Von Elena Klagges | Es kommt selten vor, aber zurzeit bin ich doch ganz froh, in Deutschland zu studieren und mich gerade nicht in Italien aufzuhalten. Das Wetter passt sich hier im Norden langsam dem Frühsommer an und man kann endlich auch hierzulande die ersten Sonnenstrahlen genießen. Und – der ausschlaggebende Grund – zur Uni gehe ich nach 1 1/2 Jahren endlich unbeschränkt wie zu Pre-Corona Zeiten. Das heißt ohne Testung, ohne vorheriger Platzreservierung und ohne Maske!
Ganz anders die Lage im Süden: Am 29. April hat die Regierung in Rom unter Leitung des italienischen Gesundheitsministers Speranza die verpflichtende Maskenpflicht in Schulen, Kinos, in Anstalten des Gesundheitswesens und öffentlichen Verkehrsmitteln bis Mitte Juni verlängert. Das bedeutet, dass die Schüler und Studenten (welche sowieso schon nicht zu der vulnerablen Gruppe gehören) bis zu Beginn ihrer Sommerferien ihren eigenen Atem wieder einatmen müssen und ausgerechnet jetzt bei den steigenden Temperaturen, aber sinkenden Infektionszahlen(https://www.rainews.it/ran24/speciali/2020/covid19/) ihr Gesicht verhüllen müssen.
Begründet werden die Maßnahmen damit, dass es eine letzte Anstrengung geben müsse, um dann den Sommer ohne jegliche Regelungen genießen und leben zu können. Besonders ironisch: Dass der Gesundheitsminister ausgerechnet Speranza heißt, also auf deutsch wörtlich ,,die Hoffnung’’. Zu häufig sind die Bürger zum letzten Durchhalten aufgefordert worden und genauso häufig auch wieder enttäuscht – bzw. man kann schon fast sagen – getäuscht worden, als dass man jetzt dem Versprechen hoffnungsvoll Glauben schenken kann.
In Italien gelten nun also die schärfsten Masken-Maßnahmen Europas und dies, obwohl immer mehr Berichte und Studien die Schutzwirkung der Masken minimieren. Dabei sollte man nicht vergessen, dass zu Beginn der Pandemie der Nutzen der Maske sogar noch abgesprochen wurde und wir dann erst über selbstgenähte Tücher zur obligatorischen Pflicht reguliert worden sind. (https://pagellapolitica.it/articoli/obbligo-mascherina-italia-europa)
Außerdem reduziert sich der Schutz bei falscher Verwendung der Maske nochmal deutlich. Undseien wir mal alle ehrlich. Wer tauscht die Maske regelmäßig und holt nicht mal schnell den dreckigen Fetzen aus einer Jackentasche? Der Gesundheitsminister Speranza fordert das Tragen der Maske auch bei der Arbeit – sogar in Außenbereichen an der frischen Luft, wo der Nutzen der Maske gegen Null geht. (https://www.nicolaporro.it/il-regime-speranza-continua-sul-lavoro-mascherine-anche-allaperto/)
Da dürfen wir uns nicht wundern, wenn auf der einen Seite das Immunsystem eher geschwächt aus der Pandemiezeit kommt und die neue Tanlinenicht um die Augen liegt, als sei man grade aus dem Skiurlaub gekommen, sondern eine Art Bart auf die Gesichter zaubert.
Doch diese Entscheidung ist noch längst nicht der Gipfel der Unlogik und Absurdität: Vergangenes Jahr galten zwischenzeitlich Regelungen, die es den ausländischen Touristen erlaubten, ohne Maske die mediterrane Küche zu genießen, während die Italiener in ihrem Inland diskriminiert wurden und ihnen der Eintritt nur mit Maske gestattet war. Seit dem 1. Mai 2022 werden der private und öffentliche Sektor differenziert behandelt. So müssen nur die Arbeitnehmer bei privaten Unternehmen eine Maske tragen; für die Beamten ist es nur eine Empfehlung. Rechtfertigungsgründe sind nicht ersichtlich.
Es braucht wirklich nicht viel gesunden Menschenverstand, um den bürokratischen Schwachsinn zu erkennen. Denn immerhin während der Freizeit muss man in Parks, Bars und beim Sport auch in Italien keine Maske mehr tragen. Doch trifft man hier nicht genau seine Freunde aus der Schule oder sitzt mit Kollegen von der Arbeit für einen aperitivozusammen?
Ganz zu Recht ruft der Journalist Nicola Porro die Studenten mit der humorvollen Idee dazu auf, ihrer Abneigung zur Maske durch ein fettes ,,L’’ für liberta (dt.: Freiheit) auf der Außenseite sichtlichen Ausdruck zu geben. Bleibt folglich nur zu hoffen (ital. sperare), dass Speranza den Wahnsinn hoffentlich jetzt schnell erkennt und die Regulierungen ein Ende finden.
Von Laura Werz | In den 20er Jahren, geprägt von politischen Unruhen, Inflation und Armut, hat sich die „moderne Frau“ in einer neuen gesellschaftlichen Rolle wiedergefunden. Berlin war die Symbolstadt des neuen Lebensgefühls – der Inbegriff des „Tanzes auf dem Vulkan“. Das bis heute stark romantisierte Jahrzehnt hat nie an Faszination verloren. Zwischen den Trümmern des vergangenen Krieges, verdrängte die Arbeiterklasse nachts bei Exzess in Varietés und Bars ihre Sorgen. Frauen tanzten erotisch in verruchten Kellern, gingen abends allein aus und arbeiteten tagsüber in der Stadt. Nie zuvor gab es in der deutschen und europäischen Moderne so viele Freiheiten für Frauen, wie in den 20er Jahren. Nachdem sich die Frauen das Wahlrecht erkämpft hatten, sollte auch eine neue gesellschaftliche Position folgen. Obwohl diese kurze Periode zu schnell von der Weltwirtschaftskrise und dem Krieg beendet wurde, bleibt dieses unvergessene Jahrzehnt aufgrund seiner historischen Einzigartigkeit bis heute legendär.
Die neue Rolle der Frau
Mit der zunehmenden Berufstätigkeit von Frauen erfuhr die Emanzipation einen Aufschwung. Zur Zeit der 20er Jahre ist jede dritte Berlinerin erwerbstätig – mehr als je zuvor. Die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Frauen gründete allerdingsnicht in einem Aufbegehren gegen die männerdominierte Arbeitswelt oder einem Verlangen nach ökonomischer Freiheit. Nach dem Krieg, in dem viele Männer gefallen, oder so schwer verwundet worden waren, dass sie nicht mehr arbeiten konnten, blieb für die meisten Haushalte keine andere Option. Dazu kam die Inflation, welche für Unter- und Mittelklasse schwer zu ertragen war. Viele Frauen blieben zunächst sogar ledig, um in der Stadt zu arbeiten und Geld zu verdienen. Trotz der Notwendigkeit für die Frau, sich einen der begehrten und angesehenen Arbeitsplätze als Sekretärin, Verkäuferin oder Telefonistin zu suchen und der prinzipiell vergleichsweise schlechten Bezahlung, entstand mit der Berufstätigkeit eine bis dato unbekannte Angleichung der sozialen Rolle von Frau und Mann. Darüber hinaus erlangte ‘frau‘ gewisse wirtschaftliche Freiheit. Das neue Recht zu arbeiten war dementsprechend Ausdruck des Aufkommenseiner zuvor unbekannten Selbstbestimmung.
Die Zigarette – Ein neues Accessoire
Wer es sich leisten konnte, ging abends aus. Man traf sich in Bars und Clubs, um dem Alltag für wenige Stunden zu entfliehen. Dafür tauschten die Frauen ihre adrette Arbeitskleidung gegen kurze Kleider und Miniröcke. Die Kleidung war nicht mehr figurbetont und einzwängend à la Korsett, sondern entsprach der neuen modischen Vorstellung: praktisch und auffällig. Das Schönheitsideal war nun androgyn und sportlich. Gleichzeitig zeigten sich die Frauen aber erotisch. Zum „It-Piece“ wurde die Zigarette. Es war nicht mehr verpönt in der Öffentlichkeit zu rauchen und die Zigarette wurde zu einem der beliebtesten Accessoires. Sie symbolisierte für viele das neue Lebensgefühl und es entwickelte sich ein regelrechter Kult um ihre Inszenierung. Dabei war sie nicht nur ein Symbol der Erotik, sondern auch der Befreiung der Frau von alt-bürgerlichen Normen.
