Von Jonas Aston | Eigentlich wollte ich mich Ende des Sommers gegen Corona impfen lassen. Nicht aus persönlichen gesundheitlichen Gründen, sondern vor allem, um meine Großeltern zu schützen. Eine Impfung verhindere das Risiko der Infektion und Übertragung, so hieß es. Dies stellte sich als Märchen heraus. Das Risiko der Infektion und Übertragung ist bestenfalls marginal geringer. Mit steigender Impfquote werden die Freiheiten steigen, so hieß es. Für mich als Ungeimpten stellte sich das genaue Gegenteil heraus. Die Einführung einer Impfpflicht werde es nicht geben. Auch nicht durch die Hintertür. Personen, die dies behaupteten, seien Verschwörungstheoretiker und würden „böswillige Unterstellungen“ verbreiten, so hieß es. Ein weiteres Märchen. Inzwischen sind wir von Verkündung einer allgemeinen Impfpflicht nur noch eine Ministerpräsidentenkonferenz entfernt.
Ich möchte nicht Teil eines Systems sein, in dem entrechtet wird, wer sich dem staatlichen Willen nicht fügt, auch nicht mittelbar durch eine Impfung.
In der Impfdebatte wird das Narrativ von den solidarischen Geimpften und den egoistischen Ungeimpften gesetzt. Meine Entscheidung, mich nicht impfen zu lassen, fiel am 10.08.2021. An diesem Tag wurde verkündet, dass die Tests kostenpflichtig werden. Fortan hieß es nicht mehr impfen für die Gesundheit, sondern impfen für den Geldbeutel, impfen für Rechte, impfen für die Freiheit. Ich stehe hinter dem Ziel, Corona zu bekämpfen, aber nicht hinter den Methoden. Die Impfung wird zu einem Akt der Gehorsamkeit hochstilisiert, der über gut und böse entscheidet. Meine Angst vor dem Staat ist mittlerweile viel größer als die vor Corona. Ich möchte nicht Teil eines Systems sein, in dem entrechtet wird, wer sich dem staatlichen Willen nicht fügt, auch nicht mittelbar durch eine Impfung.
Markus Söder sagte kürzlich, er freue sich über jeden, der sich impfen ließe, ihn könne man dann in der „Gemeinschaft willkommen heißen“. Bisher bin ich davon ausgegangen, durch meinen Nationalpass einer Gemeinschaft anzugehören. Doch ohne Impfpass bin ich anscheinend ein Aussätziger. Dies spüre ich auch jeden Tag. Der Alltag gleicht einem Spießrutenlauf. Mit der S-Bahn benötige ich fünf Minuten bis zur Uni. Der 3G-Regel sei Dank benötige ich nun 25 Minuten – zu Fuß. Den ÖPNV kann ich faktisch nicht mehr nutzen und das, obwohl mein Semesterbeitrag zu einem nicht unerheblichen Teil in ein Bahnticket fließt. An der Uni angekommen, heißt es dann testen. Erst anstellen und dann noch einmal 15 Minuten auf das Ergebnis warten. Wird man in einer Vorlesung ohne 3G-Nachweis „erwischt“, droht laut Uni-Website ein Bußgeld von bis zu 25.000€. In den Semesterferien habe ich ein Gerichtspraktikum absolviert. Dort wurde ein Mann wegen Körperverletzung verurteilt – zu einer Geldstrafe von 10.000€. Abseits der Uni und von Supermärkten wird Deutschland für mich zum Freiluftgefängnis erklärt. Ich komme zwar raus – jedoch nirgendwo rein. Dies gilt aber auch nur von 5 bis 22 Uhr. Dann gilt die Ausgangssperre und selbst die Freiluft fällt weg.
Ebenso belastend sind die Unsicherheiten, mit denen man zu kämpfen hat. Wer garantiert mir, dass die Tests von meiner Uni weiterhin gestellt werden müssen? Wer garantiert mir, dass meine Uni nicht auf 2G umstellt? Leben und Schicksal hängen vom erlauchten Kreis der Ministerpräsidentenkonferenz ab. Ich würde gerne ein Auslandssemester machen. Dafür benötige ich jedoch ein Empfehlungsschreiben meines Dozenten. Dieser ist bisher nicht durch besondere Toleranz gegenüber Ungeimpften aufgefallen. Erhält er Kenntnis über meinen Impfstatus (diesen darf er abfragen), kann ich mir eine gute Note und das Empfehlungsschreiben abschminken.
Der Druck, sich impfen zu lassen, wird mit jedem Tag größer. Wenn Weltärztepräsident Montgomery von einer „Tyrannei der Ungeimpften“ spricht, dann spricht aus seinem Munde der pure Hass. Dass in einem System, in dem per Mehrheitsentscheid regiert wird, eine Minderheit tyrannisieren könnte, erscheint mir absurd. Ich halte es da eher mit Tocqueville, der die „Tyrannei der Mehrheit“ als die große Gefahr der Demokratie bezeichnet hat.
Ich habe das Gefühl, dass es Gesellschaft und Politik nicht darum geht Wellen, sondern Willen zu brechen. Ich musste in den letzten Tagen oft an Orwells „1984“ denken. Im dritten und letzten Teil landet die Hauptfigur Winston Smith als politischer Gefangener im Ministerium für Liebe. Dort wird er mit grausamen Methoden umerzogen und sein Widerstand gegen das autoritäre System gebrochen. Am Ende liebte er den großen Bruder. Dieser personifizierte den Staat. Heute gibt es keine politischen Gefangenen. Nur außergewöhnlich viele Menschen, die wegen Urkundenfälschung verurteilt werden. Ein Ministerium für Liebe gibt es auch nicht. Doch im Alltag spürt man in jeder Minute seine Andersartigkeit und den Druck, der auf einem lastet. Die Impfung ist dann das einzig legitime Bekenntnis, sich des kollektiven Ziels der Bekämpfung des Virus zu verschreiben. Zugleich ist sie Erlösung, nach der man in der „Gemeinschaft“ wieder „willkommen geheißen“ wird.
Neulich saß ich in einer Grundrechtsvorlesung. Unser Professor führte wortgewaltig über den Allgemeinen Gleichheitsgrundsatz aus. Dieser sei das Fundament, auf dem die westliche Welt stehe, meinte er. Seit der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung sei der Mensch „born equal“. Er werde gleich geboren. Deswegen stünden jedem Bürger sämtliche Menschen- und Grundrechte von Geburt an zu – durch seine schlichte Existenz, ohne weitere Voraussetzungen. Zehn Minuten vorher wurde einem Kommilitonen der Zutritt zur Vorlesung verwehrt. Er konnte keinen 3G-Nachweis vorbringen. Entweder bin ich verrückt oder hier läuft etwas gewaltig schief.
Jonas Aston, 20 Jahre alt, Student der Rechtswissenschaften in Jena. Hofft darauf später als Richter Regierungsgesetze für verfassungswidrig erklären zu dürfen. Treibt Kommilitonen mit seinem ewiggestrigen Geschwätz zur Weißglut. Schreibt über Politik, Recht und Gesellschaft.
Von Gesche Javelin | Vorweihnachtszeit 2019 – es ist erst zwei Jahre her, fühlt sich aber an wie ein völlig anderes Leben. Man hat sich persönlich getroffen, einfach so, im realen Leben. Ohne darüber nachzudenken, ob man gleich eine Ordnungswidrigkeit kassiert, weil man sich nicht an die Corona-Regeln hält. Heiserkeit, Schniefnase und Husten hin oder her.
