Weder Rebellion noch Exzess: laut Studie wollen Jugendliche vor allem Sicherheit

Von Gesche Javelin | Den Jugendlichen wurde schon immer vieles nachgesagt. Wir waren dafür bekannt, mal unvernünftig zu sein und immer nur Spaß haben zu wollen. Schon Platon hat sich über die rebellische Jugend brüskiert. Trotzdem blieb und bleibt der aktive Protest gegen Corona-Maßnahmen von unserer Generation mehrheitlich aus. Wo bleibt die Rebellion nun? Eine Umfrage aus 2020 könnte die Antwort darauf bieten: „Die heutige Jugendgeneration ist stark [von der Sehnsucht nach Zugehörigkeit, Halt und Orientierung] geprägt.“ Die Sinus-Studie „Wie ticken Jugendliche?“ zeigt uns eine ernste und problembewusste Jugend. Die Jugend wolle nicht mehr so viel „Fun und Action“, sondern Sicherheit. Sie strebe nach Zusammenhalt und wolle „in der Mitte der Gesellschaft ankommen“.

Ein großes Bedürfnis nach Sicherheit – das ist mal was Neues. Auf einmal soll und will die Jugend seriös sein. Früher wehrten sich die Jugendlichen gegen die Wehrpflicht. Ihnen wurde vorgeworfen, dass sie sich der moralischen Verpflichtung, das Land zu verteidigen, entziehen. Auch über den Schutz der Umwelt wurde schon diskutiert. Gegen die Atomkraft sind viele auf die Straße gegangen. Die Jugend hat sich gegen die Regierung gewehrt. Die Jugend war unverantwortlich. Heute sind die Umweltaktivisten in der Regierung und es wird denen, die nicht für die Umwelt auf die Straße gehen, vorgeworfen, sich der moralischen Verpflichtung zu entziehen. Doch heute ist die Jugend verantwortungsbewusst. Was hat sich geändert? Sie fühlen sich immer noch als Teil einer Veränderung, nur rennen sie bei der Regierung offene Türen ein. Jetzt, wo die Regierung links-grün ist, ist sie gut? Die Jugendlichen reden der Regierung nach dem Mund, also sind Jugendliche jetzt pflichtbewusst. Die herrschende Ideologie wird nicht mehr hinterfragt.

Doch bevor man eine ganze Generation verurteilt, sollten wir uns eine Frage stellen: Wie kann es sein, dass sie – obwohl wir keinen Krieg kennen, keinen Hunger, keine Gewalt – so große Angst hat, dass für sie Sicherheit über Spaß, Lebensfreude und Freiheit steht? Und warum stellt niemand diese Frage? Stattdessen wird diese Angst von der Regierung instrumentalisiert, sogar noch gefördert. Schon 2020 wollte die Jugend Sicherheit – seitdem ist viel passiert. Statt ihr zu helfen und dafür zu sorgen, dass sie keine Angst mehr hat, wurden ihr noch neue Ängste eingeredet.

Was ist mit uns Jugendlichen passiert?

Interessant finde ich, was die Studie dazu sagt: „Der Ernst der Lage und die Unübersichtlichkeit der Verhältnisse in der Welt verstärken […] die Sehnsucht nach Zugehörigkeit, Halt und Orientierung.“ Anders gesagt: Löst die andauernde Weltuntergangsstimmung bei der Jugend ein verstärktes Sicherheitsbedürfnis aus? Tatsächlich kann man dieses Phänomen in der gesamten Gesellschaft beobachten.

Die Medien zeigen uns Bilder von Krieg, Not und Leid. Jeden Tag werden wir mit Katastrophen-Meldungen überflutet. Wir müssen Angst vor dem Klimawandel und damit einhergehenden Naturkatastrophen haben, vor Krieg, vor Terrorismus, vor dem Stromausfall, vor der Inflation, jetzt auch vor einem Virus, vor den Menschen um uns herum, aber auch vor uns selbst. Die Gesellschaft sehnt sich nach dem Gefühl von Sicherheit. Sicherheit ist eines der Grundbedürfnisse des Menschen. Wir streben danach, uns sicher zu fühlen und nicht in ständiger Verteidigungs- und Vorsichtshaltung verharren zu müssen. Ein Dach über dem Kopf, einen sicheren Job oder auch eine Krankenversicherung geben uns dieses Gefühl von Sicherheit. Wahrscheinlich war gerade die junge Generation für Impfung und Maske so anfällig: sie verkörpern diesen Wunsch nach Sicherheit – sich vor unsichtbaren Feinden mit handfesten Mitteln zu verteidigen.

Doch je mehr Sicherheit man verlangt, desto weniger Freiheit kann man sich bewahren.
Wenn wir nur noch in unserem Schneckenhaus bleiben, um auch den geringsten Gefahren zu entkommen, können wir uns nicht mehr bewegen. Wir nehmen in Kauf, dass unsere Handys überwacht werden, um vor Terroristen sicher zu sein. Wir lassen uns einsperren, um einem Virus zu entkommen. Wir sollen abbremsen, um das Klima zu schützen. Die Angst ist groß und die Freiheit wird immer kleiner. Wir suchen nach Geborgenheit und wollen endlich der Angst entkommen. Doch der Preis hoch.


Frustrationsaktivisten versalzen Jugendlichen die Lebensfreude: Man sollte Mitleid haben

Von Luca Tannek | Würde mich jemand fragen, welche auffallenden Merkmale junge Menschen ausmachen, dann wäre meine Antwort – neben Naivität und Neugier – vor allem: Lebenslust. Als Jugendlicher oder junger Erwachsener trägt man längst nicht so viel Verantwortung wie eine Person, die bereits in Lohn und Brot steht. Man hat weniger Pflichten zu erfüllen. Viele leben noch bei ihren Eltern, die Hochzeit liegt noch in weiter Ferne, man interessiert sich für Gott und die Welt, probiert sich aus. Das Leben scheint sehr unkompliziert zu sein – außer die Freundin oder der Freund beendet schlagartig die Beziehung. Dann herrscht erstmal Endzeitstimmung.

In jungen Jahren soll ein gebrochenes Herz eine der wenigen Frustrationen sein, die eine junge Frau oder einem jungen Mann die Lebensfreude nimmt.
Leider ist das heutzutage in bestimmten Kreisen der jüngeren Generation nicht mehr der Fall. Regelrechte Frustrationsorganisationen wie Fridays For Future oder Letzte Generation, deren Anhänger zumindest teilweise 15 bis 30 Jahre alt sind und eine enorme Angst vor dem Klimawandel haben, machen immer wieder auf sich aufmerksam. Man hat ihnen diese Angst eingejagt, sie regelrecht indoktriniert. 
Schließlich geht es um die Klimakrise – oder wie es jetzt schon heißt „Klimakatastrophe“. Man fürchtet sich vor der angeblich alles zersetzenden Apokalypse, die uns im Westen schon etliche Male in den 80ern und 90ern gepredigt wurde, aber nie eintrat. Und um diese Angst möglichst vielen Menschen mitzuteilen, haben sich diese Organisationen sehr ausgefallene Dinge ausgedacht.