Kritiker der Frauenbewegung verachteten die „moderne Frau“. Sie sahen in ihrem Auftreten die Vermännlichung der Frauen so wie die Auflösung jeglicher Sittlichkeit und Anstandes. Diese Betrachtungsweise lässt sich an vereinzelten Modeerscheinungen besonders gut illustrieren.
Es wurden gerade geschnittene Kleider und auch flache Schuhe getragen, dazu der ikonische Bubikopf. Auf der Bühne sah man Frauen sogar in Hosen oder mit Zylinder. Die in den 20er Jahren aufsteigende Marlene Dietrich revolutionierte mit ihrem Hosenanzug am Ende des Jahrzehnts die Modewelt und polarisierte auch privat, indem sie mit stereotypischen Geschlechterrollen brach.
Kleidung und Mode entsprach in weiten Teilen gesellschaftlichen Vorstellungen, Normen und Erwartungen. Die meisten der noch vor 100 Jahren vorherrschenden Kleiderordnungen und Tabus sind heutzutage bereits abgeschafft und die damals polarisierende Klamotte, wie eine Hose für Frauen, zur Normalität geworden. Die „moderne Frau“ der 20er Jahre kleidete sich feminin, aber praktisch, androgyn und gleichzeitig erotisch. Die Mode polarisierte, sie ist politisch geworden und damit zum Symbol der neuen Freiheit.
Anita Berber – Der lebende Skandal Berlins
Eine der berühmtesten und skandalösesten Figuren der Zeit ist die Berliner Tänzerin und Schauspielerin Anita Berber, deren Popularität bis nach Amerika reichte. Berühmt wurde sie bereits in sehr jungen Jahren für ihre exzentrischen und skandalösen Auftritte in Nachtclubs und Varietés. Sie symbolisierte wie keine andere das überdrehte Nachtleben Berlins, mit all seiner Freiheit und Freizügigkeit, aber auch den Schattenseiten, die es mit sich bringen konnte. Anita tanzte leicht bekleidet, stark geschminkt und verführte ihr Publikum mit ihren weiblichen Reizen. Sie lebte die Extravaganz und liebte es, zu polarisieren. So rasierte sie sich ihre Augenbrauen, bemalte ihren Körper und präsentierte auf der Bühne nackt einen Spagat – angeblich, ohne anstößig zu wirken. Besucher ihrer Auftritte trugen zum Teil Masken, um nicht erkannt zu werden.
Auf der anderen Seite, der feminin-erotischen Eigeninszenierung völlig zum Kontrast, trug sie Anzüge, pflegte ungesittete Manieren – prügelte sich sogar und setzte sich androgyn und maskulin in Szene. Sie ist die erste Frau gewesen, die Herrenhosen trug und etablierte eine Mode, die „à la Berber“ genannt wurde, von welcher sich später auch Marlene Dietrich inspirieren ließ. Ihre Tänze trugen Namen wie „Kokain“ und „Morphium“ was bereits ein erstes Zeichen für die Abgründe war, in welche die Tänzerin fallen sollte. Drogen veränderten ihren Charakter und führten schließlich zu ihrem beruflichen Ende. Sie wurde aggressiv, unkooperativ und ihre Ehe zerbrach. Schließlich starb sie an ihrer Drogen- und Alkoholsucht im Alter von nur 29 Jahren. Inzwischen ist Anita Berber Sinnbild des verrückten Lebensstils und der berühmt-berüchtigten Nachtwelt Berlins der goldenen 20er geworden. Sie personifiziert wie keine andere die Verzweiflung und Einsamkeit einer Frau des goldenen Jahrzehnts in der Großstadt, welche nach Erfolg und Anerkennung strebt und dabei auf dem schmalen Grat des Aufbegehrens gegen gesellschaftliche Normen, Selbstverwirklichung und Selbstzerstörung wanderte.
Die Emanzipation – Eine Angleichung der Geschlechter?
Armut, Verzweiflung und eine gewisse Endzeitstimmung ebneten den Weg zu dem „goldenen Zeitalter“, in welchem sich Frauen in historisch einzigartiger Weise inszenierten. Mit modischen Statements und dem Brechen alter Tabus und traditioneller Verhaltensweisen, erkämpften sich Frauen in der instabilen Nachkriegsgesellschaft mit zerbrechlicher Demokratie eine neue soziale Stellung. Nicht zuletzt aufgrund des Wahlrechts, ihrer Möglichkeit zu arbeiten, sowie neu–akzeptierter (beziehungsweise geduldeter) Verhaltensweisen, wurden stereotypische und alte Rollenbilderaufgeweicht. Die Entwicklung der sozialen Stellung der Frau spiegelte sich stark in der Damenmode wieder. Dabei verzichteten Frauen tagsüber ganz bewusst auf auffälliges Make-Up, oder zu kurze Röcke am Arbeitsplatz, um in der männerdominierten Welt zu bestehen.
Die konservative Kleidung wurde abends dennoch gegen moderne, kurze Kleider getauscht und ‘frau‘ spielte bewusst mit ihrer Weiblichkeit. Ein femininer Auftritt bedeutete eben nicht das Zurückkehren in alte Geschlechterrollen, sondern war gerade Ausdruck der neu gewonnenen Freiheit. Heute wird unter dem „Deckmantel des Feminismus“ ein ungepflegtes Äußeres nicht selten als Ausdruck der Selbstbestimmung und des Fortschritts der Gleichberechtigung betrachtet. Marlene Dietrich, die von Zeitgenossen aufgrund ihres Auftritts sogar als non-binär beschrieben wurde, kann jedoch sicherlich nicht als Vorbild heutiger Modeerscheinungen betrachtet werden. So waren ihre Anzughosen hoch geschnitten, die Haare ordentlich frisiert und ihr Auftreten stets elegant.
Sie spielte bewusst mit den vermeintlichen Grenzen von Herren- und Damenmode, ohneje ihre Weiblichkeit zu kaschieren. Und auch Anita Berber präsentierte sich zeitgleich feminin und emanzipiert. Weiblichkeit und die Unabhängigkeit der Frau schlossen sich nicht aus, sondern bedingten gerade einander. Mit Blick auf das Emanzipationsverständnis vor 100 Jahren, ist es schwer nachvollziehbar, dass feminine Kleidung heute oft als verstaubt und rückständig aufgegriffen wird. Dabei sollten doch gerade Geschmack und Klasse niemals aus der Mode kommen. Sind Jogginghosen und „Messi Dutt“ eher Ausdruck von Freiheit, als Kleider und frisierte Haare? Oder ist die heutige Mode nur Resultat von Verwahrlosung und geistiger Armut?
Wenn Ungepflegtheit en vogue ist und mit politischer Überzeugung, einem Aufbegehren gegen die Mehrheitsgesellschaft und nicht zu vergessen mit Individualität begründet wird, drängt sich die Frage auf, was mit einer derartigen Selbstdarstellung tatsächlich bezweckt werden soll. Heute ebnen diese politischen Mode-Statements nicht mehr den Weg in weitere Freiheit und Fortschritt, sondern sind Ausdruck von Mitläufertum, Unreflektiertheit und Orientierungslosigkeit. Die Folge ist eine ausufernde Gruppendynamik, welche sich in der kategorischen Ablehnung abweichender Meinungen und anderer Lebensweisen abzeichnet. Die heutige hoch intolerante Gesellschaft, in welcher Begriffen wie „Solidarität“, „Ausgrenzung“, oder „Toleranz“ missbraucht werden, um gegen kritische Stimme vorzugehen, lässt die 20er Jahre, mit seinem Aufbegehren nach Freiheit und dem Kämpfen um neue Rechte progressiver und freigeistiger erscheinen, als das Heute.
Trotz dessen, dass in den folgenden Jahrzehnten wieder gewohnte Muster zurückkehren sollten und man in der Tradition nach Stabilität suchte, bot das goldene Jahrzehnt einen unvergleichlichen Vorgeschmack auf stilsichere Gleichstellung, Selbstbestimmung und die Unabhängigkeit der Frau – vielleicht finden wir in Zukunft ja auch wieder zur Stilsicherheit zurück.
