Apollo Kultur: Die skandalbefreite und kritiklose Tristesse der Musik von heute

Von Jonas Kürsch | „Ich schlaf auf Partys fast immer gleich ein“, sang Hildegard Knef vor Ewigkeiten. Ich könnte ihr gar nicht genug Recht geben. Warum? Weil ich die auf Parties gespielte Musik abgrundtief hasse. Meine Liebe zur Punk- und New Wave Kultur der 1980er sowie zu ihren Vertretern von Public Image Limited bis Falco, wird nur allzu selten geteilt. Zumeist erklärt man mir dann auf fast schon pädagogische Art und Weise, dass mein Musikgeschmack „anstrengend und nicht gesellschaftstauglich“ sei. Auf Parties wolle man lieber etwas „schönes und nettes“ hören, um sich einfach eine gute Zeit zu machen. Es ist genau dieses oberflächliche Verhältnis zur Musik, das mich gelehrt hat, Parties zu verabscheuen.

Die Musik des einundzwanzigsten Jahrhunderts wird zunehmend durch drei Kernfaktoren geprägt: Konformität, Beliebigkeit und Wiederholung. Das ist durchaus logisch, denn wer sich der breiten Maße mit bequemen und leicht verdaulichen Ideen präsentiert, der kann wiederholt hohe Profite mit sehr einfachen Mitteln einfahren. Es ist daher auch kaum verwunderlich, dass sich die Musikindustrie in den letzten Jahren auf Interpreten der völlig inhaltsleer gewordenen Genres der Pop- und Rapmusik fokussiert hat.
Während gegenwärtige Popikonen wie Billie Eilish und Katy Perry mit ihren zeitgeistlosen und woken Propagandahymnen vor allem großes Lob aus der amerikanischen Politelite erfahren (wie vor allem die fast schon inzestuös wirkenden Aufeinandertreffen der beiden Sängerinnen mit dem US-Präsidenten Joe Biden und seiner Vizepräsidentin Harris beweisen), lassen sich die internationalen Größen des Raps von den Medien für ihre plumpen, drogen- und gewaltverherrlichenden Texte feiern. Dabei inszeniert man sich gerne als „Rebell“, der gegen die Normen der Gesellschaft verstößt. Ein solcher Ruf kann durchaus dazu beitragen die Verkaufszahlen nach oben zu treiben. Die zeitgenössische Musikszene ist in Anbetracht der sich ständig wiederholenden Themenbereiche allerdings erkennbar durch Unterwürfigkeit und einen gewaltigen Mangel an Einfallsreichtum gebrandmarkt.

Dabei wird vor allem versucht durch Scheinkontroversen den Eindruck zu vermitteln, man würde sich mit gesellschaftlich aufgeladenen Themen auseinandersetzen. Zumeist betrifft das die Inhaltsfelder des strukturellen Rassismus, der sexuellen „Queer“-Diversität, des Neofeminismus und der sozialen Ungleichheit im Antlitz eines stetig stärker werdenden Rechtsrucks. Keiner der behandelten Themenbereiche ist dabei wirklich kontrovers, denn sie sind alle politisch und gesellschaftlich erwünscht. Über Homosexualität und Klimaschutz zu singen ist nicht aufsässig, es ist konservativ und spießbürgerlich geworden. Vor wirklich heißen Eisen hält sich die Crème de la Crème der Unterhaltungsindustrie hingegen fern.

Auch in Deutschland wird diese politisch domestizierte Feigheit vor dem kreativen Skandal immer deutlicher: wie mutig kann beispielsweise ein Marius Müller-Westernhagen schon sein, der sich aus welchen Gründen auch immer vom Abspielen seines Hitsongs „Freiheit“ auf Anti-Corona-Demos distanziert? Als wie anarchistisch und staatskritisch lassen sich Campino und seine Punkband „Die toten Hosen“ heute noch bezeichnen, wenn sie mit ihrem Aufruf zur Coronaschutzimpfung den Regierenden aktive Beihilfe bei ihrer Politik leisten, vor allem unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es eben der Frontsänger jener Gruppe war, der sich während des Ausbruchs der Schweinegrippe vor einigen Jahren noch ganz anders zu staatlich verordneten Pflichtimpfungen geäußert hat?

Während Musiker vor einigen Jahrzehnten noch das Ziel verfolgten, durch kontroverses und exzentrisches Auftreten ihre Zuhörer aus der Komfortzone zu locken, ist die Industrie heute darauf bedacht, ihre Konsumenten mit möglichst einfachen und repetitiven Botschaften an sich zu binden und damit von möglicherweise unangenehmen Problemfragen fernzuhalten. Ich würde die Konfrontationsbereitschaft der heutigen Musik deshalb auch gerne mit der politischen Neutralität von Leni Riefenstahl Filmen gleichsetzen, nur würde das dem Lebenswerk der Filmemacherin vermutlich nicht gerecht werden, denn wenigstens ist ihr Werk im Vergleich zur heutigen Musik handwerklich gut gemacht.
Schaut man in die Vergangenheit, wird man schnell feststellen, dass Musik keinesfalls so mut- und energielos sein muss, wie sie heute häufig daherkommt. Allein in der jüngeren Musikgeschichte Deutschlands finden sich allerlei skurrile Künstler, die losgelöst vom Wunsch nach gesellschaftlicher Akzeptanz und hohen Verkaufsmargen die Grenzen des Mainstreams gesprengt haben. Man denke nur an die Godmother of Punk, Nina Hagen, mit ihren auch heute hochumstrittenen Punk-Oper-Arien, in denen sie über die Vereinsamung des Stadtmenschen, ihre christlich-kommunistische Lebensphilosophie und eigene Erfahrungen mit Entführungen durch Außerirdische singt. Oder denken wir an die weltbekannte deutsche Schauspielerin Hildegard Knef, die in den 1960er Jahren mit ihren frivolen und stets die individuelle Sehnsucht betonenden Chansons große Schlagzeilen in der Bundesrepublik gemacht hat.

Viele Menschen haben für den Wohlfühlkitsch der 2020er Jahre kein Verständnis mehr. Das Radio kann man im Grunde nur noch einschalten, wenn man zur Entwicklung kritischer Gefühle und Gedanken vollkommen unfähig ist oder unter Gefühlslegasthenie leidet. Es bedarf, gerade in Zeiten massiver staatlicher Einflussnahme und dem neuaufkeimenden Trend zum Denunziantentum, unabhängiger und mutiger Musiker, die sich mit den gegenwärtigen Entwicklungen auf vielseitige Art und Weise auseinandersetzen. Ein gutes Beispiel dafür wäre unter anderem die Sängerin Nena, die sich auf ihren Konzerten gegen die verfassungswidrigen Grundrechtseingriffe zur Pandemiebekämpfung aussprach und damit ein großes persönliches Risiko eingegangen ist. Unser Land und die gesamte westliche Hemisphäre brauchen mehr Eigensinn. Daher gilt es insbesondere jetzt zu fragen: Wo bleibt der Skandal? Und viel wichtiger: wer war eigentlich Hildegard Knef?