Fridays For Future – der Klassiker

Beginnen möchte ich mit den Klima-Kids von Fridays For Future. Freitags die Schule zu schwänzen, um das Klima zu retten – ja, das haben sogar viele Lehrer beklatscht. Ich musste schon schmunzeln, wie leicht man Lehrkräfte dazu bringen kann, ein Vorhaben unterstützen, das sie unter anderem benachteiligt. Solange die Motive wohl „gut“ genug sind, funktioniert das. Noch absurder wurde es, als man die Proteste a) als „Streik“ bezeichnete (seit wann kann man streiken, ohne Arbeitnehmer zu sein?) und b) als die Corona-Pandemie den Aktivisten den Anlass gab, ihren „Streik“ online kundzutun. Mal außer Acht gelassen, dass es sich um eine Demonstration und nicht um einen Streik handelte, stellte sich mir die Frage, welchen Nutzen dieser „Online-Streik“ haben sollte. Demonstriert und gestreikt wird vor allem in aller Öffentlichkeit, weil man Aufmerksamkeit bekommen möchte. Ich bezweifle, dass solch ein Effekt online möglich ist. Aber wie heißt es so schön? Angst macht dumm.


Letzte Generation – die radikalen Öko-Mimosen

Mein Favorit ist die „Letzte Generation“. Ich tat mir ziemlich schwer, welche ausgefallenen Protest-Aktionen ich für diesen Text aussuchen soll. Denn diese Leute haben den Vogel einfach abgeschossen. Erstmals wurde ich im Sommer 2021 auf diese Bewegung aufmerksam, als einige Mitglieder im Regierungsviertel in Berlin zelteten und in den Hungerstreik gingen. Die Aktivisten suchten Gespräche mit Politikern – völlig ausgehungert. Die Hauptforderung bei dieser Initiative lautete:

„1. Ein sofortiges Gespräch mit den Kanzlerkandidat*innen Herrn Laschet, Herrn Scholz und Frau Baerbock, über den Mord an der jungen Generation.
2. Das Versprechen von Ihnen, in einer neuen Regierung direkt einen Bürger*innenrat einzuberufen. In diesem sollten Sofortmaßnahmen gegen die Klimakrise, unter anderem eine 100% regenerative Landwirtschaft, besprochen werden.“

Die sprechen tatsächlich von „Mord“. Da die „Letzte Generation“ ebenso strenge Maßnahmen gegen das Coronavirus befürwortet, stellt sich mir die Frage, ob die Aktivisten keine Gewissensprobleme hätten, wenn ein Krankenhaus aufgrund von Energieengpässen einen Corona- Patienten nicht mehr beatmen könnte. Schließlich produzieren Solar- und Windkraft nicht ansatzweise so zuverlässig Strom wie ein Atom- oder Kohlekraftwerk. Nach 25 Tagen endete der sogenannte Hungerstreik und ich stellte mir die Frage, ob diese jungen Menschen vor lauter – Achtung anglizistischer Neusprech – „Climate Anxiety“ nicht eine Gefahr für sich selbst sind.

Circa ein halbes Jahr später, Anfang 2022, starteten die Klima-Helden ihre nächste Kampagne „Essen Retten – Leben Retten“. Und die hatte es in sich. Die Aktivisten klebten sich nämlich mitten auf vielbefahrene Straßen und behinderten den Verkehr. Polizisten mussten sie vom Asphalt entfernen und Menschen kamen zu spät in die Arbeit. Bei einer Aktion hatte selbst ein Krankenwagen Schwierigkeiten durchzukommen. Anders als beim Hungerprotest haben die jungen Leute nicht nur sich, sondern auch andere Personen erheblich in Gefahr gebracht und mir war im – Gegensatz zum Hungerprotest – eher zum Schreien als zum Lachen.

Aber es hielt sich nicht lange, da brachten mich die selbsternannten Weltretter wieder zum Lachen. Denn Mitte Februar baute die Letzte Generation wortwörtlich ordentlich Mist. Im Bundeswirtschaftsministerium entschied man sich nämlich, Pferdemist auf dem Gang zu verteilen, um der Regierung mitzuteilen, welch schlechte Politik sie betreibt. Unser gelernter Schweinebauer und Wirtschaftsminister Robert Habeck sollte den strengen Gestank gewohnt sein und nahm es wahrscheinlich auf die leichte Schulter.


Das bemitleidenswerte Leben der Angsthasen

Manche Kollegen schauen mich schief an, wenn ich meine ehrliche Meinung zu Fridays For Future oder Letzte Generation sage. Denn sie halten diese Leute schlicht für geistig gestört. Ich aber habe einfach nur aufrichtiges Mitleid. Während manche Climate-Girls ihren halben Nervenzusammenbruch auf Instagram teilen und zottelige Soja-Sörens sich auf die Straße festkleben und von ehrlichen Arbeitern wegen ihrem fahrlässigen Verhalten angeschnauzt werden, habe ich seit dem Wegfall etlicher Corona-Maßnahmen ein durchaus spaßiges und angstbefreites Leben. Das so wichtige Element Lebenslust blüht bei mir voll auf und ich wünsche mir, dass auch unsere Apokalyptiker noch in ihren jungen Jahren ebenfalls in den Genuss kommen. 


Songbird (2020): Ein Maßnahmen-skeptischer Hollywoodfilm?

-Achtung Spoiler-

Von Laura Werz | „Es ist schön zu wissen, dass es noch was da draußen gibt, dass einen töten kann“ – ein zentraler Satz in dem US-amerikanischen Film „Songbird“ aus dem ersten Pandemiejahr 2020. Der Science-Fiction-Thriller ist weniger aufgrund der schauspielerischen Leistungen oder des Unterhaltungswertes interessant, sondern wegen des dargestellten fiktiven Zukunftsszenarios. Bei der Produktion wurden die bis dato erlebten Pandemieerfahrungen bis in „irreale“ Sphären weitergesponnen, welche erschreckende Parallelen zu unseren Wirklichkeitserfahrungen der letzten Monate aufweisen.

