Archiv: August 17, 2022

Wir haben keinen Kanzler mehr

Von Elisa David | Monatelang hieß es: Wo ist eigentlich Olaf Scholz? Wo ist unser Kanzler? Jetzt hat man ihn gesichtet – und es wäre besser, er wäre weggeblieben. Olaf Scholz hat Schulter an Schulter mit „Palästinenserpräsident“ Mahmud Abbas eine Pressekonferenz im Kanzleramt gegeben. Mit welcher Legitimation man den überhaupt in unser Land und das Herz unserer Demokratie gelassen hat, nachdem er ja schon mindestens seit 2009 nicht mehr legitimiert ist (und der ganze Status von „Palästina“ ist ja sowieso fraglich), fragt man sich vergebens. Aber gut, nun war er da. 

Was würde man von einem Mann, dessen Land einen Vernichtungskrieg gegen das einzige jüdische Land der Welt – und den einzigen demokratischen Staat im Nahen Osten – führt, seinen Doktor in Holocaustleugnung gemacht hat und sich mit islamistischen Terroristen verbrüdert, erwarten? Wahrscheinlich ungefähr das was er dann auch tatsächlich getan hat. Auf der tollen Bühne die er durch unseren Kanzler zur Verfügung gestellt bekommen hat, nutzt er die Reichweite um Israel die Verübung von „50 Holocausts“ zu unterstellen. Scholz stand daneben – und schwieg. Kein Kommentar, kein Widerspruch – von härteren Konsequenzen ganz zu schweigen. Der BILD-Zeitung sagt er dann später, dass er jegliche Relativierung des Holocaust „unerträglich und inakzeptabel“ findet. Außerdem habe er ja eigentlich unmittelbar reagieren wollen und sei auch sehr empört. Aber da sein Regierungssprecher Steffen Hebestreit die Pressekonferenz nach dieser Aussage sofort beendet hat, hatte er auch keine Gelegenheit mehr dazu. 

Entmachtet vom Untergebenen

Unser Bundeskanzler wurde entmachtet – von seinem eigenen Regierungssprecher. Auf der Internetseite der Bundesregierung steht zu Steffen Hebestreit schwarz auf hellblau eigentlich klipp und klar: „Er untersteht direkt Bundeskanzler Olaf Scholz“. Als Regierungssprecher hat Hebestreit keinerlei Kompetenzen, die es ihm ermöglichen Olaf Scholz auf irgendeine Weise das Wort zu verbieten. Er hat es aber trotzdem geschafft, wahrscheinlich sogar unabsichtlich. 

https://www.bundesregierung.de/breg-de/service/regierungssprecher-1988244

Inzwischen bereut Hebestreit es, die Pressekonferenz zu schnell abgebrochen zu haben: „Das bereue ich zutiefst und das muss ich auf meine Kappe nehmen.“ Er erklärt den Journalisten, die hätten gestern ja selbst gesehen, dass Olaf Scholz ihn beim Abgang dafür „angeraunst“ habe, dass er die Veranstaltung zu schnell beendet hat und dass er gerne noch etwas entgegnet hätte. So will man das Ganze jetzt also drehen: Neeeeeiiiin, Olaf hat doch nicht geschwiegen. Eigentlich kochte er vor Wut, war über die Maße empört und wollte auch sofort seine brennende Solidarität zu dem Staat Israel bekunden – aber dann wurde halt leider die Konferenz abgebrochen, da kann man eben nix machen. Politik und „Nie wieder“ scheitern dann an einem Regierungssprecher. Was hat er gemacht? Den off-Schalter am Scholz-Roboter betätigt? Das Licht und die Mikrophone ausgeschaltet? Beide von der Bühne gezerrt? Was hat Olaf Scholz davon abgehalten, zu sagen: „Nein, das brechen wir jetzt nicht ab, ich habe noch was zu sagen.“ 

Kann Scholz Kanzler? Nein, er kann nicht mal Politiker.

Ist das die Art, auf die Deutschland sich der Welt präsentieren will? Wir sprechen Machtworte nur, wenn sie in den Zeitplan passen? Sein wir doch mal realistisch. Dass er die Pressekonferenz so schnell abgebrochen hat, war kein Fehler von Hebestreit. Vielmehr wollte der Parteisoldat doch seinen Bundeskanzler retten. So wie Biden bei seinen Auftritten einen Zettel in die Hand gedrückt bekommt auf dem er erinnert wird, wann er sich auf seinen Stuhl setzten darf, hat Olaf seinen Steffen an seiner Seite, der Auftritte abbricht wenn der schon wieder einen seiner Schweigeanfälle hat. Dann läuft in seinem Kopf nur noch Fahrstuhlmusik und sein Gesicht sieht gequält aus, als hätte er schlechte Schawarma gegessen. 

Dabei ist Scholz doch sonst nicht auf den Mund gefallen. Sein selbstzufriedenes Grinsen kommt doch so oft zum Einsatz, wenn er auf die Frage eines Journalisten mit Sprüchen wie: „Ja, könnte ich.“ antwortet. „Hätte hätte Fahrradkette“, hebt er sich noch für später auf. Wenn staatstreue Journalisten ihm Interessensfragen stellen, kriegt er den Mund auf. Aber wenn es darauf ankommt, nicht. Nichtmal die absolut grundlegendste Qualität die man als Bundeskanzler, oder überhaupt als Politiker haben muss – nämlich im richtigen Moment zumindest das richtige zu sagen, wenn man schon nichts tut – kann Olaf Scholz bieten. Dass dieser Witz von einem Mann überhaupt mal die Dreistigkeit hatte, im Wahlkampf für sich von Führungsqualität zu sprechen, ist eigentlich unglaublich.

Für Widerspruch war keine Zeit mehr. Zum Händeschütteln aber schon.

Israelische Politiker zeigen sich erbost über die Äußerungen von Abbas – völlig zu recht. Man muss in Israel alarmiert sein, wenn der Nachbar, der seit Wochen mit Raketen auf Zivilisten schießt, sich so äußert. Es ist eine Schande, dass das ausgerechnet auf deutschem Boden passieren musste.  Die ganze Welt blickt auf dieses Video. Abbas war sich seiner Sache dabei von Anfang an sicher, sah keinen Grund sich zurückzuhalten, nur weil man ihn jetzt nicht mehr nur im palästinensischen Propaganda-Fernsehen sieht oder weil er im Kanzleramt zu Gast war. Es ist schlimm genug, dass er von vornherein so wenig Respekt vor uns und unserem obersten Regierungschef hatte. Doch Scholz hat ihn darin auch noch bestätigt. Für eine Entgegnung war schließlich keine Zeit mehr. Zum Händeschütteln aber schon. Statt für diesen Fehler einzustehen, muss sein Sprecher jetzt für sein Versagen den Kopf hinhalten und um Gnade flehen. Wir haben keinen Bundeskanzler mehr. 