Vor genau zwei Jahren lief ich quatschend mit meinem fünf Freunden durch die Europa-Passage. Wir lachten und freuten uns schon auf den Weihnachtsmarkt, auf den wir geradewegs zusteuerten. Im Vorbeigehen sahen wir einen Ständer mit Hüten – ob die uns wohl stehen würden? Ich blieb stehen, setzte einen besonders opulenten Hut auf und posierte albernd mit meinen Freundinnen, bis wir die Hüte lachend wieder zurücklegten. Ein paar Meter weiter kam mir schon der köstliche Geruch von gebrannten Mandeln und das Gedudel der Weihnachtslieder entgegen. Voller Vorfreude drängten wir uns in die Menschenmassen. Mir lief schon das Wasser im Mund zusammen. Also schnell zu den gebrannten Mandeln und, nicht zu vergessen, zum Schmalzgebäck.
Nachdem wir die schier endlose Schlange überwunden hatten, kuschelten wir uns dicht aneinander gedrängt in eine Ecke und genossen unsere reichliche Beute. Die Tüten wurden herumgereicht und jeder aß beim Anderen mit, bis wir nicht mehr konnten. Kurz darauf hetzten wir zum Bahnhof, um in letzter Minute in die Bahn zu springen. Schwer atmend quetschen wir uns auf einen Vierer-Sitz. In der Bahn war es brechend voll – die Menschen standen dicht gedrängt beieinander. Kaum zu glauben, dass der Vierer-Platz noch frei war. Um uns herum erfüllten Quatschen und Lachen, Kindergeschrei, Tütenknistern und viel zu laute Kopfhörer-Musik den Waggon.
Heute scheint mir diese Erinnerung völlig fremd. Die Straßen sind zwar immer noch voll, aber von der vorweihnachtlichen Fröhlichkeit und Leichtigkeit ist kaum noch etwas zu spüren. Stattdessen herrschen Abstand, Angst und Masken. In ein Geschäft und auf den Weihnachtsmarkt kommst du nur noch mit QR-Code, der deinen „G-Status“ nachweist. Ach ja, und – fast hätte ich es vergessen – die Maske muss hier natürlich auch getragen werden. Die Dinger kann man sich ja gar nicht mehr wegdenken, auch wenn ich aus gesundheitlichen Gründen selbst keine tragen kann.
Ist das schon das neue „normal“? Ich beobachte mit Erschrecken, dass es mir immer unbekannter wird, wie mein Leben früher einmal war. Es scheint so fremd, dass ich im ersten Moment richtig verwirrt bin, wenn ich in einem Film Menschen ohne Maske und Abstand im Supermarkt sehe. Freunde wollen sich nicht mehr umarmen, manche nichtmal mehr treffen: Geimpft vs. ungeimpft ist der neuste Trennungsgrund. Derweil heißt der Werbeslogan für Weihnachten 2021: „Weiße Weihnachten auch im Gesicht. Für jeden fünf FFP2 Masken.“
Das Absurde wird normal und das Normale immer absurder. Manchmal frage ich mich, wo das noch enden soll. Wird die Welt irgendwann wieder normaler? Kann ich irgendwann wieder, mit Heiserkeit und einer wetterbedingten Schniefnase durch die Gegend laufen, ohne Angst haben zu müssen, schräg angeguckt oder gemieden zu werden? Ich hoffe es.
Gesche Javelin, im Jahr 2005 geboren, ist froh, wenn sie 2024 die Schule verlassen kann. Träumt davon die Welt zu bereisen, ihren eigenen Reiseblog zu starten und eine bessere und vor allem freiere Zukunftsversion zu erschaffen. Liebt gute Bücher und offenen Diskurs, der leider auch immer mehr zu einem Traum wird. Sammelt Stifte und schreibt gerne über gesellschaftliche Themen, wie zum Beispiel die Schule und den Umgang mit uns Jugendlichen.
Von Redaktion | In eigener Sache: Wir haben uns heute mal erlaubt, die TE-Online Seite zu übernehmen. Wir finden, wir das haben verdient, wo wir doch jetzt schon wieder in den Lockdown verfrachtet wurden. Eigentlich hatten wir für dieses Wochenende eine dreitägige Veranstaltung in Berlin geplant – um unsere TE-Jungautoren zu trainieren und auszubilden. Daraus wurde nichts – die spontanen Eingebungen des Berliner Senats machten Reisen für Nicht-Geimpfte in die Hauptstadt quasi unmöglich. Wir haben uns dazu entschieden, keine Veranstaltung durchzuführen, bei der nicht alle unsere Leute dabei sein können.
Darum haben wir jetzt den Cyber-Angriff gestartet. Auf Zoom spielen wir Redaktionskonferenz, auf Tichys Einblick veröffentlichen wir, was dabei bereits zu Stande gekommen ist. Alles unter der Aufsicht von der echten TE-Konferenz, versteht sich.
Hier die Artikel, die wir bisher schon veröffentlicht haben:
viele von Ihnen haben uns rückgemeldet, dass Ihnen unsere letzte Edition „Verkehrs(w)ende“ sehr gut gefallen hat. Das freut uns natürlich sehr! Und wir sagen Ihnen: Sie dürfen noch viel mehr erwarten. Unser Editions-Motor läuft auf Hochtouren und wir sind zu allen Schandtaten bereit! Doch bevor wir Ihnen weiter, alle zwei Wochen, hübsch aufgemacht unsere Meinungen zum kleinen und großen Weltgeschehen präsentieren, möchten wir in dieser Edition erst einmal einen überfälligen Schritt gehen – und uns vorstellen!
Wer sind diese jungen Leute, die sich unter einem Raketen-Logo versammeln und wie sind sie dazu gekommen, den Liberalismus verteidigen zu wollen? Wir wollen es Ihnen erzählen! Viele von uns haben auf dem Weg zu Apollo einen Wandel durchgemacht – manche unserer Autoren waren vor nicht allzu langer Zeit noch stramm links, andere waren einfach unpolitisch. Doch dann gab es dieses eine Erlebnis oder diese eine Entwicklung, die sie zum Umdenken gebracht hat. Bei manchen war es die Beobachtung, dass sie zur Flüchtlingskrise oder zum diskutierten Impfzwang nicht mehr ihre Meinung sagen konnten, ohne von Lehrern und Mitschülern massiv niedergemacht zu werden. Andere haben ihre links-grünen Vorstellungen hinterfragt oder sie an der Realität scheitern sehen. Jeder von uns hat eine Geschichte zu erzählen – und gerade jetzt, wo die Massenpsychose „Corona“ wiederauflebt, möchten wir diese mit Ihnen teilen. Denn nie haben wir uns (in unserem jungen Leben) so bestätigt darin gefühlt, diktatorisches Denken und Handeln abzulehnen wie heute.
Es lebe die individuelle Entscheidungsfreiheit, es lebe die Selbstverantwortung, es lebe der Liberalismus! Gerade jetzt. Dafür stehen wir. Dafür schreiben wir.
Larissa Fußer
Stv. Geschäftsführerin
Freiheit, gleichheit, Wirklichkeit
Vom wir zum ich
in der schule
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Von Gesche Javelin | „Wir müssen die Kohlekraftwerke abschalten, dürfen kein Auto mehr fahren, keine tierischen Produkte mehr essen, am besten gleich aufhören zu atmen, damit wir bloß kein CO2 mehr ausstoßen.“ Das ist in etwa die Einstellung, die wir Jugendlichen haben sollen. Und dann fragt man sich, warum die Suizidrate bei Jugendlichen steigt?
Hinterher gebrüllt bekommen, eine „links-grün versiffte Kampflesbe“ zu sein, ist cool, aber wehe man deutet an, dass man Fleisch eigentlich ganz lecker findet oder es gar isst. Das seien doch Leichen, die man da genüsslich äße. Willkommen in meinem Leben unter Fridays for Future-Anhängern. Ich war zweimal auf einer solchen Demo und ich fand das Auftreten damals schon ziemlich lächerlich, obwohl ich von der Sache überzeugt war.
Und mitten im Demonstrationszug wirft jemand seine Chipstüte auf die Straße. So steht die Jugend für die Umwelt ein.
