Von Pauline Schwarz | Sieht man sich die Parteiprogramme an, können wir uns das in Punkto Mobilität und Energieversorgung schonmal abschminken. Das Auto und alle fossilen Energieträger sollen als CO2-Schleudern möglichst schnell von den deutschen Straßen verschwinden.
Von Larissa Fußer | Viele von uns wollen möglichst bald ins selbständige Leben mit eigener Wohnung, eigenem Haushalt und eigener Steuerklärung starten. Was planen die Parteien in Bezug auf Mieten, Lebensmittelpreise und Staatsverschuldung?
Von Max Roland | Seit 16 Jahren sitzt die CDU/CSU federführend in der Bundesregierung. „Die Merkel-Ära war gut, aber jetzt muss vieles besser werden“, lautet die Parteiparole. Das Wahlprogramm der CDU im Check.
Von Max Roland und Max Zimmermann | Die SPD spricht von „sozialer Politik für dich“, doch sind damit auch wir gemeint? Die Sozen wollen die Gesellschaft umbauen – konkret und konsequent. Das Wahlprogramm der SPD im Check.
Von Pauline Schwarz | Der Görlitzer Park in Kreuzberg hat sich weit über die Berliner Landesgrenzen hinaus einen Namen gemacht: Für die einen als Kriminalitätsschwerpunkt, Drogenparadies oder No-Go-Area und für die andern als hippe Multikulti-Oase. So oder so schafft er es immer wieder in die Schlagzeilen – daran hat auch der Ausbruch des Corona-Virus nichts geändert. Im Gegenteil: Durch die fehlenden Touristen, die erst vereinzelt wieder die Stadt für sich entdecken, scheint dem ein oder anderen so langsam ein Licht aufzugehen, dass in unserem Kiez doch nicht alle von der rot-grünen Toleranzpolitik – oder sagen wir lieber: ihren Folgen – begeistert sind. Die Berliner Zeitung veröffentlichte erst vor kurzem eine Reportage über die stetig steigenden „Kiezkonflikte“ von Anwohner und Drogendealern. Schön, dass das mal jemand benennt, aber eins muss klar sein: Die Stimmung kippt nicht erst seit Corona. Die Probleme sind seit Jahren unverändert – es wollte bislang nur niemand hören oder sehen.
Im April 2020, nur kurz nachdem die ersten Corona-Fälle in Berlin bekannt wurden, wurde der sogenannte „kriminalitätsbelastete Bereich“ vom Görlitzer Park auf den umliegenden Wrangelkiez bis zum Schlesischen Tor ausgeweitet. Der Grund: eine „deutliche Zunahme erheblicher Straftaten […], die das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung besonders beeinträchtigen, beispielsweise Raubtaten und offensiver Betäubungsmittelhandel“. Und davon kann ich wirklich ein Liedchen singen. Bei uns stehen seit Jahren an jeder Straßenecke Drogendealer, die auch außerhalb des Parks völlig unbehelligt ihren Geschäften nachgehen. Man kommt keine paar Meter weit ohne angepfiffen, angeraunt oder derbe angemacht zu werden. „Yo, what´s up. You need something?“, „Mariuhana, Koks, Ecstasy?” oder auch „Ey beautiful, you need a boyfriend?” – und das sind noch die harmlosen.
Vielleicht kann man sich vorstellen, dass es unter diesen Umständen grade nachts und besonders als junge Frau eine echte Tortur ist, allein den kurzen Weg vom Auto bis zur Haustür zu überwinden. Und das war grade im ersten Lockdown tatsächlich besonders schlimm. Plötzlich waren all die kleinen Cafés, Restaurants und Geschäfte, die einem wenigstens ein kleines bisschen Sicherheit spenden konnten, geschlossen. Die meisten normalen Leute blieben zuhause, man sah fast nur noch Obdachlose, Dealer und schwerst psychisch gestörte Menschen auf der Straße – das Elend wurde so offensichtlich, dass man es gar nicht mehr leugnen konnte. Es wurde sichtbarer, war aber nicht neu. Schon bevor der Lockdown kam, und auch jetzt, wo die Restaurants zum Glück wieder geöffnet haben, saß ich unzählige Male nachts in meinem Auto und konnte nichts anderes tun als fünf, zehn oder zwanzig Minuten still zu sitzen und zu warten, bis ich mich endlich traute auszusteigen. Bis die Dealer vor meiner Tür ihr Geschäft abgewickelt hatten. Oder bis der psychotische – mit sich selbst, Jesus oder dem Geheimdienst redende – Typ, der grade versucht hatte meine Autotür aufzureißen, nach einem wütenden Schlag gegen meine Fensterscheibe enttäuscht von dannen gezogen war.