Trump punktet mit weiterem innerparteilichen Sieg in Wyoming

Von Boris Cherny | Mit der Niederlage der Kongressabgeordneten Liz Cheney in den parteiinternen Vorwahlen für ihren Sitz im Kongress geht eine weitere Politikerin des „Never Trump“ Flügels der Republikanischen Partei vorerst in den politischen Ruhestand. Auch Lisa Murkowski, „Anti-Trump“ Republikanerin und Senatorin für Alaska hatte bei ihrer Vorwahl mit Problemen zu kämpfen. Das sind Zwischensiege für Ex-Präsident Donald Trump in seinem Rundumschlag innerparteilichen Gegner.

Liz Cheney, Tochter von George W. Bushs Vizepräsident Dick Cheney und seit 2017 Abgeordnete für Wyomings einzigen Distrikt im amerikanischen Repräsentantenhaus, war einst als konservative Abgeordnete bekannt. Sie stimmte im Repräsentantenhaus zu 93 % der Fälle für Trumps Positionen, öfter als einige Abgeordnete aus dem engsten Kreis des Präsidenten. Infolge der Ereignisse nach dem Sturm auf das Kapitol durch Trump Unterstützer am 6. Januar 2021 wurde sie zu einer der berühmtesten republikanischen Kritiker Trumps. Unter anderem stimmte sie als eine von zehn Republikanern im Repräsentantenhaus für die Amtsenthebung Trumps.

Seitdem ist sie zu einem der innerparteilichen Hauptgegner des ehemaligen Präsidenten geworden. Aber auch an der Basis ist sie auch unbeliebt geworden, nachdem sie von den gegnerischen Demokraten in den Ausschuss zum 6. Januar ernannt wurde und dort nun als vermeintliche Vertreterin der Republikaner auftritt, obwohl Kandidaten der republikanischen Fraktion für Ausschussposten von den Demokraten blockiert wurden. Vielen Trump-Anhängern gilt sie damit auch als republikanisches Aushängeschild, als „RINO’s“ (Republikaner nur im Namen),  für Attacken der Demokraten gegen Trump und die Republikaner.

Dieses Jahr stehen in den USA die „Midterms“ an. Bei diesen Wahlen in der Mitte der Amtszeit des Präsidenten werden alle Abgeordneten des Repräsentantenhauses und ein Drittel der Abgeordneten im Senat neu gewählt. Vorher stellen sich die Kandidaten innerparteilichen Vorwahlen, die über den Frühling und Sommer verteilt sind. Gestern stand nun auch die Vorwahl für Cheneys Distrikt an. Diese verlor sie krachend gegen den von Trump unterstützten Kandidaten Harriet Hageman.

Neben Liz Cheney werden auch andere Trump-Kritiker innerhalb der Republikanischen Partei Ziel von Trumps Rache. Insbesondere die Senatoren und Kongressabgeordneten, die für seine Amtsenthebung stimmten, sind in seinem Visier und sollen, wenn es nach Trump geht, keinen Platz mehr bei den Republikanern haben. Deshalb stellt er nun, wie im Fall von Liz Cheney wie auch in unzähligen anderen republikanischen Vorwahlen, eigene Gegenkandidaten in den Vorwahlen auf, um die unliebsamen Politiker abzuwählen. 

Zeitgleich zu Cheneys Vorwahl wurde in Alaska die „Anti-Trump“ Senatorin Lisa Murkowski auf die Probe gestellt. Auch wenn sie vorerst in die Hauptwahlen im November einzieht, wurde sie durch ihre trumpistischen Gegenkandidaten stark geschwächt. Manch anderer „Anti-Trump“ Republikaner hatten weniger Glück. Von den zehn Republikanern, die im Repräsentantenhaus für eine Amtsenthebung Trumps stimmten, stehen, nach Cheneys Niederlage, nur noch zwei zur Wahl im November. Vier der anderen Acht haben ihre Vorwahlen verloren, und der Rest hat sich, mutmaßlich um nicht in den Vorwahlen zu scheitern, nicht zur Wiederwahl gestellt.

Mit Cheney setzte Trump jetzt seinen Feldzug gegen innerparteiliche Gegner fort. Bei weitem nicht jeder Versuch einen solchen loszuwerden war erfolgreich: In Georgia etwa fuhren Trumps Gegenkandidaten peinlich hohe Niederlagen ein, aber in Staaten wie Wyoming steht fest: Das ist und bleibt Trump-Land.




Gasumlage: Zum Schaden des deutschen Volkes

Von Luca Tannek | „Wer soll das bezahlen? Wer hat das bestellt? Wer hat so viel Pinke-Pinke? Wer hat so viel Geld?“ Diese Verse des Liedes „Wer Soll Das Bezahlen?“ von Jupp Schmitz spielten sich in meinem Kopf ab, als ich mitbekam, dass der deutsche Bundesmisswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) dem deutschen Gasverbraucher nun eine zusätzliche Abgabe aufdrücken will. Herr Habeck verkündete am Montag, dass man nun trotz der ohnehin schon hohen Gaspreise eine sogenannte Gasumlage zahlen soll. Der Zeitraum gilt von Oktober 2021 bis August 2022 und soll alle drei Monate erneut berechnet werden. Diese Verordnung ist an Dreistigkeit kaum zu überbieten.

Hätten Gaskunden im August letzten Jahres gewusst, wie viel Geld sie in einem Jahr pro Kilowattstunde zahlen müssen, hätten sie sich wahrscheinlich nach Alternativen umgesehen. Denn im August 2021 zahlte man noch 6,29 Cent, zwölf Monate später sind es plötzlich 17,84 Cent. Dass der Staat von Preiserhöhungen profitiert sollte klar sein, wenn man bedenkt, dass indirekte Steuern mit dem Preisanstieg proportional steigen. Laut Robert Habeck reicht das aber nicht. Neben Inflation und Angebotsverknappung -zwei elementare Ursachen für den Preisanstieg- soll der Gasverbraucher nun zusätzlich eine Abgabe namens „Gasumlage“ blechen. Die Trading Hub Europe GmbH (Vereinigung sämtlicher Gasimporteure Deutschlands) berechnete 2,419 Cent pro Kilowattstunde. An die Gasimporteure soll die Gasumlage nämlich gezahlt werden -sie sollen vor möglicher Insolvenz geschützt werden. Dies würde für einen Haushalt mit einem jährlichen Verbrauch von 15.000-20.000 Kilowattstunden Mehrkosten in Höhe von 432 bis 576 Euro betragen -und das ohne Mehrwertsteuer. Denn die wird noch verhandelt. Aber nicht nur Privathaushalte müssen den Gürtel enger schnallen, sondern auch die Industrie. Speziell Glas-, Papier- und Düngeproduzenten, wie auch die gesamte Chemiebranche könnten durch die neue Abgabe enorm belastet werden. Die Vereinigung EID (energieintensiven Industrien) warnte bereits, dass Mehrkosten in Höhe von 5,30 Milliarden Euro pro Jahr zu erwarten sind, wenn die Gasumlage in Kraft tritt. Die Regierung wird das herzlich wenig kümmern. Denn man hat schließlich von Angela Merkel gelernt: jede einschneidende Entscheidung ist leider alternativlos. So Habeck: „Die Alternative wäre der Zusammenbruch des deutschen Energiemarktes gewesen“. Es herrschen in Deutschland Zustände wie in einer Molkerei. Die Regierung melkt die Industrie und Haushalte bis zur Erschöpfung und denkt nicht im Traum an Entlastungen. Blickt man ins Ausland, wird klar, dass nicht jede Regierung ihre Bürger als bloßes Nutzvieh sieht. Denn dort wird ent- statt belastet. Bürger und Unternehmen sind nämlich keine Kühe!

