Weihnachtsmärkte für Ungeimpfte verboten? Machen wir halt einen Weihnachtsspaziergang

Von Larissa Fußer | Meine Freundin hatte mich überreden müssen. Schon seit Wochen lag sie mir in den Ohren, dass sie mit mir auf den Weihnachtsmarkt gehen wollte. Ich hatte mich bisher gesträubt: „Die meisten Weihnachtsmärkte in Berlin machen freiwillig 2G“, hatte ich gemurrt. „Was wollen wir denn da?“ Was ich natürlich nicht verriet: der Corona-Irrsinn war für mich nur einer der Gründe, nicht auf den Weihnachtsmarkt gehen zu wollen. Eigentlich hatte ich schon länger keine Lust mehr, mich in das vorweihnachtliche Getümmel zu stürzen. Seit ich vor ein paar Jahren angefangen habe, die Weihnachtstage am Strand, statt im verregneten Berlin zu verbringen, hat sich mein Weihnachtsgefühl beständig gegen null bewegt. Dieses Jahr war’s nun komplett verschwunden und ich bekenne: Cocktail im Bikini am Strand gefällt mir einfach besser, als Glühwein in Wollsocken auf dem Sofa.

Doch meine Freundin wollte ja so gerne und ich wurde es – dem Lockdown sei Dank – auch langsam leid, meine Freitagabende damit zu verbringen, Internetforen nach neuen Serienempfehlungen zu durchforsten. Also sagte ich meiner Freundin, dass ich mir es mal anschauen würde. Das Problem war nur: Die Berliner „Senator*Innen“ hatten inzwischen für alle Weihnachtsmärkte verpflichtend 2G eingeführt. Wir sollten also draußen bleiben. „Ach, davon lassen wir uns doch nicht unterkriegen“, sagte meine Freundin und grinste keck, als wir gemeinsam die neue Verordnung durchlasen. „Dann stellen wir uns einfach vor den Weihnachtsmarkt – da soll es auch Zelte geben, habe ich gehört“.
An einem Freitagabend trafen wir uns – eingemummelt in mehreren Leggins, Pullis, Jacken, Socken, Schals und Mützen – und fuhren gemeinsam zum Berliner Gendarmenmarkt, wo einer der schönsten Weihnachtsmärkte in Berlin seine Zelte aufgeschlagen hatte.

Nach wie vor skeptisch parkte ich mein Auto, holte mir ein Parkticket und spazierte die Straße entlang. Es dauerte nicht lange, da fiel mein Blick auf die Weihnachtsbeleuchtung, die mir von überall entgegen blinkte. Die ganzen Straßen, Häuser, Läden und Straßenlaternen waren mit goldenen Lichtern geschmückt. Es sah sehr hübsch aus und ich begann mich zu freuen, dass ich hier war, anstatt zu Hause vor dem Fernseher zu hocken. Zusammen stapften wir in Richtung Weihnachtsmarkt und staunten nicht schlecht: an beiden Seiten des eingezäunten Marktes standen mindestens zwanzig Meter lange Menschenschlangen und warteten mehr oder weniger geduldig darauf, eintreten zu dürfen. Die ganze Einlassprozedur dauerte offenbar so lange, weil bei jedem Gast der Impfausweis mit dem Personalausweis abgeglichen wurde. Neben mir meckerte ein junger Mann zu seinem Kumpel: „Man, da ist man ja im Club sicherer – da sind zumindest alle getestet. Wenn ich mir hier in dieser engen Schlage Corona hole, bin ich richtig bedient“. Sofort traten ein paar Leute entnervt einen Meter von ihm zurück und er lächelte – so meine ich – durch seine FFP2-Maske.

Ganz vorne, direkt neben der Einlassbude, stand das Zelt, das wir gesucht hatten. Offenbar ohne 2- oder 3G-Vorgaben sammelten sich dort Menschen an einer Bar und vor Feuerschalen und tranken Glühwein, Grog und heiße Schokolade. Überall waren Lichterketten aufgehängt, aus Boxen erklang Geigenmusik. Es war wirklich schön – wenn man über 50 ist. In unserem Alter war niemand in diesem Ungeimpften-Unterschlupf zu entdecken und als die Violine anfing „My heart will go on“ zu fiedeln, nahmen wir spontan Reißaus. Wir spazierten auf die Friedrichstraße auf der Suche nach anderen mit uns barmherzigen Buden – vorbei an einem abnorm breiten Fahrradweg, den unsere rot-grüne Regierung auf einem neuerdings für Autos gesperrten Straßenabschnitt eingeführt hatte – und hörten plötzlich Gesang. Naja es war eher Gegröle – als ich genauer hinhörte, konnte ich den Text von „Mamor, Stein und Eisen bricht“ erkennen. Wir folgten der Musik und kamen so zu einer kleinen Glühweinbude, die sich vor einem Hotel platziert hatte. Drum herum waren kleine Stehtische drapiert und in der Mitte stand die Quelle des Schlagergesangs – ein um die 50-jähriger Mann mit E-Gitarre. Die Stimmung erinnerte eher an Après-Ski als an besinnliche Vorweihnachtszeit. Meine Freundin, eine ehemalig- passionierte Wiesn-Gängerin, und ich waren sofort angetan. Wir holten uns also Glühwein und stellten uns um eine der Flammen herum.


Da standen wir dann also, wippten zur Musik und sippten an unseren Tassen. Ich kam mir plötzlich ganz schön komisch vor. So hatte ich mir mit 16 nicht das Ausgehen Anfang 20 vorgestellt. Etwas peinlich berührt schaute ich mich um und guckte mir die anderen Leute an. Die meisten waren zwischen 50 und 60 Jahre alt, manche sprachen Englisch, andere quatschten im breitesten Berliner Dialekt. Alle waren gut gelaunt. Als ein älterer Mann plötzlich lautstark „Ohhhhhhh ich hab’ solche Sehnsucht…“ anstimmte, musste ich lachen. ‚Schwere Zeiten erfordern Maßnahmen‘, dachte ich mir, und stimmte in den Gesang mit ein. Meine Freundin hatte auch schon längst angefangen mit zu klatschen und so standen wir da – singend und schunkelnd in der Dezemberkälte auf der Friedrichstraße.

Nach einer kurzen Zeit stellte sich eine Männergruppe an unseren Tisch und begann zu plaudern. Meine Freundin und ich tauschten bedeutungsschwere Blicke aus und öffneten unauffällig unsere Haare. Einer der Männer war ganz aufgebracht und erzählte seinem Freund: „Du ich war gestern im Impfzentrum und wollte mich mit Biontech impfen lassen und die haben das einfach nicht gemacht. Die haben gesagt, ich kriege nur Moderna!“. Ich guckte mir das aufgebrachte, nahezu aufgelöste Gesicht dieses jungen Mannes an und kramte unwillkürlich wieder nach meinem Haargummi. Als sein Freund dann noch anfing über „Covidioten“ und „Impfverweigerer“ zu schwadronieren, hatten meine Freundin und ich genug. Da es eh kalt geworden war, beschlossen wir, zurück zum Auto zu gehen.

