Linker Hass auf die Queen: In Großbritannien unerwünscht

Von Sebastian Thormann | Bereits Stunden nach dem Tod von Queen Elizabeth II. entlud sich online der Hass. Von Identitätspolitik zerfressene Linke ließen ihrer Wut auf die Queen freien Lauf. Von Rassismus bis Völkermord wurde der verstorbenen Monarchin alles Mögliche vorgeworfen.

Aber im Kern wurden ihr und der gesamten britischen Krone zwei Dinge angelastet: Dass sie über das britische Empire herrschten und sie sich zusammen mit allen anderen für dieses einstiege Empire schämen müssten.

Klar war die britische Kolonialherrschaft nicht überall makellos, aber das Empire ist bei weitem nichts wofür sich Royals oder Briten schämen müssten. Mit ihrem Empire verbreitete die Seefahrernation Großbritannien die westliche Zivilisation und die Werte von Freiheit und Demokratie im Westminster-Stil bis ans Ende der Welt.

Entgegen dem Irrglauben vieler Queen-Hasser verbreitete es sich aber eben nicht durch rücksichtslose Eroberungen fremder Imperien, sondern vor allem durch Kolonisierung im klassischen Sinne, also Besiedlung kaum bewohnter Gebiete, und dem Aufbau und der Verteidigung von Handelsposten. Die Briten zogen nie in den Kampf die Welt zu erobern oder gar zu unterdrücken. Wohl kaum ein anderes Reich behandelte seine Untertanen so gut, und entließ sie dann später so friedlich in die Autonomie und schließlich Unabhängigkeit.

Man bedenke auch an dieser Stelle: Selbst die USA, die sich ihre Unabhängigkeit vom Empire schon früh erkämpften, taten dies nicht, weil sie sich vom britischen König unterdrückt fühlten, sondern vom britischen Parlament, in dem sie nicht repräsentiert waren.

Der wohl wahnsinnigste dieser Kommentare zum Tod der Queen stammte von Uju Anya, einer US-Professorin, die auf Twitter schrieb: „Ich habe gehört, dass der oberste Monarch eines diebischen, vergewaltigenden Völkermordimperiums stirbt endlich. Möge ihr Schmerz entsetzlich sein“

Aber auch der Deutschlandfunk legte nach und erklärte Queen Elizabeth ebenfalls verantwortlich für „jahrzentelange Unterdrückung“ und für „unendliches Leid in den Kolonien und Rassismus bis heute“

Für Achtung Reichelt war ich vor Ort in London und habe dort Briten zu diesen heftigen Attacken auf die Queen und die britische Monarchie interviewt: Nur so viel kann man sagen, der Hass auf die britische Monarchie aus Deutschland und von Linken aus Übersee kam alles andere als gut an.

Schauen Sie hier rein:

Bildquelle: Screenshot Achtung Reichelt


„Cleverländ“ – Waschlappen-Kretschmann gibt wieder Energiespartipps!

Von Pauline Schwarz | Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann ist nicht nur der Mann mit dem lustigen Bürstenhaarschnitt, er ist auch der wohl cleverste Energiesparfuchs. Schon in den 1980er Jahren revolutionierte Kretschmann die Klosettspülung mit seiner Forderung nach zwei Knöpfen – „viele haben damals gelacht, aber dieses Sparprinzip hilft uns heute allen“. Deshalb ist er nun zurück, um uns alle mit seinen Tipps zu erleuchten. Im Zuge seiner neuen Kampagne „CLEVERLÄND“ zeigt der Mann, der etwa 20.000 Euro im Monat verdient, wie der Otto-Normalbürger Energie sparen kann. Nicht nur für den eigenen – vergleichsweise wohl eher mickrigen – Geldbeutel, sondern auch aus Solidarität mit der Ukraine und für die Rettung des Klimas.

„CLEVERLÄND“ bietet dabei mehr als nur Mut zum stinken, wie ihn uns Waschlappen-Kretschmann schon in der Vergangenheit vorgelebt hat. Unterstützt wurde er damals von seiner Parteikollegin und Bürgermeisterin von Berlin, Bettina Jarrasch – sie outete sich morgens nur Katzenwäsche zu machen und brach damit eine weitere Lanze für die Fraktion Waschlappen statt Duschen.

Clever-Kretschmann im Einsatz – Screenshot via YouTube

In seinem Videostatement appelliert Kretschmann nun an die Bürger, dass wenn alle soldarisch sind und gemeinsam an einem Strang ziehen, auch Kleinvieh Mist macht: „Einfach vorm ins Bett gehen den Thermostat runterdrehen“, sagt er – „Ein Grad weniger heizen spart sechs Prozent Energie; zwei Grad weniger sparen zwölf Prozent; vier Grad schon ein Viertel der Heizkosten.“ Frieren lohnt sich also – zu hohe Raumtemperaturen seien sowieso nur ungesund und steigern die Gefahr von Erkältungen.

Aber das ist noch nicht alles: Kretschmann hat gleich 34 „clevere“ Tipps und zahlreiche weiterführende Links für uns parat. Halten Sie sich fest: Einfach beim Heizen die Türen schließen, Topfdeckel auf die Töpfe und mit Fußpower „Kalorien- statt Spritverbrauch“. Legen sie Brötchen nicht in den Ofen, sondern auf den Toaster und sparen Sie damit unglaubliche 40 Cent pro Frühstück! Dann noch ein bisschen „Stand-by-bye“ hier und ein bisschen „Watt denn?“ da und schon klingen sie nicht nur so charmant und witzig wie die Baden-Würtembergische Regierung, sondern haben auch richtig Geld gespart! Wer braucht da noch bezahlbaren Strom durch fossile Energie?

Also: Seien Sie clever, hören sie auf auf den Mann mit dem Waschlappen und holen Sie sich auf der großen Cleverländ-Tour jede Menge Energiesparwissen „to go“!