„Die selbstsichere Frau verwischt nicht den Unterschied zwischen Mann und Frau – sie betont ihn.“
Von Johanna Beckmann | Deutschland ist ein Land, welches bekannt für die Produktion der besten Autos ist. Noch. Dieser Industriezweig erlangte seinen hohen Rang in den 1920ern. Nur wenige wissen, dass die goldenen Zwanziger nicht nur die Blütezeit der Kunst und Kultur, sondern auch der Autoindustrie waren. Wie alles anfing: Nach dem ersten Weltkrieg kam die Weltwirtschaftskrise. Diese war tatsächlich ein Segen für die deutsche Autoindustrie, denn das Geld verlor den Wert. Es hatte für die Menschen keinen Sinn mehr Geld zu sparen. Aus diesem Grund gaben sie es aus, zum Beispiel für Autos.
Außerdem stellten nach dem ersten Weltkrieg viele Hersteller die Produktion von Waffen auf Karosseriebleche und Motoren um. Von dieser Entwicklung wollten viele Autokonzerne profitiere, das führte zu einem großen Konkurrenzkampf der Firmen. Hier waren die Mottos schnell, schneller, am schnellsten und groß, größer, am größten. Für die Kunden hieß dies allerdings nur mehr Auswahl. Ab 1921 wurde ein sehr großer Wert auf moderne Designs und Innovation gelegt. Maybach, Horch, Audi und auch Opel bauten nun Luxuslimousinen. Die Krönung der Autoschöpfung war jedoch der 6,5 Meter lange Bugatti Royale. Bei Autos wie dem Alfa Romeo 20/30 HP, gab es sogar eine teure Sportversion. In Frankreich brachte Peugeot mit dem Typ 156 sein erstes großes Automobil nach dem Beginn des 1. Weltkriegs auf den Markt. Der Typ 156 war etwas für jeden, denn es gab ihn als Limousine, als eine mit höhengelegter Motorhaube versehende Torpedo Version, als Cabriolet und als Coupé. 1926 wurde sogar der Mercedes- Benz Typ S vorgestellt. Seine Motoren sollten sogar 220 PS erreichen.
Nicht nur bei dem Kauf eines Autos wurde viel Wert auf Schnelligkeit gelegt, auch Motorsport begeisterte die Bevölkerung. In Berlin eröffnete am 24. September 1921 die AVUS. AVUS, steht für Automobil-, Verkehrs- und Übungsstraße. Sie ist eine zehn Kilometer lange Straße, die sich durch Grunewald bis zum Berliner Funkturm zieht. Die AVUS war die erste Straße in Europa auf der ausschließlich Autos fahren durften und Deutschlands erste Rennstrecke. Früher durfte man dort so schnell fahren, wie das Auto fahren konnte. Damit wollte man dem Osten zeigen, wie schnell es im Westen zuging.
Auch die Tankstellen entwickelten sich in den 20ern weiter. Zuvor kaufte man seinen Sprit in der Apotheke. Später erhielt man ihn in Drogerien, Fahrradhandlungen oder Kolonialwarenläden. Hier erwarb man Sprit allerdings im Fass. Ganz schön nervig immer beim „Tanken“ Fässer tragen zu müssen, oder? Deswegen entstanden in den 20ern die ersten Zapfenlagen. Hier konnte der Sprit dann direkt in das Auto gepumpt werden. In Hannover eröffnete 1922 die erste Tankstelle. Im Vergleich zu heute war diese Tankstelle sehr öde, keine Kekse oder Zeitungen. Außer Sprit gab es dort nur Schmierstoffe. Erst 1927 wurde es spannender, dann gab es die erste Großtankstelle. Ein Liter Benzin kostete nach der Hyperinflation 0,34 Rentenmark. Dort gab es sogar Preistafeln und das wichtigste: Kekse und Zeitungen.
Heute ist das Motto nur noch grün, grüner am grünsten. Es sollen Benzin und Dieselautos aus der Innenstadt Berlins verbannt werden. Wer also Besitzer eines solchen Autos ist, sollte sich also dann aus Berlin fernhalten. Andernfalls könnte er auch mit einem Lastenfahrrad oder zu Fuß die Innenstadt Berlins betreten. Auch große und schnelle Autos sind eher weniger erwünscht. Einige Parteien fordern sogar ein Tempolimit von 130 km/h. Es möchte keiner mehr zeigen wer schneller fahren kann. Heute wird mit der Klimafreundlichkeit des Autos geprotzt. Wenn man sich dann ein Auto kaufen möchte, ist das ebenfalls nicht so einfach, denn aufgrund des Russland- Ukraine Konflikt entstehen wegen fehlender Chips Lieferengpässe und Produktionsstörungen. Hier drohen lange Lieferzeiten. Auch der Einbau von besondern Bauteilen, wie einer Handyladestation ist oft nur eingeschränkt möglich.
Außerdem bauen wir heute Straßen nicht mehr ausschließlich für Autos. Wir legen viel Wert darauf, dass mindestens zwei Lastenfahrräder nebeneinander einen Platz auf der Fahrbahn finden. Ein gutes Beispiel dafür ist die Torstraße in Berlin. Hier wird es ab 2024 statt vier nur noch zwei Spuren für Autofahrer geben, dafür soll es aber auch zwei für Fahrradfahrer geben. Parkplätze fallen dann ganz weg. Wenn man diese Erweiterung des Fahrradweges nicht vornehmen würde, könnte es schließlich zu einem fatalen Stau der Fahrräder kommen. Die Tribüne der AVUS wird heute für einen regionalen Fernsehsender und einen Veranstaltungsraum mit Blick auf die Autobahn genutzt. Heute möchten auch niemandem mehr zeigen, dass er schneller Autofahren kann, sondern, dass er mit einem geringen Gebrauch des Autos weniger Emissionen produziert. Diese Schwierigkeiten beim Betreten der Stadt für viele Bürger soll Berlin, dann klimafreundlicher, leiser und lebenswerter machen.
In den 2020ern, lässt sich nicht mehr von einer Blütezeit der Autoindustrie sprechen. Die Grünen machen es den Autofahrern, durch den Bau von Straßen für Lastenfahrrädern und der Forderung des Verbots von Autos mit fossilen Brennstoffen in Innenstädten nicht einfacher. Aber auf der Russland- Ukraine Konflikt hat negative Auswirkungen auf die Autoindustrie.
Von Jonas Aston | Als ich das letzte Mal über die Inflation schrieb, hatte die EZB gerade ihre Inflationsprognose von 1,7 % auf 3,1 % erhöht. Grund: Man hatte sich verrechnet und die explodierenden Energiepreise nicht einkalkuliert. Eine Meldung, die wohlgemerkt Wochen vor dem Ukraine-Krieg veröffentlicht wurde. Tatsächlich steigt die Inflation schon seit über einem Jahr kontinuierlich an. Mit Beginn des Krieges haben die Teuerungsraten noch einmal kräftig zugelegt. Inzwischen soll die Inflation bei 7,4 % liegen, wobei jeder weiß, dass diese Zahlen noch geschönt sind. Dies ist der höchste Wert seit dem ersten Golfkrieg im Herbst 1981 und viele Wirtschaftswissenschaftler fürchten, dass die Inflation weiter ansteigen wird. Immer mehr Menschen wissen nicht, wie sie sich noch die steigenden Mieten und vor allem horrenden Strompreise leisten sollen. Einige Kommilitonen denken über die Aufnahme eines Studienkredits oder sogar den Abbruch des Studiums nach.
Dabei erschien den Deutschen die Inflationsthematik lange als völlig irrelevant. Bis zum Ausbruch des 1. Weltkrieges führte der Brockhaus den Begriff „Inflation“ nicht einmal als eigenes Stichwort.Vor rund 100 Jahren änderte sich dies drastisch. Die Hyperinflation in den Jahren 1922/23 zerstörte die Ersparnisse einer ganzen Generation. Und die Entwertung der Kriegsanleihen zerstörte das Vertrauen von Millionen Bürgern in den Staat.
Die heutige Situation weist einige Parallelen zu der damaligen auf. Krieg und offensichtlich auch Corona kosten den Staat eine Menge Geld. Dieses Geld wurde nicht durch staatliche Mehreinnahmen, sondern durch Kreditaufnahme bei der Zentralbank besorgt. Dies führte zu einer Ausweitung der Geldmenge. In beiden Fällen (Krieg und Corona) stand bzw. steht dem Geldüberhang keine Erhöhung der Ressourcen gegenüber. Ganz im Gegenteil: Die Weimarer Republik musste auf Grundlage des Versailler Vertrages absurde Geld- und Materialleistungen an die Kriegsgewinner zahlen. Die Bundesrepublik muss unverhofft ihr Verteidigungsbudget drastisch ausweiten. Hinzu kommen noch einmalerhöhte Energiepreise durch den Ukraine-Krieg.