Und auch dann ist die Gefahr nicht gebannt. Ich habe immer, wenn ich nachhause komme, Angst, dass jemand in meinem Hausflur steht und schon auf mich wartet. Mir ist das schon passiert, genau wie es fast all meinen Freundinnen passiert ist. Bei zwei Bekannten von mir werden in regelmäßigen Abständen die Haustüren von Dealern, Obdachlosen oder Junkies aufgebrochen oder einfach brutal aufgetreten, bis das Schloss nachgibt. Sie suchen ein warmes Plätzchen oder Schutz vor dem Regen, um zu schlafen, sich in Ruhe einen Schuss zu setzen oder einen Deal zu machen. In der Regel kann man sich zwar mit einem richtig miesen Gefühl und zugehaltener Nase noch schnell an ihnen vorbei stehlen, im Haus einer früheren Freundin von mir, ist das aber auch schon anders ausgegangen – und daran muss ich immer denken. Ihre Nachbarin wurde im Hausflur überfallen, mit einem Messer bedroht und beinah vergewaltigt. Ein anderer Nachbar wurde nur ein paar Monate später wortwörtlich zum Krüppel geschlagen und sitzt seitdem für immer im Rollstuhl.
Seit etwa 10 Jahren steigt die Zahl der Diebstähle, Gewaltverbrechen und Überfälle im und um den Park kontinuierlich an. In den Jahren 2012 und 2013 gab es insgesamt drei Delikte wegen Tötungsversuchen und zusammengenommen 184 Fälle gefährlicher Körperverletzung. 2014 waren es allein schon 178. Es gab vier Tötungsversuche und 172 Raubtaten. 2012 gab es drei, 2013 vier und 2014 sechs Vergewaltigungen im und um den Park. Im März 2015 führte der damalige Innensenator Frank Henkel (CDU) dann die sogenannte „Null-Toleranz-Zone“ im Görli ein, um gegen die Kriminalität anzukämpfen. Damit war ab sofort jedes Gramm Gras strafbar und so nicht nur die Dealer, sondern auch die Konsumenten belangbar. Gleichzeitig wurde die Polizeipräsenz extrem erhöht. Schon damals hatten Aktivisten nichts Besseres zu tun, als sich über „regelrechte Jagdszenen“ im Park zu beschweren und der Polizei „racial profiling“ vorzuwerfen. Der damalige Leiter der Polizeidirektion 5, Stefan Weis, wies das mit den Worten zurück, dass es nach den Erkenntnissen der Polizei nun mal so sei, „dass im Görlitzer Park 95 bis 98 Prozent der Dealer Schwarzafrikaner sind“ – was ich, von dem Fakt abgesehen, dass heute ein paar mehr Araber dabei sind, nur bestätigen kann.
Kinder spielen mit Ecstasy-Pillen
2017 wurde das Projekt für gescheitert erklärt. Man hatte in den 18 Monaten zwar knapp 6.200 Straftaten festgestellt, 41 Gefängnisstrafen, 67 Bewährungsstrafen, zahlreiche Jugendstrafen sowie 337 Geldstrafen verhängt, konnte des Problems aber trotzdem nicht Herr werden. Es fehlte politischer Wille, Geld und ein richtiger Plan. Die an sich sehr begrüßenswerte Maßnahme hatte nämlich ein mehr als bittere Begleiterscheinung: Die Dealer kamen aus dem Park heraus und verteilten sich in den umliegenden Wohnstraßen, wo die Null-Toleranz-Regel nicht galt. Und da sind sie bis heute geblieben. Jetzt kann man den Drogendealern nicht mehr aus dem Weg gehen, in dem man den Park bei Tag und Nacht meidet.