Als wir nur noch wenige Meter von meinem Flitzer entfernt waren, mussten wir an einer Polizeisperre vorbei. Zwischen mehreren großen Polizeiwannen standen vielleicht zwanzig ältere Männer und Frauen. Die meisten hatten krause Frisuren, einer hatte sich eine Lichterkette umgehängt – alle sahen etwas hippiemäßig aus. In der Mitte der Menschenmenge zählte gerade ein Redner Fälle von Impfnebenwirkungen auf. Ich kannte die Gruppe nicht, sie schien aber gegen die Einführung einer Impfpflicht zu demonstrieren. Als wir uns einen Weg durch die Menschen bahnten, fing von der anderen Straßenseite plötzlich jemand an zu schreien: „Ihr seid Faschisten! Faschiiiiiiiiiiiiisten“. Ich drehte mich um und sah, dass es ein junger Mann war, der da brüllte. Obwohl er nicht mich, sondern die Demonstranten meinte, lief es mir kalt den Rücken herunter. Etwas paralysiert liefen meine Freundin und ich an den Polizeiwägen vorbei zum Auto. Soviel zu besinnlichen Weihnachten, dachte ich mir – und sehnte mich nach meinem Cocktail am Strand.


Weihnachten 2021: 3G, 2G, kein G in Kirchen – doch wo ist der Glaube geblieben?

Von Sarah Victoria | Weihnachten, das bedeutet für mich Tannenduft, ganz viel Essen und ein Spaziergang durch die Nachbarschaft auf dem Heimweg aus der Kirche. Viele Jahre saß ich mit meiner Familie erst im Familiengottesdienst, später in der Christmette unserer kleinen evangelischen Gemeinde. Dieser Besuch war mit meinen Eltern nicht verhandelbar, wobei ich sowieso nicht auf die Idee gekommen wäre, stattdessen zu Hause zu bleiben. Zum einen fand ich es schön, an Weihnachten ein bisschen religiösen Kontext herzustellen, sich zu besinnen und vielleicht bekannte Gesichter zu treffen. Außerdem war ich einige Jahre Mitglied der Jugendarbeit und damit an der Gestaltung des Familiengottesdienstes beteiligt. Und das heißt an Weihnachten natürlich nichts anderes als Teil des Krippenspiels zu sein.

Zwecks Personalmangel wurde das schauspielerische Resümee schnell gefüllt, vom Hirten über die heiligen drei Könige (damals schon geschlechtsneutral interpretiert), von klassischer und moderner Inszenierung, mit und ohne Gesangseinlagen, war alles dabei. Irgendwann fand diese Karriere ihr Ende, aber die Tradition des Kirchenbesuchs blieb. Die kleine evangelische Kirche platzte dabei immer aus allen Nähten, es wurden bis zuletzt so viele Stühle wie möglich rein getragen, dazu aufgerufen, sich noch etwas enger an den hustenden Sitznachbarn zu kuscheln und wenn wirklich alles voll war, wurden die letzten Besucher noch mit auf die Orgelbank gequetscht. Niemandem wäre es in den Sinn gekommen, an diesem Tag Stühle abzuzählen, Leute vor der Tür stehen zu lassen oder gar Teilnehmerlisten zu führen. Gerade letztere werden in einer bayerischen Kleinstadt sowieso mündlich geführt.

Diese Zeiten erscheinen gerade so fremd, obwohl sie erst ein paar Jahre zurückliegen. Der Weihnachtsgottesdienst wird auch dieses Jahr wieder stattfinden. Doch dieses Jahr muss man, so wie letztes Jahr, erst bei der Gemeinde anrufen, um einen Platz zu reservieren. Es gibt kein Krippenspiel, keinen Kinderchor, kein gemeinsames Singen. Dafür Maske, Abstand und einen Spender Desinfektionsmittel am Eingang. Das schon fast obligatorische Duo für einen Gottesdienst, der mit Reizhusten geplagte ältere Herr und das unglückliche Neugeborene, werden dieses Jahr vermutlich nicht anwesend sein. Zu groß das Risiko, sich mit einem Virus anzustecken, oder gar in den Verdacht zu geraten, nicht gesund, also unsolidarisch, zu sein. Und unsolidarisches Verhalten wird weder von der evangelischen, noch von der katholischen Kirche toleriert.

Das Problem ist nur, dass jeder den Begriff Solidarität anders interpretiert. Die einen lassen sich aus Solidarität impfen, die anderen aus Solidarität testen und manche sogar beides. Als Glaubensgemeinschaft verbunden durch den gemeinsamen Glauben, geteilte Werte oder wenigstens die goldene Regel – dachte ich immer. Doch dann folgten bereits Einschnitte ins Gemeindeleben. Immer mehr Kirchgemeinden entschieden sich, erst die 3G und mittlerweile die 2G-Regel in Pfarrheimen und Gemeindehäusern einzuführen. Teilweise, weil es die Infektionsschutzverordnung oder der „Ampelstand“ so vorsah, teilweise aber auch aus Überzeugung oder Bequemlichkeit. In unserer Stadt entschied sich etwa die katholische Kirche für die 2G-Regel in ihrem Pfarrheim.

Was zur Folge hat, dass Ehrenamtler, die bis vor kurzem noch Gottesdienste geplant, die Jugendarbeit gestaltet oder sich sozial engagiert haben, nicht mehr im Pfarrheim erwünscht sind, sollten sie nicht vollständig geimpft oder genesen sein. Wer weiß, wie lange es noch dauert, bis an der Kirchentür ein großes „2G“ hängt und verkündet, dass nur noch solidarische Gläubige das Gotteshaus betreten dürfen. Der Rest darf dann draußen beten, während innen von genau dem Kind erzählt wird, das in einem Stall geboren wurde, weil die Eltern von allen Herbergen abgewiesen wurden. Soviel Ironie kann man sich kaum ausdenken.

Statt empört, oder zumindest lautstark besorgt, über die Einschränkung der Religionsfreiheit zu sein, freut sich die Amtskirche über die Selbstverständlichkeit, Gottesdienste ohne G-Regeln veranstalten zu dürfen. Und während die meisten Gemeinden dieses, von der Bundesregierung gnädigerweise erteilte, Privileg annehmen und auf eine Hygienekontrolle am Eingang verzichten, entscheiden sich andere Kirchenvorstände für die Einführung der 2G-Regel in ihren Gotteshäusern, manche mit dem Zugeständnis, dass sie über die Weihnachtsfeiertage immerhin einen Gottesdienst für Getestete anbieten.

