich der Welt zeigen zu müssen und das – trotz ein bisschen Unsicherheit – auch genießen zu können. Viele haben sich angewöhnt, sich zu verstecken und sich gegenseitig nicht mehr anzusehen. Das Leben ist dadurch langweiliger geworden.

Die seltsamsten Maskenerlebnisse hatte ich aber mit Abstand beim Ausgehen. Im Sommer 2020 wollten meine Freundinnen und ich es uns nicht nehmen lassen, die begrenzten Möglichkeiten, die es trotz Pandemie im Berliner Nachtleben gab, auszunutzen. Also sind wir auf die ulkigste Party gegangen, die ich bisher in meinem Leben erlebt habe. Schon in der Schlange vor dem Eingang musste man sein Gesicht verdecken und hat dabei den liebevoll aufgetragenen Lippenstift schon einmal komplett ans Maskentextil verloren. Am Ticketverkauf wurde einem ungefragt eine Pistole an den Kopf gehalten – die sich nach dem ersten Schreck als Fieberthermometer herausstellte. Wenn du die korrekte Temperatur hattest, durftest du eintreten. Drinnen wartete ein Bild für die Ewigkeit: In dem Open-Air-Club (Indoor war Tanzen gar nicht erst erlaubt), drängten sich hunderte junge Menschen mit Masken im Gesicht. Die meisten waren in dicken Jacken eingemummelt, denn es war ziemlich kalt, ab und zu nieselte es sogar. Wir liefen auf die Tanzfläche, auf der sich schon einige junge Leute maskiert zum Takt bewegten – ich wusste nicht so recht, was ich von diesem Anblick halten sollte. Maskenbälle mögen ja im 20. Jahrhundert ne tolle Sache gewesen sein – mir kam die Chose aber einigermaßen bekloppt vor. Dass wir alle paar Minuten ermahnt wurden, unsere Masken wieder über die Nasen zu ziehen, machte die Sache nicht besser. Und es gab noch andere Schwierigkeiten – als ich mich umguckte, fragte ich mich: Wie lächelt man eigentlich mit Maske? 

In der Uni war es ähnlich: Während in mich in den Semestern vor Corona immer mal wieder mit meinen Kommilitonen über Veganismus, die Bürgerversicherung und andere Themen gezankt und mir damit den Tag versüßt hatte, ist mit der Maske Apathie und Stille in den Seminarraum eingekehrt. Den wenigen Unterricht, den wir noch hatten (das meiste war ja gleich ab April 2020 online), verbrachten wir oft schweigend – und sobald die Dozenten am Ende der Veranstaltung unsere Anwesenheit mit einer Unterschrift quittierten, haute jeder für sich schnell ab. Ich bin sehr gespannt, wie das in meinem kommenden Semester sein wird. Jetzt haben wir wieder kompletten Präsenzunterricht – ob wir Masken tragen müssen, weiß ich noch nicht.

Doch ich fürchte: Auch wenn die Pflicht passé ist – die Masken werden uns trotzdem noch eine Weile begleiten. Als ich in den letzten Tagen meine neue Atemfreiheit ausgekostet habe und durch Supermarkte, Drogerien und – ganz aufregend – Flughäfen ohne Maske spaziert bin, war ich damit fast die einzige. Nur ein paar Omis, ein paar Türken, ein paar Ökos hier und da zeigten ihr Gesicht – und in ihrer Mimik mischten sich Freude und Unsicherheit. Ich sah wahrscheinlich genauso aus. Eine  Lehrerin hat mir erzählt, dass selbst in den Schulen kaum ein Schüler die Maske abnimmt, obwohl sie diese nun nicht mehr tragen müssen. Auch die meisten Lehrer tragen weiter Maske. 

Ich hoffe, dass sich das nach einer Gewöhnungsphase legt. Hier auf Apollo jedenfalls ist die Maske Geschichte! 

(Auf den Fotos seht ihr unsere Apollo Autorinnen Selma, Pauline, Elena, Laura und mich – endlich ohne Maske!)