 



„I’m adaptable and I like my new role, I’m getting better and better and I have a new goal, I’m changing my ways where money applies: this is not a Love Song“
 – Public Image Limited


Diskriminierung von Russlanddeutschen – die deutsche Liebe zur Ausgrenzung bleibt

Von Jonas Kürsch | Seit etwas mehr als einem Jahr müssen die ungeimpften Bürger dieses Landes nun schon eine Welle der Ausgrenzung und Diskriminierung aufgrund ihrer individuellen Entscheidung gegen das Impfangebot der Bundesregierung erleiden. Sie werden von der Politik als „Sozialschädlinge“ beschimpft, durch willkürliche Test- und Zugangsverordnungen drangsaliert und mit Berufsverboten oder Zwangsgeldern bedroht. Das wirklich erschreckende daran sind aber nicht die drastischen Maßnahmen, sondern die Nonchalance, mit der ein großer Teil der deutschen Bevölkerung sich diesem Kult rund um den ungeimpften Sündenbock unterwirft und fleißig an der Mär des „unsolidarischen“ Impfgegners mitarbeitet.

Ein Kult, der sich nicht allein auf Corona zu beschränken scheint. Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine hat sich nämlich ein neuer, zweiter Sündenbock aufgetan, der in unserem Land zunehmend abgewertet und ausgeschlossen wird: die Russlanddeutschen oder in Deutschland lebende Russen. Seither hört man immer wieder von Fällen in denen russische Läden beschädigt, Leute beleidigt oder aktiv ausgegrenzt wurden. Wie etwa in Südbayern, wo ein Wirt einem Gast mit russischen Wurzeln den Zutritt verwehren wollte. Oder im Münchner Universitätsklinikum, wo eine Professorin die Behandlung russischer Patienten abgelehnt haben soll. Nach starken Protesten sollen sich zwar sowohl der Gastwirt als auch die Professorin öffentlich entschuldigt haben, trotzdem zeigt sich deutlich welche gesellschaftspolitischen Auswüchse die Corona-Politik der letzten Jahre zu verantworten hat.


Deutscher Haltungswahn wider der Vernunft

Den Haltungswahn der deutschen Moralisten haben auch der Chefdirigent Valery Gergiev und die in Deutschland auftretende Opernsängerin Anna Netrebko am eigenen Leibe zu spüren bekommen. Beide Künstler wurden aufgrund ihrer beachtlichen Leistungen in der Kulturbranche vom Kreml – und somit auch von Vladimir Putin – im Rahmen ihrer Karriere gewürdigt. Nun haben die Mainstream-Medien und diverse Politiker die beiden dazu aufgefordert sich unmissverständlich vom russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und vom Kreml zu distanzieren. Valery Gergiev weigerte sich den Aufforderungen nachzukommen und wurde kurzerhand vom Münchener Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) aus seinen Verantwortungen entlassen.

Anna Netrebko äußerte sich zurückhaltend über den Konflikt, merkte allerdings klar an, dass es falsch sei von Kulturschaffenden mit solchem Nachdruck eine politische Stellungnahme zu verlangen. Vor allem wenn das bedeutet, sein Heimatland öffentlich zu diffamieren und dafür Sanktionen befürchten zu müssen. Die Opernsängerin kündigte deshalb an, in naher Zukunft nicht mehr öffentlich auftreten zu wollen.

Der Umgang mit den beiden Künstlern ist nichts anderes als Ausdruck der Cancel Culture – die schon in den Vereinigten Staaten dazu führte, dass die Karrieren etlicher Künstler vom einen auf den anderen Moment beendet wurden. Wer sich nicht der Bewegung der Mehrheit beugt, gilt als Verräter der „liberalen Werte“ und wird mundtot gemacht. Genau wie Leute mit sogenannter „Kontaktschuld“, die man auch Gergiev und Netrebko aufgrund ihrer russischen Abstammung nachsagt. Hier reicht allein die Bekanntschaft mit einem Sittenbrecher, um für dessen Vergehen schuldig gesprochen zu werden.


Bundesregierung spricht sich gegen die Diskriminierung Russlanddeutscher aus

Diverse Mitglieder der Bundesregierung haben sich inzwischen klar gegen die Diskriminierung von Russlanddeutschen ausgesprochen – unter anderem Innenministerin Nancy Faeser (SPD) und Kulturstaatsministerin Claudia Roth (B’90/Die Grünen). Laut ihnen ist der Boykott russischer Kulturgüter nicht der richtige Weg. Schön und gut, wir sollten aber nicht vergessen, dass es gerade linke Ideologen wie Nancy Faeser und Claudia Roth waren, welche die öffentliche Diffamierung und Ausgrenzung von Ungeimpften in unserem Land salonfähig gemacht haben. Faeser wollte noch im September des vergangenen Jahres „mehr Druck auf Ungeimpfte“ ausüben, um die Impfquote gewaltsam zu erhöhen.

Über zwei Jahre wurde die Diskriminierung unschuldiger Menschen durch hohe Regierungsbeamte nicht nur geduldet, sondern aktiv mit betrieben. Die Früchte dieser Politik dürfen nun, wie auch sonst, die Bürger dieses Landes ernten. Wir hatten die große Ehre, zwei so talentierte und weltbewegende Künstler wie Anna Netrebko und Valery Gergiev in unserem Land begrüßen zu dürfen und haben die Gelegenheit des kulturellen Austauschs aufgrund unseres blinden Haltungswahns völlig zunichte gemacht wird. Ein Vergehen an der Kunst – und eine Drangsalierung unschuldiger Bürger.

 


„Ach, da kommt der Meister! Herr, die Not ist groß! Die ich rief, die Geister werd ich nun nicht los.“
   – Aus Johann Wolfgang von Goethes „Der Zauberlehrling“


Musikerin wird von Fridays for Future-Demo ausgeladen – wegen ihrer Haare

Von Selma Green | Ich gehöre mit meinen 16 Jahren zu den, wie es die ältere Herrschaft gern bezeichnet, jungen Hüpfern. Doch auch mir fällt es schwer, auf dem Laufenden zu bleiben. Von einer Mitschülerin bekomme ich ab und zu mit, welche neuen Hirngespinster sich die grünen Jugendlichen und jungen Erwachsenen ausdenken. Meine Mitschülerin macht manchmal sarkastisch Bemerkungen und veräppelt Begriffe wie “Men’s spreading” und “cultural appropriation”. (Mens spreading bedeutet, dass es sexistisch sein soll, wenn Männer breitbeinig sitzen. Cultural appropriation ist das Tragen oder Benutzen von kulturellen Objekten einer Minderheit und ist deshalb schlecht.) Mein Kopf rauchte, nachdem mir meine Mitschülerin diese Begriffe erklärte. Wie kommt man auf solchen Quatsch? Naja, ob das irgendjemand ernst nimmt?