Die EZB steht nun vor einer Bewährungsprobe. Bei aller Kritik ist es ihr in den vergangenen Jahren relativ gut gelungen die Preisstabilität zu gewährleisten. Das Inflationsziel von „nahe zwei Prozent“ wurde meist erreicht. Das war in einem völlig inflationsberuhigten Umfeldallerdings auch keine große Leistung. Nun, wo die Inflation anläuft, stünde die EZB in der Pflicht ihre Geldpolitik zu straffen, also zum Beispiel Käufe von Anleihen zu beenden und vor allem den Leitzins zu erhöhen. Wie einst die Reichsbank steht auch heute die EZB dabei vor einem Dilemma. Im Deutschland der 1920er Jahre hätte die Erhöhung des Leitzinses die Implosion des deutschen Staatshaushaltes bedeutet. Ähnlich ist die Situation heute in einigen südeuropäischen Staaten. Ein höherer Zins würde etwa für Griechenland, Spanien und Italien deutlich höhere Staatsausgaben bedeuten, die sie sich wohl nicht leisten könnten. Auch die EZB dürfte folglich den Zins viel zu spät anheben,da ihr die Inflation insgesamt als das kleinere Übel erscheint.
Doch es gibt auch deutliche Unterschiede zu der Situation vor 100 Jahren. Damals war den Bürgern die Gefahr der Inflation nicht bewusst. Durch die Totalität des Kaufkraftverlustes sind die Deutschen inzwischen äußerst inflationssensibel. Schon bei – im Vergleich zum Jahr 1923 – geringen Inflationsraten wird ein Gegensteuern der Politik gefordert.Eine Hyperinflation wie vor rund 100 Jahren ist also nicht zu befürchten.
Von Elena Klagges | Endlich war es mal wieder so weit: Ich war nach Ewigkeiten im Kino und habe mir als großer Downton Abbey Fan den lang ersehnten 2. Film ,,A New Era’’ ausgesucht. Eine Zeitreise in die britischen 1920er und 1930er Jahre. Wo, was von Anfang an auffällt, Manieren, Anstandsgefühl und die guten Sitten noch erstrebenswerte und grundlegende Werte waren, die selbstverständlich vorausgesetzt wurden, wenn man nicht das Gesprächsthema einer bestimmten Klasse sein wollte.
In the big picture: Es ist mal wieder ein gelungener Film, der alle Generationen begeistern kann. So hatte man im Kinosaal das Gefühl, wie in einem großen Wohnzimmer zusammen mit Großeltern, Eltern und Geschwistern zu sitzen und den Erlebnissen der Crawley Familie zu folgen. Aber nicht nur alteingesessene Eingeweihte werden 100 Jahre zurück in die Vergangenheit geschickt. Ein Freund von mir hat noch keine einzige Folge der Serie gesehen, auch nicht den ersten Teil des Filmes und verließ das Kino mit einem großen Lächeln. Julian Fellows hat es sehr feinfühlig geschafft, nette Anekdoten zu den vergangenen Ereignissen in die Dialoge einzubinden, die den Vertrauten ein rundes Bild der Familiengeschichte geben; gleichzeitig aber für die Neuen nicht den Witz aus der Story nehmen.
Durch die Kameraführung, die im Vergleich zu der Ersten Staffel aus dem Jahre 2010 mit tollen Drohnenaufnahmen arbeitet, bekommt der Zuschauer eine atemberaubende Tour des ikonischen Highclear-Castles und der französischen Villa an der Cote d’Azur. Wie diese zweite Location in das Vermögen der Crawleys kommt, ist eines der spannenden Geheimnisse der DowagerCountess Violet Crawley (Maggie Smith), welche schlagfertig wie eh und je geblieben ist. Deutlich in die Jahre gekommen – was man aber logischerweise dem gesamten Cast von upstairs und downstairs ansieht – sorgt eine ihrer jugendlichen Affären mit dem Marquis de Montmirail für Aufregung. Könnte es sein, dass die ganze Erbfolge des Earl of Grantham auf einem jugendlichen Fauxpas aufbaut?
Während Robert Crawley (Hugh Bonneville) und seine Frau Cora (Elisabeth McGovern) mit einem Teil der Familie diesem Mysterium bei einem sommerlichen Besuch in Südfrankreich nachgehen, leitet die älteste Tochter des Grafen, Lady Mary Talbot (Michelle Dockery) das Estate zu Hause. Doch auch hier wird es nicht langweilig. Wie man auch schon im Laufe der Serie immer wieder mitbekommt, ist die Aufrechterhaltung eines solchen Anwesens mit enormen Kosten verbunden, die viele Familien grade nach dem Ersten Weltkrieg nicht mehr stemmen können. Noch gelingt es den Crawleys sich zu finanzieren, auch wenn man natürlich sehr ungerne über Geld redet. Um die Schäden des Daches überhaupt decken zu können, öffnet Mary nun die Türen für eine Filmproduktion. Hollywood kommt ins das kleine Yorkshire und bringt die moderne Kinowelt mit, die sich grade von den Stummfilmen in die ersten Tonfilme wandelt. Mit bei dieser Partie ist der attraktive Regisseur Jack Barber (Hugh Dancy), der dem Ehemann von Lady Mary, Mr. Henry Talbot (Matthew Goode), große Konkurrenz macht. Zur großen Enttäuschung sei hier schon verraten, dass der hotte Rennfahrer dieses Mal leider kein einziges Mal zu sehen sein wird, weil er auf einer Autorallye rund um die Welt unterwegs ist.Trotzdem legt Michelle Dockery erneut eine tolle schauspielerische Leistung ab.
Wer im Laufe der Geschichte sehr positiv heraussticht, ist Lady Edith (Laura Carmichael), die zweite Tochter des Earls. Die etwas vernachlässigte Schwester entwickelt sich zu einer modernen Frau des 20. Jahrhunderts. Wenn wir Fans mal ehrlich sind, war das Beste, was ihr passieren konnte, von dem alten Herren Anthony Strallan (Robert Bathurst) in der Dritten Staffel am Altar stehen gelassen zu werden. Denn danach fängt eine erfolgreiche Karriere an: Zunächst lernt Edith den Verleger Micheal Gregson kennen, mit dem sie sogar eine Tochter bekommt. Zwar verschwindet dieser tragischerweise bei dem Hitler-Mob in München 1923, aber vermachtet Lady Edith das Magazin ,,The Sketch‘‘. So wird sie eine der interessantesten und stylischen Frauen Londons. Schließlich findet auch Edith ihr Eheglück mit dem Marquess of Haxam, Bertie Palham(Harry Hadden-Paton), der seine Frau sehr offen und herzlich in ihren Projekten unterstützt.
Trotz der ganzen geschilderten Euphorie, muss ich leider gestehen, dass dem Film eine gewisse Spannung, das excitement, fehlt. Probleme und Skandale können erstaunlich schnell gelöst werden, die Dynamiken zwischen den Charakteren sind überwiegend harmonisch; eben zu schön, um wahr zu sein. Vielleicht waren meine Erwartungen dafür zu hoch, aber etwas völlig Neues und Schockierendes enthält das Skript nicht.
Das könnte natürlich daran liegen, dass ein Film in seiner Laufzeit deutlich beschränkter ist, als eine ganze Serie. Und dann muss man auch betonen, dass alle Charaktere in dem Film extrem gut eingebunden worden sind. Jeder hat die Chance, seinen Moment auf der Leinwand zu beweisen. Es scheint, dass man noch im Kinosaal den Spaß transponiert bekommt, den das eingespielte Team während der Dreharbeiten gehabt haben muss. Doch sollte ,,Die Neue Ära’’ der Crawleys mit diesem Film ihr endgültiges Finale finden. Für diejenigen unter uns, – und das werden mit einem weltweiten Publikum von über 120 Millionen Zuschauer einige sein – für die die Crawley Familie sowieso schon eine Droge war, stillt auch dieser Film die Entzugserscheinungen. Doch wie heißt es auch: Man sollte immer aufhören, wenn es am schönsten ist.