Mehr als die Hälfte waren Schüler, die nur mitgekommen waren, weil sie keinen Unterricht haben wollten oder weil alle anderen auch hingegangen sind. Zu einem Protest, bei dem die Schulleitung genehmigt, dass kein unentschuldigter Fehltag für das Wegbleiben von der Schule eingetragen wird. Und mitten im Demonstrationszug wirft jemand seine Chipstüte auf die Straße. So steht die Jugend für die Umwelt ein.
Als einmal das Thema Treibhauseffekt auftrat, musste ich den Greta-Anhängern erklären, was man grob unter dem Modell versteht. Obwohl ich zu dem Zeitpunkt nun wirklich nicht von mir behaupten konnte, mich informiert zu haben. Das Einzige, was ich wusste, hatte ich aus den Nachrichten aufgeschnappt oder im Erdkundeunterricht gelernt. Bloß schade, dass ich zu dem Zeitpunkt den wissenschaftlichen Nonsens dieses Modells nicht durchblickte. Die Situation wäre eine gute Diskussionsgrundlage gewesen.
Inzwischen haben unter anderem mein Vater und mein Opa mich wieder auf den Boden der Tatsachen zurück geholt. Und das ganz ohne Totschlagargumente oder Aufdrücken von Überzeugungen und Glaubenssätzen, sondern mit kritischen Fragen und Fakten. Wenn man jetzt den wissenschaftlichen Teil mal außen vor lässt: Was ist das für eine Demonstration, die volle Unterstützung von der Regierung bekommt? Wo ist der Widerstand, gegen den gekämpft wird? Warum kann mir von den überzeugten Demogängern in meinem Umfeld niemand die Grundlagen erklären?
Es scheint unhinterfragbar zu sein, dass es einen menschengemachten Klimawandel gibt, weil das ja 99% der Wissenschaftler sagen. Doch gerade dann sollte man doch die Fragen stellen können. Dann müsste es doch jeder erklären können, doch meistens stellt sich das Gegenteil heraus. Die 99% sind übrigens ein Mythos, wie es zum Beispiel in diesem Artikel sehr gut erklärt wird.
Und das ist nicht das Einzige, was auch von mir mal ohne zu hinterfragen geglaubt wurde. Der Masse hinterher laufen, ist keine große Leistung. Es ist nicht alles wahr, weil es „die Mehrheit“ sagt oder gar die Lehrer. Man ist nicht unbedingt gut informiert nur, weil man jeden Abend um acht vor dem Fernseher sitzt.
Momentan sind die perfekten Voraussetzungen gegeben, das und viel anderes zu lernen (vor allem einen kühlen Kopf zu bewahren, trotz des überhitzten Klimas überall). Kritisch Denken ist in Zeiten des Internets und machtgierigen Politikern wichtiger denn je und trotzdem ist das Gegenteil sehr verbreitet. Wir ruhen uns gerne darauf aus, dass Google alles weiß und wir doch kritisch sind (gegenüber allem, was nicht links-grün ist).
Dabei wird gern vergessen, dass kritisch zu sein nicht nur heißt, andere Meinungen zu hinterfragen, sondern vor allem seine eigene.
Darüber sollten vor allem die, die denken, uns Jugendliche für ihre Politik ausnutzen zu können, mal nachdenken. Denn wir haben keinen Bock mehr. Also, tut mir Leid (oder auch nicht), Ihre Überzeugung zu hinterfragen – aber ganz so leicht auszunutzen, wie Sie erwartet haben, sind wir nicht.
Von Selma Green | „Die Behinderten nerven langsam. Ich hab keine Lust, immer mit denen spielen zu müssen”, seufzte ich in einer Pause. Die Inklusionsschule, die ich bis zur sechsten Klasse besuchte, war so ein linkes Hirngespinst, auf der behinderte und gesunde Kinder zusammen unterrichtet werden. Klingt auf den ersten Blick wie ein tolles Konzept und ich gemein, aber verurteilt mich erst, wenn ihr mal in meinen Schuhen gelaufen seid. Meine Freundin blickte mich mit weit aufgerissenen Augen an und fauchte: „Das musst du aber. Das ist wichtig und sozial!” So aufgeregt kannte ich sie gar nicht. „Das ist meine Meinung. Die darf ich doch haben”, antwortete ich.
„Nein, darfst du nicht!”, zischte sie und hatte es plötzlich eilig, ins Schulgebäude zu flüchten. Es war das erste und einzige Mal, dass man mir ins Gesicht sagte, ich dürfe keine andere Meinung haben. Auf meinem Gymnasium sind meine Mitschüler nicht so direkt. Die meisten meiner Mitschüler sind links. Es gibt ein paar Kandidaten darunter, mit denen zu diskutieren eine Qual ist. Brüllen, Unterbrechen und Gegenargumente-nicht-verstehen-Wollen ist ihre Taktik. Bei einer Diskussion über die Coronaimpfung überlegte ich laut: „Wenn wir Kinder und Jugendliche nicht beachten, dann haben wir fast eine Herdenimmunität erreicht.” Die Augen eines Mitschülers blitzten im selben Moment auf. Er stolperte zu mir und entgegnete: „Wir haben aber erst eine Herdenimmunität, wenn alle geimpft sind!”.
„Kinder und Jugendliche sind keine Risikogruppen. Wichtiger ist es doch, die Pandemie schnellstmöglich zu beenden. Da reicht es, nur die Erwachsenen zu betrachten. Außerdem ist die Impfung Selbstschu…” – ich wurde unterbrochen. „Nein! Nein! Das stimmt so nicht. Es müssen sich alle impfen!”, krakeelte er mir in die Ohren. Nachdem ich ein zweites Mal versuchte, ihm meine Argumente zu erklären und er mit einem „Alle müssen sich impfen!” antwortete, wusste ich, dass ich gegen eine Wand rede. Er wollte nicht akzeptieren, dass ich eine andere Meinung und die besseren Argumente hatte. Als ich dachte, die Diskussion wäre so gut wie beendet, joggte der Mitschüler zu unserem Lehrer, der gerade durch die Tür kam, und haspelte: „Selma ist gegen die Kinderimpfung! Was sagen Sie dazu?“
Ich traue mich nicht mehr, vor ihnen meine Meinung zu äußern, und wenn doch, dann höchstens ein paar kritische Fragen.
Der Mitschüler hatte keine Argumente und wusste, dass ich nicht mit dem Lehrer, der die gleiche Meinung wie er hat, diskutieren würde. Solche Mitschüler plappern von Meinungsfreiheit und kämpfen dabei mit allen Mitteln gegen andere Meinungen an. Mich schüchtert es ein, wenn meine Mitschüler bei Diskussionen so aggressiv werden, obwohl deren Argumente keinen Sinn ergeben. Vor solchen Mitschülern halte ich meine Klappe, größtenteils aus Angst. Ich traue mich nicht mehr, vor ihnen meine Meinung zu äußern, und wenn doch, dann höchstens ein paar kritische Fragen. Naja, mit Fragen habe ich es mal geschafft, Mitschüler aus der Reserve zu locken, sodass sie am Ende nackt dastanden und ihre eigene Meinung nicht mehr verstanden. Von meinen Mitschülern wurde ich deswegen als gemein und asozial beschimpft. Jetzt darf ich nicht einmal Fragen stellen. Das wollen mir meine Mitschüler ernsthaft als Meinungsfreiheit verkaufen?
Egal was ich sage – entspricht es nicht der Meinung der anderen, bin ich schnell mal eine Querdenkerin oder Leugnerin. Im November 2019 sagte Frau Merkel in der Generalaussprache im Bundestag: „Wer seine Meinung sagt […], der muss damit leben, dass es Widerspruch gibt. Es gibt keine Meinungsfreiheit zum Nulltarif, dass alle zustimmen.” Bin ich nun das Schneeflöckchen, das keinen Gegenwind verträgt, oder leben wir wirklich in Zeiten, in denen man mit wesentlichen Nachteilen rechnen muss, wenn man eine gewisse Meinung hat und preisgibt?
