Das Mysterium Putin

Von Pauline Schwarz | Mein Russland-Bild wurde schon früh in meiner Kindheit durch die französischen Comics von Spirou und Fantasio geprägt, die sich durch das Sowjet-Imperium schlichen und Abenteuer in Moskau erlebten. Für mich waren die Russen immer ein mysteriöses Volk, das in dunklen, kalten Gefilden zuhause ist, nie eine Miene verzieht, viel zu viel Wodka trinkt und in seiner Freizeit nur mit Fellmütze bewaffnet ins Eisbad steigt. Als ich dann das erste Mal mit dem „realen“ Russland und seinem Machthaber Wladimir Putin im Fernsehen konfrontiert wurde, dachte ich nur: genau wie ich ihn mir vorgestellt habe! Für mich war Putin der Staatschef aus dem russischen Bilder-Buch: Emotionslos, verbissen, gefürchtet. Schwer einzuschätzen und scheinbar zu allem bereit. Ein Eindruck, der sich angesichts seines Angriffskriegs auf die Ukraine nur noch verfestigt hat. Und doch stimmt da etwas nicht. Putin sieht anders aus als früher, begründet seinen Einmarsch mit wüsten Verschwörungstheorien – und heizte damit kräftig die Gerüchteküche an. Einmal mehr fragt man sich rund um die Welt: Wer ist dieser Mann und was zur Hölle treibt ihn an?

In seinen Fernsehansprachen sagte Putin, er wolle die Ukraine entmilitarisieren und entnazifizieren. Die ukrainische Führung sei nach seinen Aussagen eine Gruppe mit Drogen vollgepumpter, von den USA gesteuerter Nazi-Volksverräter, eine „Marionetten-Regierung“ – und das, obwohl die Ukraine, abgesehen von Israel, der einzige Staat mit einem jüdischen Präsidenten ist. Doch damit nicht genug. Putin wirft der Ukraine einen Genozid, also einen gezielten Völkermord, gegenüber der russischen Bevölkerung im Donbas vor. Davon kann aber, auch wenn es seit acht Jahren bewaffnete Konflikte gibt, nicht mal im Ansatz die Rede sein. Genauso wenig wie davon, dass die Nato Russland eingekreist hätte. Die Nato ist zwar seit Ende des kalten Krieges deutlich in Richtung Osten gewachsen, von einer Umzinglung des größten Flächen-Staates der Welt sind wir aber mehr als nur weit entfernt. Jeder Ost-Staat, der der Nato beitrat, tat das aus freien Stücken – und mit allergrößter Wahrscheinlichkeit aus Angst vor Putins Imperialismus.

Manche Leute sprechen ernsthaft davon, dass die Folgen einer Corona-Infektion den russischen Staatschef in den Wahnsinn getrieben hätten – was ich persönlich ziemlich geschmacklos finde.

Während Putin über vermeintliche Nazis und die „Frage um Leben und Tod“ in Russland schwadroniert, sieht er auffällig aufgequollen aus. Er wirkt hasserfüllt und besessen von der historischen Kränkung des Machtzerfalls der Sowjetunion, den er anscheinend gerne rückgängig machen würde. Aber ist das alles nun ein eiskalter Schachzug in einem lang angelegten Plan oder doch die Tat eines kranken Mannes? Manche meinen, Putins Aussehen sei eine Folge von Steroiden – wenn man daran denkt, wie gerne er oben-ohne auf Pferden reitet, vielleicht gar nicht so abwegig. Immerhin will man sich in Form halten, das ganze Judo, Eishockey, Schwimmen und was der Kreml-Chef sonst noch macht, sind sehr zeitraubend. Andere spekulieren über eine Parkinson-Erkrankung, meinen Putin sitze in seinen Ansprachen am Tisch, um sein Zittern zu verbergen. Doch da muss ich als an den Händen ebenfalls zitternder Leidensgenosse -der jedem Fremden erstmal erklären muss, dass ich nicht gleich tot umfalle – einschreiten: Nicht jedes Zittern ist gleich Parkinson. Bei manchen Leuten ist das einfach so. Sei es der Kreislauf, angeboren oder das Zittern vor der Nationalflagge – siehe Merkel. Ohne weitere Informationen ist nur die Long-Covid Theorie abwegiger als die Parkinson-Verschwörung. Manche Leute sprechen ernsthaft davon, dass die Folgen einer Corona-Infektion den russischen Staatschef in den Wahnsinn getrieben hätten – was ich persönlich ziemlich geschmacklos finde. Für mich klingt diese Vermutung so, als wolle die NoCovid-Fraktion Putins Krieg jetzt tatsächlich noch für ihre Corona-Endzeit-Argumentation instrumentalisieren.