Von Larissa Fußer | Begeistert euch Medizin? Vermutlich schütteln viele von euch den Kopf. Verständlich – in den letzten zwei Jahren haben uns Ärzte und Epidemiologen die letzten Nerven geraubt. Unsinnige Regeln, Lockdowns, tägliche Infektionszahlen-Updates, ständiges Stäbchen in die Nase Stecken, Impfempfehlungen, Bedrängungen – böse Zungen würden sagen, die Medizin wurde eingesetzt, um die Menschen zu kontrollieren, nicht um sie zu heilen. Vermutlich gibt es auch ein paar unter euch, die nach zwei Jahren Pandemie den Ärzten weniger vertrauen, als vorher. Was wir aber in all der verständlichen Abneigung gegen die Doktoren-Drangsalierung nicht vergessen sollten: Noch vor 100 Jahren sind die Menschen in der westlichen Welt im Schnitt nicht mal 60 Jahre alt geworden, um 1870 starb man sogar noch vor dem 40. Lebensjahr. Heute liegt die durchschnittliche Lebenserwartung bei ca. 80 Jahren und wir dürfen damit rechnen, dass unsere Kindeskinder noch länger leben werden. Da hören selbst die Konservativen auf, sich in frühere Zeiten zurückzuwünschen, oder?
Die enorme Verminderung der Sterblichkeit, die Entdeckung zahlreicher Behandlungs- und Heilungsmethoden, chirurgischer Verfahren und Mittel der Bildgebung – all das ist das Ergebnis der Arbeit vieler mutiger Ärzte – und etlicher toter Patienten. Ich habe eine Serie entdeckt, die uns in die Zeit mitnimmt, in der Medizin noch bedrückend blutig war und die Überlebenswahrscheinlichkeit schwerkranker Patienten einem Lottogewinn glich. „The Knick“ ist eine US-amerikanische Serie aus den Jahren 2014/15, die im New York des frühen 20. Jahrhunderts spielt. Hauptfigur Dr. John W. Thackery ist Chefchirurg im Knickerbocker Hospital, sein Charakter erinnert an den von Dr. House: griesgrämig und empathielos, aber genial. Dr. Thackery brennt für seinen Beruf und arbeitet kontinuierlich daran, neue OP-Verfahren zu entwickeln und alte zu verbessern. Wir sehen ihn live in Aktion in einem OP-Saal wie er vor hundert Jahren ausgesehen hat – und es dreht sich einem der Magen um.
Heutzutage kann man den Patienten im OP unter Wärmedecken, Schläuchen, Kabeln und Monitoren ja kaum noch erkennen – doch damals bestand die einzige Überwachung der Lebensfunktionen aus einer Schwester, die ängstlich ein Stethoskop auf die Brust des Patienten drückte und nebenbei den Puls fühlte. In einer Szene sehen wir Dr. Thackery und seine Kollegen, wie sie bei einer Frau mit Schwangerschaftskomplikationen einen Kaiserschnitt durchführen. Gleich zu Anfang wird dem Publikum verkündet, dass alle bisher operierten Patientinnen mit diesem Krankheitsbild verstorben seien – man nun aber ein neues, besseres Verfahren entwickelt habe. Thackery schneidet den Bauch auf, sofort quillt Blut heraus. Ein Assistenzarzt macht sich daran, das Blut mit einem Sauger zu entfernen – dabei kurbelt er wie ein Irrer an einer Drehvorrichtung, die offensichtlich den Sog zum Abfließen des Blutes erzeugt. Doch das Blut hört gar nicht mehr auf zu fließen – die blanken Hände der Chirurgen sind voll davon. OP-Handschuhe gibt es noch nicht. Langsam bekommt die Schwester Angst – der Puls der Patientin sei sehr unregelmäßig. Die Ärzte versuchen mit Nadel und Faden irgendwie die Blutungsquelle zu verschließen – doch es ist schon zu spät: Die Schwester meldet, dass kein Puls mehr vorhanden ist.
Die gescheiterte OP ist für Thackery Anlass, sich in die Forschung zu stürzen. Tage und nächtelang macht er sich – wohlgemerkt bis zum Rand vollgepumpt mit Kokain – daran, die OP-Methode zu verbessern. Er mietet sich Prostituierte, um ihre Gebärmuttern zu erforschen. Sein Vorgehen übt er an Schweinen. Und während der Chefarzt aus seinem Studienzimmer nicht mehr herauskommt, werden im Krankenhaus immer mehr neue Erfindungen eingeführt. Größter Kracher: Elektrizität. Unter Murren der Schwestern werden überall elektrische Lampen angebracht. Natürlich passiert, was passieren musste: Schon nach kürzester Zeit brennt eine Sicherung durch und das Krankenhaus ist stockdunkel – sofort werden die altbewährten Gaslampen wieder angezündet. Doch das ist noch lang nicht alles: Das erste Röntgengerät, das erste Endoskop (Gerät, um in tiefe Körperöffnungen hineingucken zu können), der erste Elektrokauter (Gerät, mit dem man durch einen erhitzten Draht eine Blutung stillen kann) und der automatische Sauger werden Stück für Stück Teil des medizinischen Alltags. Nebenbei forschen die Ärzte noch an der fixen Idee, dass es mehr als eine Blutgruppe geben könnte, und versuchen Syphilis mit Malaria-Erregern zu heilen.
„The Knick“ ist eine Hommage an den enormen Erfindergeist der Mediziner, der in den letzten 150 Jahren dazu geführt hat, dass wir unsere Lebenserwartung verdoppeln konnten. Dabei unterschlägt die Serie nicht, dass die medizinische Forschung oft blutig und grausam war – und manchmal mehr Leben gekostet als gerettet hat. Heute wiederum darf sich alles medizinische Forschung nennen, was in Wirklichkeit nur eine schlampig durchgeführte Pflichtumfrage unter Kommilitonen für die Doktorarbeit war. Deutschland hat sich im Bereich Energiegewinnung und Autoindustrie schon länger „dem Klima zuliebe“ gegen den Fortschritt entschieden. Und auch in der Medizin gibt es leider immer mehr Ärzte, die lieber die Erde als ihre Patienten schützen wollen, und zum Beispiel monieren, dass zu viele medizinische Geräte nur einmal benutzt werden. Man könne ja das OP-Besteck auch einfach mehrmals verwenden… Da wünscht man sich doch lieber einen gestörten, aber fortschrittshungrigen Dr. Thackery.
Neugierig geworden? Hier könnt ihr den Trailer der ersten Staffel „The Knick“ sehen:
Steigen Sie beim großen Apollo-Battle mit in den Ring. Heute: Sollten wir wirklich schwere Waffen an die Ukraine liefern? Oder lieber doch auf andere Hilfen setzen? Diese Frage teilt aktuell das ganze Land – und unsere Autoren Sebastian und Jonas. Sie stellen sich hier und heute dem Debattenduell. Wer überzeugt Sie mehr?
Schluss mit hilflosen Friedensappellen und zahnlosen Forderungen – auch unsere Sicherheit steht auf dem Spiel
Von Sebastian Thormann | Waffenlieferungen in Kriegsgebiete? Noch vor kurzem haben Grüne und Linke so etwas vehement verteufelt. Jetzt gab es bei vielen auf einmal ein Umdenken. Und in Teilen des bürgerlichen Lagers gibt es einen Reflex auf alles was auf einmal „Mainstream“ ist, mit einer Anti-Haltung zu reagieren. Nach dem Motto: Weil die Grünen für etwas sind, dann muss es schlecht sein. Nun wäre es unangemessen jedem Gegner der Waffenlieferungen an die Ukraine so eine Motivation zu unterstellen, aber es ist eine Haltung, die auf einen Teil zutrifft. Und man muss zugeben, eine gewisse Grundskepsis ist sicher auch gesund. Also: Zeit einen Schritt zurückzugehen, raus aus den Berliner Politikerphrasen, und Klartext zu reden:
Warum die Ukraine unterstützen?
Aus Mitleid? Weil wir den Krieg damit sofort beenden? Die Wahrheit ist, Waffen für die Ukraine beenden den Krieg nicht von heute auf morgen. So schrecklich er ist, ihn noch heute und um jeden Preis beenden zu wollen, kann auch nicht das Ziel sein. Denn wie Ronald Reagan einmal sagte: „Es gibt nur einen garantierten Weg, um Frieden zu haben – und Sie können ihn in der nächsten Sekunde haben – indem Sie sich ergeben.“ Aber das wollen die Ukrainer ganz offensichtlich nicht – aus guten Gründen, und unser Ziel sollte es auch nicht sein.