Sollte die befristete Gasumlage im Herbst wirklich in Kraft treten und politische Verantwortliche nicht dafür sorgen, dass Deutschland genügend Gas importiert, wird dieser Winter ziemlich düster. Die Bürger sind zunehmend mit  Rekord-Inflation und Unsicherheiten belastet und sollten sich diesen Akt zum Unwohle des deutschen Volkes nicht gefallen lassen.


Ein Jahr Fall von Kabul: Frauenrechte unter Attacke

Am 15. August 2022 jährte sich der Fall von Kabul von 2021 zum ersten Mal, Apollo bringt daher diese Woche eine Artikelserie zum Rückblick auf die Geschehnisse von damals und ihren Konsequenzen. 

Von Gesche Javelin | Seit der Übernahme der Taliban am 15. August 2021 wurden die Freiheiten und Rechte der Frauen in Afghanistan wieder drastisch eingeschränkt. Frauen dürfen das Haus nicht ohne Begleitung eines männlichen Verwandten verlassen und müssen sich verhüllen. An öffentlichen Orten wie Cafés oder Parks gibt es geschlechtergetrennte Bereiche oder Öffnungszeiten. Auch die Kurse an Universitäten werden strickt nach Geschlechtern getrennt. Frauen bekommen kaum noch Chancen, ein Studium zu beenden, denn es gibt wenn überhaupt nur wenige Kurse für Frauen. Dazu kommt noch, dass Mädchen keine weiterführenden Schulen mehr besuchen dürfen.

In Sachen Frauenrechte war Afghanistan selbst vor einem Jahrhundert schon weiter als im letzten Jahr. Als Amanullah Khan im Jahr 1919 König wurde, änderte er einiges für die Frauen in seinem Land. Er setzte sich mit seiner Frau zusammen unter anderem für Bildung für Mädchen und Frauen und die Abschaffung der Burka ein. Seine Frau, Königin Soraya setzte ein Zeichen gegen die Verschleierung, indem sie auch in der Öffentlichkeit ohne Schleier auftrat. Sie war die erste Königin, die sich politisch engagierte. Die Stammesführer gingen jedoch gegen seine Regentschaft vor und Amanullah Kahn musste abdanken und nach Europa fliehen.

Während in den letzten 20 Jahren die Zahl der erwerbstätigen Frauen von 15% auf knapp 20% stieg, schaffte die Taliban in nur einem Jahr den Fortschritt wieder rückgängig zu machen. Tausende Anwältinnen, Polizistinnen und Journalistinnen mussten ihre Arbeit aufgeben, weil die neuen Taliban-Gesetze nicht mehr zulassen, dass Frauen in diesen Jobs arbeiten. In der Taliban-Regierung sind Frauen gar nicht vertreten. Das Ministerium für Frauenangelegenheiten wurde abgeschafft. Anstatt dessen wurde das „Ministerium für die Verbreitung von Tugend und Verhinderung von Lastern“ eingeführt. Dieses Ministerium ist hauptverantwortlich für die meisten Beschränkungen der Frauenrechte in Afghanistan.

Frauen und Mädchen müssen sich nicht nur äußerlich verschleiern. Sie werden vom öffentlichen Leben großteils ausgeschlossen und ihrer Zukunftschancen beraubt. Wenn sie sich nicht fügen, werden sie in Gefängnisse gesperrt, mit Gewalt versucht gefügig zu machen oder ihre Familien werden bedroht. Der friedliche Protest am letzten Samstag auf den Straßen Kabuls für Essen, Arbeit und Freiheit wurde mit Warnschüssen und Gewalt beendet. Die Frauen werden bedrängt, eingesperrt und verletzt. Auch vier Journalisten, die über den Protest berichten wollten, sind  laut dem Verband unabhängiger Journalisten in Afghanistan (AIJA) festgenommen worden. Diese Menschen kämpfen für ihre Rechte, für ein Leben in Freiheit und das teilweise unter Lebensgefahr.

 


US-Abgeordnete AOC: Jung, vocal, linksradikal

AOC-Karikatur. Von DonkeyHotey via Wikimedia Commons (Lizenz)

Von Sven Verst | Der deutsche Sommer war bisher sehr ereignisreich: Neben einer bundesweiten Debatte darüber, ob man ein vulgäres Schlagerlied verbieten sollte, gab es auch lebensbetreffende Themen. Steigende Preise in allen Lebensbereichen, ein neues Infektionsschutzgesetz, die mögliche Verlängerung der Laufzeit von Atomkraftwerken und die Vorbereitung auf einen kalten Winter, einen „Wutwinter“, dominieren den politischen Diskurs. Da geraten die USA, welche während Trumps Präsidentschaft dauerhaft in den Medien waren, in den Hintergrund. Die Situation in den USA ist jedoch nicht entspannter – das Land ist gespalten wie eh und je, vielleicht sogar wie selten zuvor. Eine profilierte Politikerin blamierte sich diesen Sommer gleich mehrmals.

Alexandria Ocasio-Cortez, kurz AOC, sitzt seit Januar 2019 im Repräsentantenhaus und gehört zu den radikalsten Politikern im Land. Auf ihrer Instagramseite erstellt sie regelmäßig Stories für ihre 8,7 Millionen Follower über ihren Tag. AOC ist vor allem Polit-Influencer, ihre Arbeit in den sozialen Medien scheint für sie fast wichtiger als die Arbeit im Kongress. Erst kürzlich wurde sie dafür von einer anderen Demokratin angegriffen: Senatorin Ramos aus New York kritisierte Ocasio-Cortez für Mangel an Arbeit mit Menschen aus ihrem Wahlkreis sowie Mitarbeitern. Stattdessen betreibt sie möglichst medienwirksamen Aktivismus. Auch in Deutschland haben wir eine junge Abgeordnete, welche ihre Zeit vor allem damit verbringt, Tanzvideos auf TikTok hochzuladen, während 104 Fragen auf abgeordetenwatch.de auf eine Antwort warten. Diese neue Politikerklasse, die lieber im Netz als im Parlament wirkt, ist also kein deutsches Phänomen.