Ups, da gibt es wohl doch ein paar: Neuerdings las ich in einem BILD -Artikel, dass die Musikerin Ronja Maltzahn aus einer FfF-Demo ausgeladen wurde. Der Grund von Fridays for Future war allen Ernstes: Es sei kulturelle Aneignung, dass sie als Weiße Dreadlocks trägt und sie unterdrücke damit die Schwarzen. Die Musikerin dürfte nur teilnehmen, wenn sie sich ihre Dreadlocks abschneidet. Wie bitte? Inwiefern ist das Unterdrückung von Schwarzen und kulturelle Aneignung? Dreadlocks sind lediglich eine modische Frisur, wenn auch keine schöne. Wenn man schon die ganze Welt in das Tragen von Dreadlocks hineininterpretiert, zeigt die Musikerin doch allerhöchstens, dass sie die Kultur befürwortet.

Diese vielen Verbote, wer was sagen oder tragen darf, sind völlig verrückt. Ich glaube nicht, dass sich irgendjemand ernsthaft deswegen unterdrückt fühlt. Ich habe eine dunkle Hautfarbe und Verwandtschaft in Afrika und mir geht es am Allerwertesten vorbei, ob jemand Dreadlocks trägt oder nicht. Jeder soll doch das tragen, was er gut findet. Naja, würde eine Freundin von mir mit Dreadlocks antanzen, müsste sie zwar heftige Kritik von mir einstecken – aber mehr aus ästhetischen Gründen.

Was darf man heute überhaupt noch machen und sagen? Scheinbar nichts, ohne eine Minderheit zu unterdrücken, außer man ist selbst eine. Zusammen mit der Mitschülerin mache ich mich manchmal über diese grüne Spinnerei aus Verboten lustig. Ich bemerkte: Ich, als dunkles Mädchen, kann einfach alles mit der Argumentationsweise der Grünen rechtfertigen: “Tut mir Leid Herr Lehrer, ich habe meine Hausaufgaben vergessen, weil mich meine hungernden Verwandten in Afrika beschäftigten. In der U-Bahn saßen so viele Männer breitbeinig und dann kamen auch noch weiße Dreadlockträger dazu, ich wurde von allen Seiten unterdrückt. Ich fand mich nicht mehr in der Lage die Hausaufgabe zu lösen.“ Oh Gott bitte nicht, beim alleinigen Schreiben dieser Sätze dreht es mir meinen Magen um. Nein, ich bin vielleicht dunkel und ein Mädchen doch ein Opfer noch lange nicht – am wenigsten, wenn irgendwelche weißen Menschen Dreadlocks tragen.


Ein Gespräch: Was Putins Krieg für in Deutschland lebende Russen bedeutet

Von Johanna Beckmann | In Deutschland leben nach dem Stand 2020 ungefähr 234.000 Menschen mit einer russischen Staatsbürgerschaft. Diese Menschen werden seit dem Kriegsbeginn oft mit Fragen gelöchert und angefeindet. Viele von ihnen sind in Russland die Deutschen und in Deutschland die Russen. Auch in meine Klasse geht ein Mädchen mit einer russischer Staatsbürgerschaft. Sie ist 17 Jahre alt und wohnt ungefähr 1900 Kilometer von ihrer Geburtsstadt Moskau weg. Sie hat mit der russischen Politik so viel zu tun, wie ich – trotzdem muss sie mit Konsequenzen durch den Russland-Ukraine Konflikt rechnen.

Meine Klassenkameradin erzählte mir, dass sie 2015 im Alter von 10 Jahren nach Deutschland kam. Ihr größtes Problem war zu Beginn, die deutsche Sprache zu lernen, um sich gut zu integrieren zu können. In diesen polarisierten Zeiten einen russischen Akzent zu haben, reicht jetzt schon aus, um in ungefragte Diskussionen verstrickt zu werden. „Seitdem der Konflikt eine große Aufmerksamkeit in Deutschland erlangt hat, werde ich oft über meine Meinung gefragt, oft auf eine unhöfliche Art.“, erzählte sie mir. Sie teilte mir mit, dass viele Freunde und Bekannte ihre Meinung teilen und  sie unterstützen, jedoch habe sie das Gefühl, von der Mehrheit verurteilt zu werden –  für Geschehnisse, auf die sie keinen Einfluss hat. 

Ich frage sie, ob sie Angst hat, sie antwortet: „Es gibt zahlreiche Sachen, vor denen ich Angst habe, aber auch die mich wütend machen. Ich glaube, ich muss mich nicht zur Situation in der Ukraine äußern, denn jedem vernünftigen Menschen ist klar, dass das was passiert eine große Schande ist.“ Außerdem sagte sie, dass sie Angst um ihre Verwandtschaft, um sich selber und die Menschen, die ihr wichtig sind hat. Mir weil sie Russen sind, werden aufgrund ihrer Herkunft für den Krieg verantwortlich gemacht. Sie bekommen Probleme, auch wenn sie sich gegen den Krieg äußern. Auch in Russland herrscht bei vielen Menschen Antikriegs- Stimmung.

Jedoch hat sie das Gefühl, von der Mehrheit verurteilt zu werden –  für Geschehnisse, auf die sie keinen Einfluss hat. 