Xi’s Verschiebung – von Mao zurück zum Imperium

Von Max Roland | Mao hat einen Nachbarn bekommen. Bis 2011 überblickte die Statue des „Großen Vorsitzenden“ alleine den Tiananmen-Platz – dann bekam sie Gesellschaft durch den großen chinesischen Denker Konfuzius. Der dicke Kommunist würde sich im Grabe umdrehen, wenn er das wüsste – denn die chinesischen Kommunisten taten zu Maos Lebzeiten alles, um die Ideen von und die Erinnerung an Konfuzius und andere Väter von chinesischer Kultur und Gesellschaft auszulöschen. Kulturrevolutionär Mao hatte zu Lebzeiten  versucht, den konfuzianischen Einfluss aus der Seele Chinas zu verdrängen. In den letzten Jahren kehrten er und andere Väter der imperial-chinesischen Kultur, wie Lao Zhou und Sun Tsu, ins kulturelle Gedächtnis des „Reiches der Mitte“ zurück. Eine Geschichte, die China einst verteufelte, ist wieder relevant, und ihre Charaktere, die einst verschrien waren, sind als Helden der Nation wiederauferstanden.  Heute sind Konfuzius und co. der jungen Akademikergeneration Chinas wichtiger als Mao. China distanziert sich ein Stück weit vom Kommunismus – Kommunistisch ist am Land eigentlich nur noch der Name und die Struktur der herrschenden Partei, der KP Chinas. Sie ist intern strikt leninistisch organisiert. Aber die chinesische Wirtschaft ist keine Planwirtschaft – eher eine regierungsabhängige und -beeinflusste, aber  doch marktorientierte Wirtschaft. Stattdessen ordnet der chinesische Staat sich in die dreitausendjährige, imperiale Geschichte der Nation ein – und Präsident Xi beschleunigt diesen Prozess. 

Über Jahrtausende bestand die imperiale Ordnung des „himmlischen Reiches“. Die Welt des Handels drehte sich um China und sein Imperium – schon die Römer handelten mit dem chinesischen Reich, welches so eine kontinuierliche Instanz war, dass die Chinesen die Außenwelt kaum noch wahrnahmen. Sie mussten es nicht – die Außenwelt kam ja zu ihnen.  Die Gleichgültigkeit gegenüber den „Barbaren“ dieser Außenwelt zeigt der Kontakt zwischen den Handelsdelegationen der Briten und den Chinesen im 18. Jahrhundert. Die Briten boten den Chinesen ihre neuesten Erkenntnisse in Seenavigation, Bildung und Waffentechnologie an. Die Chinesen lehnten das Angebot ab – auf Latein. Denn Latein war die Sprache dieser „europäischen Barbaren“. Dass das römische Reich seit über Tausend Jahren aufgehört hatte, zu existieren, scherte die Chinesen nicht – die Briten waren für sie das gleiche Barbarenpack, als das sie die Römer sahen. Über die Jahrhunderte schwand Chinas Einfluss jedoch. Dieser Schwund kulminierte im „Jahrhundert der Demütigung“ – als China im späten 19. Jahrhundert durch die Europäer bedrängt, überwältigt und aufgeteilt wurde. Jahrtausende war China das Zentrum der Welt – plötzlich nicht mehr. Europa und später Amerika wurden zu Weltmächten.

Nun strebt China zurück an die Spitze der Weltordnung, geführt von seinem ambitionierten Präsidenten Xi Jinping. Was im Westen als ein Umsturz dieser Weltordnung wahrgenommen wird, gilt in China eher als historische Korrektur – zurück zur natürlichen Weltordnung, in der China als Herz und Zentrum steht.  Dieses chinesische Selbstverständnis begreift man im Westen erst langsam. China geht es nicht um Kapitalismus und Kommunismus, nicht um Multilateralismus oder globale Gerechtigkeit gegenüber dem Westen – es geht um die Rückkehr an die Spitze einer Weltordnung, die sich um China dreht. Das imperiale Denken der letzten dreitausend Jahre dominiert die chinesische Politik erneut – der Maoismus wird inoffiziell als Unfall der Geschichte an den Rand gestellt. Natürlich distanziert man sich offiziell nicht von Mao Tse-Tung und seinem Kommunismus – immerhin ist er nach wie vor die Machtbasis der KP. Aber an sich ist die chinesische Staatsdoktrin längst zurück im kaiserlichen Denken des Imperialismus – nichts ist ewig, außer der chinesische Staat. 


Die irrsten Woke-Charaktere

Von Elisa David | In Hollywood herrscht aktuell der Trend, alte Geschichten neu zu verfilmen. Insbesondere die Produktion von Kinderfilmen – ein Gebiet, das fast restlos von Disney aufgekauft wurde – sieht sich gezwungen, alle Werke noch einmal neu aufzuziehen. Der König der Löwen reicht in seiner liebevoll gestalteten Zeichentrickversion nicht mehr aus, Disney musste ihn einfach noch mal neu drehen – dieses Mal mit Tieren, die am Computer erstellt wurden und ebenso täuschend echt wie emotionslos aussehen. 

Diese Fließbandproduktion an Neuverfilmungen gibt aber nicht nur die Möglichkeit, die Technik zu verbessern – sondern auch, die Charaktere und Geschichten ein kleines bisschen abzuwandeln und politisch korrekte Kinderfilme zu gewährleisten.

 

Küss den Frosch (2009)

Den Anfang nahm diese Umschreibung der Geschichten wohl bei der Disney-Verfilmung des Froschkönigs in dem Film “Küss den Frosch” von 2009. Hier küsst nicht die Prinzessin den Frosch, sondern ihre schwarze Magd, der Froschkönig selbst ist ebenfalls schwarz. Sie beide müssen Vodoo-Zauber brechen und werden auf dieser Reise von einem Alligator begleitet. 