Der Landesbischof der ELKB, Heinrich Bedford-Strohm, entschuldigt sich ausdrücklich für diese anmaßende Freiheit der Kirchen und betont, dass die Gottesdienste im Rahmen staatlicher Vorgaben mit Anmeldungen und Abstand stattfinden. „Im Lichte dieser bewährten Schutzmaßnahmen ist das Feiern dieser Gottesdienste auch zu verantworten“, heißt es in seiner Stellungnahme. Diese findet sich auf der Internetseite der Evangelisch-Lutherischen Kirche Bayerns (ELKB), auf der das RKI und bayerische Gesundheitsministerium bald öfter zitiert werden als die Bibel. Seit ein paar Monaten unterstützt die evangelische Landeskirche auch die Impfkampagne der Bundesregierung mit dem Slogan „Corona-Impfung? Na klar!“, verteilt Buttons und lässt Kirchen zu Impfzentren werden. Die Kirche und der Staat verschmelzen gefühlt immer mehr zu einer Einheit, was gerade für die evangelische Kirche, die Luther sogar im Namen führt, bedenklich ist (Stichwort: Zwei-Reiche-Lehre).  

Die Kirche entfernt sich durch diese enge Verknüpfung mit der Politik Schritt für Schritt von ihrem Dasein als Wächter, greift in Sphären ein, die eigentlich dem Weltlichen überlassen sein sollten. Sowohl die evangelische, als auch die katholische Kirche, setzen bei ihrer Planung der Weihnachtsgottesdienste auf das Selbstbestimmungsrecht der Kirchengemeinden. Den Gemeinden ist es grundsätzlich erlaubt, Gottesdienste zu feiern, ob mit G-Regeln oder ohne ist ihnen allerdings freigestellt. Dieses Prinzip, das sich bei der evangelischen Kirche auch historisch bewährt hat, möchte ich gar nicht kritisieren. Kirchengemeinden sollten das Recht haben, Entscheidungen über ihre Gottesdienste zu treffen. Mich stört eher die Beeinflussung dieser Entscheidungen durch politische Narrative, die im Gegensatz zu theologischen Inhalten stehen. Denn solche Narrative sollten, gerade von einer evangelischen Amtskirche, immer hinterfragt werden. Und ich habe den Eindruck, dass der gesellschaftliche, von Angst geprägte Grundtenor immer mehr in die theologische Arbeit übergreift.

Dabei sollten doch gerade Kirchen Orte der Begegnung sein, ihre Vorstände Verteidiger eines religiösen Menschenbildes, das sich gegen den materialistischen Zeitgeist wendet, das Spaltungen kritisiert und alles daran setzt, Brücken zwischen Menschen zu schaffen. Und welche Geschichte eignet sich mehr für die Übermittlung dieser Botschaft als die Weihnachtsgeschichte?  Ich weiß ja nicht, was sich Matthäus und Lukas beim Verfassen der Weihnachtsgeschichte gedacht haben, aus meiner Zeit als Krippenspiel-Darstellerin ist mir aber vor allem eine Botschaft hängen geblieben, die genau drei Wörter enthält und brandaktuell ist: Fürchtet euch nicht! Ob geimpft, genesen, getestet, für Kirchen sollte eigentlich nur ein G zählen – und das ist der Glaube.


Ein Liebesbrief an die Weihnachtstraditionen

Von Gesche Javelin | Die Nächte werden länger und in den Häusern leuchtet die erste Kerze des Adventskranzes. Ich erwarte freudig den ersten Dezember, um das Türchen Nummer eins des Adventskalenders öffnen zu können. Das Haus wird geschmückt und der Weihnachtsbaum aufgestellt. Ich hetze durch die Läden, um die letzten Geschenke einzukaufen. Die Vorfreude liegt überall in der Luft. Dann endlich ist Heiligabend da. Die Kirchen sind bis unter den Glockenturm gefüllt. Kurze Zeit später sitzt die ganze Familie lachend und quasselnd vor dem herrlich duftenden Weihnachtsessen. Leuchtende Augen schielen immer wieder auf die Geschenke unter dem Baum.

Ich liebe das Knistern, das Glitzern, das Leuchten, die Vorfreude in der Weihnachtszeit. Ich genieße, die Zeit mit der Familie. Die Liebe und Fröhlichkeit, die überall zu spüren ist, und nicht zuletzt das Essen und die Geschenke. Auch der alljährliche Gang in die Kirche, der sich immer gefühlt ewig hingezogen hat, weil ich es gar nicht erwarten konnte, endlich die Geschenke auspacken zu können, gehört für mich dazu. Traditionen, die dieser besonderen Zeit ihren Zauber geben. Was wäre Weihnachten schon ohne Traditionen?

Jedes Land hat seine eigenen Traditionen und jede Tradition hat ihre eigene kleine GeschichteDie Venezolaner laufen mit Rollschuhen zu der Weihnachtsmesse. In der Ukraine werden die Weihnachtsbäume mit Spinnweben dekoriert. Deiner Legende nach konnte eine arme Frau sich keinen Baumschmuck leisten. Als sie am nächsten Tag aufwachte, war ihr Baum mit Spinnweben umhüllt und glitzerte im Sonnenlicht. Auch in den USA schmückt man seinen Tannenbaum gerne mit einem ungewöhnlichen Ornament. Wenn man genau hinsieht, erkennt man eine Weihnachtskugel in Form einer Essiggurke in vielen Weihnachtsbäumen. Wenn du das Glück hast, die Essiggurke als Erster zu entdecken, bekommst du vielleicht ein extra Geschenk 

Die Spanier hoffen an Weihnachten auch auf eine Portion extra Glück. Die spanische Nationallotterie gibt zu dieser Zeit die größte Geldsumme des Jahres aus. Die frohe Botschaft – die Lottozahlen – wird von 22 Kindern singend verkündet. Das slowakische Glück wird vom Pudding abgelesen. Das ältesten Familienmitglied wirft einen Löffel voll mit Pudding an die Decke. Je mehr Pudding kleben bleibt, desto mehr Glück wird die Familie haben. Endlich mal mit Essen um sich schmeißen, ohne Ärger zu bekommen! Vielleicht sollte ich mir mal ein paar Falten aufmalen, mir die Haare weiß färben (ist ja sowieso in) und zu Weihnachten in die Slowakei gehen.