Neben den drohenden Folgen die von Mitmenschen ausgehen, machen ihr aber vor allem die staatlichen Maßnahmen zu schaffen. Von den Sanktionen, die Putin bekämpfen sollen, bekommt sie stattdessen die Folgen zu spüren. Sie hat einen russischen Pass – daher treffen sie die Beschränkung der Reisefreiheit besonders hart. Sie darf nicht ins Ausland reisen, dementsprechend kann sie nicht in den Urlaub fahren und auch bei der nächsten Klassenfahrt muss sie zu Hause bleiben. „Es werden Sanktionen gegen die russische Bevölkerung ausgesprochen, die ich überhaupt nicht nachvollziehen kann. Kreditkarten werden gesperrt, es gibt Visumsbeschränkungen und Meta plant ebenfalls ihren Rückzug aus Russland und viele andere Firmen schließen sich an. Dabei interessiert sie die Situation in der Ukraine überhaupt nicht, sie hoffen, mit solchen Aktionen der “Solidarität”, Sympathie bei Kunden zu gewinnen. Dadurch, dass es Einreisebeschränkungen gibt, können Bürger mit einer russischen Staatsangehörigkeit nicht ausreisen, denn kein Land würde sie reinlassen. Den Menschen wird die Möglichkeit genommen, aus einer Diktatur zu fliehen. Und durch das Sperren sozialer Netzwerke, die von Meta verwaltet werden, sind Russen in ihrem eigenen Land eingesperrt ohne Kontakt zur Außenwelt. Ich finde es unmoralisch doch muss mir trotzdem anhören, dass es Maßnahmen geben muss, um Putin abzuhalten. Ich frage mich, womit die russische Bevölkerung es verdient hat, so von der Welt ausgeschlossen zu sein und wieso sie kein Recht dazu haben, das Regime, das ihnen offenbar schadet, zu verlassen und in einem anderen Land Unterkunft zu suchen.”

Auch wenn es in Deutschland Russen gibt die mit Putin sympathisieren, kann es für Personen wie meine Klassenkameradin schwer sein, behandelt zu werden, als wäre sie eine KGB-Agentin. Sie gehört plötzlich nicht mehr dazu. Denn bei Sanktionen in diesem Ausmaß könnten wir voller Vorfreude unsere Auslandsreise planen: „Welche Sehenswürdigkeiten werden wir besuchen? Wo werden wir shoppen gehen?“ Sie könnte nur daneben sitzen und auf eine Woche Unterricht in einer der unteren Klassen warten. Sie würde für eine Sache bestraft werden, auf die sie keinen Einfluss hat. Ihr Pass wird zum politischen Statement.


Wehrpflicht auch für Frauen: Feminismus gegen die Frau 

Von Selma Green | Von meinen Mitschülerinnen und Lehrerinnen muss ich mir jeden Tag dieselbe alte Leier anhören, wie sexistisch das Leben sei. Fragt man die selbst ernannten Feministinnen versteckt sich dieser Sexismus überall, hinter jeder Ecke, ist Schuld an jedem Problem. “Was haltet ihr davon, dass es so wenig Verhütungsmittel für Männer gibt?“, fragte unsere Englischlehrerin letztens am Ende der Stunde – „Eigentlich ist das ja Sexismus“.

Ich war genervt. Was hat das bitte mit meinem Englischunterricht zu tun? Wen interessiert das? Und was ist eigentlich so schlimm daran? Männer und Frauen sind nunmal nicht gleich. Wir haben eine unterschiedliche Anatomie. Die Geschlechter einfach gleichsetzen zu wollen, ist völlig absurd. Aber das scheint ja kein Kriterium mehr zu sein – wie sich gerade wieder bei der irrsinnigen Debatte um eine allgemeine Wehrpflicht für Männer und Frauen zeigt. 

Überall liest man: Wir leben in einer Demokratie und hätten damit die Aufgabe, Gleichberechtigung und Quoten zu fördern. Eine Wehrpflicht auch für Frauen sei nur gerecht. Für eine rein männliche Wehrpflicht könne man gar nicht mehr argumentieren, das würde lediglich alte Geschlechterrollen fördern. Ich frage mich, ob sich die weiblichen Feministen damit nicht selbst einen Strick drehen. Immerhin sorgt eine allgemeine Wehrpflicht nicht für Gleichberechtigung, sondern nur für Gleichmacherei. 

Aber das funktioniert nicht, da muss ich nur mal an die letzte Schneeballschlacht in der Schule denken: Jeder meiner Schneebälle hat selbst bei zwei Metern Entfernung gekonnt sein Ziel verfehlt, während ich einen Schneeball nach dem anderen kassierte. Die Jungs konnten besser zielen und kräftiger werfen – da bekam ich schon mal einen Schneeball mit 180 Kilometern pro Stunde ins Gesicht geschmettert. Ich hingegen, beherrschte die Kunst, den Ball – anders als geplant – rückwärts zu werfen. 

Ein anderes Beispiel ist der Sportunterricht. Hier wird von den Mädchen eine deutlich geringere Leistung erwartet als von den Jungen. Und darüber bin ich heilfroh. Müsste ich beim Sprinten genauso schnell sein wie die Jungs aus meiner Klasse, würde in Sport eine fette Vier mein Zeugnis schmücken. Die Jungs sind körperlich halt fitter, und das hat nichts mit Diskriminierung von Frauen zu tun.

Nun gut, man kann eine Schneeballschlacht und den Sportunterricht nicht direkt mit Krieg vergleichen. Aber eins steht fest: Wenn es hart auf hart kommt, wären die Jungs aus meiner Klasse besser fürs Militär geeignet als wir Mädchen. Dass die Wehrpflicht nur für Männer gilt, soll körperlich schwächere Frauen und Kinder letztendlich doch schützen. 

Und genau das ist der Witz an dieser Diskussion: Einerseits wäre eine Wehrpflicht nur für Männer nach Logik linker Feministen eine Diskriminierung der Frau. Doch auf der anderen Seite hätten die Frauen an der Front körperlich einen Nachteil. Außer genau das ist die Taktik: Ein Haufen von Frauen, die gleichzeitig ihre Menstruation haben…die schlechte Laune würde bestimmt jeden Soldaten verjagen.

Das beliebte Argument, die Frauen würde überall unterschwellig unterdrückt werden, erweist sich als verrückt. Gleichberechtigung und Gleichsetzung sind zwei verschiedene Paar Schuhe, die zu gern miteinander verwechselt werden. Ich habe das Gefühl, dass Feminismus, wie ich ihn in der Schule lerne und mitbekomme, nur Zwang und nicht wirklich im Sinne der Frauen ist. Frauen müssen jetzt in die Politik gehen. Frauen müssen in naturwissenschaftliche Berufe. Frauen müssen an die Front. Frauen müssen… wie Männer sein.


Wehrpflicht? Aus keiner Perspektive tragbar

Von Jerome Wnuk | Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine ist auch in Deutschland das Thema Wehrpflicht nach Jahren mal wieder aus der Mottenkiste geholt worden. Besonders bei der AfD und Teilen der Union findet die Idee, die 2011 unter Theodor von Guttenberg abgeschaffte Wehrpflicht für Menschen ab dem 18. Lebensjahr wiedereinzuführen, Anklang. Doch die pazifistisch eingestellte „Generation Z“ zum Dienst an der Waffe verpflichten? Eine schlechte Idee.