Dieses Jahr sind allein bis Juni 584 Straftaten im Görlitzer Park registriert worden, womit der Görli es abermals auf die Nr. 1 der gefährlichsten Parks Berlins geschafft hat. Schon jetzt zählt die Polizei u. a. 71 Körperverletzungen, 72 Diebstähle und drei (bekannt gewordene) Sexualdelikte. Aber nicht mal die sexuellen Übergriffe auf Frauen und Mädchen scheinen für Empörung zu sorgen. Auch in dem Bericht der Berliner Zeitung wurden sie mit keinem einzigen Wort erwähnt. Dafür zitiert man lieber irgendeine Rentnerin, die sagt, dass in echt die „weißen Väter“ und „alten Männer“ an den Konflikten schuld seien und ihr die „Jungs“ – sie meint die Drogendealer – leidtun. „Vor denen muss ich keine Angst haben, die haben Respekt vor Kindern, und wenn sie doch mal was sagen, dann sind sie freundlich.“ – ist klar. Ich will der Dame ja wirklich nicht zu nahetreten, aber angesichts solcher Ignoranz würde ich sie zu gerne fragen, ob sie eigentlich in letzter Zeit mal in den Spiegel geschaut hat. Die meisten „Jungs“ sind zwischen 20 und 35. Da passt man mit Ü-60 nicht mehr ins Beuteschema.
Davon abgesehen, sollten sich aber auch ältere Frauen nicht zu sicher fühlen. Erst vor zwei-drei Monaten wurde eine etwa 60-jährige Frau am Park von einem Dealer mit dem Messer abgezogen und hatte Glück, dass ein paar Türken dem Typen hinterherrannten und ihn so lange festhielten, bis die Polizei kam – während sie nur panisch daneben stehen konnte und herumschrie, dass der Typ ihr Handy hat. Aber nicht nur alte, weitgehend wehrlose Frauen, selbst Rollstuhlfahrer wurden von den freundlichen Jungs schon um ihre Portemonnaies erleichtert. Und apropos Kinder:
Ich habe schon etliche male gesehen, wie kleinen Kindern von 10-11 Jahren Kokain angeboten wurde. Ich war 12, als mir das erste Mal ein Drogendealer an den Hintern fasste und mich im Schwitzkasten festhielt, sodass ich nicht weglaufen konnte. Was meinen Sie, was das mit einem kleinen Mädchen macht? Und selbst den ganz Kleinen tun die Drogendealer und ihre Konsumenten etwas, wenn vielleicht auch indirekt. Im Görli gibt es mehrere Spielplätze mit großen Sandflächen, auf denen Kleinkinder schon divers Drogenbesteck und Ecstasy-Pillen ausgebuddelt, angefasst und in den Mund genommen haben. Vor ein paar Jahren schaufelte ein kleines Mädchen Kokain-Kugeln aus dem Sand und nahm sie mit in die Kita. Diese Kinder hätten sterben können.
Doch alles kein Grund, etwas zu unternehmen. Auch unsere Bezirksbürgermeisterin Monika Hermann (Grüne) hat nichts Besseres zu tun, als Autos den Kampf anzusagen und die Drogendealer in Schutz zu nehmen. Schließlich dürfen die armen Burschen nicht diskriminiert und aus dem Park ausgeschlossen werden. Nein, wir lassen uns lieber von irgendwelchen bekloppten Künstlern ein Dealerdenkmal bauen, machen Ausstellungen zu ihren Ehren und malen rosa Dealerparkplätze auf die Parkwege. Und unsere Polizei? Die steht seit Einführung des Antidiskriminierungs- bzw. Anti-Polizei-Gesetzes sowieso unter dem Generalverdacht „Rassismus“. Der Görlitzer Park ist seit Jahren ein beinah rechtsfreier Raum und es ist kein Fünkchen politischer Willen erkennbar, daran etwas zu ändern – man kapituliert lieber gleich vor dem Verbrechen und lässt die Anwohner im Stich. Wenn das durch Corona tatsächlich ein paar Leuten mehr auffallen sollte, dann hat die irrationale Pandemie-Politik wenigstens einen positiven Effekt gehabt.
Von Michael Friese | Seit dem Ausbruch von Corona hat vermutlich jeder schon mal Seiten an seinen Kumpels oder Familienmitgliedern entdeckt, von denen man nicht gedacht hätte, dass sie bei ihnen existieren. Leute, die vorher über Rassismus, Sexismus und so weiter geredet haben und immer dafür plädierten, dass alle „die gleichen Rechte“ haben sollten, bilden sich urplötzlich ein, dir vorschreiben zu können, was du zu tun und zu lassen hast.