Ich glaube nicht, dass Putin, wenn er tatsächlich im pathologischen Sinn verrückt sein sollte, an Long-Covid leidet. Aber Angst vor Corona scheint der Mann wirklich zu haben – anders lässt sich sein gefühlt kilometerlanger Konferenztisch – an dessen anderem Ende nicht nur ausländische Staatschefs, sondern auch seine eigenen Genossen Platz nehmen müssen – kaum erklären. Jetzt fragt man sich natürlich, warum ein erwachsener Mann so Angst vor einem Erkältungsvirus haben sollte. Die erste Erklärung liegt nahe: das hat nichts mit der Realität zu tun – wie viele Leute auch nach zwei Jahren Corona noch immer ernsthaft Angst vor dem „Todesvirus“ haben, sieht man in Deutschland an jeder Ecke. Eine andere Spekulation richtet sich wieder auf seine Gesundheit. Eines der hartnäckigsten Gerüchte um Putin ist eine mögliche Krebserkrankung. Sein aufgeschwemmtes Aussehen wird als Nebenwirkung von Medikamenten interpretiert. Der Kreml wies diese Behauptungen zurück.

Aber mal im Ernst, was wissen wir schon? Ich habe den Eindruck, dass man von Putin genau so viel weiß, wie Putin es möchte. Putins Privatleben, sein Alltag und seine Familie sind Staatsgeheimnis. Das aller meiste, was über ihn bekannt ist, passt genau zu seinem Bild vom unerschrockenen, starken Machthaber mit weitem Einflussgebiet. Etwa, dass er sich schon als kleiner Junge in den vom Krieg zerstörten Straßen Leningrads mit Gleichaltrigen geprügelt haben soll und sich wünschte, Geheimagent zu werden. Dass er einen schwarzen Gürtel in Judo hat und sein Kampfsporttrainer in Sankt Petersburg ein gefürchteter Untergrundboss war. Oder auch, dass er nach seiner Zeit als KGB-Offizier in Dresden, zurück in Russland, noch immer regelmäßig das „Morgenmagazin“ von ARD und ZDF guckte. Ja Mensch, sogar, dass er gerne Hüttenkäse isst und früher manchmal sächsische Witze erzählt haben soll. Davon wüssten wir bestimmt nichts, wenn Putin damit nicht trotz seines harten Images eine gewisse Sympathie erzeugen wollte – und ja, vielleicht neige ich in diesem Punkt auch schon zu Verschwörungsglauben. Aber es würde doch irgendwie zu seiner ach so west-freundlichen Rede passen, die er 2001 im Bundestag gehalten hat.

Am Ende bleibt der Mann aus dem Kreml ein Mysterium.

Selbst wenn mal einzelne Infos durchrutschen sollten – wie etwa die wohl wenig relevante, aber doch interessante Information, dass Putin im Jahr 2010 angeblich eine kosmetische Gesichtskorrektur vornehmen ließ – ist es doch schwer, Informationen zu prüfen, zu bestätigen und zu erklären. Vor allem vor dem Hintergrund, dass die russische Presse staatlich gelenkt und zensiert wird. Immer wieder verschwinden Putin-Kritiker oder versterben unter mysteriösen Umständen. Der Giftanschlag auf Alexej Nawalny ist wohl der bekannteste Fall, aber es gibt noch viele mehr. Was mit Leuten passiert, die über Putins Privatleben berichten, zeigte sich am Beispiel der Zeitung „Moskowski Korrespondent“.  Sie berichtete im Jahr 2008 über die vermutete Liaison von Putin und der Olympionikin Alina Kabajewa, mit der er inzwischen auch mehrere Kinder haben soll. Kurz darauf wurde der Betrieb der Zeitung eingestellt – aus „finanziellen Gründen“. Den verantwortlichen Journalisten fand man wenig später in einer Seitenstraße, Unbekannte hatten ihn zusammengeschlagen.