Nun gut, vor meinen Mitschülern kann ich meine Meinung ohne so richtig erhebliche Nachteile äußern – abgesehen von Gehörschäden. Bei den mehrheitlich linken Lehrern sieht es anders aus. Komme ich nun um die Ecke und hinterfrage die Impfung oder den menschengemachten Klimawandel, reagieren die meisten Lehrer allergisch darauf. In der Schule sind die Noten häufig davon abhängig, ob der Lehrer den Schüler mag. Ich stehe mit meiner Meinung, die nicht jedem Lehrer gefällt, in der Klasse allein da. Dass ich in den Augen des Lehrers, der es schrecklich findet, dass Menschen gegen die Coronamaßnahmen und die Impfung sein können, eine Querdenkerin bin, ist kein Vorteil. Darin liegt der Unterschied: Ich starte Diskussionen mit Mitschülern, um auf Widerspruch zu stoßen und Argumente gegenüber zu stellen – allenfalls nicht, wenn mich mein Gegenüber nicht zu Wort kommen lässt und mir seine Meinung aufzwingen will. Sorgt meine Meinung für schlechtere Noten, ist es mehr als nur „Widerspruch”. Wo bleibt hier die Meinungsfreiheit?
Ich will meine Meinung, ohne Konsequenzen für meine Noten oder moralischer Mundtotmache, äußern. In der Schule habe ich nicht das Gefühl, dass ich das kann.
Von Michael Friese | Mein Weg in den Liberalismus begann im Jahr 2015, als ich durch die damals prominenten Ereignisse erstmals politisiert wurde. Ich wurde mit der Flüchtlingskrise und dem Zusammenstoß verschiedener Ansichten konfrontiert, was aufgrund meiner von Anfang an negativen Einstellung gegenüber Merkels Migrationspolitik dazu führte, dass mir die Freiheit, meine Meinung kundzutun, bereits unterschwellig wichtig wurde. In den Jahren danach kam ich immer wieder mit Erkenntnissen aus der Geschichte in Kontakt, welche dieses Bild nochmals verstärkt haben und seit dem leidigen Thema Corona ist mir die Freiheit und die damit verbundenen Werte wichtiger denn je.
Fangen wir aber am besten ganz von vorne an: Im zarten Alter von zwölf Jahren kam ich das erste Mal mit der Politik so richtig in Verbindung. Davor war ich nie wirklich politisch gewesen, jedoch habe ich mich als kleines Kind immer geärgert, wenn Angela Merkel im Fernsehen zu sehen war. Ich mochte sie irgendwie nicht und habe dann immer sowas gesagt wie „Mann, wieso ist immer diese doofe Frau da?“. Faszinierend, wenn man bedenkt, dass sich meine Meinung bis heute nicht geändert hat. 2015 hat dem Image Merkels bei mir nämlich für alle Ewigkeit einen schlechten Anstrich verpasst. Die Flüchtlingskrise war bei mir wirklich nicht beliebt, was aber vermutlich daran lag, dass meine Eltern sich immer darüber aufgeregt haben. Mit zwölf saugt man eben noch viel auf und hinterfragt eher weniger.
In dieser Zeit ist mir jedoch auch aufgefallen, dass die linken Kräfte in Deutschland immer wieder auf „die Rechten“ eindreschten, egal, ob es nun Rechte, Rechtsextremisten oder Nicht-Linke waren. Da regte sich bei mir schon der Freiheitsgedanke, dass jeder doch sagen dürfen sollte, was er meint. Diese Ansicht erhärtete sich dann immer mehr über die nächsten Jahre. Bald wurde der Rassismus ein großes Thema in Deutschland, der Rechtsextremismus war quasi überall präsent und seit 2017 sitzen „Nazis“ im Bundestag. Dabei besteht die AfD nicht zu 100% aus Rechtsextremisten, geschweige denn Nazis und wenn ich einem Schwarzen einen Negerkuss anbiete, heißt das nicht, dass ich ihn aufgrund seiner Hautfarbe zutiefst verabscheue. Auch hier deutete sich wieder ein Druck an, der auf andere Meinungen aufgebaut werden sollte. Du sagst dies, du hast die Meinung, du hast für die Partei gestimmt? Du bist jetzt offiziell Rassist, Sexist, Nazi etc.! Dass man eventuell seine Gründe dafür hat, die AfD zu wählen, welche nicht mit der Reinhaltung der arischen Herrenrasse zusammenhängen, fällt den Leuten dabei aber überhaupt nicht ein. Du wählst die Doofi-Doofmann-Partei? Dann bist du jetzt auch ein Doofi-Doofmann!
Und dann kam schließlich der Punkt, an welchem mein freiheitliches Denken endgültig in mir verankert wurde: Ich beschäftigte mich mit der Geschichte. Und wenn es da um Freiheit geht, fällt einem da als Negativ-Beispiel zuerst Adolf Hitler und das Dritte Reich ein. Für alle, die aus der Geschichte lernen und wissen wollen, wie man es nicht tun sollte, ist dieses Kapitel auch sehr ans Herz zu legen. Allerdings gibt es in der Geschichte noch viel mehr als das Dritte Reich. Haben Sie schon einmal von der Deutschen Demokratischen Republik gehört? Ich wusste zum Beispiel, dass es sie gab und dass sie irgendwas mit der Berliner Mauer zu tun hatte. Das war es dann auch wieder. Erst als ich durch mein politisches Interesse immer mal wieder mit der Geschichte in Kontakt kam, wurde mir bewusst, was die DDR für ein Regime war. Ein eingesperrtes Volk, Tote an der Mauer, ein Staatssicherheitsdienst, dessen Aufgabe die „Zersetzung“ Andersdenkender ist, in den Selbstmord getriebene Bürgerrechtler, ein blutig niedergeschlagener Aufstand im Jahre 1953… die Liste ist lang. Und die Tatsache, dass Menschen aus dieser Zeit, die an diesem System mitgewirkt haben, heutzutage zum Teil relevante Persönlichkeiten sind, erschreckt mich zutiefst und sagt mir ganz deutlich: Wenn man nichts dagegen unternimmt, werden solche unfreiheitlichen, undemokratischen und menschenfeindlichen Bestrebungen wieder Fuß fassen.
Geschichte an den Schulen: unbefriedigend bis ungenügend
Das Schlimmste an alldem aber ist, dass ich nichts von den aufgezählten Sachen in der Schule gelernt habe. Ich musste mir alles durch Hörensagen im Internet erst zurechtlesen, damit ich von diesen Ereignissen im Detail erfuhr. Wir wissen über jede mögliche Verbindung der AfD zum Rechtsextremismus, aber ich wusste für eine lange Zeit nicht, dass DIE LINKE die Nachfolgepartei der SED ist. Als ich das erste Mal davon erfuhr, war ich verwirrt. Wie kann so eine Partei in den Bundestag gewählt werden? Wäre eine NPD, die im Bundestag säße, nicht in etwa das Gleiche?
Mit diesen Worten kommen wir nun in die Gegenwart bzw. zur Corona-Pandemie. Denn dieses Thema ist aus meiner Sicht mit einer Achterbahn vergleichbar. Nicht, weil es wild einhergeht, sondern weil ich am Anfang nur wenig für dieses Thema übrig hatte. Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie ich meinen letzten normalen Schultag verbrachte und angekündigt wurde, dass danach aufgrund eines Lockdowns für die nächste Zeit keine Schule sein wird, und ich mich darüber gefreut habe, dass ich endlich frei habe. Natürlich wurden Videokonferenzen abgehalten und Hausaufgaben aufgegeben, aber diese wurden im ersten Halbjahr 2020 nicht benotet. Das hat mir in einigen Fächern notentechnisch wirklich den Allerwertesten gerettet.