Lehrer sind da definitiv keine Ausnahme. Ich meine, es haben sich schon immer im Laufe der Schulbahn verschiedene Lehrertypen zeigen können: Der Langweilige, der Strenge, der Inkompetente, der Referendar, der „Politikexperte“ (wer’s glaubt), der Möchtegern-Coole und ganz selten auch mal der wirklich Coole. Corona hat dem nochmal eine ganz neue Qualität gegeben. Jeder Lehrer hat anders auf die Pandemie reagiert und hat seine eigene Meinung dazu gebildet und die heilige (inoffizielle) Pflicht vieler Lehrer ist es ja schon seit Urzeiten, diese Meinung den Schülern immer und immer wieder unter die Nase zu reiben.
Ganz vorne dabei ist mein Englischlehrer – nennen wir ihn einfach mal Mr. BBC. Ich werde zweimal in der Woche auf Corona getestet, einmal montags und einmal mittwochs, und ich habe das große Glück, dass ich an beiden Tagen in den ersten beiden Stunden Englisch habe. Mr. BBC nimmt das mit den Tests natürlich sehr genau, weshalb er den Unterricht auch erst nach 20 Minuten beginnt, um das wirklich endgültige Testergebnis von allen Schülern eintragen zu können. Das ist zwar an sich schon irgendwie nervig (außer für die Schüler, die Englisch hassen; die freuen sich natürlich). Als Lehrer muss man es jedoch wahrscheinlich nach den aktuellen Regelungen so machen.
Das wäre ja alles noch akzeptabel, wenn Mr. BBC in diesen 20 Minuten nicht immer wieder auf das Thema Impfung zu sprechen kommen würde. Er hält es nämlich beispielsweise für notwendig, uns Schüler immer wieder daran zu erinnern, dass man sich ja gerade beliebig impfen lassen kann. Man könne einfach rüber zur Messehalle/Impfzentrum gehen und sich dort den Pieks geben. Die hätten da „gerade sehr viel Johnson&Johnson rumliegen“. Als wäre das eine Entscheidung, die man einfach mal so im Vorbeigehen im Supermarkt treffen würde (warte, da war doch mal was…). Es ist nicht einmal so als wären meine Klassenkameraden impffaul. Mindestens über die Hälfte des Kurses sind geimpft, wodurch die Ansprachen meines Lehrers immer so einen Beigeschmack haben. Es wirkt so, als wolle er einen unterschwelligen Druck auf die Ungeimpften (u. a. mich) aufbauen.
Aber auch vor den Geimpften macht er keinen Halt. Diese sollen sich bei ihm nämlich ebenfalls testen lassen, obwohl keine explizite Regel dazu ausgesprochen wurde. Das nehme ich zumindest an, weil ein geimpfter Schüler sich vehement dagegen wehrt, sich testen zu lassen und weiterhin in die Schule kommt. Jedenfalls hat der Lehrer damit eigentlich kein Recht dazu, den Schüler zu testen, selbst wenn er damit sogar Recht haben mag, schließlich können auch Geimpfte weiterhin ansteckend sein.
Und eben dieser Schüler ist Mr. BBC oft ein großer Dorn im Auge. Hier kann er nicht mit der Moralkeule schwingen, schließlich hat er sich ja schon impfen lassen. Mein Lehrer will sich aber nichtsdestotrotz durchsetzen. So kommt immer wieder zu kleinen Diskussionen zwischen Mr. BBC und dem Schüler, die überwiegend nur daraus bestehen, dass der Lehrer den Schüler darum bittet, sich testen zu lassen und der Schüler sich weigert. Dieses „Bitten“ artet aber immer wieder in eine Art Drängen aus. Ein Satz, der mir einen Schauer über den Rücken laufen ließ, war der folgende: „Vielleicht müssen wir ja mal unter vier Augen sprechen.“
Ich glaube nicht, dass es zu so einem Gespräch gekommen ist, denn der Schüler ist bis jetzt standhaft geblieben. Trotzdem zeigt insbesondere dieser Satz, was mit vielen Lehrern in Deutschland falsch läuft: sie versuchen immer wieder, den Schülern ihr Weltbild zu verklickern und aufzudrücken. Schüler befinden sich noch in ihrer Entwicklungsphase – davon spreche ich mich selbst ebenfalls nicht ab – und deshalb sind sie noch zu einem guten Teil manipulierbar. Lehrer sollten so etwas wissen und ihre Manipulationsversuche auf ein Minimum halten. Die Praxis sieht aber wie so häufig anders aus und man sich nur schlecht gegen den Lehrer und seine Methoden wehren kann, ist man ihnen nahezu schutzlos ausgeliefert.