Während in Japan für das Weihnachtsessen um die letzten Plätze in der Fast-Food-Kette KFC gestritten wird – KFC hat bei den Japanern vor ungefähr 50 Jahren einen guten Start mit wahrscheinlich einer ihrer erfolgreichsten Werbekampagnen hingelegt, der bis heute anhält- , wird in Polen kein Fleisch, sondern nur Fisch aufgetischt. In Voraussicht – oder auch in Nachsicht – wird außerdem immer ein Platz zusätzlich am Tisch gedeckt, falls noch ein unerwarteter Gast kommen sollte. Dieser Brauch kommt von der Weihnachtsgeschichte, in der Maria und Joseph keine Unterkunft finden konnten.

Im hohen Norden, in Schweden, wird in Gedenken an die Legende der Lichterkönigin St. Lucia der Lucientag am 13. Dezember gefeiert. Die Heilige Lucia soll zu Zeiten der Christenverfolgung im antiken Rom Christen Essen in ihre Verstecke gebracht haben und dabei, um die Hände frei zu haben, einen Lichterkranz mit Kerzen auf dem Kopf getragen haben. Heute erfüllen weiß gekleidete Mädchen mit einem Lichterkranz auf dem Kopf das Land mit hellem Kerzenlicht. Begleitet werden sie von Jungen in weißen Hemden und einer spitzen Sternenmütze.

Schöne, lustige, komische und vor allem besondere Traditionen machen unsere Weihnachtszeit so wertvoll. Sie verbinden uns und machen uns einzigartig. Ich liebe die Unterschiedlichkeiten, die Besonderheiten. Ich liebe Weihnachten und ich liebe unsere Traditionen.


Eingesperrt – Apollo Edition 6

Liebe Leser,

unsere letzte Edition hieß noch „Ausbruch“ – unsere neue: „Eingesperrt“. Nach ein bisschen Freiheitshoffnung im Sommer kam der neue Lockdown schnell. Wir können schreien oder nicht – niemand kann uns hören, niemand interessiert sich wirklich für die Interessen junger Menschen in dieser Krise. Es gibt Redebedarf.

Es ist schwierig, jetzt noch etwas zu Corona zu schreiben. Man hat das Gefühl, wie eine kaputte Schallplatte immer nur das Gleiche zu spielen (für die GenX: Schallplatte ist sowas wie IPod, falls ihr das noch kennt, nur in Steinzeit). Es ist ermüdend, es ist anstrengend, es ist teils auch langweilig – aber vor allem ist es nötig. Denn man kann es nicht oft genug sagen: im Zweifel für die Freiheit! So oft wie Lauterbach und Co. uns erzählen, dass ja Freiheit nicht so wichtig wäre, so oft müssen wir dagegen halten. Es ist deprimierend, denn oft stellt man sich die Frage: wofür mache ich das eigentlich? Wir schreiben uns die Finger wund – doch es wird dennoch immer wieder beschlossen, immer gegen die Interessen unserer Generation. Aber selbst wenn wir die Politik nicht ändern können, so können wir doch eins garantieren: die Politik wird uns nie ändern.

Und in dem Sinne präsentiere ich unsere neue Edition.

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Elisa David

Chefredakteurin
2019 und danach

Video: Schluss mit dem Lockdown-Gejammere!
Wortbruch

Zeichnungen von Elisa David. © Apollo News



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2G diskriminiert – und hat nicht einmal einen Nutzen

Von Michael Friese | Die politische Klasse in Deutschland ist seit geraumer Zeit ganz heiß auf 2G-Regelungen. Man muss schließlich diese bösen, unsolidarischen Ungeimpften von den Geimpften fernhalten. Es ist ja auch mittlerweile eine Impfpflicht im Gespräch beziehungsweise für Pfleger bereits beschlossene Sache. Dass solche Regeln nicht nur Diskriminierung wie aus dem Lehrbuch darstellen, sondern für die derzeitige Corona-Lage überhaupt keinen Mehrwert bieten, fällt den Politikern und „der Wissenschaft“ überhaupt nicht auf. Sie sind zu sehr damit beschäftigt, ihren neu entdeckten Sündenbock durch den Dreck zu ziehen und haben dann eben keine Zeit mehr dafür, sinnvolle und verhältnismäßige Maßnahmen zu treffen.

Ich bin ja bekanntermaßen ungeimpft. Ich habe diese Entscheidung anfangs vor allem aus zwei Gründen getroffen: Die Gefahr, die Corona für mich darstellt, ist exorbitant gering und ich warte darauf, dass der Impfstoff länger auf dem Markt ist. Ich möchte mir nichts spritzen lassen, das nur eine kurze Zeit lang entwickelt und dann hastig an die Bevölkerung verteilt wurde. Ich wollte vor allem auf Langzeitfolgen warten. Es hat sich nun etwas anderes ergeben: Während die Impfung am Anfang der Impfkampagne für gewöhnlich mit zwei Dosen erledigt war und einem eine vollkommene Immunität versprochen wurde (man also weder angesteckt werden noch anstecken kann), sind wir nun ganz woanders: Der Impfschutz ist mangelhaft im Vergleich zur versprochenen Wirkung, Geimpfte stecken sich gegenseitig an, weil sie denken, dass sie geschützt sind und wir sind von einer einmaligen Doppel-Impfung zum Konzept einer halbjährigen „Booster-Impfung“ gewechselt. Das offenbarte mir Folgendes: Es hat sich mehr als gelohnt, zu warten. Und ich werde weiter warten, bis wir einen akzeptablen Impfstoff haben.

Die Politiker scheinen dies aber nicht sehen zu wollen. Für sie ist die Impfung die Lösung aller Probleme und jeder, der das anders sieht, ist eben ein unsolidarischer Schwurbler. Sie sehen nicht, dass Geimpfte das Virus weiterhin übertragen können und auch selber daran erkranken können, teilweise mit schweren Verläufen. Anstatt nun also der Pharma-Industrie zu sagen, dass sie gefälligst die Forschung an den Impfstoffen fortsetzen und die Probleme ausmerzen soll, deklarieren sie die Ungeimpften als Ursache für hohe Infektionszahlen. Fauler geht es einfach nicht. Man könnte nun als allgemeine Regel eine 1G-Regel einführen, wie es der Stahlkonzern Thyssenkrupp tun möchte. Jeder – auch die Geimpften – müsste sich dann einem Corona-Test unterziehen, um sicherzustellen, dass niemand das Virus in sich trägt und weiterverbreiten kann. Das wäre eine logisch begründbare Strategie, um die Infektionszahlen zu drücken. Stattdessen setzt man auf 2G oder „2G+“, was nicht minder unsinnig ist. Wenn ein negativ getesteter Geimpfter ins Kino darf, warum dann kein Ungeimpfter unter gleichen Konditionen?