Wir befinden uns bereits im vierten Jahr der Corona-Pandemie, an welcher inzwischen über 100 Millionen Menschen gestorben sind. Infizierte werden gegen ihren Willen in sogenannte „Q-Zones“, vergleichbar mit Slams oder Konzentrationslagern, gebracht. Die Handlung spielt in Los Angeles, das einer Geisterstadt gleicht. Niemand darf seine Wohnung oder sein Haus verlassen, da sich das Virus über die Luft überträgt. Nico, der sich als Genesener, sogenannter „Imuni“, frei bewegen darf und als Fahrradkurier arbeitet, lernt während des Dauerlockdowns Sara kennen. Sara, die gemeinsam mit ihrer Großmutter die gemeinsame Wohnung nicht verlassen darf, verbringt ihre Jugend ordnungsgemäß hinter verschlossenen Türen mit täglichen vorgeschriebenen Fiebermessungen. Liebe im Jahre 2024 ist schwer und von absoluter körperlicher Abstinenz geprägt. Als Saras Großmutter in kürzester Zeit an dem Virus stirbt, ist klar, dass Sara vom Hygieneschutz abgeholt und in ein Lager gebracht werden wird.

Die Hygieneabteilung von Los Angeles ist die alleinige Exekutivgewalt, welche totalitär und willkürlich die Lockdownregelungen durchsetzt. Die menschenverachtende Regierungsgewalt wird in dem Leiter der sanitären Einrichtungen Harland personifiziert. Harland, vor Pandemiebeginn noch Müllwagenfahrer bei der Behörde für Hygieneschutz, hat mit der Pandemie einen rasanten Aufstieg erlebt. Parallelen zum derzeitigen hiesigen Chef des Gesundheitsressorts sind erschreckend. Hat sich nicht auch hier ein Hinterbänkler durch Talkshowsitzungen und Selbstinszenierung auf der Coronawelle in die Regierung tragen lassen? Die tatsächliche Gefährlichkeit des Virus bleibt auch im Jahre 2024 im Dunkeln. Es stellt sich heraus, dass Sara immun ist und somit keine rechtliche Grundlage besteht, sie zu deportieren. Harland ordnet dies dennoch an und beweist an dieser Stelle die alleinige Despotie der Exekutive. Notwendige Maßnahmen und tatsächliche gesundheitliche Zustände spielen keine Rolle bei der Machtausübung. Als deutscher Zuschauer wird man fast zwangsläufig wieder an die hiesige Verkürzung des Genesenenstatus erinnert.

Der Film zeigt eine internationale Metropole in ca. zwei Jahren. Eine tote Stadt, Menschen ohne Zukunft, umgeben von Düsternis, Einsamkeit und Hoffnungslosigkeit.


Tja, liebe Politiker: Ich habe heute leider kein Foto für euch.

Von Elena Klagges | In diesen Wochen läuft die 17. Staffel von Germanys next Topmodel. Heidi Klums Modelschmiede, in der es allein schon mit der Auswahl der Kandidaten an politischen Statements nicht fehlt.
In diesen Wochen hatte sich zuletzt auch der Wahlkampf in Frankreich zugespitzt und pünktlich zu dessen Ende tauchte das Bild vom Präsident mit lässigem 3-Tage Bart, Jeans und einem grünem Pullover der französischen Fallschirm-Spezialeinheit auf. Versuchte der eigentlich eitle Macron den ukrainischen Präsidenten nachzuahmen, der mit Kriegsbeginn seinen staatsmännischen Anzug mit olivgrünen Militärkleidern getauscht hat? Was möchte der Franzose inszenieren? Kampfbreitschaft? Loyalität? Solidarität?

Ein Trendsetter ist Emmanuel jedoch nicht. Die bewusste Kleidungswahl als Symbol für Volksnähe und Nahbarkeit haben längst auch schon andere Politiker für sich entdeckt.
Auf der anderen Seite des Ärmelkanals versucht Boris Johnson, herausragender Eton-Schüler und typisches Mitglied der Upper Class mit seinem radical-chic Clown-Look die Briten zu umgarnen.
Deutsche Models: Bis vor kurzem machte sich Karl Lauterbach mit seiner knallbunten Fliege zum Clown. Jetzt, da er Bundesminister geworden ist, versucht er zwar stilistisch seriöser aufzutreten. Aber wenn er glaubt, dadurch seine lächerlichen Aussagen relativeren zu können – Fehlanzeige! Unvergessen auch Ex-Außenminister Heiko Maas, der sich in Lederjacke und Sneakern einen modischen Fauxpas leistete. Und Scholz vergriff sich auch schon im Kleiderschrank, als er im Oversize-Hoodie vor die Journalisten im Flieger nach Washington trat.

Wollten die beiden Jugendlichkeit ausstrahlen? Der jungen Generation zeigen, wie aktiv, lässig und cool Politiker sein können?
Ganz zu schweigen von dem Papageivogel Claudia Roth. In einem Interview verriet die Grüne kürzlich erst, natürlich schon mehrere Kleiderschränke zu Hause stehen zu haben. Grundsätzlich kein Vorwurf, v.a. bei Frauen. Schön wäre es aber, wenn die Politikerin diese Vielfalt auch im Bundestag repräsentierte. Sich Diskussionen und Meinungen öffnen würde, anstatt wie eine Vogelscheuche die Nachhaltigkeitsdoktrin durchsetzen und andere Lifestyles vergrauen zu wollen.

Wir leben zwar nicht mehr im 20. Jahrhundert – auch wenn ich zugegeben gerne mal in diese Zeit zurückreisen würde und deshalb den deutschen Kinostart des zweiten Downton Abbey Films am 28. April kaum erwarten kann. Aber ein bisschen stilistischen Anstand, eine gewisse Etikette mag man doch noch erwarten dürfen. Zumal der legere Style den Politiker nicht besonders gut steht und außer einer reinen Symbolpolitik und Solidaritätsbekunden wenig bezwecken dürfte.

In die Absurdität wird die Debatte getrieben, wenn man noch identitätspolitische Accessoires auftragen möchte. Als ich am vergangenen Dienstag bei BILD TV in die Sendung Viertel nach Acht schaltete, erläuterte die Welt-Journalistin Susanne Gaschke, dass die military Frühlingskollektion 2022 von einigen sogar als Inbegriff der toxischen Männlichkeit gesehen werde. Unter anderem Selenskys medialer Catwalk verwerfe die feministischen Errungenschaften der letzten Jahrzehnte und repräsentiere den Inbegriff des unterdrückenden weißen Mannes.

Ein Rückschritt, der unbedingt ein Ende haben müsse.
Zumindest in diesem Punkt kann ich zustimmen. Denn säße ich auf dem Jury-Stuhl: Ich hätte auf jeden Fall kein Foto für sie.


Die Diskussionskultur der jungen Generation – Werden wir zu Mimosen erzogen?