Putin ist und bleibt in jeglicher Hinsicht schwer einzuschätzen – und genau das macht ihn so gefährlich. Das einzige, was einigermaßen sicher scheint, ist, dass er sich wünscht, das alte Zarenreich wiederherzustellen und wirklich an die Dinge glaubt, die er in seinen Ansprachen sagt. Ich bin inzwischen recht überzeugt davon, dass Putin dachte, die Ukrainer würden seine Armee als Befreier mit offenen Armen empfangen. Die Frage ist nur, wie weit der Mann aus dem Kreml sich inzwischen von der Realität entfernt hat. Und wie weit er noch gehen wird. Man kann nur hoffen, dass seinem Wahnsinn noch ein paar letzte Grenzen gesetzt sind.


Realitätsschock Krieg – Wie der Ukraine-Konflikt die Weltsicht vieler junger Leute erschüttert

Von Larissa Fußer | In den letzten Tagen sehe ich in den Sozialen Medien immer wieder Posts von jungen Leuten zum Ukraine-Krieg. Da war dieses Mädchen, das mit bedrückter Miene ihren Pulli in die Kamera hält, auf dem „Nie wieder Krieg“ steht und dieser junge Sänger, der mit leeren, abwesenden Augen rappt: „Manchmal ist die Wahrheit zu krass dafür, dass ich mein harmoniesüchtiges Hirn darin vertiefen will. Und deshalb steht mein Instagram in jeder Krise still. Ich halt die ganze Scheiße einfach nicht aus, passier mein Leben oder schneid mich da raus.“ Ich glaube, dieser Junge bringt auf den Punkt, wie sich viele junge Menschen im Moment fühlen: Verängstigt und unfähig, damit umzugehen.

Auch für mich waren die Nachrichten über Putins Angriff auf die Ukraine ein Schock. Ich bin gerade auf dem Weg zum Supermarkt gewesen, da habe ich plötzlich vor einem Kiosk die Schlagzeilen gesehen. Angriff, Bomben, Einmarsch. Mir ist kurz das Herz stehen geblieben. Später zuhause habe ich mir Videos angeschaut – von den Luftangriffen, einschlagenden Bomben, fliehenden Menschen. Natürlich hatte ich solche Videos schon mal gesehen, zuletzt aus Afghanistan. Aber das war weit weg gewesen. Jetzt aber fühlte es sich sehr nah an. Und auch wenn es übertrieben sein mag, natürlich kam auch mir der Gedanke: Was, wenn Putin bei der Ukraine nicht halt macht? Was, wenn seine Truppen irgendwann auch in Deutschland einmarschieren? Meine Sorgen wurden nicht gerade beruhigt, als ich die emotionslose Rede unseres Bundeskanzlers sah. Dieses Fähnchen im Wind soll uns verteidigen? Zum ersten Mal, so muss man es wirklich sagen, hatte ich in meinem Leben ernsthafte Angst vor Krieg.

Ich denke, so ging es vielen jungen Leuten. Fast alle sind wir aufgewachsen in dem Glauben, dass es bei uns nie wieder Krieg geben würde. Ich selbst kann mich noch allzu gut daran erinnern, dass ich in der Schule immer, wenn es um Kriege ging, gedacht habe: Warum haben diese Menschen überhaupt Krieg geführt? Ich verstand es einfach nicht und außerdem kamen mir die Weltkriege damals unvorstellbar lang her vor. Ich fand sie grausam, beängstigend – aber darüber hinaus haben sie mich ehrlich gesagt lange nicht berührt. Weil sie mir eben unfassbar weit entfernt erschienen und weil uns kein Lehrer die Kriege ernsthaft erklärte. Wir haben Eckdaten gepaukt, Bücher über die Judenverfolgung gelesen. Aber wir haben zum Beispiel nie versucht zu verstehen, wie es überhaupt dazu kommen konnte, dass die Deutschen 6 Millionen Juden ermordet haben. Hitler war ein Teufel, die Deutschen waren dumm, grausam und antisemitisch – das war es, was bei mir zum Thema Krieg hängen blieb.