 

The little Mermaid (2023)

Der Froschkönig ist nicht das einzige Märchen, bei dem Disney sich von der mitteleuropäischen Kultur inspirieren ließ, um die Protagonisten dann etwas südlicher anzusiedeln. Das jüngste Beispiel soll am 25. Mai 2023 auf die Leinwände kommen: Aus einer Arielle mit bleicher Haut und roten Haaren wird dann eine Schwarze mit Rastalocken. Begleitet wird die Schauspielerin Halle Bailey durch ihr Abenteuer von Nebencharakteren, die ebenso angepasst wurden. Wie die Möwe Scuttle, die jetzt von einer asiatischen Frau synchronisiert wird, nachdem sie im Original noch von Komiker Buddy Hackett gesprochen wurde. Die Charaktere, die tatsächlich weiß geblieben sind, haben zum Großteil einen spanischen Hintergrund. Dabei ist die kleine Meerjungfrau das Werk von dem dänischen Autor Hans Christian Andersen in 1837. Dänen sucht man in der Besetzung, zumindest noch, vergebens. 

 

Bridgerton (2020)

Die Schauspielerin Simone Ashley scheint sich in diesem Zweig der PC-Neuverfilmungen einen Namen gemacht zu haben. Sie ist ebenfalls in der Besetzung neben Arielle aufgelistet, aber wer sich mit der “Wokeisierung” von Hollywood auskennt, der kennt sie schon aus der Netflix-Serie Bridgerton. Bridgerton spielt im England des 19. Jahrhunderts. Aber nicht irgendwo in England, sondern in der Londoner High Society in der Ballsaison. In dieser Verfilmung ist die Königin von England schwarz, so wie auch ca. die Hälfte der restlichen Besetzung – alle hoch adlig, versteht sich. Simone Ashley spielt hier Lady Sharma, die dem Vizeherzog (weiß besetzt) hoffnungslos den Kopf verdreht hat. Im Grunde sind alle unwiderstehlichen Charaktere in dieser Sendung schwarz, während die weißen Charaktere nichts tun können, als den Boden anbeten, auf dem sie gehen. Mit Ausnahme vielleicht von der übergewichtigen Eloise Bridgerton.

 

Pinocchio (2022) 

Ebenfalls unter Disney erschienen ist die Neuverfilmung des Klassikers Pinocchio dieses Jahr. Hier ist es die Fee, die die kleine hölzerne Puppe in einen echten Jungen aus Fleisch und Blut verwandelt und dabei irgendwie anders aussieht. Sie wird von der schwarzen Schauspielerin Cynthia Erivo gespielt, was von dem italienischen Autor Carlo Collodi im Jahr 1881 sicher noch anders gedacht war. Damit aber noch nicht genug: “Die Fee mit den dunkelblauen Haaren”, ist mit Cynthia Erivo von einer Frau mit Glatze dargestellt worden. Es wirkt schon fast wie eine Provokation.

 

Charaktere aus der Serie „The Rings of Power“ – Screenshots via Amazon Prime

The Rings of Power (2022)

Die zweifellos zahlreichen Fans der Herr der Ringe Saga staunten nicht schlecht, als die ersten zwei Folgen der Fortsetzung, beziehungsweise Vorgeschichte endlich auf dem Bildschirm hatten: Schwarze Elben, schwarze Zwerge und schwarze Hobbits. Und das, obwohl Tolkien sich seinerzeit für seine Geschichte von europäischen Völkern und einheimischen Stämmen inspirieren ließ. So repräsentierten die Zwerge keltisch-germanische Stämme, die Elben waren skandinavisch gedacht. 

 

Macbeth (2021)

Die Krönung dürfte die 2021 erschienene Verfilmung des Shakespeare-Klassikers Macbeth sein. Zweifellos so wie Shakespeare ihn schuf, wurde der schottische Mittelalter-König mit dem schwarzen Denzel Washington besetzt. 


Markus, wir müssen reden!

Von Jonas Aston | „Long live the King“ postete Markus Söder vor wenigen Tagen auf seinem Twitter-Profil. Damit nahm er Bezug auf den Tod von Queen-Elizabeth. Untermalt wurde der Tweet von einem gemeinsamen Foto von Söder und King Charles. Die beiden Frauen der Männer, die auf dem ursprünglichen Foto zu sehen waren, schnitt Söder aus. Charles blickte selbst für seine Verhältnisse bedröppelt, nur Söder blickte stolz und mit geschwollener Brust in die Kamera. Den Zuschauern möchte er damit wohl sagen: „Seht her, ich bin der wahre König“. Und wenn es schon für Großbritannien nicht reicht, dann immerhin für Bayern. 

Aber Markus, du bist kein König, du bist auch kein Prinz und nicht einmal für den Knappen reicht es nicht. Meiner Meinung nach bist du ein Hofnarr und ein Gaukler. Jahrzehntelang hingst du am Rockzipfel von Merkel und den Grünen. Ewigkeiten hast du dich an das woke Milieu herangewanzt und gleichzeitig dem Wähler vorgegaukelt, du seiest konservativ. Nun versuchst du verzweifelt dich von deiner Vergangenheit loszulösen. 2011, als die CDU und die FDP sich nicht auf ein Ausstiegsdatum für die Atomenergie einigen konnten, bestandst du auf dem Ausstiegsjahr 2022. Nun erklärst du aus heiterem Himmel: „Mit ihrer zögerlichen Tiki-Taka-Politik zur Kernenergie hat die Bundesregierung wegen der Grünen bereits sehr viel Zeit verloren.“ Plötzlich erklärst du den Turnaround, aber das natürlich ohne dich von deinen Äußerungen vor über 10 Jahren zu distanzieren.