Ja, wir sollten ein Ende des Krieges anstreben, aber nicht nach Putins Wünschen, sondern soweit möglich zu unseren Bedingungen. Das bedeutet: Nachdem die Ukraine so viel wie möglich ihres Landes zurückerobert hat. Man wird darüber streiten können, wann und unter welchen Zugeständnissen es zu einem Waffenstillstand kommen sollte – am Ende ist es eine Entscheidung der Ukrainer, es ist ihr Land.
Die Ukraine verteidigt auch unsere Sicherheit
Wir sollten Waffen liefern, weil auch unsere Sicherheit auf dem Spiel steht. Wenn die Ukraine fällt, wer ist als nächstes dran? Moldawien? Bekommt das Baltikum bald Besuch von mysteriösen „grünen Männchen“? Mit hilflosen Friedensappellen und zahnlosen Forderungen nach einem Kriegsende wird Putin nicht davon abgehalten die Ukraine zu besiegen. Und wenn der Westen Moskaus Eroberungsfeldzüge zulässt, werden wir keine Deeskalation sehen, sondern neue Konflikte, näher an Deutschland, und womöglich gegen unsere Verbündeten – vielleicht nicht von heute auf morgen, aber langfristig, denn Diktaturen wie Russland oder China schauen nicht bloß auf die nächsten paar Jahre, sondern auf die nächsten Jahrzehnte. Für Deutschland als bevölkerungsreichste und wirtschaftsstärkste Nation in Europa kann das niemals in unserem Interesse sein, es ist eine Bedrohung unserer Sicherheit.
Ein häufiges Argument lautet dann: „Aber wenn wir ‚schwere Waffen‘ liefern, dann ist es ein Stellvertreterkrieg zwischen Russland und dem Westen“ Ja, ist es und wir sind schon längst mittendrinnen – aber eben in genau dem, einem Stellvertreter-Krieg und keiner direkten militärische Konfrontation zwischen Russland und der NATO. Und dazu muss es auch überhaupt nicht kommen, nur weil europäische Länder einen Nachbarn beliefern, der von Russland angegriffen wurde. Durch all die Jahrzehnte des Kalten Krieges haben West- und Ostblock auf vielen Flecken der Erde oft noch viel blutigere Stellvertreterkriege geführt – ohne, dass beide Seiten sich einen nuklearen Schlagabtausch geliefert haben. Bei manchen geistertet die Idee einer Flugverbotszone rum, in anderen Worten, russische Flugzeuge vom Himmel zu schießen. So etwas wäre tatsächlich eine direkte militärische Konfrontation – Waffenlieferung sind es eben nicht.
Das Weltuntergangsszenario ist unrealistisch
Aber man dürfe Putin trotzdem nicht „provozieren“ oder „demütigen“ heißt es, denn sonst drückt der den Atomknopf. Wenn die rote Linie für einen potenziellen Atomkrieg etwas anderes als eine direkte Auseinandersetzung ist, dann steht praktisch alles was eine andere Nation macht zur Debatte. Dann lassen wir uns vollends auf nukleare Erpressung ein und können uns alle zwischenstaatlichen Beziehungen direkt von Moskau diktieren lassen. Nein, das ist kein valides Argument, das weiß auch der Kreml, der schließlich einst selbst die Gegner der Amerikaner im Vietnamkrieg bewaffnete. Ganz abgesehen, davon dass so ein Weltuntergangsszenario aus rein praktisch Gründen völlig unrealistisch ist: Unsere Verbündeten haben bereits „schwere Waffen“ geliefert, ohne atomar ausradiert zu werden.
Die Debatte müssen wir also nüchtern und ohne apokalyptische Drohkulisse führen: Wollen wir einen russischen Sieg über die Ukraine zulassen? Macht so ein Ausgang, Europa zu einem sichereren Ort? Die Antwort lautet Nein, und daher hat die Ukraine unsere Unterstützung, mit Waffen nicht nur mit leeren Worten, verdient – völlig unabhängig davon, ob einige Linke und Grüne jetzt auf einmal ihre Meinung zu Waffenlieferungen geändert haben.
Die Lieferung schwerer Waffen führt uns in eine Eskalationsspirale
Von Jonas Kürsch | Mit dem russischen Einmarsch in die Ukraine hat sich scheinbar alles verändert. Steigende Lebensmittelpreise, horrende Energiekosten und die Angst vor einem dritten Weltkrieg sind allumgebend. Auch in Deutschland sind diese mit Kriegsausbruch verbundenen Unsicherheiten klar zu spüren. Besonders die über Jahre hinweg kaputtgesparte Bundeswehr und unser jahrelanger Mangel an diplomatischem Feingefühl rächen sich nun.
Die Stimmung ist – im wahrsten Sinne des Wortes – hochexplosiv. Das Leiden in der Ukraine ist unverkennbar groß und die Anzahl der Todesopfer dieses Krieges steigen tagtäglich an. Es ist daher absolut richtig, dass die Deutschen sich für ein Ende dieses brutalen Blutvergießens einsetzen müssen. Allerdings hege ich, ebenso wie ein immer größer werdender Teil der Bevölkerung, enorme Zweifel an der vermeintlich positiven Wirkung schwerer Waffenlieferungen in die Ukraine: denn Waffen haben noch nie einen Konflikt nachhaltig lösen können.
Wir verlassen den neutralen Boden
Erst vor kurzem hat Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) die Ausbildung ukrainischer Soldaten an Artilleriesystem auf deutschem Boden angekündigt. Diesen Gedanken empfinde ich als gefährlich, schließlich sind sich die meisten Völkerrechtsexperten weitestgehend darüber einig, dass gerade durch die Kampfausbildung einer Konfliktpartei der gesicherte Boden der Neutralität verlassen werde. In Kombination mit den im vergangenen April von der Bundesregierung angekündigten schweren Waffenlieferungen, ist daher nicht länger auszuschließen, dass Deutschland von Russland als aktive Kriegspartei wahrgenommen werden könnte – womit die Regierung unser Land einem unberechenbaren Risiko aussetzt.
Der zweite Artikel des Zwei-plus-Vier-Vertrages, der nach dem Fall des eisernen Vorhanges durch die Staatschefs der BRD und der DDR unterzeichnet wurde, besagt, „dass von deutschem Boden nur Frieden ausgehen wird.“ Durch die Entsendung schwerer Artillerie würde man diesen gesetzlichen Vorsatz zunichtemachen.
Das Scheitern deutscher Waffeneinsätze
Besonders die öffentlichen Aufrufe von ranghohen Politikern wie Finanzminister Christian Lindner, der auf dem vergangenen FDP-Parteitag verlautbaren ließ, man müsse alles mögliche tun, um den Sieg der Ukraine und die Niederlage Russlands sicherzustellen, empfinde ich als unbedacht. Gerade die Konflikte der vergangenen Jahre haben doch gezeigt, dass moderne Kriege nur allzu selten durch militärische Gewinner und Verlierer entschieden wurden: schon der Kosovokrieg von 1998 wurde letztlich durch die Unterzeichnung des Abkommens von Kumanovo beendet, nicht aber durch das schwere Bombardement unschuldiger Zivilisten in Belgrad, die bis in die frühen 2010er Jahre mit den durch die NATO zerbombten Ruinen leben mussten.
Ein noch extremeres Beispiel für das Scheitern deutscher Waffeneinsätze ist der vor wenigen Monaten beendete Afghanistankrieg. Fast 20 Jahre lang hat Deutschland sich an der militärischen Mission beteiligt. Das Leiden der Zivilbevölkerung konnte nicht verhindert werden, stattdessen konnte das völlig desolate Land trotz eines 20 Jahre andauernden Schusswechsels ohne Mühen von den Taliban erobert werden. Die Freiheit am Hindukusch konnte leider nicht mit deutschen Waffen sichergestellt werden.
Wollen wir einen neuen Weltkrieg riskieren?