Ich bin aktuell im Abiturjahrgang und erlebe die letzten Wochen Schule. Neben dem üblichen Schulkram und den tagesaktuellen Geschehnissen beschäftigen wir uns aktuell also vor allem damit, was wir nach der Schule machen. Vor uns steht eine neue, offene Welt, voller verschiedener Möglichkeiten und Reize. Nach zwei harten Jahren Lockdown und Bevormundung durch die Politik spürt man als junger Mensch endlich mal wieder ein Gefühl der Freiheit. Fragt man unter seinen Mitschülern und Freunden und Freundinnen nach hört man die verschiedensten, verrücktesten Ideen was man nach der Schule macht.

Ein Freund von mir will in Ghana als Sportlehrer arbeiten, eine andere Freundin in einem Frauenhaus in Kolumbien. Viele freuen sich endlich studieren zu können oder erstmal Pause nach der Schule zu machen. Doch in dieses Freiheitsgefühl und diese Ideen stößt jetzt die Idee der Reaktivierung der Wehrpflicht. Jetzt erstmal ein halbes Jahr in irgendeiner Kaserne hocken und Disziplin gepredigt zu bekommen? Für die meisten Jugendlichen völlig absurd.

Bis auf ein paar Mitschüler, die sich ein Beruf als Soldat durchaus vorstellen können, ist die Bundeswehr der Mehrheit bisher nur durch die jährlich im Postfach landenden Werbebriefe aufgefallen. Waffen gelten, bis auf Lichtschwerter, eigentlich als ziemlich uncool und obwohl einige Jugendliche irgendwelche Ballerspiele spielen, könnte sich kaum einer wirklich vorstellen in einem Panzer zu sitzen oder irgendwo in einem Wald Schießübungen durchzuführen. Meine Generation ist also nicht nur genervt von staatlichen Eingriffen in den Lebenslauf, sondern auch mehrheitlich völlig nutzlos für die Bundeswehr. Das liegt nicht nur an der zugegebenen immer dekadenter werdenden Jugend, sondern auch an den modernen Anforderungen der Bundeswehr. Für Cyberangriffe und andere Spezialanforderungen sind unausgebildete, lustlose Jugendliche keine Hilfe. In modernen Armeen geht es nicht mehr darum, möglichst viele Soldaten zu haben, sondern möglichst gut ausgebildete. Mal ganz abgesehen davon, dass es einen gewaltigen logistischen Aufwand bedeuten und Jahre an Zeit kosten würde, um Kasernen und militärische Einheiten wieder für den Einsatz von Tausenden von wehrpflichtigen Jugendlichen zu öffnen. Bei der aktuellen Situation der Bundeswehr unvorstellbar.

Wer Lust auf diesen ehrwürdigen Beruf hat, wird auf anderem Weg dazu finden.

Auch das Argument, man könnte durch die Wehrpflicht mehr Jugendliche für den Soldatenberuf begeistern, zieht nicht. Aktuell ist es noch so, dass wenn ein Mitschüler erwähnt, er wird nach der Schule ins Militär gehen, das meistens positiv aufgenommen wird. Man hat Respekt vor dem Beruf, auch weil man es sich selber nicht vorstellen könnte Soldat zu sein. Das könnte mit einer Pflicht sich ändern. Man könnte nach dem Dienst so abgetan sein vom Militär, dass man andere, die eine Soldatenkarriere womöglich anstreben, eher mit schiefem Blick ansehen als mit einem unterstützenden. Was hingegen wirklich für die Bundeswehr wirbt, sind deren Social-Media-Kanäle. Die durchaus ganz kurzweiligen und interessanten Videos motivieren einige Jugendliche dazu sich auch diesen Beruf vorstellen zu können. Ein Mitschüler von mir möchte sich nach dem Abitur verpflichten, initiiert durch das Auftreten der Bundeswehr in den sozialen Medien.

Wer also Lust auf diesen ehrwürdigen Beruf hat, wird ihn schon auf irgendeinem Weg finden. Aber jetzt Tausende an pazifistischen Jugendlichen, die nach Kolumbien und sonst wo reisen und ihre neu gewonnene Freiheit leben wollen, in die Pflicht zu ziehen, wäre eine falsche Entscheidung. Falls es jedoch doch dazu kommen sollte, dass ich bald meine Wehrpflicht antreten muss, dann hoffe ich, dass ich wie mein Vater irgendein Schlupfloch finde. Mein Vater ist in West-Berlin aufgewachsen und musste daher im Gegensatz zu allen anderen Jugendlichen der Republik keinen Wehrdienst antreten.

Pflichten sind ganz einfach nicht die Lösung. Für die Impfung nicht, für bestimmte Meinungen nicht und für aufgezwungene Arbeit auch nicht. Es sind ja auch nicht nur die linken Jugendlichen, die nicht zur Bundeswehr wollen. Wenn ich mir vorstelle, dass ich unter dem Komando von Olaf Scholz und unserer aktuellen Verteidigungsministerin stehen und für linksideologische Politk mein Leben gefährden müsste, würde ich auch von der Fahne gehen. Es ist ja auch nicht so, als wäre die Bundeswehr ein Scherz. Es ist kein Erziehungslager, die die unorganisierte Jugend wieder auf Zack bringen soll. Die Bundeswehr ist dafür da, um im Ernstfall in den Krieg zu ziehen, zu kämpfen, bereit sein, sein Leben zu lassen. Das ist ernst. Ich sterbe ganz sicher nicht für Claudia Roth, oder wer in der Politik noch so das Sagen hat.


Wir übernehmen heute TE-Online!

Achtung, Übernahme! Heute schreiben wir auf TE-Online! Wir finden: Nach anderthalb Jahren, in denen die Interessen junger Leute immer als letzte kamen, können wir auch mal was sagen!

Dieses Wochenende haben sich 20 junge Autoren in einem schönen Hotel nahe Berlin versammelt – manche schreiben schon länger, manche sind Anfänger. Von Freitag bis Samstag werden sie von erfahrenen Publizisten wie Roland Tichy, Josef Kraus und Peter Hahne gecoacht.

Neben Austausch und Vorträgen steht im Zentrum: einen Tag die Seite von TE gestalten. Ein Tag TE unter 30 – bereits im Dezember wurde ein ganzer Tag auf TE von jungen Apollo-Autoren gestaltet. Wir schreiben heute im Laufe des Tages nicht nur über die Lockdown-Auswirkungen auf junge Generationen – wir werden aktuell über das Nachrichtengeschehen berichten, über Impfpflicht, den Krieg in der Ukraine, den Start der Ampel und alles andere, was heute wichtig wird.

Also, schaut vorbei unter http://www.tichyseinblick.de. Wir gehen jetzt ans Werk!