Ich selber weiß durch diese 2G-Regeln nun nicht, wo ich hindarf und wohin nicht. Ich gehöre nämlich zu einer ganz besondere Demographie: Volljähriger Schüler. Klingt erstmal unbedeutend, aber die Kommunikation in den Medien und in den offiziellen Stellen ist so miserabel, dass ich wirklich nicht weiß, ob für mich nun 3G oder 2G gilt. Für Schüler gilt nämlich 3G und für Volljährige 2G. Und was ist nun mit volljährigen Schülern? Ich nehme Nachhilfe im Fach Mathematik – ein Schülerklischee – und die Leute dort konnten mir bis jetzt nicht sagen, ob ich da überhaupt hin darf, weil auch sie nicht wissen, ob jetzt die 2G-Regel für mich gilt oder nicht. Es ist nirgendwo explizit vermerkt. Man behält mich nun da, weil in nächster Zeit eine Arbeit bei mir ansteht. Das ist aber nicht die einzige Situation dieser Art, der ich mich gerade stellen muss. Ich habe neulich mit den theoretischen Fahrschulstunden angefangen; ich muss insgesamt 14 Stunden absolvieren. Ich habe zwei Stunden hinter mir und nun soll in der Fahrschule 2G herrschen. Aber auch hier hat niemand eine Ahnung, ob nun volljährige Schüler reindürfen oder nicht.

Dieses Theater ist einfach nur noch nervig. Und wieso wird das alles gemacht? Prinzipiell wegen nichts. Ungeimpfte stellen nachweislich keine große Gefahr für Geimpfte dar, sie sind aber trotzdem „das Böse“, wie Meerjungfraumann von Spongebob sagen würde. Es wird ein riesiger Zirkus um etwas veranstaltet, was überhaupt keinen Nutzen hat. Denn das Einzige, was 2G hervorbringt, ist die sinnlose Diskriminierung ungeimpfter Bürger.


Michael Friese, Schüler aus Schleswig-Holstein, Baujahr 2003 und Sozialschädling vom Dienst. Schreibt hier auf Apollo hauptsächlich über gesellschaftliche Themen wie Kultur oder – derzeit ganz prominent – Corona. Auch andere Themen wie Migration oder Gender gehören dazu. Hat ein durch und durch freiheitliches Gemüt und versucht immer, anderen Meinungen gegenüber offen zu sein. Leider sieht sich diese freiheitlich Denke seit ungefähr eineinhalb Jahren großem Artilleriebeschuss ausgesetzt; das zu adressieren und zu kritisieren ist aktuell der Fokus. Schreibt gerne in Bildnissen.


 


Wenn man der einzige Ungeimpfte in der Klasse ist

Von Michael Friese | Der Druck auf Ungeimpfte steigt von Tag zu Tag und beschränkt sich lange nicht mehr auf die Maßnahmen der Regierung – seien es die „G-Regeln“ oder gar eine Impfpflicht, wie es sie in Österreich geben soll. Auch im hiesigen Klassenzimmer wird der soziale Druck auf Ungeimpfte stetig größer. Ich selber bin glücklicherweise noch nie aufgrund meines Impfstatus in einer respektlosen Art und Weise von meinen Klassenkameraden angegangen worden. Dass das aber nicht selbstverständlich ist, zeigt die Geschichte einer Freundin von mir, die durch ihre Klassenkameraden zurück in den Fernunterricht gegruselt wurde.

Es fing bereits an, als das neue Schuljahr startete. Man musste sich vor versammelter Mannschaft und vorne am Pult testen lassen und bereits da kamen die ersten Kommentare auf wie „Seid ihr etwa immer noch nicht geimpft?“. Zu der Zeit war Laura* noch nicht die einzige, die nicht geimpft war, jedoch hatten die anderen beiden bereits ihre eigenen Impftermine ausgemacht, sodass sie bald alleine unter Geimpften war. Und da Minderheitenschutz in der Klassengemeinschaft alles andere als groß geschrieben wird, kann man sich bereits denken, wie die Stimmung in der Klasse in der nächsten Zeit gewesen ist.

Die Missgunst der Klassenkameraden zeigte sich immer weiter über die nächste Zeit. Meistens handelte es sich dort um aufstachelnde Kommentare, warum man denn noch nicht geimpft sei. Aber auch Sprüche wie „Nur wegen euch haben wir noch diesen Scheiß!“ waren keine Seltenheit. Es ging aber auch subtiler: Wenn man in seinen Gesprächen über die Impfung redet, erwähnt man einfach in einem abfälligen Ton, dass manche Leute sich immer noch nicht haben impfen lassen. In solchen Situationen fühlte es sich für Laura* dann immer an, als würde sie von allen angestarrt werden. Sie wurde mit diesem herabwürdigendem Ton schließlich indirekt angesprochen. In solch einer Situation braucht man die betroffene Person nicht einmal anstarren, damit sie sich beobachtet und verurteilt fühlt. Zu allem Überfluss kommt noch hinzu, dass dieses Verhalten nicht nur von Mitschülern ausging, mit denen sie zuvor nichts zu tun hatte oder vielleicht vorher schon Streit hatte. Selbst die Leute, mit denen sie sich vor Corona sehr gut verstanden hatte, schlossen sich dem Gezeter an.

All dies spielte sich im Zeitraum von nur einer Woche ab. Danach zog sie die Reißleine und bat darum, wieder in den Fernunterricht gehen zu können – sie hatte keine Lust mehr auf das respektlose Verhalten ihrer Klassenkameraden. Der Fernunterricht wurde auch gebilligt und seitdem muss sie nicht mehr in dieser toxischen Klassen“gemeinschaft“ lernen. Wer übrigens denkt, dass die Lehrer etwas gegen diese desaströsen Zustände unternommen hätten, denkt falsch. Die Lehrer an ihrer Schule waren diesbezüglich so nützlich wie ein Löffel beim Kanupaddeln. Von deren Seite aus kam nur, dass man dagegen ja „nichts machen“ könne, was vermutlich die wackeligste, aber auch bekannteste Ausrede eines Lehrers überhaupt ist.

Das ein solcher Zustand inakzeptabel ist, brauche ich vermutlich nicht zu erwähnen. Es ist die freie Entscheidung eines jeden Bürgers, sich gegen das Corona-Virus impfen zu lassen und es gibt valide Argumente für die eine und die andere Seite. Wer sich aber nun etwas auf seinen „richtigen“ Impfstatus einbildet und andere Leute – vor allem, wenn diese in der Unterzahl sind – aufgrund dessen herabwürdigt und anmacht, etabliert ein Gesellschaftsbild, welches eine Menschengruppe pauschal über eine andere stellt. Das ist die klassische Definition des Chauvinismus. In diesem Fall ist es der Chauvinismus der Geimpften: Der Impfchauvinismus.