Zurück zu Ocasio-Cortez, welche an den Stufen zum Kapitol von einem Comedian geschmacklos angesprochen wurde. Er beschrieb sie als seine „favourite big booty Latina“. Ocasio-Cortez war besonders verärgert darüber, dass dieser Mann nicht von der anwesenden Polizei in seinem Recht eingeschränkt wurde, frei zu sprechen. Ein Recht, welches in den USA im Vergleich zu Deutschland deutlich ausgeprägter ist. Verstört von dem Vorfall berichtete sie auf Instagram und erfand weitere anzügliche Komplimente dazu. Es ist nicht das erste mal, dass „AOC“ sich als Opfer von Sexismus inszeniert – dem profilierten konservativen Kommentator Ben Shapiro warf sie „catcalling“, also Belästigung vor, weil dieser sie auf Twitter zu einer Debatte eingeladen hatte. 

Neulich sorgte die radikale Sozialistin erneut für Aufsehen: In einer weiteren von ihr als „ziviler Ungehorsam“ betitelten Aktion wurde sie nach einer Demonstration gegen das amerikanische Supreme Court  zusammen mit 16 weiteren demokratischen Abgeordneten verhaftet. Hintergrund der Aktion war die umstrittene Entscheidung des obersten Gerichtes, das bundesweite Recht auf Abtreibung zu kippen. Republikaner werfen ihr vor, es aussehen zu lassen, als wäre sie in Handschellen abgeführt worden, was nicht der Fall war.

Als weitere Aktion gegen die Gerichtsentscheidung bezüglich Abtreibung verkündete sie in einer Instagramstory, zur Maniküre zu gehen. Diese Maniküre sei eine persönliche Reklamationshandlung. Die klare Absurdität dieser Aktion wirft selbstverständlich Fragen auf bezüglich der Wichtigkeit des Themas. Mutige Maniküre ist das nicht – eher peinliche, persönliche Inszenierung. 

Alle guten Dinge sind drei. Dementsprechend informierte sie auf Twitter ihre 13 Millionen Twitter-Follower, wie man Abtreibungsregeln umgehen kann. Dafür ruft sie jedoch nicht nur auf, in einen anderen Bundesstaat zu reisen oder eine Fehlgeburt vorzutäuschen, sondern weist auf die Organisation AidAccess hin, welche illegale Abtreibungsmedikamente zur Verfügung stellt. Dafür schreiben Ärzte in Europa ein Attest, mit welchem diese Medikamente dann von indischen Apotheken bestellt werden können. Das Ganze soll lediglich um die 105€ kosten.

Eine weitere wichtige Entscheidung des Supreme Court reduziert die Macht der Environmental Protection Agency (EPA). Die darf nun nicht mehr Treibhausgasemissionsgrenzen festlegen und somit tief in die amerikanische Wirtschaft eingreifen. Emissionsgrenzen dürfen laut dem Urteil nur vom Kongress und Senat festgelegt werden. Ocasio-Cortez beschrieb dieses Urteil als Putsch und forderte nichts weniger als die Auflösung des Gerichts. Aus der Perspektive von freiheitsliebenden Menschen ist es ein positives Urteil, denn Entscheidungsgewalt wurde dem Regierungapparat entzogen und zurück an die Repräsentanten des Volkes gegeben – und wer die Auflösung des obersten Organs der unabhängigen Judikative fordert, ist zumindest deutlich näher am Vorwurf eines „Putsches“, als das oberste Gericht es je sein könnte. 

Auch vor Eigennutz macht Ocasio-Cortez keinen Halt. Eine ihrer Kernforderungen ist das Vergeben von Studienschulden. Allerdings hat sie und weitere Demokraten Studienschulden, sie würden sich also direkt mehr Geld ins Portemonnaie zaubern. Zur Einordnung: Mitglieder im Repräsentantenhaus verdienen $174 000 im Jahr. Damit gehören sie zu den amerikanischen Gutverdienern, denn das durchschnittliche Jahreseinkommen von Haushalten liegt gerade mal bei $95 000. Eine Umverteilung von unten nach oben, mit Unterstützung der selbsterklärten demokratischen Sozialisten.

Nicht verwunderlich also, dass Jim Messina, ehemaliger Obama Campaign Manager, sich auf Twitter negativ über Ocasio-Cortez auslässt – und sich nicht zurückhält. Messina kritisiert ihre „progressiven“ Vorstöße besonders in den kommenden Primaries wörtlich als „dumme Scheiße“. Demgegenüber steht ein Kommentar im Politmagazin „The Hill“, laut dem Ocasio-Cortez die vermeintlich besten Chancen gegen Trump in 2024 hätte. Der Ex-Präsident dürfte sich ins Fäustchen lachen, wenn er solche Beiträge liest – selbst gegen Hillary Clinton hatte er es nicht so leicht, wie er es gegen die Lifestyle-Sozialisten AOC hätte. 


Zu woke für Hollywood: DC cancelt seinen Batgirl-Film

Von Boris Cherny | Das Hollywood der letzten Jahre ist für seine Neigung zur politischen Korrektheit und linker Identitätspolitik bekannt. Keine Preisverleihung vergeht, ohne eine Rede, in der uns ein Schauspieler mit Sektglas in der Hand auffordert, dem Klima zuliebe weniger zu konsumieren. Ein Monat, in dem nicht einem Regisseur oder Darsteller entweder Rassismus, Transphobie, Sexismus oder alles gleichzeitig vorgeworfen wird, ist zur Seltenheit geworden. Außerdem kommt kaum noch ein Film ohne politische Agenda aus. Die meisten solcher Streifen gehen vor dem Publikum gnadenlos unter, doch das scheint bisher den Studios und Drehbuchautoren herzlich egal gewesen zu sein.

Doch nun ist es nach dem jahrelangen Trend von woken Filmen zur Katastrophe gekommen. Der fast fertiggestellte woke Superheldenfilm „Batgirl“ wird gar nicht erst erscheinen, wie das Studio Warner Bros. am 2. August bekannt gab. Der Film sollte auf der Streamingplattform von Warner Bros. HBO Max erscheinen. Einen gedrehten Film noch vor Streaming-Start zu verwerfen, ist eine äußerst drastische und seltene Entscheidung, die für Hollywood-Studios einem Super-Gau gleichkommt.

Batgirl sollte von einer Latina gespielt werden

Die Bibliothekarin Barbara Gordon alias Batgirl ist, wie der Name schon verrät, eine Heldin im Fledermauskostüm aus der Welt der Superhelden von DC. Bisher überwiegend in der Rolle als Helferin von Batman bekannt, sollte sie endlich einen eigenen Blockbuster bekommen. Selbstverständlich konnte der Film über diese feministische Ikone nicht ohne eine ordentliche Portion Diversität auskommen. Batgirls beste Freundin ist transsexuell und die Superheldin selbst wird von der Latino Schauspielerin Leslie Grace verkörpert. Auch wenn sonst nicht viel über die Story bekannt ist, kann man sich eines Films voll von politischer Korrektheit sicher sein, vor allem wenn man den Ergebnissen der Probevorführungen des Films Glauben schenken darf. Denn neben einer allgemein unterirdischen Qualität soll der Film für die Testaudienzen hauptsächlich viel zu politisch gewesen sein. Zwar bestreitet Warner Bros., dass der Film aufgrund seiner Qualität nicht erscheint, gleichzeitig beteuert CEO David Zaslav jedoch, man bringe keinen Film heraus, an den man nicht glaube. Die genaue Bedeutung dieses Satzes ist unklar, doch einen Film mit einem 90 Millionen Dollar Budget zu verwerfen, ohne dass es einen Mangel an Qualität gibt, wäre eine wirtschaftlich nur bedingt sinnvolle Entscheidung von Warner Bros. Gewesen – insbesondere da schon die letzten DC Filme floppten und Warner Bros. einen Erfolg mit dem Franchise dringend braucht.