Wokeness bis zum Abwinken: Bei GNTM dürfen jetzt auch Rentnerinnen und Volltätowierte mitmachen

Von Larissa Fußer | Viele Jahre hatte Heidi Klums Castingserie „Germany‘s Next Topmodel“ klare Vorgaben für die Teilnehmerinnen: Wer zu klein, zu alt, zu dick, zu tätowiert oder schlichtweg zu unattraktiv war, durfte nicht mitmachen. Punkt, Ende, Basta. Heute gilt das nicht mehr. In der aktuellen Staffel kämpfen Frauen über 65 Jahren, Volltätowierte, Gepiercte und Vokuhila-Hippies um den Model-Titel. Unsere Autorin weiß nicht, ob sie lachen oder weinen soll.


Liebe Heidi, ja genau, ich meine dich, Ex-Supermodel, Ehefrau des 17 Jahre jüngeren Tokio Hotel- Gitarristen, Ersatz-Mama von hunderten Nachwuchs-Models – wir müssen reden. Ich gucke deine Show – Germany’s Next Topmodel – ja schon eine ganze Weile. Als Teenie war ich sogar ein richtiger Fan: Ich habe mich geschminkt, wie es deine Make-Up-Künstler vorgemacht haben und ich habe vor dem Spiegel Laufen geübt, so wie es deine Catwalk-Trainer erklärt haben. Sicher habe ich auch ein, zwei der Schmink- und Schmuckutensilien gekauft, die ihr den Models in die Hand gedrückt habt, damit sie diese „ganz nebenbei“ vor der Kamera benutzen. Ich war voll auf dem Model-Trip – und habe keine Folge verpasst.

Doch dann hast Du angefangen, deine Show zu verändern. Früher, da gab es bei dir klare Regeln, wer mitmachen durfte und wer nicht. Ich erinnere mich noch an Staffeln, in denen hunderte Mädchen vor deiner Nase über einen riesigen Laufsteg gestakst sind und Du einer nach der anderen mit geschürzten Lippen und quäkender Stimme verklickert hast, dass sie zu klein, zu dick, zu unsportlich, zu tätowiert, zu gepierct, zu langweilig, zu verrückt oder „einfach kein Model“ sei. Manchmal haben sich auch Kerle einen Spaß erlaubt und sich in Kleider mit tiefen Ausschnitten geworfen, aus denen die dunklen Haare dann nur so hervorgesprossen sind. Wenn diese Jungs dann vor dir über den Laufsteg getrampelt sind, fandest Du das gar nicht lustig und hast nur pikiert kommentiert, dass bei deiner Sendung ausschließlich Frauen mitmachen dürfen.

Aber irgendwann – ich glaube es war die Zeit, in der in den Zeitungen stand, dass deine Zuschauerzahlen in den Boden gehen – wurde bei dir plötzlich alles anders. Da habe ich mal ganz unvorbereitet in neue Folgen reingezappt – und plötzlich ging’s nicht mehr um Schminke und Zickenkrieg, sondern darum, dass Transfrau XYZ total am Ende ist, weil gleich das Bikini- Shooting stattfindet und sie ihre Geschlechtsumwandlungs-OP noch nicht hatte. So saßen also Transfrau eins und Transfrau zwei zusammen heulend auf den Bahamas unter der Palme und wurden von zehn Mädels mit Tipps wie „Das kann man sicher irgendwie abbinden“ getröstet. Natürlich hat die Kamera die ganze Zeit voll drauf gehalten und es wurden ungefähr dreißig Kurzinterviews mit den Teilnehmerinnen darüber geführt, wie sie zu dem Bikinishooting-mit-Penis- Problem stehen.

Mit dieser Vorgeschichte war ich gewappnet, als ich deine aktuelle Staffel eingeschaltet habe. Dachte ich zumindest. Plötzlich starrte mich da eine Person mit pinker Vokuhila-Frisur, Nasenpiercing, Hipster-Brille und Überbiss an, die sich gerade damit vorstellte, dass sie mal so lange allein durch die Nacht geradelt sei, bis sie Halluzinationen bekommen hatte. Ich hatte kaum meine Kinnlade wieder unter Kontrolle, da hast Du schon die nächste Teilnehmerin eingeblendet – von Kopf bis Fuß tätowiert, Piercing über der Lippe und auf der Zunge, füllige Figur. Ausführlich hast Du sie über ihre Depressionen und ihre Gewichtszunahme in Folge einer Therapie sprechen lassen – ich habe mich gefühlt, als wäre ich unfreiwillig in eine Selbsthilfegruppe geplatzt. Das kannte ich bisher nur vom Dschungelcamp.

Highlight der Show sind diesmal aber eindeutig zwei andere Teilnehmerinnen: Lieselotte und Barbara. Die beiden sind sage und schreibe 66 und 68 Jahre alt. Also Heidi, jetzt mal im Ernst. Ich kann ja verstehen, dass dir das älter werden schwer fällt. Du bist ja immerhin inzwischen auch fast 50, als Model ist das sicher hart. Aber komm: sich jetzt Models im Oma-Alter einzuladen, nur damit Du daneben frischer aussiehst – das ist doch unter der Gürtellinie.

Findest Du nicht?
https://www.youtube.com/watch?v=nTiDanCo7p8

Guck dir doch mal die Lieselotte an. Die ist schon beim ersten Mal in der Maske den Tränen nah, weil es ja daaaaaaamals in der DDR nur zwei Lippenstiftfarben gegeben hätte. Kurze Zeit später steht Catwalk-Training auf dem Plan und sie säuselt in die Kamera: „Ich habe heute Lust, bei Heidi einen sexy Gang zu lernen“. Aber als sie dann über den Laufsteg holpert, knallst Du ihr nur unverhohlen vor den Latz, dass sie viel zu steif in der Hüfte sei. Merkst Du selber, oder? Die Frau ist 66 – klar ist sie steif in der Hüfte! Und Du verordnest ihr Hulahup-Training – also beim Hausarzt nennt man das Reha-Sport.