* Name wurde von der Redaktion geändert


Michael Friese, Schüler aus Schleswig-Holstein, Baujahr 2003 und Sozialschädling vom Dienst. Schreibt hier auf Apollo hauptsächlich über gesellschaftliche Themen wie Kultur oder – derzeit ganz prominent – Corona. Auch andere Themen wie Migration oder Gender gehören dazu. Hat ein durch und durch freiheitliches Gemüt und versucht immer, anderen Meinungen gegenüber offen zu sein. Leider sieht sich diese freiheitlich Denke seit ungefähr eineinhalb Jahren großem Artilleriebeschuss ausgesetzt; das zu adressieren und zu kritisieren ist aktuell der Fokus. Schreibt gerne in Bildnissen.


 


Soziale Triage in der Jugendhilfe

Von Pauline Schwarz | Die Zahl der psychischen Störungen unter Kindern und Jugendlichen ist seit Beginn der Pandemie und der damit verbundenen Maßnahmen drastisch angestiegen. Die völlige Auflösung einer normalen Tagesstruktur, die soziale Isolation und die fehlenden Freizeitmöglichkeiten haben tiefe Wunden hinterlassen. Es gab einen enormen Anstieg von depressiven Erkrankungen, Ess- und Schlafstörungen, Entwicklungsverzögerungen, Suchtstörungen und sogar von Suiziden. Laut Caritas leidet inzwischen fast jedes dritte Kind unter den Folgen der Corona-Maßnahmen und zeigt psychische Auffälligkeiten. Besonders betroffen sind Kinder aus schwierigen sozialen Verhältnissen, die häufig in sehr engen Wohnverhältnissen leben, wenig Unterstützung von ihren Eltern bekommen und auch sonst Schwierigkeiten haben, Anschluss zu finden. Sie brauchen schon unter normalen Verhältnissen besonders viel Hilfe, um ihren Alltag zu meistern. Doch genau diese könnte jetzt erneut wegbrechen. Schon im Mai, als die Zahl der Infizierten wesentlich geringer war als heute, fand eine soziale Triage in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe statt.

Kurz nach dem zweiten Lockdown, dank dem wir ganze sechs Monate auf große Teile unserer Grundrechte verzichten mussten, lagen die Nerven bei vielen blank. Der Ansturm auf Jugendeinrichtungen war dementsprechend groß und die Hilfe besonders nötig. Es gab nur ein Problem: die Hygiene-Maßnahmen. In Einrichtungen wie dem Kinder- und Jugendhaus „Bolle“ in Berlin-Marzahn können unter normalen Umständen täglich bis zu 120 Hilfebedürftige ihrem Familienalltag entfliehen, die Probleme etwas vergessen und mit den anderen Kindern toben, kickern oder bei der Hausaufgabenhilfe mitmachen. Im Mai waren es dann plötzlich nur noch 50 Kinder im Schichtsystem, aufgeteilt in Fünfergruppen. Vivien Rosen, vom zugehörigen Verein Straßenkinder e.V., sagte gegenüber dem Tagesspiegel, dass das schrecklich gewesen sei: „Wir mussten täglich neu entscheiden, welche Kinder und Jugendlichen den größten Betreuungsbedarf haben. Eine Art soziale Triage, denn Bedarf haben sie alle.“

 In der Marzahner Plattenbausiedlung rund um die Einrichtung leben 70 Prozent aller Haushalte von Hartz IV, etwa 40 Prozent haben einen Migrationshintergrund und genauso viele sind alleinerziehend. Laut Rosen sind in solchen Familien sehr viele Eltern „nicht in der Lage, ihren Kindern beim Homeschooling zu helfen, auch Freizeitaktivitäten finden zu Hause kaum statt. Zahlreiche Kinder hier würden einfach den ganzen Tag vor dem Fernseher oder Monitor hocken“. Über die Aussage der Sozialarbeiterin hinaus, droht aber leider noch viel Schlimmeres, das weiß ich aus meiner Arbeit für einen Berliner Erziehungsbeistand. Kinder, die Einrichtungen wie das Freizeithaus oder andere, etwa stationäre, Hilfsangebote annehmen, stammen häufig aus Familien, in denen massive Verwahrlosung und Gewalt drohen. Die Kinder sind den psychischen Krankheiten oder Drogenproblemen ihrer Eltern häufig völlig schutzlos ausgeliefert. Und das hat Folgen: Die Kleinen leiden unter Entwicklungsstörungen, sozialen Inkompetenzen, psychischen Krankheiten sowie fehlender Impulskontrolle, nehmen Drogen und geraten nicht selten auf die schiefe Bahn. Ich habe schon Zwölfjährige gesehen, die dickere Strafakten hatten als so mancher 40-jährige Berufsverbrecher und 17-Jährige, die lieber hinter Heizungsrohren schliefen, als wieder nach Hause zu gehen.

Dank der Corona-Maßnahmen brach für viele auch noch das letzte bisschen Halt weg, das sie durch Einrichtungen wie dem „Haus Bolle“ oder der „Arche“ hatten. Auch bei der „Arche“, einem Hilfsangebot des Christlichen Kinder- und Jugendwerks, schrumpfte die Betreuungsmöglichkeit per Dekret von 300 auf gerade mal 40 Kinder und Jugendliche pro Tag. Bernd Siggelkow, Gründer der Einrichtung, beklagte sich damals über die mangelnde politische Unterstützung seiner Schützlinge und anderer Kinder aus bildungsfernen Familien. Er prophezeite sogar „einen 25 prozentigen Anteil an funktionalen Analphabeten nach der Pandemie“ und warnte vor Verwahrlosung und der Zunahme an Verhaltensauffälligkeiten – wie etwa bei einer Achtjährigen, die nachts versuchte, ihre Mutter zu erwürgen oder neun- und zehnjährigen Jungen, die Zigarettenstummel von der Straße aufsammelten und rauchten.