Und aus dieser Sicht heraus, war ich natürlich immer „gegen Krieg“. So wie man als Kind eben gegen Hass und Tod ist – und für Liebe und Freundschaft. Nur: Krieg war in meiner Kindheit eben überhaupt kein aktuelles Thema, mit dem ich mich hätte auseinandersetzen müssen. Ich wurde 2004 eingeschult. Bis zur Krim-Krise 2014 gab es in Europa keine militärischen Konflikte, von denen ich überhaupt etwas mitbekommen habe. Ich musste erst erwachsen werden, um zu merken, welch naive Sicht auf die Welt mir in der Schule beigebracht worden war. Und ich bin immer noch dabei, das „Make Love, Not War“-Geschnurzel meiner Alt-68er-Hippie-Lehrer und Bekannten abzuschütteln.
Weil ich eben irgendwann, vielleicht war es in einer spätnächtlichen Apollo-Diskussionsrunde, verstanden habe: Wenn die USA keinen Krieg gegen das Hitler-Deutschland geführt hätten, gäbe es das Deutschland, in dem ich heute so gut lebe, nicht. Vielleicht hätte es überhaupt kein Deutschland mehr gegeben, vielleicht hätte es sogar kaum noch Deutsche gegeben. Und ich habe begriffen, dass ein Israel, wenn es nicht in dauerhafter Kampfbereitschaft wäre und sich nicht immer wieder mit voller Härte gegen Angriffe seiner Nachbarn verteidigen würde, nicht existieren könnte. Heißt: Ich weiß nun, dass es die Freiheit und Werte der westlichen Welt nur gibt, weil sie erkämpft wurden. Und dass wir sie ganz schnell verlieren können, wenn wir sie nicht verteidigen. Nicht zuletzt deswegen berührt mich auch der Ukraine-Krieg: Auch den Ukrainern geht es um nicht weniger, als ihre Freiheit und Souveränität zu verteidigen. Und das werden sie – anders als mein früheres Hippie-Ich geglaubt hätte – nicht schaffen, indem sie Auge in Auge mit den russischen Panzern „Give Peace a Chance“ singen.

Wer von euch „Matrix“ geguckt hat, kennt sicher die Szene, in der die Hauptfigur Neo vor die Wahl gestellt wird, eine blaue oder eine rote Pille zu schlucken. Die blaue Pille lässt ihn weiter in einer konstruierten Scheinwelt leben, in der alles schön und angenehm ist. Die rote Pille aber holt ihn in die reale Welt, die gefährlich, beängstigend und unangenehm ist. In der er aber – im Gegensatz zur Traumwelt – etwas verändern kann. Ich glaube, dass der Ukraine-Krieg die rote Pille für viele von uns jungen Leuten war. Jetzt ist es an uns, einen Umgang mit der Realität zu finden – und uns nicht, so wie der am Anfang erwähnte Sänger, von der Welt abzuschneiden und weiter zu träumen.


Gestern noch umgeben von Pazifisten, heute mitten im Krieg

Von Jerome Wnuk | Seit dem letzten Donnerstag ist vieles anders. Der Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine hat uns alle sprachlos gemacht. Der Alltag in Schule und Freizeit ist aktuell nur mit einem Wort zu beschreiben: anders. Normalerweise mache ich mein Handy vor der Schule nie an. Gerade an diesem Tag wollte ich mich nicht noch unnötig morgens in irgendwelchen sozialen Medien verlieren und eher die übrige Zeit sinnvoll nutzen, um nochmal alles für meine anstehende Politikklausur durchzugehen. Das ging an diesem Morgen nicht. Nicht mal frühstücken konnte ich richtig und schon gar nicht an irgendwelche Begriffe aus der Politikwissenschaft denken.

Wie ein Schlag in den Bauch hatte die Nachricht, dass russisches Militär die Ukraine angreift, mich erwischt. Das Gefühl an diesem Morgen war ein völlig neuartiges, ein tief bedrückendes. Schon die Tage davor, in denen sich das ganze Unheil anbahnte, fühlte sich der Alltag surreal an. Fast minütlich hatte man auf den News-Feed geguckt, mit Freunden gesprochen und noch bis in die Nacht verschiedenste Berichte über das Geschehen gelesen und gehört. Trotzdem ging man noch ganz normal seinen Alltag nach. Noch am Abend davor war ich zum Beispiel noch mit einer Freundin im Theater gewesen.