Als nun aber das neue Schuljahr begann, haben die Maßnahmen meine Noten ziemlich nach unten gezogen. Es war glücklicherweise nicht katastrophal, aber ich wurde in jedem Fach schlechter und das hat mit dem Homeschooling zu tun. Es liegt mir einfach überhaupt nicht. Die Themen in der Schule sind teilweise so uninteressant, dass ich einfach diesen Druck brauche, der mich in die Schule bringt, damit ich mich zumindest etwas mit diesen Sachen auseinandersetze. Zuhause ist einfach eine zu große Vielfalt potenzieller Ablenkung vorhanden. Wer will sich bitteschön mit der Analytischen Geometrie beschäftigen, wenn er eine PlayStation vor der Nase hat?
Genug ist genug.
Ab diesem Moment habe ich angefangen, die Corona-Maßnahmen kritisch zu sehen. Sind diese harschen Maßnahmen eigentlich wirklich gerechtfertigt? Wie gefährlich ist dieser Virus? Brauche ich mir überhaupt darum Sorgen zu machen? Je mehr ich mich mit der Thematik beschäftigte, desto mehr bemerkte ich, dass da etwas im Argen lag. Essentielle Grundrechte wie die der Freizügigkeit oder Unverletzlichkeit der Wohnung wurden einfach außer Kraft gesetzt. Es wurde genau bestimmt, wer sich mit wie vielen Leuten aus wie vielen Haushalten treffen darf. Es wird konstant versucht, die Querdenken-Bewegung pauschal zu einer Ansammlung von Schwurblern und Rechtsextremisten zu machen. „Experten“ treten im Fernsehen auf und berichten von den Horrorszenarien, die uns bevorstehen sollen, aber dann doch nicht eintreffen. Das sind alles Muster, auf die ich bereits gestoßen bin – sowohl in der jüngeren als auch älteren Geschichte.
Aber eine Sache sollte mir vor Augen führen, dass der Gedanke von Freiheit zu einem exotischen Gedanken geworden ist: Die heilige, die ganz bestimmt vollkommen wirksame, die unhinterfragbare Impfung! Sie hat innerhalb von nicht einmal einen Jahr die Medienlandschaft von einem „Es wird keine Impfpflicht geben – auch nicht durch die Hintertür“ zu einem „Wenn Sie die Impfung nicht nehmen, sind sie unsolidarisch, egoistisch, ein Sozialschädling und Tyrann!“ gebracht. Ungeimpfte gehen seit geraumer Zeit für einige Leute nicht mehr so ganz als Menschen durch; das lässt jedenfalls die unverfrorene Sprache dieser Leute vermuten. Was macht man denn zum Beispiel mit einem Schädling? Man schafft ihn aus dem Weg, man wird ihn los. Eine solche Sprache in Bezug auf Menschen erinnert mich an sehr gruselige Zeiten.
Ich bin nun zu allem Überfluss auch noch ein Teil dieser „Schädlinge“, „Tyrannen“ oder sonst was. Ich habe mich nämlich nicht impfen lassen und habe es auch nicht vor. Zuerst waren die Gründe rein wissenschaftlicher Natur: Ich wollte die Langzeitstudien abwarten, bevor ich mir die Spritze gebe. Mein Alter und die Abwesenheit von Vorerkrankungen drücken bei mir zudem die Wahrscheinlichkeit, an dem Virus zu sterben, in den Promille-Bereich. Ich habe mich also dazu entschlossen, die Impfung nicht zu nehmen, weil sie für mich nicht besonders sinnvoll erscheint. Das ist bei anderen Leuten natürlich anders. Ich sage immer: Ich bin 18, nicht 80. Wäre ich 80, würde ich die Impfung vermutlich auch nehmen. Dann liegt meine Sterbewahrscheinlichkeit schließlich bei knapp 20% und das Risiko würde ich dann wirklich nicht in Kauf nehmen wollen.
Ich möchte nämlich eigentlich nur in Ruhe mein Leben führen. Mein Leben in Freiheit.
Durch diese Schmierenkampagne in den Medien, hat sich bei mir ein immer größerer Trotz-Effekt eingerichtet. Ich habe für mich eine Entscheidung über meinen Körper getroffen und was passiert? Ich bin nun ein Egoist, ein Schädling. Vielleicht habe ich da etwas verpasst, aber überzeugt man Menschen für gewöhnlich nicht mit Argumenten? Ich werde jedenfalls nicht meine Meinung ändern, weil mich jemand immer wieder beleidigt und moralisch erpresst. So etwas zieht bei niemandem.
Wie kann man also nun die Impfunwilligen davon überzeugen, sich nun doch impfen zu lassen? Man hat es mit instabilen Argumenten und der Dämonisierung versucht. Da bleibt als letzte Option wohl nur der Zwang. Und der kommt vielleicht früher als später, denn eine generelle Impfpflicht wird mittlerweile offen kommuniziert. Allerspätestens da sage ich: Nein! Ihr werdet mich und andere Leute nicht dazu zwingen, sich impfen zu lassen. Genug ist genug! Ihr unterteilt das Volk in ungeimpft und geimpft, in gut und böse. Von Freiheit ist hier überhaupt keine Spur mehr, was auch offen kommuniziert wird. Sich nicht impfen zu lassen ist ja angeblich keine Freiheit sondern Egoismus. Nein! Freiheit ist, dass jedes Individuum eigene Entscheidungen treffen kann und zu denen gehören auch immer egoistische. Natürlich sollten Aktionen, die direkt andere Menschen gefährden, unterbunden werden und Leute, die nur an sich selbst denken, waren nie wirkliche Sympathen. Wenn du dich aber nicht gegen Corona impfen lässt, ist der Einzige, der gefährdet ist, man selbst. Deshalb ist es eine Entscheidung, die jeder frei treffen sollte, und ich möchte meine auch frei treffen.
Ich werde mich nicht impfen lassen. Sollte es nun zu einer Impfpflicht kommen, gibt es zwei Optionen: Ihr schickt die Polizei ins Haus und schleift mich gegen meinen Willen zum Arzt oder ich wandere in ein Land aus, welches eine Impfpflicht strikt ablehnt. Man verstehe mich da bitte richtig: Ich hoffe inständig, dass keine dieser Szenarien eintreten muss. Ich möchte nämlich eigentlich nur in Ruhe mein Leben führen. Mein Leben in Freiheit.
Von Larissa Fußer | Mittwochmorgen, 9:30 Uhr, ich bin mit ein paar Kommilitonen bei einem praktischen Kurs im Krankenhaus. Wir haben Pause, ich beiße gierig in mein Rosinenbrötchen. Im Krankenhaus hat man immer besser was im Magen. Ich denke gerade an die weißen Gesichter der Patienten, die wir untersucht haben, da kommt eine Kommilitonin in Plauderstimmung: „Na, wo holt ihr euch eure Booster-Impfung?“, fragt sie. Ihre Stimme klingt hell und heiter – ganz so, als hätte sie uns gerade gefragt, welche Eissorte wir am liebsten essen. Sofort bricht ein munteres Geschnatter darüber aus, ob man sich nun besser beim Hausarzt oder im Impfzentrum den Stich geben lässt. Mir bleibt ein Stück Brötchen im Rachen stecken. „Wollt ihr euch jetzt wirklich jedes Semester impfen lassen?“, frage ich in die Runde. Ein junger Mann mit blonden Locken unterbricht sein Gespräch und guckt mich mit zusammengekniffenen Augen an. Er hält einen Moment inne, so als würde er abwarten, dass jemand etwas sagt – aber es bleibt still. Also setzt er seine beste Lehrerstimme auf und erklärt mir: „Natürlich. Ich werde mich so oft impfen, wie es eben nötig ist. Damit ich die Patienten schütze und damit die Pandemie vorbei geht. Alles andere wäre unsolidarisch.“
Impfen aus Solidarität – dazu werden gerade junge Ungeimpfte inzwischen gebetsmühlenartig aufgefordert. Ist ja auch kein Wunder – aus Selbstschutz lohnt sich eine Impfung für unter 30-Jährige so gut wie gar nicht. Corona ist für junge Leute nach wie vor (fast immer) harmlos. Das zeigen die Todesfälle: Seit Beginn der Pandemie sind laut dem RKI 96.817 Menschen in Deutschland an oder mit COVID-19 gestorben (Stand 11. November). Davon waren gerade mal 68 Männer und 37 Frauen zwischen 20 und 29 Jahren, also im Studentenalter. Das sind 0,1 Prozent der Corona-Toten. Bleibt die Impfung aus Solidarität. Bedeutet: Ich soll mich zum Schutz der Älteren impfen lassen. Aber, liebe Bingo-Spieler und Schönschrift-Schreiber – wie soll ich’s sagen, ich möchte ja noch erben. Also, liebe Wirtschaftswunder-Hervorbringer und DDR- und RAF-Bezwinger – denkt ihr nicht, das ist vielleicht etwas viel verlangt?