Aber es fehlt dir nicht nur an politischer Weitsicht, sondern selbst an deiner politischen Kurzsicht mangelt es. Ich werde nie vergessen, wie du vergangenen Dezember bei Anne Will gefordert hast, Karl Lauterbach als Gesundheitsminister zu berufen. „Er kann das aufjedenfall“, hast du gesagt. Du hast erklärt, du würdest „es begrüßen“, vor allem da man in dieser Lage jemanden brauche, der „keine 100 Tage Einarbeitung“ braucht. Damit hast du auf Olaf Scholz weiteren Druck aufgebaut, der sich ganz offensichtlich davor gesträubt und lange gezögert hat Lauterbach zum Gesundheitsminister zu nennen. Ob du es nun also wahrhaben willst oder nicht, lieber Markus, Karl Lauterbach ist dein Gesundheitsminister.

Markus, der Wähler kauft dir dein Herumlamentieren nicht mehr ab. 50 Prozent plus X? Das wird wohl nichts! Die Zeiten, in denen die CSU die absolute Mehrheit erringen konnte, sind ein für alle Mal vorbei. Die Zielmarke von 5 Prozent plus X dürfte künftig die realistischere sein. Die Koalition von Freien Wählern und CSU könnte 2023 auch Geschichte sein, doch was tut Markus dann? Steigt er mit Habecks Grünen ins Bett oder holt er sich doch lieber die Lauterbach-SPD ins Kabinett?

Lieber Markus, du hast dich verzockt. Beende also endlich das Trauerspiel und mach Platz für Leute, die es vielleicht besser können, sofern davon noch welche übrig geblieben sind. Ganz nach dem Motto: „Der Hofnarr ist Tod! Es lebe der Hofnarr!“.




Der Fall Safronow – Unabhängiger Journalismus im Visier des russischen Regimes

Von Sarah Victoria | Am 5. September verurteilte das Moskauer Stadtgericht Iwan Safronow zu 22 Jahren Haft in einem Straflager. Zuvor forderte die Staatsanwaltschaft für den angeblichen Landesverrat sogar 24 Jahre Haft. Iwan Safronow ist ein ehemaliger Rüstungsreporter, der unter anderem für die Wirtschaftszeitung „Kommersant“ oder die Tageszeitung „Wedomosti“ über Militärthemen geschrieben hat. Vor seiner Festnahme vor zwei Jahren arbeitete er nicht mehr als  Journalist, sondern als Berater bei Roskosmos, einer russischen Raumfahrtbehörde. Seit 2020 saß er in Untersuchungshaft, jetzt folgte die Verurteilung.  

Zwischen 2015 und 2018 soll Safronow in sieben Artikeln Militärgeheimnisse an den tschechischen Journalisten Martin Larisch und den deutsch-russischen Politologen Dmitri Woronin weitergegeben  haben. Laut den russischen Behörden kooperierten beide mit Nato-Diensten – also dem deutschen und tschechischem Geheimdienst. Mit dem tschechischen Journalisten war Safronow seit 2012  befreundet, oder wie es die russischen Behörden nennen: Er wurde angeworben.  

Der bekannte Anwalt Iwan Pawlow, der auch Nawalny vertreten hat, übernahm Safronows Fall, bis  er selbst ins Exil flüchten musste. Pawlow ist der Gründer der ehemaligen Juristenvereinigung  „Komanda 29“, die sich auf die Strafverteidigung in Spionage- oder Landesverratfällen spezialisiert haben. Die Gruppierung hat sich mittlerweile aufgelöst, da sich die meisten Anwälte entweder im  Exil oder im Gefängnis befinden. Iwan Safranows aktueller Anwalt, Dmitri Talantow, war im Juni in Untersuchungshaft.  

Laut russischer Justiz ist es bestimmt nur ein Zufall, dass ein erfahrener Militärjournalist und Kenner der Raumfahrtszene zu einer abstrusen Haftstrafe verurteilt wird, während die “Spezialoperation” in der Ukraine zu wünschen übrig lässt und es auch im Raumfahrtsektor zu Verzögerungen kommt. Auch ist es ein Zufall, dass Iwan Safronows Vater, der ebenfalls Militärjournalist war, 2007 plötzlich aus einem Moskauer Fenster stürzte – natürlich ein Suizid. Die Botschaft an alle Journalisten und russischen Militärkenner ist eindeutig: Schreibt Dinge, die uns nicht gefallen und wir zerstören euer Leben.  

Vor dieser Entwicklung warnte der Journalist Andrej Soldatow bereits 2020.  Hintergrund für die Verurteilung ist eine Rechtsreform aus 2012. Laut der neuen Fassung können nun auch Journalisten zu Landesverrätern werden. Das war zuvor noch nicht möglich, da Journalisten per Definition keinen Zugang zu geheimen Informationen hatten. Vor der Reform musste sich der FSB immer Kunstgriffe einfallen lassen, um unliebsame  Journalisten mundtot zu machen.  

Die Reform des Strafgesetzbuches ermöglicht juristische Willkür, denn unter Staatsverrat zählt  neben der klassischen Spionage nun jede finanzielle, konsultative oder materielle Kooperation mit  einer feindlichen ausländischen Organisation. Der Tatbestand wird dadurch uferlos, was sich in Strafonows Fall wiederspiegelt. In der Vergangenheit ergaben sich daraus schon einige abstruse  Gerichtsverfahren, wie etwa im Fall des Journalisten Iwan Golunow, der im Sommer 2019 nach seiner Artikelreihe zum Thema Korruption wegen versuchten Drogenhandels angeklagt wurde. Die Klage wurde nach einer öffentlichen Empörungswelle ein paar Tage später wieder fallen gelassen.  

Die langen Haftstrafen zeigen zudem, dass es der russische Staat ernst meint. Nur besonders schwere Gewaltverbrecher verbringen so viel Zeit im Gefängnis – etwa für Missbrauch, Mord oder  Hochverrat. Zum Vergleich: Der Mörder von Boris Nemzow wurde zu 20 Jahren Haft verurteilt. 