Rassismusvorwürfe gegen Warner Bros

Der erwartete Aufschrei der englischsprachigen Mainstream-Presse kam sofort. NBC betitelte die Aufgabe des Films als „unvernünftigen Schlag für diverse DC Comic Fans“ und brachte das Fiasko mit vermeintlichem Rassismus und Sexismus des Managements von DC und Warner Bros. in Verbindung. Auch in einer Online-Kolumne des Film-Magazins „Variety“ wurde Warner Bros. Entscheidung kritisiert und dem Studio vorgeworfen, aufgrund von Rassismus nicht an Latinos und ihre filmischen Geschichten zu glauben. Dass Zuschauer möglicherweise nicht den tausendsten Film durchtränkt von Themen wie Feminismus, Rassismus und Homophobie sehen wollen könnten, und das unabhängig von der Hautfarbe der Schauspieler, kam den Journalisten nicht in den Kopf.

Die Rassismusvorwürfe können allerdings nicht über das Ergebnis hinwegtäuschen: Erstmals ist ein woker Hollywood Film nicht erst in den Kinos gescheitert, sondern bereits vor der Veröffentlichung. Das Ereignis lässt ein Umdenken in der Branche erhoffen, sodass wir vielleicht öfter die positiven Beispiele von alter unpolitischer Unterhaltung, beispielsweise „Top Gun: Maverick“ zu sehen bekommen.


Ein Jahr Fall von Kabul: Das wahre Gesicht der Taliban

Am 15. August 2022 jährte sich der Fall von Kabul von 2021 zum ersten Mal, Apollo bringt daher diese Woche eine Artikelserie zum Rückblick auf die Geschehnisse von damals und ihren Konsequenzen. 

Von Simon Ben Schumann | Für radikale Islamisten ist „Rechtsstaatlichkeit“ ein Fremdwort. Afghanistan – hin und hergerissen zwischen Modernisierung und Fundamentalismus – bekommt das jetzt zu spüren. Aber was bedeutet das konkret?

Letzten Sommer übernahmen die Taliban die Staatsgewalt in Afghanistan. Es ist nicht das erste Mal: Im Jahr 1997, während des afghanischen Bürgerkrieges, konnte die Terrorgruppe ihre Vorstellungen schon einmal in die Tat umsetzen. Damals proklamierten die selbsternannten „Gotteskämpfer“ das Islamische Emirat Afghanistan, das bis 2001 an der Macht blieb. Die Folgen waren verheerend.

So fand kurz vor der Jahrtausendwende ein beispielloser Abbau der Frauenrechte statt. Sie wurden damals in die „Sklaverei light“ geschickt. Weibliche Berufstätige wurden entlassen und teilweise mit einer minimalen Abfindung ausgestattet; sie sollten fortan von männlichen Verwandten abhängig sein. Ärztinnen durften nicht mehr praktizieren. Männlichen Ärzten wurde derweil verboten, sich um weibliche Patienten zu kümmern. Die Folge war eine medizinische Krise und vermeidbare Todesfälle.

Alle Frauen mussten in der Öffentlichkeit eine Burka tragen – die vollständigste Form der Verschleierung. Fenster von Häusern sollten in den ersten zwei Stockwerken verbarrikadiert oder abgeschirmt werden, damit vorbeigehende Männer die Hausfrauen nicht zufällig sehen konnten. Und das ist nur eine Auswahl der damals herrschenden Gesetze. Kritik an der Religion oder am Regiment der Taliban waren natürlich tabu. Sogar das Kino und unreligiöse Musik wurden verboten. Stattdessen stand die taliban’sche Islam-Interpretation an erster Stelle.

Wie sieht es heute aus?

Ein Pressesprecher der Taliban (ja, die gibt es wirklich), sagte ZDF-Journalisten in Bezug auf Frauenrechte: „Sie haben auch das Recht auf Bildung, solange gesichert ist, dass sie den islamischen Hijab tragen.“ Das steht im Widerspruch zum Fundamentalismus der Terrorgruppe.

Nun wollen die Taliban eine erneute Isolation auf der Weltbühne vermeiden und geben deswegen die Pragmatiker. Tatsächlich werden auch jetzt Frauenrechte beschränkt und Minderheiten diskriminiert. Grundrechte werden längst nicht mehr gewahrt, obwohl die Taliban sich öffentlich zu diesen bekannten.

Friedliche Proteste sind offiziell verboten und werden mit Gewalt verhindert. Frauen werden gesellschaftlich stark benachteiligt. Willkürjustiz, Folter und andere Formen der Rechtslosigkeit sind an der Tagesordnung. Es gibt Hinrichtungen im Schnellverfahren oder außergerichtliche Morde an Regimegegnern. Zusammengefasst: Die Taliban versuchen ihren neuen Staat als legitimen Rechtsnachfolger der Islamischen Republik Afghanistan zu etablieren.

Dafür fahren sie die Strategie, ihre menschenverachtende Ideologie mit schönen Worten zu tarnen. Daher ist äußerste Kritik angebracht, wenn Vertreter des neuen Regimes ihre „Werte“ in die Öffentlichkeit tragen wollen.


Drei Wochen Mallorca – ein wenig Corona-Urlaub

Von Selma Green | Tief atmete ich die frische Meeresluft ein. Ich lag in der Sonne am Strand und genoss den Urlaub – da fiel mir auf, dass ich Corona vollständig vergessen hatte. Drei ganze Wochen meiner Sommerferien durfte ich auf Mallorca verbringen. Abends takelte ich mich endlich wieder auf und schlenderte durch die engen Straßen. Mir gefiel der Anblick von den Spielplätzen, die wieder von Kleinkindern überfüllt waren und den Menschen, die wieder in Massen auf den Straßen unterwegs waren. In Spanien ist Corona genauso wichtig, wie ein Sack Reis, der in China umfällt. Es gibt noch nicht mal mehr eine Quarantänepflicht.

Und doch fühlte es sich falsch an, wenn ich mich durch eine Menschenmenge quetschte oder die prallvollen Clubs und Bars sah. Ungewollt dachte ich immer daran, wie schnell sich Corona dort wohl ausbreiten würde. Der ganze Corona-Irrsinn hatte sich in meinem Kopf festgesetzt wie eine Zecke im Fleisch.