Das ist seit dem Donnerstag anders. Das alltägliche Leben mit Schule und Hobbys geht zwar weiter, fühlt sich jedoch völlig anders als sonst an. Aktuell fühlt es sich surreal an, in einer Schule zu sitzen oder irgendwo ein Kaffee trinken zu gehen, während 1000 Kilometer von hier gerade ein Staat von einem anderen militärisch attackiert wird und unschuldige Menschen sterben. Dass dort Menschen wie wir, die bis vor Kurzem noch dieselben Dinge wie wir getan haben, nun auf einmal um ihr Leben fürchten müssen, ist eine unerträgliche Tatsache und ein Fakt, der einen den Alltag anders erleben lässt. Oft wird man aktuell an das schreckliche Geschehen erinnert.

Diese dauerhafte Präsenz dieses Krieges und der verbundenen Sorgen in unserem Alltag ist eine Neuheit für mich und für große Teile meiner Generation. Klar, wir haben auch schon den Syrienkonflikt oder Corona erlebt, aber, dass alle so gebannt, wie die meisten in den letzten Tagen, die Nachrichten verfolgt haben und alle den Drang hatten, über die Ukraine zu sprechen, gab es noch nie. Man spürt eine Angst vor einer Bedrohung, die noch nie in unserem Leben konkreter war als jetzt. Noch nie war die Sorge vor einer Eskalation, vor einem Angriff auf all das, was uns wichtig ist, größer. Noch mal um ein großes Stück schlimmer als bei mir, ist es bei einer meiner besten Freunde, der aus Lettland kommt, dort immer seine Ferien verbringt und engste Familie in Lettland hat. Er kennt von seinen Eltern und Großeltern noch die schlimmen Geschichten aus der Zeit russischer Besatzung. Die Angst, dass sich diese Zeiten bald wiederholen werden, ist bei ihm und bei den meisten Nachbarstaaten Russlands akuter denn je und mit kaum einer Angst, die er bisher erlebt hat, vergleichbar. Dieser Krieg, dieser Angriff auf die Ukraine betrifft Europa wie kein anderer seit dem Zweiten Weltkrieg. Es sind Menschen wie wir, die ein Leben wie wir geführt haben, die dort nun um ihr Leben fürchten müssen. Es ist so nah wie nie und so bedrohlich wie nie. Dieses Gefühl ist nicht zu vergleichen oder zu beschreiben, es ist einfach da und es fühlt sich schlimm an.

 


Weiter Dienst nach Vorschrift: Der falsche Umgang mit diesem Krieg in der Schule

Von Gesche Javelin und Johanna Beckmann | Wir, die Jugend, kennen den Krieg nur aus Erzählungen und dem Geschichtsunterricht. Ein Krieg war für uns noch nie so nah, er war noch nie in Europa. Genau aus diesem Grund beschäftigt der Konflikt in der Ukraine viele von uns. Jedoch wissen wir nicht, wie wir die Situation einschätzen sollen, da wir so etwas noch nie erlebt haben. Sobald wir einen Blick auf Nachrichten werfen, sehen wir brennende Häuser, Panzer und weinende Familien in der Ukraine. Uns fällt es oft schwer, diese Bilder richtig einzuordnen.

Die aktuellen Nachrichten lassen sich für viele nur schwer verarbeiten und alles dreht sich um die Frage: „Wird es einen dritten Weltkrieg geben?“ Durch die erschreckenden Bilder ist das Interesse, mehr über den Ukraine-Russland Konflikt zu erfahren, bei vielen geweckt. Um weitere Informationen zu finden, müssen wir uns nun in der Vielzahl von Medien orientieren. Das ist oft gar nicht so einfach. Grundlegende Informationen findet man oft schon auf Social Media. Bei der weiteren Recherche geben viele dann auf, da sie sich von der Masse an Informationen erschlagen fühlen und diese nicht wirklich einordnen können. Viele Jugendliche bleiben bei der Information Russland greift die Ukraine anstehen. 

Bei Gesprächen zum Thema Ukraine in der Klasse fiel uns nicht nur der stark unterschiedliche Informationsstand auf, auch die Sorgen und Ängste unserer Mitschüler waren unterschiedlich. Wir saßen im Klassenraum und hatten Pause. Wie es zu erwarten war, kam das Gesprächsthema Russland-Ukraine Konflikt auf:

 

Emily, die Hysterische, sagt: ,,Leute, denkt ihr, dass es zu einem dritten Weltkrieg kommen wird?