Iwan Safronow erhielt gleich 22 Jahre. Zu 22 Jahren Haft wegen Hochverrats wurde zuvor Sergey Mikhailov verurteilt, der stellvertretende Leiter des FSB-Informationssicherheitszentrums. Die gleiche Haftstrafe forderte die Staatsanwaltschaft für Strafonow – der nur Informationen teilte, die größtenteils öffentlich einsehbar waren. Russische Investigativjournalisten des Medienunternehmens „Projekt“ haben den Fall auf ihrer Seite aufgearbeitet.

Das Vertrauen in die russische Justiz dürfte dadurch nicht größer werden. In einer Studie des  Lewada-Zentrums von 2020 vertrauten gerade mal 31 Prozent der Befragten den russischen  Gerichten. 51 Prozent gaben an, die Staatsanwaltschaft für nicht vertrauenswürdig zu halten. Nicht ohne Grund gibt es im Russischen den Begriff der Basmannyj-Justiz – abgeleitet vom Moskauer Basmannyj-Bezirksgericht, in dem schon zahlreiche politisch motivierte Prozesse verhandelt wurden. Dieser Trend dürfte sich seitdem nur noch verschlechtert haben.  

Die Urteilsverkündung fand, wie auch der restliche Prozess, hinter verschlossenen Türen statt, so dass es nur ein schriftliches Statement von Safronow selbst gibt. In diesem Statement vom 30. August, das BBC Russia vorliegt, schreibt er:  

„Der von der Staatsanwaltschaft geforderte Begriff ist nicht nur in seiner Absurdität, sondern auch in seinen Folgen ungeheuerlich – nicht nur für mich, sondern auch für das Ansehen des Landes. Die ganze Welt wird sehen, dass sie einen Journalisten für das Schreiben von Artikeln ins Gefängnis stecken wollen. Ein Schuldspruch zu fällen bedeutet für lange Zeit, wenn nicht für immer, das Thema Meinungsfreiheit zu schließen, weil es weder Rede noch Freiheit geben wird.  

Wenn ich vom Schicksal dazu bestimmt bin, im Gefängnis zu sitzen, dann werde ich meine Strafzeit mit Ehre und Würde absitzen. Es gibt kein Corpus Delicti in meinen Handlungen. Ich beteuere meine Unschuld und fordere einen vollständigen Freispruch.“




Wahlen in Schweden: Schwedendemokraten fahren Achtungserfolg ein

Von Boris Cherny | Schweden hat gewählt. Stärkste Kraft wird wie bei jeder Parlamentswahl seit 1917 (!) die Sozialdemokratische Partei mit der Ministerpräsidentin Magdalena Andersson an der Spitze. Im Fokus steht bei dieser Wahl allerdings eine andere Partei. Die nationalkonservativen Schwedendemokraten konnten erstmals die zweitstärkste Kraft werden. Ob Andersson Ministerpräsidentin bleibt, ist noch unklar, denn eine Koalition wird notwendig sein. Aktuell liegt ein rechtsgerichtetes Bündnis unter Beteiligung der Schwedendemokraten äußerst knapp vor dem links-grünen Bündnis, doch das kann sich noch ändern. 

Der endgültige Wahlausgang wird den Erfolg der Schwedendemokraten (SD) aber wohl kaum schmälern. Im Jahr 1988 gegründet, war die SD jahrelang eine Kleinstpartei am äußersten Rand des rechten Spektrums. Politiker der SD hatten Verbindungen zu Neonazis, und fielen häufig durch rassistische und antisemitische Äußerungen auf. Die Partei blieb bei Wahlen stets weit unter den 4 Prozent, die nötig für einen Einzug ins schwedische Parlament sind. 2005 wurde Jimmie Åkesson Vorsitzender der SD. Unter seiner Führung, die bis heute andauert, hat sich das Image der Partei deutlich verändert. 

Rechtsextreme Politiker wurden nicht mehr in den Reihen der SD geduldet. Auch das Parteiprogramm wurde gemäßigter gestaltet. Forderungen von kompletten Grenzschließungen und einem Swexit (EU-Austritt Schwedens) wurden verworfen. Åkesson gestaltete die Schwedendemokraten in eine moderne konservative Partei mit Fokus auf Einwanderungspolitik um. Dank der gemäßigten Rhetorik wurde die SD nun zur einzigen demokratischen Wahlalternative für viele Menschen, die zunehmend negativ gegenüber dem unregulierten Flüchtlingsstrom nach Schweden standen. Auch durch die Corona-Krise profitierten die Schwedendemokraten. Im Gegensatz zu den meisten anderen konservativen Parteien in Europa setzte sich die SD für härtere Corona-Regeln ein. Als eine der wenigen Parteien in Schweden kritisierte sie den liberalen Sonderweg während der Corona-Krise, was ein weiteres Alleinstellungsmerkmal schuf. Åkesson bezeichnete die Folgen der Politik der Sozialdemokratischen Regierung gar als “Massaker”. 

Die Besorgnis der Bevölkerung über Migration und Ausländerkriminalität, die zunehmend in den schwedischen Vorstädten grassierte, spiegelte sich rasch in Wahlergebnissen der SD wider. Von 2,6 Prozent im Jahr 2006 steigerten sich die Schwedendemokraten bei jeder Wahl, bis auf 17,5 Prozent in 2018. Auch politisch konnte die SD Erfolge erzielen. Etablierte Parteien fingen an, ihre Positionen in Fragen der Einwanderungspolitik anzupassen. 2014 beendete der damalige Ministerpräsident Löfven sogar die offene Grenzpolitik Schwedens und ließ das Einwanderungs- und Asylrecht drastisch verschärfen. 