Ich finde es selber blödsinnig – doch mir fiel auf, dass ich mir nicht mehr sicher bin, wie nah man einer fremden Person eigentlich kommen sollte auf der Straße oder beim Einkaufen. Wenn ich ins Wasser gegangen bin, habe ich immer große Bögen um andere Menschen gemacht. Im Nachhinein hatte ich plötzlich Angst, dass ich einer Person vielleicht viel zu nah gekommen war. Fast wusste ich auch nicht mehr, was ich mit meinem Mund machen soll – sonst war da ja immer eine Maske.

Inzwischen soll es ja Kindergartenkinder geben, die Gesichter nur noch mit Maske malen. Und es gibt offenbar Kinder und Jugendliche, die panische Angst davor haben, ihr Gesicht nicht hinter einer Maske  verbergen zu können.

Die Menschen in Spanien bekommen es offenbar ganz gut hin, mit dem Virus zu leben. Wie sie sich dabei fühlen, ob sie auch von solch bescheuerten Gedanken gequält werden – wer weiß.
Jedenfalls interessiert es in Spanien keine Sau, ob man geimpft, genesen oder getestet ist. Ich konnte es zuerst kaum glauben, doch den Infizierten in Spanien ist es tatsächlich erlaubt, sich frei zu bewegen. Den Kranken ist es überlassen, wen sie treffen und wohin sie gehen, solange sie dabei eine Maske tragen. Sie dürfen sogar arbeiten gehen.

Tja, und in Deutschland? Da gurkt man mit einem neuen Entwurf des Infektionsschutzgesetzes herum, das ein Labyrinth aus Corona-Maßnahmen zu sein scheint. Darin sind Hirngespinste festgehalten, die man längst für vergessen hielt – wie Testungen und Maskenpflicht in Schulen von Oktober bis Ostern und die Privilegien von Frischgenesenen und -geimpften, die in Zukunft auf der Tagesordnung stehen sollen. Die Maskenpflicht soll wieder zum Alltag gehören und Geimpfte gelten nur dann als geimpft, wenn sie die Impfung innerhalb der letzten drei Monate erhalten haben.

Auf Mallorca konnte ich endlich mal wieder aufatmen, mich entspannen und mich mehr und mehr von inneren Beschränkungen befreien. Jetzt bin ich gerade mal seit 2 Wochen zurück in Deutschland, und schon steht ein neues Infektionsschutzgesetz auf der Matte.

Mir graut davor, in der Schule wieder eine Maske tragen zu müssen, dass der ganze Irrsinn wieder von vorne beginnt.


Von der Akropolis und Ruinen deutscher Lebensfreude

Von Jonas Kürsch | Als ich bei meiner ersten Post-Corona-Reise nach Athen reisen und mit absoluter Begeisterung erstmalig die Akropolis besuchen durfte, musste ich voller Erschrecken feststellen, dass Deutschland sich nach der Pandemie in einem wesentlich desolateren Zustand befindet als viele seiner Nachbarn. Denn das deutsche Kulturgefühl und die deutsche Freude am Leben sind, vor allem im Kontrast zu vielen anderen Ländern Europas, fast gänzlich verloren gegangen. 

 

Die Ästhetik des Alltags

Schon auf den ersten Blick war ich von der Akropolis schwer fasziniert. Besonders ihre viel gepriesene Ästhetik beeindruckte mich zutiefst. Doch anders als die meisten Menschen verbinde ich mit der Akropolis nicht nur die Geschichte des antiken Griechenlands: für mich ist das Monument auch auf sehr skurrile Art und Weise mit Deutschland und unserer jüngeren Geschichte verbunden. Denn wann immer jemand die Akropolis auch nur zu erwähnen gedenkt, habe ich sogleich die legendäre Anfangssequenz des weltberühmten deutschen Films „Olympia – Fest der Völker“ vor Augen, der während der olympischen Spiele in Berlin 1936 von der umstrittenen Filmemacherin Leni Riefenstahl gedreht wurde. 

In Anlehnung an die antiken olympischen Spiele eröffnet Riefenstahl ihren Kunstfilm mit einigen imposanten Aufnahmen der Athener Ruine. Sie zeigt die hohen Säulen der Akropolis und blendet dazu die idealisierten Statuen von griechischen Götzenbildern über das alte Bauwerk ein. Die Statuen verwandeln sich dann im Übergang von der einen auf die andere Szene mit damals völlig unvergleichbaren Effekten in die Berliner Olympiaathleten, die in statischen Sportlerposen beim Diskuswerfen oder Hochsprung verewigt wurden.

Die dargestellten Motive bilden einen hochinteressanten und in vielerlei Hinsicht auch heute noch aktuellen Kontrast zwischen dem deutschen Wunsch- und Selbstbild einer romantischen Alltagsästhetik sowie der erschütternden Realität des Landes. Schon damals, in dieser grässlichsten Zeit der Deutschen, schien der Wunsch nach körperlicher, geistiger und kultureller Schönheit größer zu sein als je zuvor. Dieses Schönheitsverständnis entspringt der römisch-griechischen Lebensphilosophie und ist eine starke Inspiration für die Renaissance gewesen. Die Deutschen haben diese Werte vollständig aus dem Auge verloren und widmen sich heute eher plakativer Pseudomoral anstelle von wirklich ästhetischen Dingen.

Die Innenstadt Athens wirkte durch die Wirtschafts- und Finanzkrisen der vergangenen Jahre schwer angeschlagen, das möchte ich hier nicht unerwähnt lassen. Viele Geschäfte stehen leer und auch die deutlichen Auswüchse der steigenden Obdachlosigkeit zeigen sich auf den Straßen (obgleich auch nicht in einer derartig drastischen Entwicklung, wie ich sie im Ruhrgebiet wahrnehmen muss). Dennoch merkt man den Griechen eine gewisse Leichtigkeit und Lebenslust an, die in Deutschland völlig verloren gegangen ist. Hier ist es noch möglich in lachende, ausdrucksstarke Gesichter zu blicken, während die Deutschen immer grauer und immer erschöpfter aussehen.

Man erkennt bei vielen Südländern – also auch den Italienern und Spaniern – eine grundsätzliche und ehrliche Verehrung ihrer Kultur und ihres eigenen Lebensstils, die ich als unglaublich befreiend empfinde. Die Menschen gehen mit großem Selbstbewusstsein und einer tiefen Verbundenheit zu ihrer freiheitlich und westlich geprägten Identität an die Herausforderungen des Alltags. Diese Selbstachtung schafft ein ästhetisches und harmonisches Gesamtbild, das selbst den Dreck in manchen Athener Stadtbezirken charmanter erscheinen lässt als den von resignierten Junkies okkupierten Theaterplatz meiner Krefelder Heimatstadt.