Als angehende Ärztin gehe ich ja soweit mit, dass ich Verantwortung trage, Patienten nicht aus Fahrlässigkeit anzustecken. Deswegen teste ich mich (wie übrigens auch meine geimpften Kollegen) vor jedem Patientenunterricht – und damit Schluss. Doch das reicht offenbar nicht. Ich habe nun schon mehrere E-Mails von meiner Uni erhalten, in der uns der Dekan und seine Vertreter dringend zum Impfen aufgefordert haben. Erst neulich haben sie uns sogar angedroht, den Patientenunterricht (die meiner Meinung nach wichtigste Lehre im Medizinstudium) nur noch unter 2G+-Bedingungen (nur Geimpfte und Genesene mit Test) anzubieten. Begründung: 98% der Studenten unserer Uni seien bereits geimpft, für sie ändere sich nichts. Die „noch nicht Geimpften“ wiederum könnten den Pieks ja einfach nachholen. Vorerst bleibt es aber an meiner Uni bei 3G. Es ist auch höchst fraglich, was 2G+ aus medizinischer Sicht nützen sollte. Ist ein negativ-getesteter Geimpfter irgendwie „negativer“ ist als ein negativ-getesteter Ungeimpfter? Der Test zeigt eine Infektion an – ob ich nun geimpft bin oder nicht, ändert nichts an seiner Aussagekraft.
Ich habe manchmal den Eindruck, die meisten meiner Mitstudenten – und auch sonst viele Menschen in dieser aktuell sehr aufgedrehten Gesellschaft – sind inzwischen in irgendeinem anderen Universum unterwegs als ich. In einem Universum, in dem immer noch gilt, dass Geimpfte sich nicht infizieren und damit auch niemanden anstecken können. Obwohl es immer wieder Meldungen von großen Corona-Ausbrüchen auf 2G-Clubpartys gibt und die Inzidenz sowie die Krankenhauseinweisungen von Geimpften seit Wochen stetig steigen. Viele Leute scheinen in einer Galaxie zu leben, wo es einfach keine Impfnebenwirkungen gibt. Auch wenn die Meldungen von schwerwiegenden Impfnebenwirkungen nun teilweise so häufig werden, dass die Ständige Impfkommission zuvor ausgesprochene Impfempfehlungen zurückzieht.
Erst am 10. November hat die STIKO der Presse mitgeteilt, dass sie unter 30-Jährigen nun nicht mehr empfiehlt, sich mit Moderna impfen zu lassen (sondern nur noch mit Biontech). Ihre Begründung: „Aktuelle Meldeanalysen zeigen, dass Herzmuskel- und Herzbeutelentzündungen bei Jungen und jungen Männern sowie bei Mädchen und jungen Frauen unter 30 Jahren nach der Impfung mit Spikevax [Moderna, Anm. d. Verf.] häufiger beobachtet wurden als nach der Impfung mit Comirnaty [Biontech, Anm. d. Verf.].“ Ist ja schön, dass die STIKO sich traut, Fehlentscheidungen zuzugeben. Da haben die Wissenschaftler einigen Politikern was voraus. Nur, was machen jetzt die jungen Leute, die bereits doppelt mit Moderna geimpft sind? Hätten diese Nebenwirkungen nicht schon im Zulassungsverfahren festgestellt werden müssen?
Aber was diskutiere ich hier die Hintergründe – geimpft wird ja aus Solidarität. Ich frage mich nur, mit wem ich mich eigentlich solidarisieren soll, wenn ich doch die Risikogruppen schütze, indem ich mich teste. Sollte es etwa so sein, dass ich mich in Wirklichkeit für diejenigen impfen lassen soll, die Angst vor Ungeimpften haben? Nun, das erinnert mich ein bisschen an Nichtraucher, die aus Angst vor Lungenkrebs, anderen das Rauchen verbieten wollen. Aber warte, das gibt es ja schon…
Ich bin vor ein paar Jahren von einer unpolitisch-linksgrünen Schülerin zu einer liberal-konservativen Studentin geworden. Unter anderem, weil ich es reizvoller fand, selbst Verantwortung für mich und mein Leben zu übernehmen, als mich von anderen abhängig zu machen. Sollen die Grünen doch die Regierung anbetteln, ihnen durch gesetzlich verankerte Verbote und Zwänge Entscheidungen abzunehmen, die sie selbst nicht treffen wollen. Sollen die Linken doch die Politiker um Gelder anflehen, die sie selbst nicht verdienen wollen. Ich entscheide lieber selbst, was ich tue und lasse, und ich verdiene selbst meinen Lebensunterhalt. Dazu stehe ich auch heute. Ob ich mich impfen lasse, ist meine individuelle Entscheidung und meine eigene Verantwortung. Ich möchte nicht „aus Solidarität“ meine Gesundheit riskieren, nur damit andere ruhiger schlafen können. Denn es geht um mich und meinen Körper. Ich habe keinen anderen.
Von Pauline Schwarz | Ich bin in Berlin-Kreuzberg, einem ehemaligen Arbeiterviertel mit Kosenamen Klein-Istanbul, geboren, aufgewachsen und habe bis ich 20 war an fast alles geglaubt, was man mir in der linken Hochburg beigebracht hatte. Für mich stand fest, dass man die bösen „Bonzen“ sofort mit Spitzensatz besteuern müsste, damit es endlich alle besser haben und die Ausbeutung der kleinen Leute aufhört. Genauso überzeugt war ich von unserem Multikulti-Konzept – und witterte Nazis an jeder Ecke, wo man auch nur eine abweichende Meinung erahnen konnte. Ich habe als ich 18 war mit Überzeugung die Grünen gewählt und meiner Mutter beinah die Kindschaft gekündigt, weil sie es wagte, ihr Kreuz bei der Nazi-Partei CDU zu setzen. Im Ernst – heute kann ich darüber nur Lachen.
Ich kann manchmal selbst kaum glauben, wie ideologisch verblendet und indoktriniert ich durch meine Erziehung, Schulbildung und Umgebung war. Hätte mir die Kreuzberger Lebensart nicht derart in den Knochen gesteckt, wäre mir wahrscheinlich schon früher aufgefallen, dass das linke „Gutmenschen“-Projekt zum Scheitern verurteilt ist. Jedem, der auch nur eine Sekunde die rosarote Sozi-Brille absetzt, knallt die Diskrepanz zwischen Traum und Wirklichkeit nämlich nur so ins Gesicht – und das grade im links-grünen Multikulti-Anarcho-Paradies Kreuzberg. Man muss nur bereit sein hinzusehen.
Multikulti-Schlacht auf dem Schulhof
Als Kind besuchte ich eine Grundschule, die sich der gelebten Vielfalt, Multikulturalität und Diversität verschrieben hatte. Auf Gut-Deutsch bedeutete das: in jeder Klasse war mindestens ein behindertes Kind, ein paar Verhaltensauffällige und etwa die Hälfte Ausländer. Statt dem friedlichen Miteinander und gelebter Toleranz, brachte uns das einige Probleme. Neben dem Fakt, dass die normalen Kinder durch die Anpassung an die Lernschwachen aktiv in ihrem Bildungsfortschritt gehindert wurden und ich durch den verpflichtenden Behinderten-Dienst eher eine Ab- als Zuneigung entwickelte, betraf das vor allem ethnische Konflikte. Und zwar nicht so sehr zwischen Ausländern und Deutschen, sondern unter den ausländischen Kindern selbst. Der größte Konflikt bestand zwischen Türken und Kurden.