Das konnte den Aufwind für die SD allerdings kaum noch stoppen. Bei diesen Wahlen erreichte die Partei etwa 20,6 Prozent und wurde erstmals die zweitstärkste Kraft im schwedischen Parlament. Eine Regierungsbeteiligung der SD scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein. Das wäre in den letzten Jahren trotz zweistelliger Wahlergebnisse für unmöglich gehalten worden. Das politische Establishment verweigerte jahrelang jegliche Zusammenarbeit mit den Schwedendemokraten. Die Barriere fing allerdings in den letzten Jahren an zu bröckeln, denn Koalitionen nach alten politischen Mustern wurden zusehends schwieriger, je mehr Sitze die SD bekam. Das führte letztes Jahr gar zum Rücktritt des bisherigen Ministerpräsidenten Stefan Löfven und zum Aufstieg der ersten weiblichen Ministerpräsidentin Schwedens, Magdalena Andersson, die seitdem eine instabile Minderheitsregierung führt. Die politische Isolation der SD ist vor dieser Wahl endgültig beendet worden als sie in eine informelle Wahlallianz mit anderen Mitte-Rechts Parteien einging. 

Diese Allianz steht nun kurz vor dem Wahlsieg. Nachdem fast alle Stimmen ausgezählt worden sind, führt die rechte Allianz mit einem Parlamentssitz vor der linken Koalition der Sozialdemokraten. Der Posten des Ministerpräsidenten ist, im Falle des Sieges des Liberal-Konservativen Bündnisses wahrscheinlich Ulf Kristersson, dem Vorsitzenden der Moderaten Partei (der anderen großen konservativen Partei) vorbehalten, doch gewiss wird die SD, als stärkste rechte Kraft im Parlament, die größte Macht innerhalb der Koalition besitzen. 

Ob die Zukunft eine Regierungsführung für die Schwedendemokraten bereithält, ist unklar, doch mit dieser Wahl haben sie eine starke Basis für die Zukunft aufgebaut. Sie wurden die zweitstärkste Kraft unter den jungen Wählern (nur hinter der Moderaten Partei – Parteien des rechten Bündnisses kommen in dieser Demografik auf insgesamt 58 Prozent der Stimmen), was für sie nur ein positives Zeichen für die Zukunft sein kann. Der Wahlerfolg der Schwedendemokraten zeigt, dass linke Mehrheiten alles andere als gesetzt sind.




Der deutsche Staatsfunk ruft zum Sturz der britischen Monarchie auf

Von Max Roland | Die Queen ist tot – lang lebe der König! Während Großbritannien in tiefer Trauer um seine prägende Monarchin ist, besteht die britische Monarchie weiter, wie sie es seit Jahrhunderten tut.  Die Kontinuität des Königshauses ist der Stabilitätsanker Großbritanniens – die schwersten Krisen in der britischen Geschichte waren fast immer Krisen der Krone. In weltweit fast unvergleichlicher weise sind Krone und Demokratie in Großbritannien nicht Gegensätze, sondern garantieren einander. Das war einer der Gründe, warum der Faschismus in Großbritannien nie Fuß fassen konnte – anders als in Deutschland. 

Genau jene deutschen sind es aber nun, die den Briten aus der Ferne ungebetene Ratschläge erteilen wollen. Ausgerechnet der deutsche Staatsfunk ruft jetzt auf englisch zum Sturz zur Monarchie auf. Die „Deutsche Welle“, ein zu 100% nicht etwa über Gebühren, sondern direkt über Steuergelder finanzierte, staatliche Auslandsfunk der Bundesrepublik, erklärt den Tod der Königin in einem Meinungsbeitrag zur Chance für Großbritannien – die Chance, endlich eine „richtige Demokratie“ zu werden. Charles sei schwach, schreibt der „DW“-Autor Zulfikar Abbany in seinem Kommentar – deswegen sei die Gelegenheit gekommen, die Monarchie zu stürzen. Der Autor spricht von „royalen Resten“, die man jetzt beseitigen könne – zusammen mit der „undemokratischen Hierarchie“, die das Land beherrsche. 

Die „Deutsche Welle“ ist kein Regierungssprecher – aber eben doch staatlicher Rundfunk. Umso problematischer sind solche Kommentare – kommend aus einem Land, das erst demokratisch wurde, nach dem sich vor allem auch britische Soldaten bis zur Elbe gekämpft hatten. Die deutschen wollten immerhin schonmal die britischen Institutionen zerstören, weil sie ihren Nationalsozialismus für das bessere, fortschrittlichere System hielten. Es wird heute gerne vergessen, dass die Nazis, aber auch die Faschisten generell, sich als progressive Bewegung verstanden – und Monarchien ablehnten. Die Briten werden über solche Beiträge „not amused“ sein – those bloody germans again. 


Die Ära 9/11 ist vorbei

Von Leon Hendryk | Als sich im vergangenen Jahr die Anschläge vom 11. September 2001 zum 20. Mal jährten, gab es viele Gedenkveranstaltungen und ein großes Medienecho für dieses traurige Jubiläum. In fast allen deutschen und internationalen Medien wurde ausführlich berichtet. Nicht außergewöhnlich in Anbetracht der Auswirkungen, das dieses Ereignis damals auf die Welt hatte. 9/11 prägte die Wahrnehmung einer ganzen Generation von Amerikanern, und führte letztlich zum „Krieg gegen den Terror“.

Doch in diesem Jahr ist vieles anders. In den meisten deutschen Medien fand sich am Sonntag, dem Jahrestag der Anschläge, kaum ein Artikel der das Thema behandelte. Selbst in amerikanischen Medien war 9/11 ein Randthema, wichtiger waren Berichte über den Tod von Queen Elizabeth II und der ukrainischen Militäroffensive gegen die russischen Besatzer. Lediglich die konservative Nachrichtenseite Breitbart hatte einen Artikel über 9/11 als Aufmacher. Auch in den sozialen Netzwerken wurde diese Entwicklung mit etwas Verwunderung wahrgenommen. „This ist he least 9/11 I’ve ever seen“ twitterte etwa ein User und bezog sich damit auf die kaum vorhandene Berichterstattung in diesem Jahr. Über 350.000 Likes gaben ihm recht. 

https://twitter.com/YourMusicWhore/status/1569021633834147840

Selbst die meisten Politiker schien den Jahrestag kaum zu interessieren. Zwar hielt US-Präsident Joe Biden eine etwa viertelstündige Rede zum Andenken an die Opfer, doch viel Aufmerksamkeit generierte sie nicht. Im Vergleich zu den vergangenen 20 Jahrestagen, schien sich die westliche Öffentlichkeit in diesem Jahr kaum für das Thema 9/11 zu interessieren. Warum ist das so?