 

Rebellionswille als nationales Kulturgut

Im Anschluss an meinen Griechenlandbesuch konnte ich noch für einige Tage nach London reisen und dort die aufgeklärte, demokratische Kultur Großbritanniens genießen. Es ist nicht schwer festzustellen, dass den Engländern die Rebellion einfach in die Wiege gelegt zu sein scheint. Ganz egal, wo man hinschaut, die Briten behalten sich auch in Tagen von Black Lives Matter und anderen PC-Bewegungen ihr Recht vor, ihren altbekannten politisch inkorrekten Humor auszuleben. Hier kann man sich noch immer an dem legendären Kultmusical „The Rocky Horror Show“ erfreuen, in dem ein transsexueller, außerirdischer Wissenschaftler mit mörderischem Größenwahn an der Schöpfung des perfekten Liebhabers arbeitet, ohne einen Vortrag  der grünen Genderlobby über die „Diskriminierung der LGBTQI*+-Community“ befürchten zu müssen. Hier ist es noch möglich, den einfachen und ungezwungenen Menschen in England dabei zuzuhören, wie sie Liz Truss, die freiheitliche und stark von Margaret Thatcher inspirierte Anwärterin auf das Amt des konservativen Parteivorsitzes, für ihre zentrale Forderung nach großen Steuersenkungen sowie ihren Plan zur konsequenten Bekämpfung illegaler Immigration lautstark loben, ohne dabei von grünen Social-Justice-Warriors in aller Öffentlichkeit als Nazi diffamiert zu werden.

Großbritannien beweist mir auch in diesem Jahr wieder, dass es der europäische Nukleus für kulturelle Freiheit und demokratische Debattenführung ist. Das spiegelt sich gerade auch am West End wieder: in diesem Sommer kehrte das russische Theaterstück „Die Möwe“ von Anton Tschechow auf die Bühnen der britischen Hauptstadt zurück. Eine linksliberale Scheindebatte darüber, ob es ethisch vertretbar sei, russisches Kulturgut in Zeiten des Ukrainekriegs der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, gab es hier nicht. Stattdessen erfreute man sich einfach an der hohen Schreibkunst Tschechows. 

Man kann durchaus sagen, dass London und die Briten in vielerlei Hinsicht das erreicht haben, was die Deutschen immer wieder vorgeben zu sein: es ist ein Ort von wahrhaftiger künstlerischer, politischer, gesellschaftlicher und kultureller Vielfalt. Anders als Berlin oder Köln müssen die Briten sich dabei aber nicht hinter einer ideologisch-woken und heuchlerischen Regenbogenmentalität verstecken. Den Briten ist die schöpferische Kreativität während der Coronazeit nämlich keineswegs abhanden gekommen.

Mit einem erfrischenden Willen zur Rebellion und einem ebenso großen Respekt vor der eigenen Kultur, wie die Südeuropäer ihn an den Tag legen, haben die Bürger des vereinigten Königreichs schon so manche geschichtsträchtige Krise gut überwunden. Bei den Deutschen hingegen zeigt sich im Antlitz des langsam wieder zurückkehrenden Coronawahns immer mehr, dass der preußische Philosoph Friedrich Nietzsche mit seinem harten Urteil über die eigenen Landsleute nicht ganz falsch lag: der Deutsche wäre der beste Hegelianer, selbst wenn es Hegel nie gegeben hätte. Will heißen: die Deutschen würden die Selbstunterdrückung selbst dann wählen, wenn es niemanden gäbe, der sie unterdrücken könnte.

 

Die Deutschen müssen ihr kulturelles Selbstverständnis verändern

Meine langersehnten Reisen in diesem Sommer haben das bestätigt, was ich ohnehin schon lange vermutet habe: die Deutschen zerstören mit ihrem Kurs der kulturellen Selbstgeißelung und Selbstvernichtung die eigene Lebensfreude. Wenn die Politik die Verachtung unserer eigenen Werte sowie die Ablehnung unserer eigenen Kultur weiterhin als neue deutsche Tugend verklärt, wird Deutschland auf einen Pfad der absoluten Identitätslosigkeit geführt, der unserem Land massiv schadet. Es kann nicht sein, dass wir eine Bundestagsvizepräsidentin Özoguz (SPD) dulden, die in der Vergangenheit mehrmals behauptete, es gebe neben der Sprache keine nennenswerten deutschen Kulturbeiträge. Und es darf nicht akzeptiert werden, dass das Amt der Innenministerin von einer Dame bekleidet wird (ebenfalls von der SPD), die den Heimatbegriff erst positiv umdeuten lassen muss, um damit überhaupt etwas anfangen zu können. Gleiches gilt für einen Wirtschaftsminister Habeck (B’90/Die Grünen), der Vaterlandsliebe stets „zum Kotzen“ fand. 

Mit dieser nihilistischen Geisteshaltung wird man lebensfrohe Staatsbürger ins Ausland vertreiben. Schon jetzt werden immer mehr Leistungsträger zu Flüchtlingen der deutschen „Transformationspolitik“ unserer kulturfremden Ampelregierung. Ich befürchte, dass sich dieser Trend in den nächsten Jahren noch weiter verschärfen und Deutschland letztlich an seine sozialen und wirtschaftspolitischen Kapazitätsgrenzen führen wird. Gerade auch in meiner Generation entwickelt sich eine zunehmende Abneigung gegen die deutsche Identität, die ihren Ursprung nicht etwa in der Ablehnung unserer deutschen Literatur, Musik, Kunst, Philosophie oder Geschichte findet, sondern in einer frustrierten Enttäuschung über den politischen und kulturellen Totalitarismus, der unser Land in seinen Bann gezogen hat.

Gut beschrieben wurden diese Entwicklungen bereits im August 2019 durch den chinesischen Dissidenten und Performance-Künstler Ai Weiwei, der seinen Exilwohnsitz von Berlin nach London verlegte und die deutsche Mentalität mit der chinesischen Autoritätshörigkeit verglich: „Es ist eine Kultur, die offen sein möchte, aber vor allem sich selbst beschützt. (…) Es gibt kaum Raum für offene Debatten, kaum Respekt für abweichende Stimmen.“ Dieses Zitat stammt wohlgemerkt aus einer Zeit, in der das Coronavirus noch gar nicht existierte. Schon damals sah er in Deutschland ein Land, dessen nationale Psyche „intolerant, bigott und autoritär“ (seine Worte, nicht meine!) geprägt sei. Den Deutschen gefalle, so Weiwei, die Bequemlichkeit der Unterdrückung so gut, wie noch nie zuvor. Vor allem zum Schutz seines jungen Sohnes, den er nicht in einer Gesellschaft des neuaufkeimenden „Nazismus“ aufwachsen sehen wollte, kehrte Weiwei unserem Land den Rücken. 

Die Deutschen empörten sich über diese Aussagen und die heiß geliebten „unabhängigen Faktenchecker“ widerlegten prompt die Stellungnahme des Künstlers mit altdeutscher Effizienz, aber eine echte, gesellschaftliche Debatte gab es über dieses tiefsitzende Problem nicht – wer würde es schon wagen, das eigene Selbstbild des „besten Deutschlands, das es jemals gab“ infrage zu stellen?