,,Ich habe auf meiner TikTok for you page gesehen, dass der Zeitreisende einen 3. Weltkrieg vorhersagt., wirft Eileen ein.

,,Nö, glaube ich nicht.,  murmelt Ben und isst weiter sein Brötchen.

Achim, der Militärstratege, philosophiert: ,,Die Russen haben doch am Anfang schon so viele taktische und operative Fehler gemacht. Kein Wunder, wenn man denkt, dass man ohne Schutz einfach in ukrainische Dörfer fahren kann. Da glaubst du doch nicht wirklich, dass es zu einem 3. Weltkrieg kommen wird.

,,Naja, wir werden sehen., nuschelt Ben.

,,Ich habtrotzdem Angst. Hat irgendwer von euch vielleicht einen Bunker zu Hause? Ich würde mich auch um die Essensvorräte kümmern., bringt Emily vor.

,,TikTok sagt, dass man auf einen Ernstfall immer vorbereitet sein sollte., versichert Eileen.

,,Bestimmt., raunt Ben.

Achim erklärt: ,,In Deutschland brauchen wir dafür unbedingt eine Baugenehmigung und die Wände müssen mindestens 1,5 Meter dick sein. Am Besten aus Stahlbeton.

Emily gibt zu bedenken: ,,Aber der schützt mich auch vor Atombomben, oder?“

Also TikTok empfiehlt, dass man heutzutage sowieso nur noch Bunker mit Schutz vor Atombomben bauen sollte., trägt Eileen vor.

Ben schmatzt: ,,Ja, das ist total wichtig.

Achim unterrichtet: ,,Wenn Putin Atombomben werfen würde, wäre das doch nur eine unnötiger und eskalierender militärischer Aufwand. Außerdem pflegt er eine sehr gefährliche und unverantwortliche Rhetorik, deswegen glaube ich kaum, dass ein Atomkrieg im Bereich des Möglichen liegt.

Frau Wagner unterbricht energisch: „Können wir jetzt mal bitte mit dem Unterricht anfangen! Ich muss den Lehrplan schaffen, sonst seid ihr nicht gut auf´s Abitur vorbereitet. Und Achim, ich finde nicht gut, dass du in meinem Unterricht deine Militärtheorien verbreitest, das schwächt das Arbeitsklima.” 

 

Wie soll Emily produktiv arbeiten, wenn sie sich solche Sorgen macht?  Wenigstens die Angst vor einem Atomkrieg könnte eine Lehrkraft ihren Schülern doch nehmen, ohne dass gleich der Abischnitt in den Keller fällt. Doch so wie bei Emily und ihren Mitschülern sieht es bei vielen von uns aus. Ja, die Mehrheit der Schüler in unserem Alter weiß nicht einmal genau, wo die Ukraine auf der Karte ist. Oder welche Sprache dort gesprochen wird, wie Minsk genau geschrieben wird und erst recht nicht, welche Geschichte dieses Gebiet hat. Ja, Emily mag übertreiben, vielleicht ist sie auch etwas zu hysterisch. Doch, wer will ihr oder uns einen Vorwurf machen? Wir werden da einfach rausgehalten, wir erfahren nur das Mindeste. Wir können die Informationen gar nicht richtig einordnen, Influencer auf Tiktok und Co. nutzten das gerne aus, um die Panik der Jugendlichen für Klicks und Likes noch anzufeuern. Jetzt wäre es die Möglichkeit von Erwachsenen, – und vor allem von denen, die dafür bezahlt werden, uns zu unterrichten – endlich mal zu erklären, was zur Hölle hier los ist. Dann würden wir im Geographie-Unterricht auch in Zukunft besser aufpassen.


Video: Das ultimative Apollo Lauterbach-Gespräch!

 

Wie wird man Politiker? Warum trägt Karl Lauterbach im Online-Interview eine Maske? Und woher kann Annalena Baerbock so gut Englisch? Diese und andere wichtigen Fragen unserer Zeit beantwortet Apollo News. Das große Apollo-Interview mit den wichtigsten Politiker-Größen. Starring: Karl Lauterbach, Annalena Baerbock, Katharina Schulze, Christine Lambrecht & mehr. Hier ansehen. 