Von Selma Green | Am Jungautoren-Workshop vom 20.bis 22. August nahmen 20 Jugendliche und junge Erwachsene teil – und ich hatte die Möglichkeit dabei zu sein. Dabei waren die Referenten Roland Tichy, Vera Lengsfeld, Dr. Frank-B. Werner und Carl Batisweiler. Von ihnen haben wir in Vorträgen und Übungen gelernt, wie ein Magazin entsteht und konnten mit ihrer Unterstützung an unseren eigenen Artikeln arbeiten. Das Spannende daran war, dass die einiger unserer Artikel die Chance hatten, in der nächsten Print-Ausgabe von Tichys Einblick zu erscheinen.
Als das Programm begann stellten sich alle Teilnehmer vor. Viele konnten von ihren Berufen oder ihrem Studium erzählen, ich als Jüngste hatte da nur ein “Ich gehe noch zur Schule.” zu bieten. Mir hat es gefallen, Abends beisammenzusitzen und über alle möglichen Themen zu sprechen, über die ich sonst nicht so offen reden kann. Der Altersunterschied hat mich dabei nicht gestört. Wir saßen immer draußen und konnten auf den See blicken. Die Kerzen auf den Tischen erzeugten eine gemütliche Atmosphäre. Die wurde dadurch noch verstärkt, dass ich endlich mal wieder frei meine Meinung äußern konnte, ohne dass man mir ähnliches wie: “Du leugnest die Wissenschaft! Du Leugnerin!” an den Kopf warf. Wir haben uns über die Grünen und ihre Lastenfahrräder lustig gemacht und die Vorstellung wie ein Junge versuchen würde, damit ein Mädchen aufzureißen, von wegen: „Schnegge wie geht’s? Lust in mein Lastenrad zu steigen?” Außerdem konnte ich mich mit den anderen über die bescheuerte Maskenpflicht in der Schule zu ärgern.
Ich konnte nicht bei jedem Gespräch meinen Senf dazu geben. Zu vielen Themen hatte ich mir noch gar keine Meinung gebildet. In solchen Momenten war es interessant den anderen Teilnehmern zuzuhören. Wenn es Diskussionen gab, dann mit sachlichen Argumenten und ohne, dass jemand die Moralkeule geschwungen hat.
Am Wochenende überarbeiteten wir unsere Artikel in Gruppen. Frau Lengsfeld half meiner Gruppe, die Artikel zu verbessern. Ich fand meinen Text nach der Überarbeitung eleganter. Viele meiner Sätze waren kürzer und mehr auf den Punkt gebracht. Es war interessant, von Frau Lengsfeld zu lernen, was man beachten muss, um gute Artikel zu schreiben. Damit wir uns im Schreiben verbessern, gab sie uns den Tipp, jeden Tag etwas Kurzes zu schreiben. “Natürlich will ich bessere Artikel schreiben!”, und jetzt schreibe ich seit ein paar Tagen immer kurze Absätze, sei es über den viel zu politischen Geografieunterricht oder die Maskenpflicht in der Schule. Spannend fand ich es auch von Herrn Werner zu erfahren, wie ein Magazin entsteht, was man alles beachten muss und welche Kosten dabei anfallen.