Von Jule-Marie Heger | In Zeiten von Akzeptanz gegenüber Straßenblockierern, die sich selbst an Straßen festkleben und Diffamierungen von Spaziergängern fühlt man sich oft wie in einer Parallelwelt. Eine Welt in der sektenartig der Weltuntergang zelebriert wird, manch Unwahrheit zur Wahrheit erklärt wird und Demokratie mit schärfster Zensur einhergeht. Neuerdings bedeutet Meinungsfreiheit eine öffentliche und eine private Meinung zu haben, wobei die öffentliche Meinung deutlich von der privaten abweichen kann und eine Maske mit Schutzfunktion darstellt. Woher kommt es, dass nur eine Einheitsmeinung zu akzeptieren ist? Woher kommt das allgegenwärtige Phänomen meiner Generation, sich für das, was man glaubt, krampfhaft entschuldigen zu wollen?

Wenn der Inhalt des Gesagten auch nur ansatzweise von der Meinung der angeblichen Masse abweicht, sollte man besser die Diskussion beenden. Am besten sollte man direkt den Kontakt abbrechen, um nicht der Kontaktschuld wegen „angeklagt“ zu werden. Dann verliert jemand eben seinen Job, wenn er sich unter Kollegen kritisch gegenüber der „Mehrheitsmeinung“ ausspricht. Selbst schuld ist derjenige, der es wagt diese zu hinterfragen oder anzuzweifeln. Schließlich geht es um die Gesinnung und nicht um die Qualität der Arbeit.
Um meine Generation gar nicht erst auf die Idee zu bringen welch großartiges Werkzeug der Kommunikation die Argumentation ist, haben sich die sozialen Medien wie Facebook es zur Aufgabe gemacht selbst zu bestimmen, welche Meinung oder Fakten zulässig sind oder nicht. Gelöscht seien das Konto, der Kommentar oder der Post, welche durch die Filter der Desinformation, Beleidigung etc. fallen. Dabei ist es natürlich egal, ob es sich tatsächlich um jene handelt – das entscheidet dann der Praktikant mit gutem Gewissen oder das automatisierte Filtersystem. Dass die soziale Medienwelt von autoritären und faschistischen Mechanismen durchtränkt ist, ist mittlerweile kein Geheimnis mehr, sondern Realität eines jeden Konsumenten – zumindest von demjenigen, der es merkt.

Auch in den öffentlich-rechtlichen Medien ist diese Art von Gängelung sichtbar. Richtige Debatten mit Gegenpositionen sind selten zu sehen. Die angebliche Gegenposition, in einer Talk-Show beispielsweise, ist dann oft der gleichen Meinung wie der Diskussionspartner und fordert die gleichen Dinge – nur weniger radikal. Ein Diskussionspartner, von dem bekannt ist eine konträre Meinung zum links-ideologischen Narrativ aufzuweisen, wird dann gar nicht erst eingeladen bzw. nicht wieder eingeladen. Oder derjenige wird innerhalb eines Formats derart diffamiert, unterbrochen und vernachlässigt, dass er eigentlich kein Teil einer konstruktiven Diskussion gewesen sein könnte. Folge für diejenigen, die jemanden einladen, der nicht dem links-grünen Idealismus folgt oder auch nur leicht abweicht, sind ein medialer Skandal und schwere Vorwürfe. Das konnte man z.B. an Jan Böhmermann sehen, der Markus Lanz vorgeworfen hat, er würde Gäste mit „menschenfeindlichen Meinungen“ einladen und er die sogenannte „False Balance“ der Meinungen auszugleichen habe.

Wenn mit diesen Mechanismen die jetzige Generation nicht umerzogen wird, dann muss die Mehrheit entweder mit Scheuklappen aufstehen und zu Bett gehen oder überaus starke Prinzipien haben. Gelyncht sei derjenige, der es wagt nicht zu gendern und nicht explizit von Studentinnen und Studenten zu sprechen. Gecancelt sei derjenige, der von Zigeunerschnitzeln spricht und nicht von Schnitzel mit Paprikasoße ungarischer Art. Wenn es keine Probleme gibt, muss man sie eben selbst herstellen. In einer Allensbach-Studie von 2021 gaben beispielsweise drei Viertel der Befragten an wie in gewohnter Weise den Begriff „Zigeunerschnitzel“ bewahren zu wollen. Auch hat die überwiegende Mehrheit der Befragten haben angegeben sich politisch korrekten Sprachregelungen nicht hingeben zu wollen. Welch ein umgedrehtes Bild der Realität die gängigen Medien doch widerspiegeln. Die Auswirkungen von Cancel Culture, Cancel Science und Political Correctness haben ihren Platz in den Köpfen der Deutschen schon längst gefunden und bestimmen die Debattenkultur innerhalb meiner Generation. Eine Diskussion besteht doch gerade darin verschiedene Argumente und Meinungen zuzulassen und sich diesen zu öffnen. Es ist doch schlichtweg unnatürlich ausschließlich der gleichen Meinung zu sein. Umso menschlicher ist es den lebhaften Diskurs zu bewahren und die Meinungsvielfalt als demokratische, natürliche Selbstverständlichkeit zu betrachten. Viel zu oft beschränken Menschen sich selbst und ihre eigene Meinung, wenn sie es nicht wagen sich aus ihrer angeeigneten Ideologie zu befreien.

Eine Debatte auf Augenhöhe kann nur zustande kommen, wenn der Diskussionspartner, die geäußerten Sachverhalte rational betrachten würde. Wenn darauf geachtet wird, was gesagt wird und nicht wie es gesagt wird. Wenn man sich wegen seiner eigenen Meinung nicht vorerst entschuldigen muss, sondern tatsächlich auch mal etwas ausgehalten würde. Nur so kommt man wieder in eine auf eine vernünftige Diskussionskultur. Der Sinn einer Diskussion ist nicht, dass beide Parteien auf einen Nenner kommen. Es ist mehr die Diskussion selbst, die den Austausch von Argumenten erst möglich macht.


Ukraine – Apollo Edition 5/2022

Liebe Leser,

das Land leuchtet in blau und gelb. Und so gut die Solidaritätsbekunden auch klingen – es bleiben Worte, die zu spät kommen. Jahrelang wurde man von den gleichen Politikern, die sich jetzt zu den großen Freunden der Ukrainer aufspielen wollen, belächelt, wenn man forderte, was jetzt Konsens ist: Aufrüstung, Einhaltung des NATO-2-Prozentziels, Ausstieg aus dem Ausstieg aus der Kernenergie, um die Energieabhängigkeit von Russland zu reduzieren. Man wurde belächelt, wenn man sagte, dass die Schwäche des Westens eine Einladung für die Autokraten dieser Welt sein würde.
Doch statt frühzeitig zu reagieren, brüstet sich dieses Land jetzt, wo es zu spät ist, mit harten Worten, die nichts mehr bewirken können. Manche beginnen gar russische Bürger zu verprügeln oder ihre Geschäfte anzugreifen – was noch weniger bringt und eine weitere Schande für dieses Land darstellt.