Bei der Barbara ist es kaum besser – als ein junges, schwarzes Mädel ihr im Ghetto-Slang verklickern will, dass sie heute zusammen auf dem Laufsteg „rasieren“ werden, guckt Oma Barbara nur wie ein Auto. Die Göre braucht einen Moment, schaltet dann aber und sagt in lieber Schüler-Stimme: „Entschuldigen Sie bitte, ich meinte: ‚Wir machen das!‘“. Es ist Slapstick.


https://www.youtube.com/shorts/von8QSU23SE


Dann gibt es auch noch die 50-jährige Martina, die zusammen mit ihrer Tochter teilnimmt und sich – das strahlt sie mit jeder Pore aus – für das bessere Model hält. Da kriegt man wirklich ganz ekelige Gefühle, wenn man diese hagere, magere Frau mit Kurzhaarfrisur sieht, die darüber schwadroniert, dass sie ja schon sehr viel Modelerfahrung habe und sehr erfolgreich gewesen sei, sich dann aber doch erst für eine Karriere als – hab ich vergessen – entschieden habe. Jetzt aber, erklärt die Martina, wolle sie sich einen Traum erfüllen und habe sich deshalb – VOR ihrer Tochter, das ist ihr merkbar wichtig – für die Sendung beworben.


https://www.youtube.com/watch?v=nW8NUJ3WOVo


Also Heidi, jetzt mal Tacheles: Brechen deine Einschaltquoten so ein, dass dir jetzt jedes Mittel recht ist, um neue Zuschauer zu gewinnen? Es gab eine Zeit, da ging’s in deiner Sendung darum, das schönste Model zu küren – jetzt nennst Du deine Models nur noch „divers“, als ob das ein Kompliment wäre, über das sich eine Frau freut. Und noch was: Du denkst doch nicht wirklich, dass Du deinen Zuschauern vorgaukeln könntest, dass es heutzutage in der Modewelt nicht mehr um‘s Aussehen ginge? Wenn die Models nicht mehr ihr Äußeres verkaufen sollen – mit was sollen sie denn stattdessen Geld verdienen? Mit ihrer Persönlichkeit, ihrem Grips? Im Ernst? Verdienst Du nicht selbst mit fast 50 noch einen Großteil deines Geldes mit Instagram-Fotos?


Naja, ich will aber mal nicht so sein und trotzdem verraten, dass mir eine Szene mit deinen Rentnerrinnen sehr gefallen hat: Die Mädels sind auf Mykonos, es windet wohl und die Mädchen müssen in hohen Schuhen unebene Steintreppen hinunter gehen – großes Geheule, schreckliches Drama. Dann werden die Alten gezeigt. Seelenruhig stehen sie da und sagen in die Kamera: „Also wir verstehen das Gejammer nicht, uns macht das alles nichts aus – liegt wohl daran, dass wir noch aus der Leistungsgeneration kommen.“ Verschmitztes Lächeln der Omis, Cut.


Apollo History: Das Baumhaus an der Mauer

Von Pauline Schwarz | Vor bald 61 Jahren wurde die deutsche Teilung in Berlin durch Stacheldraht und festes Mauerwerk zementiert. In der Nacht zum 13. August 1961 wurden die Sektorengrenzen durch die NVA und bewaffnete Grenzpolizisten abgeriegelt. Sie rissen das Straßenpflaster auf, errichteten Barrikaden, verlegten Stacheldrahtverhaue und fuhren Geschütze und Panzer auf. In dieser Nacht begann der Bau der Berliner Mauer – einem 155 Kilometer langen steinernen Symbol des Kalten Krieges, das Ost- und West-Berliner mehr als 28 Jahre voneinander trennten sollte.

Der „Antifaschistische Schutzwall“ verlief mitten durch Berlin. Aus rein praktischen Gründen aber nicht überall exakt entlang der Gebietsgrenze. Weil man darauf verzichtete die Mauer im Zick-Zack zu bauen, entstand zwischen Kreuzberg und Mitte ein kleines Stück Niemandsland. Für die 350 Quadratmeter große Brachfläche fühlte sich niemand zuständig – Niemand, außer einem türkischen Rentner.

Osman Kalin war im Jahre 1983 gerade in Rente gegangen und laut seinem Sohn zutiefst gelangweilt. Der Mann, der immer schwer auf dem Bau geschuftet haben soll, wollte nicht rumsitzen, sondern wieder etwas mit seinen Händen tun. Also trat er vor die Tür und sein Blick viel auf die Mauer. Genauer gesagt auf einen ganzen Haufen Schrott, Schutt und Müll. Direkt vor seinem Wohnhaus lag eine kleine Verkehrsinsel – in West-Berlin und doch gehörte sie dem Osten. Man hatte die Mauer gerade entlang des Bethaniendamms gebaut und die kleine Ecke ausgespart, womit das Grundstück außerhalb der Zugänglichkeit des Ostens und außerhalb der Zuständigkeit des Westens lag. So verkam das kleine Stück Niemandsland zu einer ungepflegten Brachfläche. „Verschwendung“, hat sich Osman vielleicht gedacht. Er griff zur Tat, räumte den Müll beiseite und setzte die ersten Zwiebeln. Kurze Zeit später hatte der alte Mann mitten in DDR-Hoheitsgebiet einen großen Gemüsegarten angelegt – was ihm zu dieser Zeit noch gar nicht bewusst gewesen sein soll.

Vielleicht merkte er es erst, als DDR-Grenzsoldaten durch eine Luke oder Tür in der Mauer zu ihm herüberkamen. Es entbrannte ein Streit zwischen dem widerborstigen türkischen Rentner und einem Grenzoffizier. Mehmet Kalin, der Sohn von Osman, sagte im Jahre 2007 der alte Vater hätte den verdutzten Grenzsoldaten damals angeblafft: „Ich bin ein Nachfahre der Osmanen, der nur ein wenig gärtnern will auf seine alten Tage“. Und ob es nun genauso war oder nicht, die Grenzer ließen von dem alten Mann ab. Laut Deutschlandfunk hätten die Grenzsoldaten später vom Wachturm aus gesehen, wie West-Berliner Polizisten den alten Mann ebenfalls vertreiben wollten und waren spätestens ab diesem Zeitpunkt auf Osmans Seite – so nach dem Motto: Der Feind meines Feindes ist mein Freund. Laut Mehmet habe sich sein Vater ein paar Monate später wirklich mit den Grenzsoldaten angefreundet. Sie hätten sich gegrüßt und in Ruhe gelassen – kurz vor Weihnachten soll es dann jedes Jahr Geschenke gegeben haben: „Gebäck und eine Flasche Wein“.

Im Niemandsland geduldet, baute sich der alte „osmanische Bauer“ zwischen zwei Bäumen ein Häuschen aus alten Schrott-Teilen – ein Haus, das noch immer steht und heute als „Baumhaus an der Mauer“ bekannt ist. Das Westberliner Bezirksamt soll von dem Projekt damals wenig begeistert gewesen sein und dem alten Mann gedroht haben, doch was sollten sie machen? Immerhin war das offiziell Ost-Gebiet. Also baute Osman weiter, pflanzte Kirsch- und Pflaumenbäume und legte große Gemüsebeete an. Seine Ernte verkaufte er viele Jahre auf dem Markt am Kreuzberger Maybachufer. Nach der Wende hatte man dann zunächst andere Probleme als sich um den alten Mann und sein Grundstück zu kümmern. Erst um die Jahrtausendwende wollte das Bezirksamt Mitte der illegalen Nutzung dann ein Ende setzten.