Daher wird es Zeit, dass wir jetzt eine breite, öffentliche Diskussion über die kulturelle Selbstwahrnehmung in unserem Land führen: denn kein Mensch kann in der Lage sein, das eigene Heimatland zu lieben, wenn es sich selbst im Kern so sehr verachtet! 

„Ein Mensch, der sich selbst nicht achtet, kann auch nichts und niemanden anderes achten.“ – Ayn Rand


Unruhe im Senegal – schlechte Nachricht für Deutschland

Von Laura Werz | Der Senegal gilt als demokratisches Vorbild Westafrikas. Seit der Unabhängigkeit 1960 gab es friedliche Machtwechsel demokratisch gewählter Regierungen. Ganz zum Kontrast der Nachbarländer, wie Guinea, Gambia oder der Elfenbeinküste, in welchen Präsidenten zum Machterhalt die Verfassungen veränderten oder sich über sie hinwegsetzten. Im März 2021 erlebte der Senegal jedoch, so sagen Beobachter, die schwersten Unruhen in seiner Geschichte. Tagelang gingen Zehntausende Menschen überall im Land auf die Straßen, um gegen die Festnahme des Oppositionspolitikers Ousmane Sonko zu protestieren.

Nun wurde am 31. Juli 2022 im Senegal ein neues Parlament gewählt. Für die Regierung gab es immer stärkeren Gegenwind – trotz des Wirtschaftswachstums im Land. Der Wahl gingen heftige Spekulationen voraus, da Kritiker dem seit 2015 amtierenden Präsidenten Macky Sall der sozialliberalen Koalition vorwarfen, entgegen der Verfassung für eine dritte Amtszeit im Jahr 2024 kandidieren zu wollen. Die Vorwürfe rühren daher, dass sich Sall bislang diesbezüglich nicht klar geäußert hat und Parteifreunde öffentlich sogar diese Möglichkeit angedeutet haben. Diese Diskussion hat den politischen Diskurs maßgeblich mitbestimmt. Sie war höchstwahrscheinlich ausschlaggebend für den Verlust der absoluten Mehrheit des Regierungslagers.

Nach den vorläufigen Ergebnissen der Wahl, die noch offiziell bestätigt werden müssen, hat die sozialliberale Regierungskoalition „Benno-Bokk-Yaakar“ (BBY) 43 der 165 Sitze verloren und kommt nun auf 82 Sitze. Der Verlust der absoluten Mehrheit stellt ein historisches Ergebnis dar: Es ist das erste Mal seit 1960, dass die Regierungskoalition nicht mehr die absolute Mehrheit innehat. Das größte Oppositionsbündnis „Yewwi – Wallu“ gewann 80 Sitze. Dabei handelt es sich um eine Wahlkoalition, die selbst aus zwei großen politischen Koalitionen besteht, sodass sie in der nationalen Presse auch als „Inter-Koalition“ bezeichnet wird. Besonders junge Menschen stärken die eher links geprägte Opposition. Mehr als ein Dritter der senegalesischen Bevölkerung ist jünger als 18 Jahre, dementsprechend noch nicht wahlberechtigt und doch potenzieller zukünftiger Wähler der Opposition. Die Oppositionskoalition umfasst auch die PASTEF-Partei des Oppositionsführers Ousmane Sonko, der Korruption und Vetternwirtschaft der Regierung kritisiert, sowie auch die Nationalpopulisten einer gegen Frankreich gerichteten Bewegung „France dégage“ (Frankreich hau ab). Außerdem findet sich in der Koalition eine der ältesten liberalen Partien Afrikas, die 1974 gegründete „Parti Democratique Senegalais“ (PDS). Dazu kommen noch mehrere bürgerliche Parteien. Ousmane Sonko ist heute der Hoffnungsträger vieler junger Senegalesen. Daran ändern auch Vergewaltigungsvorwürfe von Seiten der Regierung nichts, welche von seinen Anhängern als politisches Komplott gewertet werden.

Die Opposition rief vor der Wahl landesweit zu Demonstrationen gegen die Zurückdrängung der Demokratie auf. Es gab schon vor der Parlamentswahl heftige Kritik an der bevorstehenden Wahl. So wurden die Regelungen zu den Unterstützungsunterschriften, Verstöße, gegen die paritätisch zu besetzenden Wahllisten und die Fristen für die Einreichung der Kandidaturen kritisiert. Ousmane Sonko wollte die Wahl dementsprechend vorerst nicht akzeptieren. Er forderte den Vorsitzenden der Nationalversammlung auf, die Stimmauszählung zu pausieren, um Unregelmäßigkeiten überprüfen zu können. Die Opposition behauptete, dass es von der Regierungskoalition vorgefertigte Protokolle ohne Unterschrift gäbe. Es war von einem massiven Betrug, der nicht weniger als 200.000 Stimmen betreffe, die Rede. Der französische Präsident Emmanuel Macron bezeichnete die Wahlen hingegen als „friedlich und transparent“.

Das Oppositionsbündnis hat bereits Einspruch gegen das vorläufige Wahlergebnis eingelegt. Nichtsdestotrotz wertet man das Ergebnis dort bereits jetzt als „historischen Erfolg“. Es ging der Opposition insbesondere darum, dem Regierungslager eine Kohabitation (eine Zusammenarbeit des Präsidenten mit einer Regierung einer anderen politischen Richtung, wie derzeit in Frankreich), wie es sie im Senegal noch nie gab, aufzuzwingen. Mit einem starken Ergebnis wollten sie eine erneute Kandidatur Salls im Jahr 2024 verhindern. Der Verfassungsrechtler Ngouda Mboup von der staatlichen Universität Cheikh Anta Diop in Dakar hat sich diesbezüglich wie folgt geäußert: „Die Frage nach einer dritten Amtszeit von Sall ist vom Volk bereits bei dieser Wahl definitiv geregelt worden. Mit diesem Wahlergebnis und mit den Kräfteverhältnissen im neuen Parlament hat er keine Möglichkeit mehr, die Verfassung entsprechend für ein drittes Mandat zu ändern“

Die sonst relativ stabile, senegalesische Demokratie wackelt – das ist auch für Deutschland eine schlechte Nachricht. Denn wenn es nach Bundeskanzler Olaf Scholz geht, soll der Senegal bald eine wichtige Rolle für Deutschlands Energieversorgung spielen. Ab Herbst 2023 will das westafrikanische Land Flüssiggas exportieren – unter anderem nach Europa. So will Scholz  zumindest einen Teil der Lücke füllen, die durch das fehlende Gas aus Russland entstanden ist. Im Mai besuchte der Bundeskanzler das Land und beschwor die Energiepartnerschaft – Instabilität im Land wäre da mehr als unpassend. Auch über Gas hinaus ist der Senegal Kooperationspartner Europas, etwa in Sicherheitsfragen.