Apollo hat seine Farben eben nicht – wie es jetzt üblich ist – schnell über Nacht in blau und gelb geändert. Wir waren schon immer blau und gelb. Und wir standen schon an der Seite der Ukraine bevor es ein Trend war.

Wir haben uns 2018 in Anlehnung an den russischen Propagandasender „Sputnik News“, „Apollo News“ benannt und unsere Mission klar formuliert: Die antifreiheitlichen und antiwestlichen Mythen dieser Zeit als solche zu entlarven. Für uns waren der Kampf für die Freiheit im Inland und im Ausland immer zwei Seiten einer Medaille.
Dafür wurden wir immer wieder angegriffen, bepöbelt und sogar juristisch (am Ende ohne Erfolg) angegangen. Aber wir halten Kurs.

Ernst Reuther, Berlins legendärer Bürgermeister und einer der noch aufrechten Sozialdemokraten, erklärte Berlin im Angesicht der sowjetischen Blockade 1948 zum Vorposten der Freiheit. Angelehnt daran formulierten wir schon zu unserer Gründung 2018 einen einfachen Grundsatz: „Auch heute wird die Freiheit an ihren Vorposten verteidigt. Jetzt ist es nicht mehr Berlin, sondern Jerusalem, Taipeh und Kiew“.

Währenddessen beschäftigten sich die Bundesregierungen der letzten Jahre lieber mit der Ausrottung eines nicht ausrottbaren Virus, sie zogen es vor, das Scheitern ihrer Energiewende mit russischem Gas zu kaschieren und schimpften lieber über den bösen, bösen Trump, anstatt mit ihm gemeinsam den Despoten dieser Welt Einhalt zu gebieten.
Bildlich eingefangen wurde diese deutsche Arroganz in der berühmte Szene vor der UNO, als Deutschlands Außenminister Heiko Maas Trump öffentlich auslachte, als dieser auf Deutschlands Energieabhängigkeit von Russland hinwies.

Ich schreibe das, weil der Blick zurück hier notwendig ist. Die deutschen Solidaritätsbekundungen sind erst dann ernstzunehmen, wenn Deutschland seine eigene Verantwortung an dieser Katastrophe für das Ukrainische Volk nicht länger leugnet.
Deutschlands Schwäche und Kompromissbereitschaft bis zur Selbstaufgabe hat Putin die Bahn erst frei gemacht.

Gerade aktuell in diesen Stunden wird in Wien an einem neuen Atomabkommen mit dem Iran gezimmert. Wieder kuscht der Westen vor einem (hier ja noch weitaus brutaleren) Regime und gibt ihm die Möglichkeit der Ausweitung seines Terrors und des Ausbaus seiner Waffenarsenale. Die Warnungen Israels werden einfach ignoriert. Das zeigt: Die Ukraine war noch nicht Schock genug. Dieses Land will weiter träumen und die bedrohten Demokratien dieser Erde im Stich lassen.

Die harte, schwierige Realität in die Debatte zu bringen ist unsere Aufgabe. Es gibt viel zu tun.

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Max Mannhart

Herausgeber
Junge Perspektiven

Der falsche Umgang mit diesem Krieg in der Schule

Von Johanna Beckmann und Gesche Javelin | Alle beschäftigt der Krieg, alle suchen nach Rat. In der Schule wird das Thema weitgehend ignoriert .

Deshalb bin ich Soldat geworden

Von Adriàn Carlos Hurtado | Wir Soldaten werden gerne belächelt. Es ist vielleicht altbacken – und bleibt dennoch richtig. Vielleicht verstehen es jetzt manche besser.

Irrtum eines Putinverstehers: Ich lag falsch

Von Max Zimmermann | Ich habe mir große Mühe gegeben Putin zu verstehen und die Fehler des Westens zu sehen – doch er ist nicht mehr zu verstehen.

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Mief der Doppelmoral

Von Luca | Vor einigen Tagen ist es geschehen. Der russische Präsident Wladimir Putin startete einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Der Westen – und insbesondere Deutschland – ist schockiert und begießt die Ukraine regelrecht mit Solidaritätsbekundungen. Verständlich, denn nach über 20 Jahren Frieden, fußt wieder ein Krieg auf Europas Boden. Nicht nur in den sozialen Medien, sondern auch auf den Straßen Deutschlands ist das Mitgefühl immens. Die Menschen nehmen massenhaft an Demonstrationen teil und appellieren für Frieden und Freiheit in der Ukraine. Sogar Dauersirene und Nervensäge Prof. Dr. Karl Wilhelm Lauterbach war sich nicht zu schade, an den Massendemos seinen Soll zu erfüllen – und das trotz Corona-Pandemie.

Es mieft. Es mieft nach Doppelmoral. Und ich frage mich, weshalb kaum jemand die Nase rümpft.
Noch vor ein paar Wochen haben Behörden aus sämtlichen Bundesländern Demonstrationen verboten oder eingeschränkt. Explizit bei den Corona-Demos gab es kein Erbarmen. Politiker warnten vehement. Vor allem Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) brachte so manch einen Maßnahmenkritiker zum Meltdown, als sie via Twitter appellierte: „Man kann seine Meinung auch kundtun, ohne sich gleichzeitig an vielen Orten zu versammeln.“ Demonstranten hat man nicht einmal für ihre Grundrechte spazieren lassen ohne offensivsten polizeilichen Einsatz. Ein regelrechtes Katz- und Maus-Spiel hat zwischen friedlich demonstrierenden Bürgern und teilweise aggressiven Polizisten bei Spaziergängen stattgefunden. Aber gut, schließlich ging es um die Eindämmung des Corona-Virus. Wie wir von unserer Obrigkeit mittlerweile gelernt haben, ist jede Infektion eine zu viel. Da spielt es natürlich auch keine Rolle, dass Eindämmungsmaßnahmen vollkommen überzogen sind, auch wenn an der frischen Luft eine Ansteckung sehr unwahrscheinlich ist. Und selbstverständlich war den Einsatzkräften jedes Mittel recht, um diesem fast schon heiliggesprochenen Anti-Grassierungs-Dogma gerecht zu werden. Stichwort Abstandsholz. Lächerlich.