Die Antwort auf diese Frage ist eigentlich simpel: Die Welt hat sich in den vergangenen 21 Jahren dramatisch verändert. Insbesondere in den letzten 12 Monaten veränderte sich die innen- und außenpolitischen Verhältnisse in Amerika und Europa massiv. Der misslungene Abzug aus Afghanistan im vergangenen Spätsommer leutete das Ende der großangelegten Anti-Terror Kriegsführung ein, aus dem Irak war man schon ein Jahrzehnt früher abgezogen. Beide Kriegseinsätze können als gescheitert angesehen werden. Auch geopolitisch ist der Westen heute in einer völlig anderen Lage als noch im letzten Jahr. Der Krieg Russlands in der Ukraine war der Auftakt zu einem neuen kalten Krieg, zwischen dem westlichen und dem östlichen Machtblock, mit China an der Spitze des letzteren. 

Parallele dazu hat sich die Innenpolitik westlicher Staaten gewandelt. Das Thema Terrorbekämpfung ist schon lange nicht mehr in Mode. Stattdessen sorgt man sich auf beiden Seiten des Atlantiks um rasant steigende Lebenshaltungskosten und eine kommende Rezession. Vor 20 Jahren stand die Bevölkerung der meisten westlichen Staaten noch geeint gegen den islamistischen Terror. Filme, Bücher und Videospiele waren voll mit Terrorismus und der heldenhaften Bekämpfung desselben. Nun dominieren stattdessen identitätspolitische Themen die öffentliche Diskussion und Popkultur. All das hat zu einer beispiellosen Spaltung der Gesellschaft geführt. 

Dazu kommt, dass 9/11 für immer mehr Menschen schlichtweg ein historisches Ereignis darstellt. Denn 21 Jahre sind, in unserer schnelllebigen Zeit, sehr lange (zum Vergleich, es dauerte 21 Jahre vom Ende des ersten bis zum Anfang des zweiten Weltkriegs). Es ist völlig natürlich, dass selbst ein Ereignis von der Tragweite der Anschläge vom 11. September, über mehr als zwei Jahrzehnte einiges an seiner Aktualität verliert. Deshalb können die aktuellen Ereignisse das Gedenken an 9/11 mittlerweile so leicht überschatten. Die Anschläge haben an emotionaler Bedeutung verloren. Kombiniert man dies mit den drastisch veränderten Rahmenbedingungen unserer Welt, kommt man zu dem Schluss, dass das Thema 9/11 für viele Menschen langsam aber sicher abgeschlossen ist. Osama bin Laden flößt schon lange niemandem mehr Angst ein, was wohl der Tatsache geschuldet ist, dass er seit Jahren tot ist. Stattdessen fürchtet die Welt nun Putin, Xi und Konsorten. 

Das einstmals große nationale Trauma der USA ist also in diesem Jahr zum ersten Mal in den Hintergrund gerückt. Neue Probleme und Herausforderungen bestimmen das Weltgeschehen. Wie diese Entwicklung die Welt in den kommenden zwei Jahrzehnten prägen und verändern werden, kann niemand sagen. Sicher ist jedoch eines: Die Ära 9/11 ist mittlerweile unwiderruflich vorbei.




Filmstar Ingrid Bergman: Sie spielte noch Frauen, keine feministischen Kämpferinnen 

Von Anna Graalfs | „If you knew how much I loved you… How much I still love you”. Als Ingrid Bergman diese Worte in „Casablanca” (1942) sprach, verliebte sich die ganze Welt in sie. Aus der schüchternen Schwedin wurde eine 3-fache-Oscarpreisträgerin und ein Weltstar, der das Kino grundlegend veränderte. Am 29. August hat sich ihr Todestag zum vierzigsten Mal gejährt – also habe ich mir gedacht: Wann gibt es einen besseren Anlass, um den Apollo-Lesern eine meiner Lieblingsschaupielerinnen vorzustellen?

Bergmans Weg nach Hollywood

Ihre Anfänge im Kino hatte Bergman schon mit knappen 17 Jahren in ihrem Heimatland Schweden. 1932 machte sie ihre erste Erfahrung als Statistin im schwedischen Film „Landskamp” und war begeistert. Doch Hollywood war noch meilenweit entfernt. Es war eine Kundin des Blumenladens ihres Onkels, die schließlich Schwung in ihre Karriere brachte: Die schwedische Schauspielerin und Regisseurin Karin Swanström führte Bergman in die Welt der Schauspielerei ein – und schließlich war es so weit: Der legendäre Produzent David O. Selznick entdeckte ihr Talent und nahm sie mit in die USA. Aber eine Sache stand Ingrid Bergman noch im Weg: Sie entsprach nicht dem Schönheitsideal Hollywoods. Selznick meinte, man müsse grundlegend was an ihrem Aussehen verändern, wenn sie den Durchbruch in Hollywood erreichen wolle. Schließlich sei ihre Nase zu groß, ihre Augenbrauen seien zu buschig und ihr Name höre sich zu Deutsch an. Sie müsse auch viel mehr Make-up tragen. Doch das ließ Bergman nicht mit sich machen. Entschlossen feuerte sie zurück: „Auf gar keinen Fall! Mein Name ist Ingrid Bergman und das ist mein Look.” Hollywood wusste, dass sie das junge Talent an das schwedische Kino verlieren würden, wenn sie sie nicht doch so akzeptierten wie sie eben war. Und Gott sei Dank war das auch der Fall. Denn gerade die Natürlichkeit in Bergmans Auftreten macht doch ihren unvergleichbaren Charm aus.