Laut statistischem Bundesamt ist die Zahl der Kindeswohlgefährdungen 2020 im Vergleich zum Vorjahr um neun Prozent gestiegen – der höchste Stand seit Beginn der Erhebung im Jahr 2012. Dabei kamen 1,5 Prozent weniger Hinweise von den Schulen, was angesichts der Schulschließungen wenig überraschend ist. Es ist aber durchaus problematisch. Lehrer sind meiner Erfahrung nach mit am meisten an Jugendschutzmeldungen beteiligt, etwa weil sie merken, dass ein Kind im Winter nur mit T-Shirt in die Schule kommt, offene Wunden hat oder sich mit zehn bis zwölf Jahren immer wieder im Unterricht einnässt. Nachbarn oder Fremde müssen die Verwahrlosung oder Misshandlung erst einmal mitbekommen und dann noch den Mut oder überhaupt den Willen aufbringen, eine Meldung beim Jugendamt abzugeben. Ich fürchte also, dass die Zahl an Kindeswohlgefährdungen im letzten Jahr in Wirklichkeit noch deutlich höher gewesen seien könnte. Dank der Schulschließungen, dem folgenden Wechselunterricht und der sozialen Triage in Jugendhilfeinrichtungen, werden einige Kinder wohl keine Möglichkeit gehabt haben, sich einem Erwachsenen außerhalb ihres schädlichen Umfelds anzuvertrauen.

Und diese Sorge wurde durch eine kürzliche Pressemitteilung des statistischen Bundesamtes leider nur bekräftigt. 2020 gab es nämlich nicht nur mehr Gefährdungsmeldungen, sondern gleichzeitig auch fünf Prozent weniger erzieherische Hilfen – also ganze 53.600 Fälle weniger, in denen Kinder- und Jugendhilfemaßnahmen in Anspruch genommen wurden. Was erstmal gut klingt, ist fatal. Es bedeutet nämlich nicht, dass es weniger Bedarf gab, sondern nur, dass weniger Hilfe angeboten wurde – so wie in den Tagesstätten „Bolle“ und „die Arche“. Es haben also wahrscheinlich über 53.000 Kinder, Jugendliche und Eltern auf Beratung und Betreuung verzichten müssen, weil die Hygienemaßnahmen nur Hilfen für einen kleinen Teil der Schlimmsten aller Schlimmen zugelassen haben oder weil die Angebote dank Lockdown gleich völlig eingestellt wurden.

Umso länger die Corona-Pandemie unser aller Leben bestimmt, desto schlechter wird es Kinder und Jugendlichen gehen – allen, aber denen aus sozial schwachen Familien, die unsere Politik angeblich ach so unbedingt schützen will, besonders. Der Hilfebedarf steigt ins unermessliche, während ungeimpfte Kinder durch 2G-Reglungen vom sozialen Leben und Unterstützungsmaßnahmen ausgeschlossen werden, der nächste Lockdown droht und auch danach wohl wieder soziale Triage in allen möglichen Einrichtungen vorherrschen wird. Das alles wird fatale Folgen auf die Gesundheit, Entwicklung, Bildung und den Werdegang der Kleinsten und gleichzeitig größten Opfer der Corona-Politik haben.

 


Pauline Schwarz, geboren 1995, ist Senior und Psychotante von Apollo News. Sie studiert Psychologie, um irgendwann nicht mehr nur unter Verrückten zu leben, sondern auch Geld mit ihnen zu verdienen. Schreibt gerne über Autos, Kriminalität und psychische Leiden von Kindern und Jugendlichen, die auch dank unserer (selbst nicht ganz dichten) Regierung zu echten Volkskrankheiten werden. Kennt sich aber auch mit den richtig Bekloppten aus: Bei ihrer Arbeit für ein Berliner Betreuungsbüro hat sie es mit waschechten Aluhüten zu tun – denen, die Stimmen hören und denken, die Aliens oder CIA wären hinter ihnen her. Und dann ist sie zu allem Übel auch noch unter Grünen, Hippies und Linksextremisten in Berlin-Kreuzberg aufgewachsen, über deren Wahnsinn sie sich besonders leidenschaftlich bei Apollo aufregt.


 


Wer ist wirklich überrascht über den Vertrauensverlust in die Politik?

Von Sebastian Thormann | Seit Jahren schon reden die Medien darüber, dass immer mehr Deutsche das Vertrauen in die Politik verlieren. Man grübelt über die Ursachen – von Globalisierung, dem schlechten Einfluss Sozialer Medien und Politikverdrossenheit hört man alles Mögliche. Dabei sind die vergangenen zwei Corona-Jahre ein Paradebeispiel dafür, wieso immer mehr Menschen unseren Institutionen misstrauen: Nämlich, wenn diejenigen, die uns regieren, das eine sagen und sich dann Wochen später umdrehen und etwas völlig anderes tun.

Während der Pandemie haben wir beobachten können, wie die Verschwörungstheorien von gestern der Regierungsstandpunkt von heute wurden. 

Zu Beginn galt es noch als Panikmache, sich Sorgen um das Corona-Virus zu machen, wegen dem in China ganze Städte abgeriegelt wurden. Maskenträger wurden vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk verspottet und die Bundesregierung erklärte zukünftige Einschränkungen des öffentlichen Lebens zu „Fake News“. Binnen Wochen war all das Realität. 

Nun gut, über COVID-19 war zunächst kaum etwas bekannt, man hatte sich eben geirrt und hat dann sein Handeln angepasst, kann man jetzt sagen – und da ist etwas dran, so eine Pandemie haben wir schließlich nicht alle paar Jahre. Jetzt wissen wir allerdings weit mehr über das Virus – es geht nun schon das zweite Corona-Jahr zu Ende. Wie kann es da sein, dass alle möglichen Beteuerungen und Versprechen innerhalb von Wochen wertlos sind?

Noch im Juni 2021 sagte etwa Kanzleramtsminister Helge Braun: „Wenn wir jedem in Deutschland ein Impfangebot gemacht haben, dann können wir zur Normalität in allen Bereichen zurückkehren.“ Er versprach in diesem Fall nicht etwa eine halbe Rückkehr, sondern eine Rückkehr zur Normalität im „vollen Umfang“. „Alle Einschränkungen“ würden fallen. Davon sind wir weit entfernt. Stattdessen gibt es einen Lockdown für Ungeimpfte und auch für den Rest gelten bereits die ersten Regeln auf dem Weg zum Lockdown, etwa in Bayern. Ministerpräsident Söder hatte dort noch vor drei Monaten noch eine „eine neue Form von Freiheit“ angekündigt und versichert, es werde „definitiv keinen Lockdown mehr geben oder Beschränkungen, wie wir sie hatten“.