Ich kam damit das erste Mal in Berührung, als sich zwei Jungs aus meiner Klasse, die eigentlich die besten Freunde waren, plötzlich an die Gurgel sprangen und drohten, sich gegenseitig umzubringen. Die beiden wurden auseinandergerissen, bekamen Strafarbeiten und das Leben ging weiter. Niemand erklärte uns was das Problem war, ich hörte nur, dass der eine Kurde und der andere Türke war – nicht, dass ich damit irgendetwas anfangen konnte. Der Vorfall wurde totgeschwiegen, lange ging das aber nicht gut. Ein paar Wochen später gab es irgendein Fußball-Turnier und schon brach die Hölle los. Alle Türken liefen laut grölend mit ihren Flaggen über den Hof und provozierten die Kurden derart, dass es zu wüsten Schulhof-Schlachten und der ein oder anderen blutigen Nase kam. Unsere Schulleitung verhängte daraufhin ein allgemeines Flaggenverbot und erklärte das nicht vorhandene Problem damit für erledigt.
Ich habe erst Jahre später verstanden, was hinter dem Türkisch-Kurdischen Konflikt steckt. Und hatte – à propos friedfertiges Multikulti ohne Probleme – noch eine weitere, viel bitterere Erkenntnis: Die türkischen Jungs haben, wenn sie wütend waren oder sich geärgert haben, oft „Fuck Yahudi“ geschrien. Der Ausdruck wurde in meiner Klasse und auf dem Grundschulhof so inflationär gebraucht, dass ihn irgendwann auch deutsche Kinder übernahmen. Natürlich ohne zu wissen, dass sie gerade „Fick die Juden“ gesagt hatten.
Feminismus, Kopftuch und Kinderehen
Ein weiterer, nicht existierender Konflikt war der zwischen deutschem Feminismus auf der einen und islamischen Werten auf der anderen Seite. Den allgemeinen Kreuzberger Kampf gegen das Patriarchat verstand ich mit zehn noch nicht, wusste aber, das alleinerziehende Mütter in meinem Bekanntenkreis das vorherrschende (deutsche) Familienbild stellten und es begrüßt wurde, wenn Mädchen Fußball spielen oder sich wie echte Damen mit den Jungs raufen – Fußball fand ich öde, also beteiligte ich mich in den Pausen leidenschaftlich an den heroischen Schlachten zwischen Mädchen und Jungs. Schlagen, Treten und Schubsen war okay, aber wehe, einer biss oder kratzte mit den Fingernägeln, das war mädchenhaft und verboten. Die türkischen Jungs waren immer dabei und hauten uns gerne eins auf den Latz, nur die Mädchen hielten sich fern. Sie wollten nicht dabei sein und ich verstand nicht so recht, warum.
An Fasching waren alle türkischen Mädchen Prinzessinnen, während wir deutschen als Ritter, Cowboy, Polizist oder Indianer gingen – das zweite Indiz für mich, dass es sehr wohl einen Unterschied zwischen uns gab. Ich wurde auch etwas stutzig, als ein Mädchen zu mir sagte: „Hä, deine Eltern sind nicht verheiratet? Dann wärst du doch gar nicht geboren!“. Besonders deutlich wurde das Ganze aber an dem einen türkischen Mädchen in meiner Klasse, das als einzige schon in der dritten oder vierten Klasse ein Kopftuch trug. Und das war nicht alles. Wir wussten, dass sie mit ihren zehn bis elf Jahren versprochen war. Sobald sie 16 oder 18 wurde, musste sie also irgendeinen Mann heiraten, den ihre Eltern für sie ausgesucht hatten. Sie wurde nicht gefragt, ob sie das möchte – Frauenrechte und Emanzipation Fehlanzeige. Etwas zu wollen, wurde ihr aberzogen. Nie, wirklich nie, zeigte sie etwas von sich, sagte nie, was sie selbst möchte oder dachte. Sie war ein sehr stilles Kind und kümmerte sich den ganzen Tag nur um das behinderte Kind in unsere Klasse, so als hätte sie selbst keine Bedürfnisse. Ich fand immer, dass sie alt wirkte, viel älter als wir anderen. Und spürte, dass da etwas nicht stimmte.
Schein und Sein
An solchen Extremen merkt man die Unterschiede zwischen Realität und Friede-Freude-Eierkuchen besonders stark. Nicht nur beim Thema Multikulti, sondern auch beim Anti-Kapitalistischem Weltbild in sich. Die größten Feinde „des Kapitals“, die ich persönlich kannte, waren die Anarchisten aus den Wagenburgen – also aus der Haus- oder Grundstückbesetzer-Szene. Ich hatte im Schülerladen, also auch zu Grundschulzeiten, eine Freundin, deren beide Eltern Punks waren. Der Vater wohnte in einem heruntergekommenen Bauwagen in einer der besetzten „Siedlungen“ in unserem Kiez, die Mutter hatte immerhin eine eigene Wohnung. In solchen Familien wurde stets Verzicht gepredigt – „Der Staat und Kapitalismus sind scheiße. Geld wird überbewertet. Man brauch nich so viel Kohle für ‘n geiles Leben. Hauptsache genug für’n Dach über’m Kopf, ’nen Hund und wat zu saufen“. Das erzählte man den Kindern und das glaubten sie bis zu einem gewissen Grad auch – zumindest oberflächlich. Meine damalige Freundin und ihr älterer Bruder wollten nämlich – wie alle anderen auch – immer die tollsten Sachen haben und cool aussehen. Und was tat man, wenn man keine Knete hatte (und in Kreuzberg aufgewachsen ist)? Klauen, was sonst – nichts da mit Verzicht. Der Bruder meiner Freundin schloss sich mit einem anderen Jungen zusammen und ging regelmäßig in die Kaufhäuser „shoppen“. Danach erzählten sie uns stolz von ihrer Beute und versuchte weitere Kinder zu mobilisieren, in die Gang einzutreten und mitzumachen – was auch gelang. Die meisten von uns kamen aus Familien mit wenig Geld, waren schlecht erzogen und leicht in Versuchung zu führen. Kinder wollen schöne Dinge und wollen dazu gehören. Sie interessiert keine Konsum- oder Kapitalismuskritik. Sie begreifen dank ihrer bekloppten Eltern nur nicht, dass man auch etwas dafür tun muss, wenn man etwas haben will.
Genau dasselbe zeigte sich später auch bei meinen älteren Freunden, ob unpolitisch oder Vollblut-Ideologen. Jeder wollte coole Klamotten und das neuste Handy – es sahen zwar alle aus wie Hänger und Schlümpfe, aber was meint ihr, was so ein Skater-Pulli kostet? Da ist man schnell im dreistelligen Bereich. Vom neusten iPhone ganz zu schweigen. Also bleibt die Wahl zwischen stehlen, verschulden oder dealen – arbeiten nur, wenn’s gar nicht anders geht. Ich kannte ein paar Genossen von der Antifa, die am Wochenende „Touris-Klatschen“ gegangen sind und sich so ihre coolen Pullover, Sneaker und Snapbacks finanzierten. Und dann stellten die sich ernsthaft hin und dachten sie wäre besser als irgendwelche rechten Hools die „Kanacken-Klatschen“ gehen. Parallelen sah man nicht. Aber das ist in echt auch kein Wunder, waren es doch dieselben Leute, die auf den Staat und unser „rechtes Scheiß-System“ schimpften, während sie sich von Hartz-IV finanzieren ließen.