 


Apollo-Leser haben entschieden: Christian Lindner ist Deutschlands Umfaller Nr. 1

In Sonntagsreden wird die „Politikverdrossenheit“ unter Jugendlichen gerne bemängelt. Aber wie soll man Bundesregierung vertrauen, die ihre Versprechen mittlerweile im Wochentakt bricht?

Die FDP versprach: Am 20. März soll ein „absolutes Ende“ der Corona-Maßnahmen stattfinden – doch der Freedom Day ist nur ein Fake. Stattdessen wird jetzt für die Impfpflicht mobilisiert. Das, was uns als Freiheitstag verkauft werden soll, ist ein Witz: 3G und Maskenpflicht bleiben  bestehen, heißt es. Mit dem sperrigen Wort „Basisschutzmaßnahmen“ versperrt die Ampel den Weg zur Normalität.  Nur zaghafte Stimmen aus der FDP fordern ein wirkliches Ende der Coronamaßnahmen, wie die Partei es vor und nach der Wahl großspurig gefordert und versprochen hatte – Christian Lindner selbst redet den „Basisschutzmaßnahmen“das Wort. Vielleicht ist es dieses Manöver als Abschluss einer monatelangen Performance, welches ihm einen knappen, aber verdienten ersten Platz in unser Apollo-Umfrage einbringt: Unsere Leser haben den FDP-Chef mit 41% zum größten Umfaller Deutschlands gewählt. 

Ein harter Kampf um die Pole Position lieferte sich unser Gewinner mit seinem mit Abstand schärfsten Konkurrenten um die Umfall-Krone: Markus Söder kommt mit 37% auf Platz 2 ins Ziel und unterstreicht auf jeden Fall verdiente Titelansprüche. Einst war er Merkels oberster Lockdown-Enforcer und Kapitän im berühmt-berüchtigten „Team Vorsicht“. Jetzt – eine Bundestagswahl-Klatsche später – ist Markus wie ausgewechselt, verurteilt 2G und fordert Lockerungen. Wir glauben immer noch, der echte Söder wurde durch einen total umgepolten Klon ersetzt – solange wir das aber noch nicht hundertprozentig belegen können, müssen wir ihm seine Platzierung auf dem Umfaller-Treppchen einräumen. 

 

Aber: Umfallen in Richtung Freiheit ist noch immer um Längen sympathischer als das Umfallen vermeintlich freiheitlicher in Richtung Zwangsmaßnahmen. Vier Prozent Vorsprung für Lindner sind somit mehr als verdient – das beinahe sofortige und mehrmals wiederholte Umfallen seit der Bundestagswahl mitsamt 1A-Landung in S-Klasse und Ministersessel macht ihm so schnell keiner nach. Wahrscheinlich ist, dass er seinen Rekord demnächst wieder selber bricht – auch, wenn FDP-Parteikollegen wie Marco Buschmann starke Konkurrenz darstellen. In sofern Gratulation an Christian Lindner – und natürlich auch an Heiko Maas und Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Die weit abgeschlagene Bewertung negiert keinesfalls die zweifelsfreie Qualifikation für die Umfaller-Olympiade unser beiden dritt- und viertplatzierten. 

 

 


Alibi-Jugendliche für Lauterbach? Ihr sprecht nicht für uns!

Von Jerome May | Unter „Wir werden laut“ werden Schüler für Lockdown & Impfzwang instrumentalisiert. Wieder mal phantasieren sich Politik und Medien eine Jugend herbei, die exakt ihre Meinung vertreten soll. Doch das tut sie nicht. 

Ab und an scrolle ich durch meine Foto-Galerie auf meinem Handy. Nach ein paar Minuten bin ich bei Fotos aus 2019 oder Anfang 2020 angekommen. Fotos, die mich Arm in Arm mit Freuden zeigen, Bilder von vollen Fußballstadien, von vollen Plätzen in Berlin oder anderswo.

Manche Bilder kommen mir inzwischen schon so fremd vor, als ob sie gar nicht von mir wären. Die sogenannte „Zeit vor Corona“ kommt einem wie ein vergangenes Zeitalter vor, ein Sehnsuchtsort. Jeder Jugendliche wird das Gefühl irgendwo nachvollziehen können. Eine Ewigkeit wartet man jetzt schon, dass es wieder so richtig losgeht. Auf den Moment, wo alles wieder „normal“ wird, halt so wie früher.