Söder ist es auch derjenige, der wohl den Rekord für die schnellste 180-Grad-Wende hält. Innerhalb von zwei Wochen schaffte er es, seine Ansichten zur Impfpflicht auf den Kopf zu stellen. Am 8. November schloss er eine allgemeine Impfpflicht noch aus, auf den Tag genau 14 Tage später forderte er dann explizit eine solche. Niemand kann einem erzählen, dass sich der Wissenstand zu Impfungen innerhalb dieser zwei Wochen geändert hat, aber dennoch hat sich seine Position geändert – und das war nicht das erste Mal. Bereits vor einem Jahr hatte er eine Impfpflicht ins Spiel gebracht und dann wieder verworfen, nachdem er feststellte, dass es „keine Mehrheit dafür“ gäbe. Damals erklärte Söder: „Das gilt es auch einfach zu respektieren. Es ist auch ein starker Grundrechtseingriff.“

Wenn die Politik also wieder Vertrauen zurückgewinnen will, wäre sie gut damit beraten, sich vielleicht wenigstens für sechs Monate an das zu halten, was man zuvor kategorisch festgelegt hat. Denn wenn einige der größten „Fake News“ während der Pandemie von offizieller Seite stammen und Irre aus den entferntesten Ecken des Internets derweil teilweise als Propheten dastehen, wäre das für Politiker doch Anlass, einmal den eigenen Umgang mit der Öffentlichkeit zu reflektieren.


Sebastian Thormann (*2000) ist Student aus Passau und Chef vom Dienst des Jugendmagazins Apollo News. Er schreibt vor allem über US- und Außenpolitik. Er publiziert auch in amerikanischen Medien, so z.B. Lone Conservative und Washington Examiner.


 


Apollo Videobotschaft: Schluss mit dem Lockdown-Gejammer!

Seit über anderthalb Jahren schlittern wir in Deutschland von Lockdown zu Lockdown. Und immer hören wir dieselbe Leier: Die Jugend vereinsamt und wird immer depressiver, sie hängt nur vor dem Bildschirm und verblödet in der Isolation. Wir von Apollo haben genug von dieser Unterstellung. Bei uns jammert niemand! Wir hatten eine richtig gute Zeit – mit Vodka unter der Dusche.

Hier ist unser Statement im Video.


Rapunzel neu verfilmt – nur deprimierender und ohne Glitzer

Von Selma Green | Rapunzel war eine meiner Lieblingsprinzessinnen. Ich wollte früher wie sie sein. Das hat auch fast geklappt. Wie sie in ihren Turm, wurde ich in mein Zimmer gesperrt. Wussten Sie, dass Rapunzel in der Disney-Verfilmung die Prinzessin von einem Königreich namens Corona ist? Ist wirklich wahr, Sie können es googeln, wenn Sie mir nicht glauben. Und der Film wurde schon 2010 gedreht! Und da soll noch mal jemand sagen, Disney sei weltfremd. Nur anders als bei Rapunzel bescherte mir der Lockdown haufenweise Hausaufgaben, Augenringe, fehlende soziale Kontakte und blasse Haut. Ich hatte etwas zu viel Zeit im Lockdown und entdeckte meine Leidenschaft für’s Backen – Hefezöpfe, Brötchen, ein Erdbeerkuchen, zwei oder drei New York-Cheesecakes, Cupcakes mit Frosting und ein paar Macarons füllten unseren Kühlschrank aus.

Im zweiten Lockdown beschäftigte ich mich mit Schminken, insbesondere meiner Augen. Ich probierte Eyeshadow und Eyeliner in den verschiedensten Farbkombinationen und Formen aus. Glauben sie’s mir oder nicht – ich wurde wieder rassistisch diskriminiert. Nach stundenlanger, harter Arbeit des Auftragens vom Eyeshadow sah ich in den Spiegel: Mein Lid, auf das ich fast alle Farben meiner Palette ausgekippt hatte, sah genauso aus wie das Lid ohne Lidschatten. Ich mag hoch pigmentiert sein, meine Schminke ist es jedenfalls nicht. Aus Rache verbannte ich die rassistische Farbpalette in meinen Schrank, wo sie nun einstaubt.

Auch wenn mich meine Bemühungen als Bäckerin und Schminkprofi ablenkten, machte mich die Coronapolitik wütend. Aus der Schule gerissen und in einen Lockdown gesteckt, mussten wir uns Themen selbst erarbeiten. Es kam kein Prinz und auch kein Lehrer, der uns dabei half. Mit dem Stoff lag meine Klasse in den meisten Fächern zurück. Die Plattform, auf der alle Aufgaben von den Lehrern für die Schüler hochgeladen wurden, stürzte alle zwei bis drei Tage ab. Selbst für Streber wie mich war es kaum möglich, die Lösungen rechtzeitig abzugeben. In Berlin investierte man lieber in grüne Projekte, als in einen funktionierenden Online-Unterricht. Naja, wer braucht schon Bildung in einer Welt, in der es Pop-up-Radwege gibt?

Nicht Corona, sondern die Maßnahmen machen mich krank.

Als würde man mit uns Schülern Mühle spielen, wurden wir hin und her geschoben: vom Lockdown zum Präsenzunterricht zum normalen Unterricht zum Hybridmodell und am Ende wieder in einen Lockdown. Auf die Idee, uns in der Schule zu testen und Luftfilter zu besorgen, kam man erst nach anderthalb Jahren Corona. Schüler sind keine Risikogruppe, warum dieses Rumgeeiere mit den Maßnahmen?
Wir sitzen jetzt mit Luftfilter im Rücken und Teststäbchen in der Nase im Unterricht und sollen brav unsere Masken tragen. Durch die offenen Fenster nimmt der Klassenraum Kühlschranktemperaturen an. Ich sitze dann mit in einem Schal eingewickelten Beinen, Winterjacke, Handschuhen und Maske im Unterricht. „So, jetzt entspricht mein Aussehen endgültig dem eines Obdachlosen”, denke ich mir dabei. Von der Maske wird mir regelmäßig schlecht und von den Coronatests bekomme ich Nasenbluten. Nicht Corona, sondern die Maßnahmen machen mich krank.

In der Coronapolitik stehen wir Schüler an letzter Stelle. Man machte sich keinerlei Gedanken über einen funktionierenden Online-Unterricht und schickte uns in mehrere Lockdowns. Genauso wenig scherte man sich darum, uns einen normalen Schulalltag genießen zu lassen.
Es gelten nutzlose Maßnahmen und Druck durch Moralkeulen wie: die Jugendlichen müssten die Alten schützen. Am Anfang verstand ich das. Jetzt, da es eine Impfung gibt und ich mich regelmäßig teste, kann ich die vielen Einschränkungen nicht mehr nachvollziehen. Ich will als Jugendliche, genauso wie Rapunzel, etwas außerhalb meiner vier Wände entdecken. Ich möchte nach Malle fliegen, mit Spaniern flirten und in der Schule ohne Maske und Frieren Unterricht haben.


Selma Green, 2006 geboren und Schülerin eines Berliner Gymnasiums. Hat die Nase voll von der Klimawandel- und Coronapanikmache in der Schule und schreibt über die linken Mitschüler und Lehrer, gelegentlich über ihr Moped. Möchte Jura studieren und viel Geld als Chefin einer Anwaltskanzlei verdienen.