„Toleranz“ erzeugt Intoleranz
Das absolut offensichtlichste Beispiel für linke Träume, die wie Seifenblasen an der Realität zerplatzen, ist und bleibt aber der Görlitzer Park. Hier herrscht das allumfassende Gebot: Toleranz um jeden Preis. Und zwar für die mehrheitlich afrikanischen Drogendealer, die im und um den Park an jeder Ecke stehen und aggressiv um Kunden werben. Geht man nicht auf ihr Angebot ein, kann es schon mal ungemütlich werden – besonders, weil die „Jungs“ häufig selbst drogensüchtig, zum Teil psychisch krank und dementsprechend reizbar sind. Ich habe schon gesehen, wie ein von oben bis unten mit Kokain vollgepumpter Mann auf der Straße randalierte, Fahrräder und Mopeds umschmiss und dann mit Flaschen auf die Leute warf, die gewagt hatten, die demolierten Gefährte wieder aufzurichten. Es gibt immer wieder Schlägereien und Rangelein zwischen Dealern und ihren Kunden, am häufigsten kracht es aber unter den Dealern selbst. Die Verkaufsgebiete sind nämlich streng zwischen Afrikanern und Arabern aufgeteilt. Überschreitet einer die Grenzen, gibt es Stress. Dann fliegen Flaschen und Steine, dann werden Messer und Macheten gezückt. Eine Freundin von mir kam sogar schonmal in den Genuss, zufällig einer Schießerei beizuwohnen. Das für mich Schlimmste sind aber die sexuellen Übergriffe, die man grade als junge Frau jederzeit und überall erwarten muss. Ich bin mit 13 das erste Mal in dem Park, in dem ich als kleines Kind noch so gerne gespielt hatte, festgehalten und begrapscht worden. Seitdem ist mir das immer und immer wieder passiert.
Im Görli gab es über die Zeit mehrere Morde und immer wieder Fälle von Vergewaltigungen im und um den Park. Seit ein paar Jahren dringen die Dealer außerdem in die umliegenden Straßen und Häuser ein, sodass man ihnen überhaupt nicht mehr aus dem Weg gehen kann. Aus all diesen Gründen, wechsle ich automatisch die Straßenseite und schalte in den Abwehr- und Fluchtmodus, wenn ich auch nur von weitem einen Dealer sehe. Dabei bin ich aus Angst aber versehentlich auch schonmal einem meiner Nachbarn ausgewichen – ein beschissenes Gefühl. Aber genau das ist es, was diese Politik der allumfassenden Toleranz bewirkt: Man meidet aus lauter Angst junge, schwarze Männer, die vielleicht überhaupt nichts mit den Dealern oder der Kriminalität zu tun haben. Nur hat das nichts mit Rassismus zu tun, die „Vorurteile“ werden durch die Toleranz der Gewalt und die damit verbundene Angst künstlich erzeugt. Ohne die entsprechende Politik, gäbe es dieses Problem nicht.
Böses Erwachen
Beim Thema Görli passte ich zum ersten Mal nicht mehr mit meinen linken Freunden zusammen – musste mir anhören, dass ich übertreibe und stand plötzlich selbst unter Nazi-Verdacht. Später geriet ich dann auch zunehmend mit meinen vorwiegend muslimischen Kumpels aneinander. Mit einem zerstritt ich mich wegen eins Videos aus dem Dark-Net, das bei uns kursierte und zeigte, wie eine Frau irgendwo in Arabien auf einem Dönerspieß mit Messern malträtiert wurde. Während ich völlig entsetzt war und kaum über den Anblick und die Vorstellung hinwegkam, sagte er nur: „Die hat’s bestimmt nicht anders verdient“. In dem Moment zog sich alles in mir zusammen, ich bin völlig ausgerastet – er wiederum hatte null Verständnis. Danach haben wir miteinander gebrochen. Ich verlor aber nicht nur einen „Freund“, auch mein Weltbild bekam Risse. Etwa ein Jahr später lag es völlig in Scherben. Seitdem sehe ich an jeder Ecke und an all den Erinnerungen an meine rot-grüne bemalte Kindheit und Jugend, wie linke Politik an der Realität scheitert und welches Elend sie dabei erzeugt.
Von Jonas Aston | Liberal, was ist das eigentlich? Liberal ist zu einem Wort der absoluten Beliebigkeit verkommen.Jeder hält sichirgendwiefür liberal – undsei es in der Drogenpolitik oder beim Thema Einwanderung. Für mich gehören die Begriffe Liberalismus und Freiheit untrennbar zusammen. Ich bin Liberaler, weil ich die Freiheit liebe und sie für mich das höchste Gut allen Handelns ist. Für die Freiheit gibt es aber mindestens so viele Definitionen wie für den Liberalismus.
Das letzte Mal richtig frei gefühlt habe ich mich an meinem 18. Geburtstag.Zahlreiche Regeln waren für mich plötzlich nicht mehr existent. Ich kam ich auf jede Party und in jeden Club. Ich durfte (im wahrsten Sinne des Wortes) Alkohol kaufen bis zum Umfallen – und ohne Begleitung Autofahren, so lange bis mich mein Reservetank im Stich gelassen hat.
Freiheit bedeutet für mich, sich nicht von außen einschränken lassen zu müssen. Meine Familie ist in der DDR aufgewachsen. Von ihnen kenne ich zahlreiche Geschichten, wie staatliche Repression Freiheiten einschränkte. Meine Mutter durfte nicht studieren, da sie von der „Intelligenz“ (von Akademikern) abstammte. Meine Oma, eine Lehrerin, erzählte mir, wie eine ihrer Kolleginnen vor den Augen der Schüler von der Stasi abgeführt und zur politischen Gefangenen wurde.Sie nutzte Unterrichtsmaterialien aus dem Westen. Mein Opa verzichtete auf unzählige berufliche Vorteile, da er sich partout weigerte, als Spitzel für die Stasi zu agieren. Über Politik wurde außerhalb des Verwandtenkreises und engster Freunde nicht gesprochen – aus Angst, man könne auf Staatskonforme treffen.
An meiner Uni habe ich zunehmend die Sorge, dass sich meine Impfentscheidung negativ auf meine Noten auswirkt.
Nach Rosa Luxemburg ist Freiheit „die Freiheit der Andersdenkenden“. Ich würde dabei noch weiter gehen. Freiheit ist nicht nur die Freiheit der Andersdenkenden, sondern auch die Freiheit der Andersentscheidenden. An meiner Uni habe ich zunehmend die Sorge, dass sich meine Impfentscheidung negativ auf meine Noten auswirkt. Ein Dozent, bei dem ich eine Prüfung und eine Seminararbeit schreibe, verkündete uns inbrünstig, dass er geimpft sei – und bemerkte augenzwinkernd, dass er uns zwar nicht nach unserem Impfstatus abfragen dürfe, er sich aber sicher sei, es mit „vernünftigen Menschen“ zu tun zu haben. Dabei schaute er uns durchdringend an.Um mich nicht gleich ins Abseits zu schießen,nickte ich pflichtschuldig. Wenige Tage später lief er ausgerechnet an dem Testzentrum vorbei, an welchem ich gerade auf mein Testergebnis wartete. Der Maske sei Dank bemerkte er mich jedoch nicht. Andernfalls hätte ich mir eine gute Note in dem Seminar wohl abschminken können.Freiheit ist für mich auch das Recht darauf, sich nicht verstellen zu müssen.
Der Liberalismus sucht die Gleichheit nur in der Freiheit, er erstrebt die Gleichheit vor dem Gesetz. Der Autoritarismus ersucht die Gleichheit im Zwang und in der Knechtung. Hier gilt der Mensch als frei, wenn er gleich ist. Der Mensch ist jedoch verschieden und dieser Individualität muss man Raum geben. Der Autoritarismus spricht dem Individuum seinen Eigenwert ab und erklärt es zum Funktionär der Gesellschaft. Der Liberalismus garantiert ihm die freie Entfaltung der Persönlichkeit. Deswegen bin ich liberal.