Doch Osman hatte Glück, die Grenze wurde 2004 begradigt. Sein Grundstück fiel nun in die Zuständigkeit des grün regierten Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg und das gestattete ihm das Nutzungsrecht – mit illegalen Haus- und Grundstücksbesetzern kennt man sich hier bei uns ja bekanntermaßen gut aus. Aber egal wie man das auch finden mag, das Baumhaus ist bis heute eine Touristenattraktion und ein kleiner wie skurriler Teil der Berliner Mauergeschichte.


Die Diskussionskultur der jungen Generation – Werden wir zu Mimosen erzogen?

Von Jule-Marie Heger | In Zeiten von Akzeptanz gegenüber Straßenblockierern, die sich selbst an Straßen festkleben und Diffamierungen von Spaziergängern fühlt man sich oft wie in einer Parallelwelt. Eine Welt in der sektenartig der Weltuntergang zelebriert wird, manch Unwahrheit zur Wahrheit erklärt wird und Demokratie mit schärfster Zensur einhergeht. Neuerdings bedeutet Meinungsfreiheit eine öffentliche und eine private Meinung zu haben, wobei die öffentliche Meinung deutlich von der privaten abweichen kann und eine Maske mit Schutzfunktion darstellt. Woher kommt es, dass nur eine Einheitsmeinung zu akzeptieren ist? Woher kommt das allgegenwärtige Phänomen meiner Generation, sich für das, was man glaubt, krampfhaft entschuldigen zu wollen?

Wenn der Inhalt des Gesagten auch nur ansatzweise von der Meinung der angeblichen Masse abweicht, sollte man besser die Diskussion beenden. Am besten sollte man direkt den Kontakt abbrechen, um nicht der Kontaktschuld wegen „angeklagt“ zu werden. Dann verliert jemand eben seinen Job, wenn er sich unter Kollegen kritisch gegenüber der „Mehrheitsmeinung“ ausspricht. Selbst schuld ist derjenige, der es wagt diese zu hinterfragen oder anzuzweifeln. Schließlich geht es um die Gesinnung und nicht um die Qualität der Arbeit.
Um meine Generation gar nicht erst auf die Idee zu bringen welch großartiges Werkzeug der Kommunikation die Argumentation ist, haben sich die sozialen Medien wie Facebook es zur Aufgabe gemacht selbst zu bestimmen, welche Meinung oder Fakten zulässig sind oder nicht. Gelöscht seien das Konto, der Kommentar oder der Post, welche durch die Filter der Desinformation, Beleidigung etc. fallen. Dabei ist es natürlich egal, ob es sich tatsächlich um jene handelt – das entscheidet dann der Praktikant mit gutem Gewissen oder das automatisierte Filtersystem. Dass die soziale Medienwelt von autoritären und faschistischen Mechanismen durchtränkt ist, ist mittlerweile kein Geheimnis mehr, sondern Realität eines jeden Konsumenten – zumindest von demjenigen, der es merkt.

Auch in den öffentlich-rechtlichen Medien ist diese Art von Gängelung sichtbar. Richtige Debatten mit Gegenpositionen sind selten zu sehen. Die angebliche Gegenposition, in einer Talk-Show beispielsweise, ist dann oft der gleichen Meinung wie der Diskussionspartner und fordert die gleichen Dinge – nur weniger radikal. Ein Diskussionspartner, von dem bekannt ist eine konträre Meinung zum links-ideologischen Narrativ aufzuweisen, wird dann gar nicht erst eingeladen bzw. nicht wieder eingeladen. Oder derjenige wird innerhalb eines Formats derart diffamiert, unterbrochen und vernachlässigt, dass er eigentlich kein Teil einer konstruktiven Diskussion gewesen sein könnte. Folge für diejenigen, die jemanden einladen, der nicht dem links-grünen Idealismus folgt oder auch nur leicht abweicht, sind ein medialer Skandal und schwere Vorwürfe. Das konnte man z.B. an Jan Böhmermann sehen, der Markus Lanz vorgeworfen hat, er würde Gäste mit „menschenfeindlichen Meinungen“ einladen und er die sogenannte „False Balance“ der Meinungen auszugleichen habe.

Wenn mit diesen Mechanismen die jetzige Generation nicht umerzogen wird, dann muss die Mehrheit entweder mit Scheuklappen aufstehen und zu Bett gehen oder überaus starke Prinzipien haben. Gelyncht sei derjenige, der es wagt nicht zu gendern und nicht explizit von Studentinnen und Studenten zu sprechen. Gecancelt sei derjenige, der von Zigeunerschnitzeln spricht und nicht von Schnitzel mit Paprikasoße ungarischer Art. Wenn es keine Probleme gibt, muss man sie eben selbst herstellen. In einer Allensbach-Studie von 2021 gaben beispielsweise drei Viertel der Befragten an wie in gewohnter Weise den Begriff „Zigeunerschnitzel“ bewahren zu wollen. Auch hat die überwiegende Mehrheit der Befragten haben angegeben sich politisch korrekten Sprachregelungen nicht hingeben zu wollen. Welch ein umgedrehtes Bild der Realität die gängigen Medien doch widerspiegeln. Die Auswirkungen von Cancel Culture, Cancel Science und Political Correctness haben ihren Platz in den Köpfen der Deutschen schon längst gefunden und bestimmen die Debattenkultur innerhalb meiner Generation. Eine Diskussion besteht doch gerade darin verschiedene Argumente und Meinungen zuzulassen und sich diesen zu öffnen. Es ist doch schlichtweg unnatürlich ausschließlich der gleichen Meinung zu sein. Umso menschlicher ist es den lebhaften Diskurs zu bewahren und die Meinungsvielfalt als demokratische, natürliche Selbstverständlichkeit zu betrachten. Viel zu oft beschränken Menschen sich selbst und ihre eigene Meinung, wenn sie es nicht wagen sich aus ihrer angeeigneten Ideologie zu befreien.

Eine Debatte auf Augenhöhe kann nur zustande kommen, wenn der Diskussionspartner, die geäußerten Sachverhalte rational betrachten würde. Wenn darauf geachtet wird, was gesagt wird und nicht wie es gesagt wird. Wenn man sich wegen seiner eigenen Meinung nicht vorerst entschuldigen muss, sondern tatsächlich auch mal etwas ausgehalten würde. Nur so kommt man wieder in eine auf eine vernünftige Diskussionskultur. Der Sinn einer Diskussion ist nicht, dass beide Parteien auf einen Nenner kommen. Es ist mehr die Diskussion selbst, die den Austausch von Argumenten erst möglich macht.