Als Putin letzte Woche die Ukraine angriff, machten viele Bürger des Landes mobil und demonstrierten gegen den Krieg. Vor allem in Berlin gab es tausende Teilnehmer. Zahlreiche blau-gelbe Flaggen verzierten die Kundgebung. Von Abstandshölzern oder Wasserwerfern war weit und breit nichts zu sehen. Und das, obwohl keine Mindestabstände eingehalten wurden und wir laut Regierung immer noch mitten in einer Pandemie, beziehungsweise Epidemie, stecken. Schließlich hätte es bei den Versammlungen ebenso zu vielen Infektionen kommen können – oder etwa nicht, liebe Experten und Behörden? Es könnte nicht offensichtlicher sein: Mit sämtlichen Infektionsschutzargumenten hätte man auch die Massendemos, bei denen für Frieden und Freiheit in der Ukraine demonstriert wurde, verbieten können. Manch einer könnte mir jetzt entgegnen, dass die Demonstranten eine Maske trugen, kein Widerspruch zu den Corona-Demos existierte und die Demos deshalb völlig legitim wären. Aber ist das Tragen einer Maske an der frischen Luft wirklich von nennenswerter Relevanz? Die Maskenpflicht wurde ursprünglich damit gerechtfertigt, dass Aerosolbildung in geschlossenen Räumen zu einer höheren Infektionswahrscheinlichkeit führt und deshalb die Maske einen Schutz bietet. Beide Demos fanden aber draußen statt. Also über was reden wir hier?

Es ist beschämend, dass Corona-Demos und Ukraine-Demos, die von ihren Motiven her sehr ähnlich sind, mit zweierlei Maß behandelt werden. Beide Demos sind regierungskritisch, beinhalten die Werte Frieden und Freiheit – nur eine von beiden kritisiert unsere Bundesregierung. Und viele Politiker, Journalisten und Bürger kommen nicht einmal ansatzweise ins Grübeln und sehen diese offensichtliche Ungleichbehandlung der beiden vollkommen berechtigten Versammlungen. Möglicherweise ist das die Folge betonierter Moralisierung. Gute Demo, schlechte Demo. Man bekommt sehr schnell den Eindruck, dass Corona-Demonstrationen politisch nicht gewollt sind und deshalb sanktioniert werden. Jede Demo in diesem Land sollte ohne Restriktionen stattfinden. Es gibt keine guten und es gibt keine schlechten Demos. Die Bewertung ist völlig subjektiv.

Es mieft unglaublich nach Doppelmoral und Deutschland sollte dringend mal das Fenster öffnen.


„Wir sind in einer anderen Welt aufgewacht“ – Deutschlands wenig glaubhafter Einsatz für die Freiheit

Von Jonas Aston | Der 24.02.2022 begann für mich mit einer Pressekonferenz von Annalena Baerbock. „Wir sind heute in einer anderen Welt aufgewacht“, sagte die Außenministerin. Ich wollte sie erst nicht ernst nehmen. Was sollte schon passiert sein? Gibt es neues vom Klimawandel oder ist Karl Lauterbach etwa auf eine neue Corona-Variante gestoßen? Doch die Lage ist tatsächlich ernst. Es ist Krieg ausgebrochen. Hunderttausende, wenn nicht Millionen Ukrainer sind auf der Flucht. Frauen und Kinder harren in U-Bahn-Schächten aus und hoffen, den nächsten Tag noch zu erleben. Die Ereignisse stellen zahlreiche vermeintliche Gewissheiten meiner Generation in Frage. Krieg könne es überall auf der Welt geben, aber bestimmt nicht in Europa. Auch zwingt der Ukraine-Krieg die Politik zu einer 180-Grad Wende in praktisch allen Bereichen. Entsprechend groß kündigte Olaf Scholz seine künftigen Vorhaben an. Es war mal wieder die Rede von einer „großen nationalen Kraftanstrengung“. Zudem „erleben wir eine Zeitenwende“. Beeindruckend ist vor dem Hintergrund dieser „Zeitenwende“, wie schnell in der Bundesrepublik Gut zu Böse und Böse zu Gut wird.

Jahrelang war jeder, der höhere Ausgaben für das Militär forderte, der absolute Bösewicht. Es galt das Credo vom pazifistischen Deutschland. Ultimativer Feind waren all jene, die sich für Waffenlieferungen einsetzten oder gar die Aufrüstung der Bundeswehr forcierten. Erst das heize die Konflikte nämlich an. Plötzlich sagt Bundeskanzler Olaf Scholz: Wir werden deutlich mehr investieren müssen in die Sicherheit unseres Landes“ und fordert, dass die Gewehre schießen, die Panzer fahren und die Schiffe schwimmen“ müssen.  

Das völlige Versagen zeigt sich auch in anderen Feldern. In der Energiepolitik konnte die „grüne Transformation“ gar nicht schnell genug gehen. Ausstieg aus der Atomenergie, Ausstieg aus der Kohleenergie und das ganze flankiert von russischem Gas und erneuerbaren Energien. Wer dies kritisierte, musste sich als „Klimasünder“ und schlimmeres beschimpfen lassen. Nun wird deutlich, dass dieser Plan nicht aufgeht. Wirtschaftsminister Robert Habeck will der Versorgungssicherheit gegenüber dem Klimaschutz „im Zweifel“ den Vorrang erteilen. Markus Söder fordert sogar eine Debatte über die Wiederbelebung der Atomkraft.

Flexible moralische Maßstäbe

Medial ist auf einmal die Rede von Völkern und unterschiedlichen Kulturen. Wurde doch jahrelang behauptet Kulturen seien eine soziale Fiktion. Auch geht es plötzlich um die Unverletzlichkeit von Grenzen. Das kann nur verwundern, behauptete doch Angela Merkel 2015, dass man Grenzen überhaupt nicht schützen könne. Und wo bleibt Annalena Baerbocks „feministische Außenpolitik“? Männer zwischen 18 und 60 Jahren dürfen die Ukraine nicht verlassen. Müsste die Außenministerin bei dieser offenkundigen Ungleichbehandlung von Männern und Frauen nicht aufschreien? Jedes der Beispiele zeigt die Utopie und die ideologische Vernarrtheit der Politik.

Ganz besonders sind die Maßstäbe bei der Bewertung von Versammlungen verrutscht. In Deutschland scheint es gute und schlechte Demos zu geben. Seit fast drei Monaten drücken Bürger hierzulande ihren Protest mit sogenannten „Corona-Spaziergängen“ aus. Allein an den Montagen protestieren wöchentlich mindestens 200.000 Menschen. Dabei dürfen sie weder auf Erwähnung in der Tagesschau noch auf irgendeine Art des konstruktiven Dialogs zwischen ihren Anliegen und der Politik hoffen. Hunderttausende Demonstranten werden einfach ignoriert. Doch nicht nur das. Ein jeder Demonstrant in jeder Kleinstadt muss damit rechnen, von der Polizei – teils mithilfe von Wasserwerfern und Pferdestaffeln – zusammengetrieben und erkennungsdienstlich festgestellt zu werden. Dabei droht ihm in der Regel ein Bußgeld von 250 €. Als Begründung wird der Verstoß gegen Corona-Auflagen aufgeführt und Innenministerin Nancy Faeser meinte, Protest könne man auch ohne Demonstrationen ausdrücken.