Bis dahin guckt man sich die tausendste Pressekonferenz an, in der mehrere alte weiße Männer einem erklären wollen, dass es doch noch viel zu gefährlich sei, jetzt Lockerungen auf den Weg zu bringen. Doch schon seit einiger Zeit ist das Maß voll, der Toleranzbereich ist längst ausgereizt. Die Zeit, wo die Jugend noch lautlos mitgezogen ist, ist Vergangenheit.

Partys und Durchseuchung

In der Jugend brodelt es. Wir scharren mit den Füßen, weil wir’s kaum erwarten können, wieder loszulegen. Die Stimmung kippt, das spürt fast jeder. Wer nimmt Lauterbachs Bergpredigt schon noch Ernst? Viele von uns haben Omikron durchgemacht, nichts gespürt und sich über den Genesenen-Status gefreut, um das blöde Testen loszuwerden. Unter Jugendlichen ist die erste Reaktion, wenn jemand sich infiziert hat, eben diese: „Boah hast du Glück, brauchst du keinen Test mehr“.  Das ist die traurige Wahrheit, so weit hat es die Politik getrieben. 

Angst oder Furcht vor Corona hat von uns kaum einer mehr. Wir wollen wieder frei sein, uns gegenseitig ohne schlechtes Gewissen umarmen können (machen wir trotzdem) und uns kein Stäbchen mehr in die Nase stecken. Unser Abitur feiern, verreisen und Partys schmeißen. ´Doch davon kommt bei Lauterbach und Konsorten nichts an. Stattdessen reiht sich im öffentlichen Raum eine Schulschließungsdiskussion an die nächste. Alibi dafür sind einzelne Schülersprecher, die stellvertretend für die ganze Jugend stehen sollen und deren Meinung gezielt von den Medien herausgepickt wird.

Wie zuletzt die Initiative „Wir werden laut“. In einem offenen Brief sprechen sich einige Schülersprecher hier für eine Aussetzung der Präsenzpflicht aus, sie wollen das Corona-Infektionsrisiko senken, warnen vor Long Covid. Es sei wichtig „die Pandemie mit allen Mitteln zu bekämpfen“ heißt es in jenem Offenen Brief, über den nahezu alle Medien groß berichtet haben. „Zu unserer Verärgerung wurden nicht alle zur Verfügung stehenden Werkzeuge eingesetzt“.
Weiter könnte ein Brief nicht von der Lebensrealität der meisten Schüler entfernt sein. 
Wir leiden zu aller erst unter den gesellschaftlichen Folgen von Isolationen und Lockdown.  Doch statt die Sorgen und Wünsche der Jugend wirklich wiederzugeben, orientieren sich viele Schülersprecher an dem, womit sie eben groß rauskommen. 


In Wahrheit geht es so manchem Schülersprecher doch nur darum, ein gut dotiertes Stipendium zu erschleichen. 


Als mutige Sprachrohre der Jugend werden sie in Szene gesetzt. Coole hippe Teenies, die den alt-gewordenen Erwachsenen mal sagen, wie gefährlich das doch alles sei.
Junge revolutionäre Freidenker sollen sie sein. Dass solche Jugendlichen ernsthaft die Stimme unserer Generation sein sollen, ist lächerlich. Als ob wir alle Lust hätten uns auch noch die zehnte Maske während der Schule über die Nase zu ziehen. Revolutionär ist wohl das unpassendste aller möglichen Wörter, um eine Haltung zu beschreiben, die von der gesamten Bundesregierung und der versammelten Presse vertreten wird. 

Jugendlich ist sie sowieso nicht. Den da oben mal widersprechen, für seine Ansichten einstehen und sich von der von Schule, Eltern oder Politik vorgegebenen Meinung loszulösen – das wäre jugendlich. In Wahrheit geht es so manchem Schülersprecher doch nur darum, ein gut dotiertes Stipendium zu erschleichen. 

Ich jedenfalls habe jetzt genug von Corona. Wenn es um Widerstand gegen mehr Normalität in der Schule geht – ohne mich.  Ich möchte nicht vor Omikron beschützt werden, ich möchte meine Fotogalerie wieder mit genau den Bildern füllen, die ich früher geschossen habe.