Die größten Filme ihrer Karriere

Mit „Casablanca” (1942) gelang ihr der Durchbruch. An Seite von Humphrey Bogart verkörpert Ingrid Bergman hier die loyale Ehefrau eines tschechischen Widerstandkämpfers im Zweiten Weltkrieg. Ilsa Lund steht vor einem Dilemma: Sie muss mit ihrem Mann von den Nazis flüchten, doch der Einzige, der ihnen helfen könnte, Casablanca zu verlassen, ist ihr ehemaliger Liebhaber Rick Blaine, für den sie noch Gefühle hat… Guckt man den Klassiker heute, fällt einem sofort auf: Im Gegensatz zu heutigen weiblichen Hauptdarstellerinnen, ist Bergman als Illsa Lund keine makellose feministische Powerfrau, die immer alles besser weiß und deren einziges Problem ist, dass sie von sexistischen Männern unterdrückt wird. Nein, Bergman hält in einem Moment wie wahnsinnig die Waffe in der Hand und im anderen liegt sie weinend im Arm ihres Geliebten. Bergman verkörperte Frauen, die selbstbewusst, mutig und gewitzt sind – und sich dennoch verirren können. Sie zeigte eine Verletzlichkeit der Frau, die heute nicht mehr sein darf, aber doch eigentlich viel lebensechter ist, als das männliche Gehabe der Hollywood-Schauspielerinnen von heute.

Ein gutes Beispiel dafür ist auch der Film „Gaslight” („Das Haus der Lady Alquist” auf Deutsch), für den sie zum ersten Mal mit einem Oscar belohnt wurde. In diesem Psychothriller wird Paula Alquist, Ingrid Bergman, von ihrem Ehemann so psychisch manipuliert, bis sie glaubt, sie sei wahnsinnig geworden. Ihr Mann, gespielt von Charles Boyer, nutzt Paulas labilen Zustand aus, um ungestört auf dem Dachboden des Hauses nach Juwelen von Paulas Tante zu suchen, die er Jahre zuvor ermordet hatte. Jede Nacht hört Paula Geräusche auf dem Dachboden, doch ihr Ehemann versichert ihr, dass sie sich alles nur einbildet und es am besten sei, wenn sie sich zu Hause ausruht, abgeschottet von aller Welt… Der Film ist nicht ohne Grund mein Lieblings-Bergman-Film. Sie spielt diese Rolle so gut wie keine andere: In ihrem Gesicht kann man jede Emotion ablesen – als würde man mit ihr verschmelzen spürt man ihre Verunsicherung, ihre Angst und die sich aufdrängende Frage: Wem kann sie noch vertrauen? Es ist wirklich so: Wenn man Ingrid Bergman Paula spielen sieht, stürzt man gemeinsam mit ihr in den Wahnsinn.

Wiederaufbau ihres Images

Doch wie bei jeder guten Schauspielerin dauerte es nicht lange, bis Bergmans Karriere durch Veröffentlichungen aus ihrem Privatleben in die Krise geriet. 1949 wurde medial bekannt, dass Bergman eine Affäre mit dem italienischen Regisseur Roberto Rossellini hatte und von ihm schwanger geworden war. Eine verheiratete Frau, schwanger von einem Mann, mit dem sie nicht verheiratet war – damals einer der größten Skandale in Hollywood! Erst mit ihrer Titelrolle in „Anastasia” (1956) schaffte es Bergman langsam wieder zurück in die Herzen der Amerikaner und gewann dafür sogar ihren zweiten Oscar. Heute kann man diesen Wahnsinn kaum noch nachempfinden. Ich finde Ingrids Verhältnis zu Rossellini, welches nachher zur Ehe wurde, hat das Kino nur noch mehr bereichert. Schließlich hat sie durch ihn italienisch gelernt und sogar in einer Handvoll italienischen Filmen mitgespielt. Aber nicht nur italienisch konnte sie, Bergman war ein erstklassiges Sprachtalent: Sie konnte Schwedisch, Deutsch, Englisch, Italienisch und Französisch fließend sprechen. Sie hat außerdem in all diesen Sprachen geschauspielert. Auch darum ist sie für mich ein riesiges Vorbild.

Nach ihrem zweiten Oscargewinn feierte Bergman noch weitere Erfolge zusammen mit Cary Grant in „Indiscret” (1958) oder in der Adaption von Friedrich Dürrenmatts „Besuch der alten Dame” namens „The Visit” (1964). Und als würden ihr zwei Oscars noch nicht reichen, gewann sie 1974 ihren dritten, diesmal in der Kategorie der Nebendarstellerin in „Murder On The Orient Express” (1974), der Verfilmung des gleichnamigen, 40 Jahre zuvor erschienen Kriminalromans Agatha Christies. Dort spielt Bergman eine schüchterne, gottergebene Frau – doch die Rachsucht bewegt auch sie dazu, Teil eines schrecklichen Mordes zu werden…

In all den Jahren, die Berman von der Kamera stand merkte man immer: Sie war leidenschaftlich ins Schauspielern verliebt. Bis zu ihrem Todesjahr 1982, als sie an ihrem Geburtstag an Brustkrebs verstarb, spielte sie noch in zahlreichen Filmen und im Theater mit. Ihr Vermächtnis an uns sind 48 Filme einer 47-Jahre-langen Karriere, in denen man Zeuge puren Schauspieltalents wird. Ich habe „Gaslight” (1944) jetzt schon unzählige Male gesehen, doch jedes Mal, wenn ich einen emotionalen Ausbruch Paulas auf dem Bildschirm erlebe, zieht sich eine Gänsehaut über meinen ganzen Körper. Ich bin mir sicher: Ingrid Bergman wird als eine der bedeutendsten, außergewöhnlichsten Schauspielerinnen des 20. Jahrhunderts für immer unvergessen bleiben.