Nichtsdestotrotz demonstrierten am Rosenmontag in Köln 250.000 Menschen für Frieden und in Hamburg nach Aufruf von FridaysforFuture rund 120.000 Menschen. In Berlin protestierten 100.000 Bürger gegen den Krieg in der Ukraine – inklusive Gesundheitsminister Karl Lauterbach. Olaf Scholz sagte: „Ich danke allen, die in diesen Tagen Zeichen setzen: Gegen Putins Krieg – und die sich hier in Berlin und anderswo zu friedlichen Kundgebungen versammeln“. Zugleich vermeldete Tagesschau Online, dass in Russland „unter dem Vorwand der Sicherheit vor Ansteckung in der Corona-Pandemie“ Demonstrationen nicht erlaubt würden. Mir geht es hier gar nicht darum die Pro-Ukraine-Demonstrationen zu delegitimieren. Ganz im Gegenteil: Ich finde es gut, wenn sich Menschen für den Frieden einsetzen. Die Beispiele zeigen jedoch die begrenzte Konsequenz der Moral in Deutschland. Gut und Böse verschwimmen und wer seine Maßstäbe nicht flexibel anpasst, läuft Gefahr, bald selbst zu den Bösen zu gehören.

 

 


Wolodymyr Zelensky – der verkannte Held des Westens

Von Sarah Victoria | Die ukrainische Politik gilt als korrupt – auch Präsident Zelensky wurde in Deutschland früh abgeurteilt. Doch sein Mut sollte Vorbild für uns sein. Die Geschichte eines Dieners des Volkes. 

Bild: President.gov.ua

„Wir sind noch hier.“ Mit diesen Worten wendet sich der ukrainische Präsident in einem viral gegangenen Instagram-Video an seine Nation. Tage zuvor noch in Anzug und Krawatte, steht Wolodimir Zelensky nun in Militärkleidung vor der Kamera, mit tiefen Augenringen im Gesicht. Zuvor hatten russische Nachrichtenagenturen behauptet, der Präsident hätte das Land verlassen. Doch das Gegenteil ist der Fall: Zusammen mit dem Ministerpräsident, Parteichef und dem obersten Berater steht er in Kiew. Denys Shmyhal (der Ministerpräsident) hält als Beweis sein Handy mit der aktuellen Ortszeit in die Luft. Mittlerweile ist das Video schon ein paar Tage her, die Kampfmoral der Ukrainer ist jedoch geblieben und macht seit nunmehr elf Tagen Putin das Leben schwer, während die Welt gebannt zusieht. Das Time Magazin nannte Zelensky jüngst den „Helden des Westens“, doch die wenigsten dürften wissen, um wen es sich bei diesem Helden überhaupt handelt. Daher folgt hier ein etwas längerer Abriss über die politischen Probleme der Ukraine und ihren Präsidenten, Wolodimir Zelensky.

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Die Diener des Volkes

Zelenskys Partei „Diener des Volkes“ war bei den ukrainischen Präsidentschaftswahlen 2019 neu im Politikgeschehen. Der Name stammte dabei von der gleichnamigen politischen Sitcom, in der Zelensky von 2014-2019 mitwirkte. Als Wassilyj Holoborodko spielte er hier die Rolle eines Geschichtslehrers, der per Crowdfunding-Kampagne zum Präsidenten wird und gegen die Korruption des Landes vorgeht. Zelensky nahm zudem an diversen Fernsehformaten teil, war Komödiant und lieh Paddington Bär seine Stimme. Was viele jedoch nicht wissen: Zelensky selbst kommt aus einer jüdischen, wohlgemerkt russischsprachigen, Akademikerfamilie. Er studierte in Kiew Rechtswissenschaft, führte diesen Beruf aber nie aus. Hier lernte er auch seine Frau Olena kennen, mit der er bis heute verheiratet ist und zwei Kinder hat. Zelenskys Sieg glich einer Revolution an der Wahlurne. Er setzte sich bei der Präsidentschaftswahl nicht nur gegen den Amtsinhaber Petro Poroschenko durch, sondern seine neu gegründete Partei erreichte mit über 43 Prozent der Stimmen auch die absolute Mehrheit in der Werchovna Rada (ukrainisches Parlament) und konnte ohne Koalitionspartner die Regierung des Landes stellen.

Der Wahlerfolg stammt dabei zum einen aus der Popularität Zelenskys, aber auch der politischen Unzufriedenheit der Bevölkerung. Die Partei „Diener des Volkes“ vermied es, konkrete Wahlversprechen zu machen. Zelenskys Partei verschrieb sich der Bekämpfung der Korruption – das zählt quasi zur Tradition im ukrainischen Wahlkampf. Die deutsche Presse stand dem neuen Präsidenten zwiegespalten gegenüber, freute sich auf der einen Seite über die pro-europäische Haltung, bezeichnete ihn aber auch als Populisten.

Eine wichtige Regel im ukrainischen Wahlkampf lautet: Ohne oligarchische Unterstützung Präsident zu werden, ist so gut wie unmöglich. Zelenskys Oligarch der Wahl heißt Ihor Kolomoyskyi. Er ist der Besitzer des Medienunternehmens K1+1, das schon die Sendung „Diener des Volkes“ produzierte und Zelensky berühmt machte. Kolomoyskyi war von 2014-2015 Gouverneur der Oblast Dnipropetrovsk in der Ostukraine. Mit der Gründung seiner Kolomoyskyi-Armee machte er sich sehr unbeliebt in Moskau, Russland erlies im Jahr 2014 Haftbefehl gegen ihn, in die USA darf er wegen Verdacht auf Korruption seit 2021 nicht mehr einreisen.