Wir könnten uns mit der Lieferung schwerer Waffen in eine niemals enden wollende Eskalationsspirale begeben, welche die Kluft zwischen dem Westen und Russland immer größer werden lässt. Ich schließe mich daher ganz klar den Worten des Brigadegenerals a.D. Erich Vad an: „Der Weg in die Hölle ist bekanntlich immer mit guten Vorsätzen gepflastert.“ Vad sieht in der Eskalationslogik der Bundesregierung einen gefährlichen Trend und mahnt zur Notwendigkeit eines Friedensabkommens.
Noch können beide Seiten an den Verhandlungstisch zurückkehren. Zu glauben, man dürfe mit Putin aus moralischer Sicht nicht verhandeln, ist in meinen Augen keinesfalls logisch. Vor allem im Hinblick auf „die Zeit danach“ sollten wir uns um eine möglichst gewaltfreie und schnelle Deeskalation des Krieges bemühen. Niemand weiß, wohin diese Konfliktsteigerung letztlich führen könnte, und mir stellt sich die Frage, ob wir wirklich einen neuen Weltkrieg mit direktem Konfrontationspotenzial riskieren wollen. Mir erscheint dieses Risiko in Anbetracht der geringen Erfolgsaussichten des deutschen Interventionismus als nicht sinnvoll.
Von Selma Green | Kaum ein historischer Vorgang wird so verzerrt dargestellt wie die Gründung Israels – Lügen und Scheinwahrheiten über Israel unterfüttern antisemitische Vorurteile. Israels Gründung war gerecht.
Von Jonas Kürsch | Am 15. Mai dieses Jahres werde ich mich zum ersten Mal in meinem Leben an einer nordrhein-westfälischen Landtagswahl beteiligen. Es handelt sich nicht um meine erste Wahl, immerhin habe ich bereits zur Kommunalwahl 2020 und zur Bundestagswahl im vergangenen Jahr meinen Wahlzettel ausfüllen und in die Wahlurne werfen dürfen. Dennoch muss ich anerkennen, dass sich vieles seit meinem Debüt als Wähler vor zwei Jahren geändert hat: vor allem in Deutschland ist die Spaltung der Gesellschaft sowohl durch die Coronamaßnahmen, als auch durch die jetzt schon gescheiterte Wirtschafts- und Finanzpolitik der Ampelregierung stark beschleunigt worden. Es wäre mir daher ein wichtiges Anliegen gewesen, für eine Partei des Kompromisses, der Ehrlichkeit und der Versöhnung zu stimmen. Bei näherem Blick wird allerdings klar, dass keiner der Kandidaten mit Regierungsoption wirklich überzeugt: denn sie alle sind gleichermaßen für die Misere in Nordrhein-Westfalen mitverantwortlich.
Der Groll gegen die Altparteien ist groß
Noch nie zuvor habe ich in meiner Heimatstadt Krefeld derartig viele zerrissene und beschädigte Wahlplakate gesehen wie zu dieser Landtagswahl. Die bemalten und zerkratzten Gesichter von Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), Herausforderer Thomas Kutschaty (SPD) und der voraussichtlichen Koalitionspartnerin Mona Neubauer (B’90/Die Grünen) sind teilweise nur noch zu erahnen. Nicht einmal bei der durchaus medienstark inszenierten Bundestagswahl 2017, als die AfD zum ersten Mal in den Bundestag gewählt und beide Regierungspartner der schwarz-roten Koalition historisch schlechte Ergebnisse einfuhren, waren die Spannungen in diesem Ausmaß spürbar. Verwunderlich ist das für mich allerdings kaum.
Mit Amtsantritt des SPD-Bürgermeisters Frank Meyer im Jahr 2014 verschlechterte sich die Situation meiner Stadt zunehmend. Im Alleingang erklärten er und seine rot-grünen Koalitionäre, Krefeld zum „Sicheren Hafen“ der Seebrücke für die Aufnahme von Flüchtlingen. Er bemühte sich ganz besonders um ein „buntes“ Image der einstigen Seidenstadt. Als Resultat dieser falschverstandenen Toleranz ist in der Innenstadt heute kaum noch ein Wort Deutsch zu vernehmen.
Auch während der Pandemie setzte sich Meyer dann als Hardliner zusammen mit den Grünen für die härtesten Maßnahmen ein. Er forderte, ähnlich wie viele seiner Parteigenossen,niedrigschwellige und möglichst radikale Grundrechtseinschränkungen zur Bekämpfung der – wie wir heute wissen – völlig aussagelosen Inzidenzen. Die Lockdowns, 2g-Zutrittsbeschränkungen und Ausgangssperren haben viele lokale Geschäfte in den Ruin getrieben. Eine hohe Anzahl an Schaufenstern bleibt bis heute verwaist. Zudem hat sich die Anzahl der Bettler und Junkies auf den Straßen, gerade auch in der Einkaufszone, sichtlich erhöht. Während der staatlich verhängten Verkaufsverbote konnten sie ungehindert in das Krefelder Stadtzentrum ziehen, denn niemand war dort um sie davon abzuhalten. Besonders die Parkhäuser Krefelds sind inzwischen auf menschenunwürdigste Art und Weise mit dem Blut und den Fäkalien der Drogensüchtigen beschmutzt.
Ein solch drastisches Mismanagement ist kein Einzelfall. Viele andere Kommunen teilen das Schicksal Krefelds, unabhängig davon, ob sie nun von Schwarz-Gelb oder Rot-Grün regiert werden. Es ist daher kaum verwunderlich, dass Thomas Kutschaty, der mit eben dieser bürgerfeindlichen Programmatik in den Wahlkampf zieht und Politik als Ministerpräsident machen will, eine stolze Gegnerschaft in den „failed cities“ von NRW aufweisen kann.
Doch wie bereits erwähnt, wird auch die CDU vom Zorn der Unzufriedenen getroffen: ihre Plakate liegen ebenfalls abgerissen am Straßenrand. Bei Hendrik Wüst ist das zu erwarten gewesen: als ungewählter Zufallsministerpräsident hat er während der Hochphase der Coronapandemie mit seinem Hardlinerkurs den Versuch gewagt, Markus Söder seine Kapitänsrolle im totalitären #teamvorsicht strittig zu machen: Ja zur Impfpflicht! Ja zu 2g! Klares Nein zu Lockerungen!
Mit diesem Auftreten hat der Opportunist Wüst, der bei Linken und Konservativen fast gleichermaßen verhasst zu sein scheint, allerorts kaum an Sympathien gewonnen. Bei genauer Betrachtung stellt man schnell fest, dass beide Spitzenkandidaten für exakt dieselbe Politik der Drangsalierung stehen, sie beide verkörpern dieselbe institutionelle Arroganz und dieselbe Verachtung gegenüber den einfachen Bürgern unseres Landes. Es macht keinen Unterschied, ob Wüst oder Kutschaty die Wahl gewinnen werden: nichts wird sich zum besseren änderen.
Die FDP ist auf allen Ebenen gescheitert
Besonders enttäuscht sind viele Menschen von den Freien Demokraten, die auf kommunaler, regionaler und bundesweiter Ebene an ihren eigenen Werten gescheitert sind. So hat sich beispielsweise die FDP meiner Heimatstadt, nachdem der Bürgermeister die Mehrheit im Krefelder Rathaus verloren hat, zum Steigbügelhalter rot-grüner Ideen gemacht. Sie fungiert seitdem als Mehrheitsbeschaffer einer toten Koalition.
Auch auf Landesebene hat die Partei nicht gerade eine Glanzleistung abgegeben: der stellvertretende Ministerpräsident und NRW-Spitzenkandidat Joachim Stamp war beispielsweise einer der ersten ranghohen FDP-Politiker, die öffentlich eine allgemeine Impfpflicht für notwendig befunden hatten.
Es ist schon ironisch, wie schnell sich die Positionen der Partei seit dem September des letzten Jahres gewandelt haben. Als Christian Lindner und Joachim Stamp noch im Rahmen des Bundestagswahlkampfes meine Heimatstadt besucht haben, machten sie klare Versprechungen, an denen sich die Wähler orientieren sollten: keine Impfpflicht, keine flächendenkenden 2g-Regelungen und eine rationale Finanzpolitik, die nicht auf der immer stärker ausartenden Neuaufnahme Schulden beruhen sollte. Mit der partiellen Impfpflicht für Pflegekräfte, 2g-Regelungen zur Weihnachtszeit und einem durch Christian Lindner mitgetragenen Nachtragshaushalt von 60 Milliarden Euro, hat die FDP alle an jenem Tag erklärten Wahlversprechen gebrochen. Die Entwicklung der einstigen Liberalen macht mich als inzwischen ehemaligem Parteimitglied besonders traurig.