Das Problem der Korruption

Zelenskys Vorgänger, Petro Poroschenko, war selbst Unternehmer und besaß eine Süßwarenkette, die während seiner Amtszeit florierte. Zudem betrugen die Steuerzahlungen und Spenden Poroschenkos deutlich unter zehn Prozent seines Einkommens. Noch auffälliger verhielt sich allerdings Poroschenkos Vorgänger, Viktor Janukowitsch, der 2014 im Zuge des Euromaidans aus dem Amt gehoben wurde. Aus Putins Sicht ist Janukowitsch der letzte legitime Präsident der Ukraine, Russland gewährte Janukowitsch nach seiner Absetzung auch Asyl, angeblich in einem Moskauer Luxushotel. Janukowitsch sprach nach seiner Absetzung häufig von neofaschistischen Politikern und Terror in der Ukraine. Wovon er jedoch nicht sprach, war der Reichtum seines älteren Sohnes Oleksandrs, der während seiner Präsidentschaft geschätzte 500 Millionen Dollar betrug. Auch erwähnte er nicht, dass um die 50 Abgeordnete der Werchovna Rada von den damals mächtigsten Oligarchen der Ukraine – Rinat Achmetov und Dmitro Firtasch – unter seiner Anleitung „beeinflusst“ wurden. Machtmissbrauch stand zu Janukowitschs Amtszeit an der Tagesordnung, auch wenn das aus dem russischen Exil natürlich anders gesehen wird.

Am Beispiel Janukowitschs kann man eines der Kernprobleme ukrainischer Politik gut erkennen: Die Korruption und der daraus resultierende Einfluss der Oligarchen. Zurückzuführen ist dieser Einfluss vor allem auf die Geschichte der Ukraine. Nach dem Zerfall der Sowjetunion und dem Erlangen der Unabhängigkeit im Jahr 1991 musste sich das Land neu strukturieren. Es befand sich zusammen mit den ehemaligen Satellitenstaaten in einer Umbruchszeit, die so gut wie alle Lebensbereiche betraf. Wie in totalitären Ideologien üblich, wurde bis dahin versucht, alle Bereiche des Lebens zu politisieren. Sei es Sport, Kultur oder auch die Sprache, alles wird politisch und dadurch staatlich organisiert.

Nach dem Zerfall der Sowjetunion mussten diese Bereiche wieder neu organisiert werden. Gerade in der Ukraine kam es dabei zu einer engen Verstrickung von Politik und WirtschaftEine Verstrickung, die so eng war, dass man sich schwertat, korrupte Politiker und Oligarchen voneinander zu unterscheiden. Ein kleiner Trick für die Unterscheidung: Schwindet das Vermögen eines Politikers nach dem Ende der Amtszeit, war er korrupt, bleibt es unverändert bestehen, könnte es sich um einen Oligarchen handeln.

Korruptionsbekämpfung ist gefährlich

Seitdem sind über 30 Jahre vergangen, doch nach wie vor ist die Korruption eines der Hauptprobleme des ukrainischen Staates. Zelenskys Partei wollte sich diesem Problem annehmen. Ein Unterfangen, das alles andere als einfach ist. Einerseits, weil es sich um einen Teufelskreis handelt und andererseits, weil man als Abgeordneter oder Journalist gerne mal mit dem eigenen Leben bezahlt, wenn man zu unbequem wird. Alleine letztes Jahr wurde das Auto von Sergej Schefir, einem engen Berater Zelenskys, in Brand gesetzt und beschossen, sodass dieser nur noch mit gepanzerten Autos fährt. Um dennoch gegen die Korrumpierbarkeit von Politikern vorzugehen, wird auf zwei altbekannte Mittel aus den Federalist Papers zurückgegriffen: Transparenz und Rechtstaatlichkeit. Die Rechtstaatlichkeit beschäftigte bereits Zelenskys Vorgänger Poroschenko, der 2014 eine Justizreform einleitete und während seiner Amtszeit ein Dutzend neuer Gesetze für die Ausgestaltung des Gerichtswesens verabschiedete. Zelensky führte diesen Trend fort und setzte eigene Änderungen für den Aufbau einer unabhängigen Richterschaft ein. Bislang lässt der Erfolg jedoch auf sich warten. Im internationalen Vergleich steht es nach wie vor schlecht um die Ukraine, sie befand sich 2021 etwa auf Platz 122/138 des Korruptionsindex (zum Vergleich Russland befindet sich auf Platz 136 und Deutschland auf Platz 10)

Von Anfang an eine politische Zwickmühle

Zelensky befand sich also bereits vor seiner Zeit im Bunker in einer politischen Zwickmühle. Auf der einen Seite bestanden Abhängigkeiten zur EU und zum IWF, die Anleihen und Privilegien im Zuge der Korruptionsbekämpfung versprachen. Eine Aufnahme in die EU wurde jedoch ausgeschlossen.
Auf der anderen Seite war Russland die Annäherung an die „westliche Einflusssphäre“ ein Dorn im Auge. Die neue Regierung stellte das perfekte Feindbild dar: Eine neue Partei, unterstützt von einem Oligarchen mit Haftbefehl, mit einem medial populistisch auftretenden Zelensky, der schon in seiner Antrittsrede klarstellte, dass es keine territorialen Verschiebungen gäbe. Diplomatische Annäherungen scheiterten von Beginn an, es folgten Provokationen, kompromisslose Forderungen von russischer Seite und am Ende der Angriffskrieg. Im Angesicht des Krieges ist die Ukraine nun auf sich alleine gestellt. Ein ziemlich aussichtsloses Unterfangen, betrachtet man die militärische Überlegenheit Russlands. 

Zelensky war sich dessen natürlich bewusst. Schon in seiner Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz warnte er vor einem dritten Weltkrieg und ließ anmerken, was er von der deutschen Politik hielt:

Three years ago, it was here that Angela Merkel said: “Who will pick up the wreckage of the world order? Only all of us, together.” The audience gave a standing ovation. But, unfortunately, the collective applause did not grow into collective action. […] We will defend our land with or without the support of partners. Whether they give us hundreds of modern weapons or five thousand helmets. We appreciate any help, but everyone should understand that these are not charitable contributions that Ukraine should ask for or remind of.

Nicht einmal eine Woche später fand sich Zelensky im Bunker wieder. Aufgeben scheint für ihn keine Option zu sein und so setzt er alles auf seine verbleibende Trumpfkarte: Die Kampfmoral der Ukrainer. Über die sozialen Medien erhalten die Ukrainer alle paar Stunden die neusten Informationen, es werden Ehrentitel an gefallene Soldaten verliehen und Verhandlungen geführt. Das Angebot der Amerikaner, ihn aus Kiew zu evakuieren, lehnte er mit den Worten „Wir brauchen Munition, keine Mitfahrgelegenheit!“ ab. Ihm dürfte wohl bewusst sein, dass er diese Entscheidung nicht überleben wird. Auch die anderen Teile der politischen Elite sind sich dessen bewusst und bleiben dennoch in ihrem Land. Die Diener des Volkes beweisen der Welt, dass es noch Politiker gibt, die mutig sind und zu ihrem Wort stehen