Gerade bei der letzten Bundestagswahl sahen viele meiner bürgerlichen Freunde, Verwandten und Bekannten in den Freien Demokraten eine ideale Alternative zu CDU und AfD, denn sie trat mit einem klassisch-liberalen Profil auf, wie es sich viele Menschen schon lange von der deutschen Politik wünschten. Von der ursprünglichen Freiheitsliebe ist inzwischen aber nichts mehr übrig geblieben. Keiner aus meinem Bekanntenkreis, der zuvor für die FDP gestimmt hat, zieht es in Erwägung, seine Stimme noch einmal an die Liberalen zu verschwenden. Das spiegelt sich auch in den gefährlich niedrigen Umfragen wieder. Der gelbe Traum ist tot.
Die immer gleichen Sprüche
Auf den Wahlplakaten ist so wenig Inhalt wie nie. Die Grünen schwadronieren von „Visionen für morgen mit Plänen für heute“ und die SPD will bei den Wählern mit „Weil besser möglich ist“ punkten. Während die CDU verspricht, ihr Spitzenkandidat werde „Machen, worauf es ankommt“, übertrifft die FDP sich selbst mit dem unglaubwürdigen Statement „Freiheit bleibt systemrelevant“. Es ist diese Art von leeren Phrasen und propagandistischen Parolen, wegen derer sich immer mehr Bürger in NRW von der parlamentarischen Berufspolitik im Stich gelassen fühlen. Die Nöte und Sorgen der Menschen werden nicht mehr ernst genommen und das wird durch die beliebige Auswahl von solchen Kalendersprüchen noch einmal verdeutlicht.
In den Umfragen liefern sich CDU und SPD ein Kopf-an-Kopf-Rennen, es ist daher völlig unklar, welche Partei den nächsten Ministerpräsidenten stellen wird. Auch die Frage nach dem Regierungspartner kann gegenwärtig noch nicht abschließend beantwortet werden. Im Hinblick auf die Programme und Köpfe der vier „regierungsfähigen“ Parteien wird einem allerdings schlagartig bewusst, dass das keine große Rolle spielt. Bei dieser Wahl gibt es kein „kleineres Übel“, mit dem man einem „noch größeren Übel“ ausweichen könnte. Die nächste Landesregierung wird in jedem Fall eine schädliche sein, und daher bleibt mir nichts anderes übrig, als auf eine starke Opposition zu hoffen.
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Von Jonas Kürsch | Als ich zum ersten Mal vor vier Jahren von der österreichischen Malerin Maria Lassnig gehört habe, waren mir weder ihr Name noch die Bedeutsamkeit ihres Werkes für die internationale Kunstszene bekannt gewesen. Während einer Schulexkursion durfte ich im Rahmen der Kunstausstellung „Ways of Being“ im Stedelijk Museum in Amsterdam ihre Gemälde erstmals erblicken. Sofort war mir die emotionale Stärke ihrer großartigen Arbeit klar. Aus einem Gefühl der Nostalgie und einer starken Begeisterung für ihre Kunst heraus, habe ich daher die ihr jüngst gewidmete Ausstellung „Wach Bleiben“ im Kunstmuseum Bonn am vergangenen Wochenende besucht – und durfte feststellen, dass die Wirkung ihrer Malereien in all den Jahren an nichts verloren hat.
Rebellin gegen die Kunstelite
Maria Lassnig wurde im Jahr 1919 in der österreichischen Region Kärnten geboren. In der Kindheit litt sie nach eigenen Angaben unter dem angespannten Verhältnis der Eltern und den Hänseleien ihrer Mitschüler. Im Jahr 1940 begann Lassnig ein Studium der Malerei an der Akademie der bildenden Künste, das sie gegen Ende des zweiten Weltkrieges erfolgreich absolvierte. Nichtsdestotrotz war sie während ihrer Ausbildung mit einigen Dozenten in ernsthafte Auseinandersetzungen geraten, vor allem, weil man ihr den Vorwurf machte, sie würde „ja ganz entartet“ zeichnen.
In den 1950er Jahren würde sie nach einer wegweisenden Parisreise die Informelle Kunst (dazu gehören unter anderem die Stilrichtungen des Kubismus, des abstrakten Expressionismus und des Tachismus) nach Österreich bringen, um ihren zunächst eher surrealistischen Arbeitsstil weiterzuentwickeln. Ihr Ziel war es, in Anbetracht starker Phasen des körperlichen und geistigen Unwohlseins, die Grenze zwischen innerer und äußerer Wahrnehmung aufzulösen. Aus dieser Idee entstanden die unzähligen „Body Awareness“ Selbstporträts der Künstlerin, in denen sie auf radikale Art und Weise die eigenen Empfindungen zum Ausdruck brachte und durch mutige Farbgestaltungen und eine noch nie zuvor dagewesene Verwendung von Figurationen im Alleingang die zeitgenößische Kunst revolutionierte. Den auch noch zu jener Zeit in weiten Kreisen vorherrschenden Kult um die rationalistische Realitätswahrnehmung lehnte sie entschieden ab und setzte damit einen klaren Fokus auf die individuellen Empfindungen des Subjekts.
In der Hoffnung auf eine blühende Karriere zog Lassnig letztlich in den späten 1960er Jahren nach New York City, wo man ihre Arbeit als „zu morbide“ abstempelte und sie weitestgehend auf Ablehnung stieß. Während ihres Aufenthalts (und vermutlich unter Einfluß der noch immer florierenden Pop-Art Bewegung um Andy Warhol) absolvierte Lassnig eine Zeichenklasse und fertigte während ihres Aufenthalts in den vereinigten Staaten eine Reihe von Kurzfilmen über die eigene Identität an. Als sie dann ihre Werke in ersten Ausstellungen präsentieren konnte, zeigten sich viele Besucher über das Alter der inzwischen über 40-Jährigen verwundert: einen so radikalen Malstil hätte man einem jungen Mädchen, nicht aber einer erwachsenen Dame zugetraut. Zeit ihres Lebens kämpfte sie gegen eine dekadente und teils festgefahrene Kunstelite an, die sie selbst gerne als „Kunstfaschisten“ bezeichnete.
Ihr großer Durchbruch erfolgte erst im Alter von 61 Jahren mit ihrer Rückkehr nach Österreich. Endlich wurde sie durch die Wissenschaftsministerin zur Professorin der Kunst an der Universität für angewandte Künste erklärt. Den Rest ihres Lebens würde sie damit verbringen, sich ihrer Arbeit zu widmen, sprich unzählige und einzigartige Kunstwerke zu kreieren. Erst 2014 ist Maria Lassnig im Alter von 94 Jahren gestorben. Sie starb kinderlos und ohne jemals geheiratet zu haben. Lassnig selbst pflegte zu sagen, sie sei einzig und allein mit ihrer Kunst verheiratet.
Ihr Werk bewegt auch heute noch
Maria Lassnig war ein Ausnahmetalent. Kaum eine Künstlerin hat sich selbst so sehr in ihrer Arbeit verwirklichen können wie sie es tat. Durch die Verwendung von zahlreichen Leitmotiven wie der Betonung des Subjekts, der Fokussierung auf eigenen Empfindungen und einem ungebändigten Verlangen nach Individualismus hat Lassnig ganz in der Tradition des Sturms und Drangs einen lebenslangen emanzipatorischen Kampf gegen die Zwänge der Gesellschaft geführt und damit Millionen von Menschen beeinflußt. Besonders in Zeiten der kulturellen Eintönigkeit und künstlerischen Angst empfinde ich ihre Bilder als extrem bewegend. Beschreiben lässt sich ihr außergewöhnlicher Pinselstrich kaum und auch auf Fotografien ist die Wirkung nicht annähernd nachzuvollziehen. Es ist daher jedem, dem sich die Gelegenheit ergibt, dringlichst ans Herz zu legen, das Werk Maria Lassnigs mit eigenen Augen anzusehen.
„Es ist die Kunst, die bringt mich nicht ins Grab. Es ist die Kunst, jaja, die macht mich immer jünger, sie macht den Geist erst hungrig und dann satt.“
– aus dem Kurzfilm ‚Maria Lassnig Kantate’ von Maria Lassnig und Hubert Sielecki