Für die Tichy-Print-Ausgabe wurden wir noch fotografiert. Die Kamera ist jetzt sowieso nicht mein bester Freund aber sie hätte sich an diesem Tag mehr Mühe geben können. Mein Bild musste bearbeitet werden, weil ich zu dunkel bin und man nur das Weiße meiner Augen sieht. Jaja, mit nigerianischen Wurzeln erlebt man tagtäglich Rassismus. Selbst eine unschuldige Kamera hat ihre rassistische Seite…
Der Workshop hat mir wirklich sehr gefallen. Der See und der Garten direkt am Hotel waren sehr schön. Nicht so toll war, dass die Bedienung beim Abendessen zu überfordert war, um sich die Bestellungen zu merken und ich konnte den Mücken zusehen, wie sie mich regelrecht aussaugten – wenigstens bekamen die etwas zu trinken. Das Schlimmste aber am Wochenende war aber, dass das Nutella am Frühstückstisch fehlte. Das nehme ich aber gerne wieder in Kauf, denn es war es schön an meinem eigenen Artikel zu arbeiten und Tipps von professionellen Autoren zu bekommen. Ich konnte außerdem Jugendliche kennenlernen, die sich nicht nur für FFF und vegane Ernährung interessieren. Ich hoffe, ich kann am nächsten Workshop wieder teilnehmen und dass wieder ein Artikel von mir in der Tichy-Print-Ausgabe veröffentlicht wird.
Von Gesche Javelin | Am ersten Tag war ich aufgeregt. Fragen wie „Was erwartet mich? Wie sind die Leute? Was lerne ich? Wird es mir gefallen?“ schwirrten in meinem Kopf herum. Zum Glück lösten die sich schnell auf. Die Leute waren sympathisch und ich hab mich wohlgefühlt. Gleichzeitig konnte ich noch Einiges lernen. Von der Artikelidee bis zum Druck eines Magazins wurde uns eine Einführung gegeben. Wie drücke ich mich richtig aus? Was weckt das Interesse des Lesers? Welche Schritte müssen durchlaufen werden, bevor ein Magazin in den Druck gehen kann? Und vieles mehr. Es wurde nie langweilig, besonders durch die lockere Stimmung und Interaktion miteinander.
Wir konnten mitwirken und den Prozess miterleben, wodurch wir die Tipps direkt umsetzen konnten und durch die Erfahrungen lernen. Interessant und vor allem neu war auch in das Thema „Wie entsteht ein Magazin?“ tiefer einzutauchen. Dr. Frank-Bernhard Werner, der Verleger von Tichys Einblick, konnte uns am Beispiel von Tichys Einblick eine Einführung in das Thema geben. Mir wurde bewusst, wie viel Arbeit es ist, bis das fertige Exemplar Richtung Druck gehen kann und auf wie viel man achten muss. Vor allem merkten wir, wie schwierig es sein kann, mit dem begrenzten Platz in einem Print-Magazin auszukommen und wie groß der Unterschied zum Online-Magazin ist. Wir haben den Samstag fast nur mit Texte kürzen verbracht, wodurch mir erst so richtig klar wurde, wie viel besser der Artikel wird, wenn man einfach dieunnötigen Füllwörter weglässt und wie sich die Aussagekraft eines Textes steigert, wenn man sich kurz und prägnant ausdrückt.
Frau Lengsfeld arbeitet mit den Teilnehmern an ihren Texten.
Mit den Experten wie Frau Lengsfeld zu arbeiten und von ihnen zu lernen, ist eine besondere Möglichkeit. Es ist doch etwas ganz anderes persönlich zuzuhören, zu sprechen, zu schreiben, also im direkten Austausch zu sein, als das hundertste Youtube-Tutorial alleine auf dem Zimmer zu gucken. Die verhältnismäßig kleine Runde schaffte einen persönlicheren Umgang und man konnte Nachfragen stellen und miteinander ins Gespräch kommen. Auch die gemeinsamen Abende fand ich wertvoll. Man konnte offen miteinander reden und diskutieren. Lagerfeuer-Atmosphäre, die nur die Mücken ein bisschen zerstörten.
Aus dem Wochenende konnte ich neues Wissen, Motivation und die Hoffnung endlich ein Medium gefunden zu haben, für das ich schreiben kann, was ich denke, mitnehmen.
Von Pauline Schwarz | Erst vor wenigen Tagen demonstrierten tausende Menschen unter dem Motto „Wohnen für Alle: Gemeinsam gegen hohe Mieten und Verdrängung!“ in Berlin gegen den seit langem angeprangerten „Mietenwahnsinn“. Die etwa 7.000 Teilnehmer forderten eine Abkehr von der Berliner Wohnungspolitik und das bedeutet neben dem Mietendeckel vor allem eines: Große Immobilienkonzerne flächendeckend zu enteignen. Dieser feuchte sozialistische Traum, jemandem einfach sein Eigentum wegzunehmen und es an andere „gerecht“ umzuverteilen, droht nun am 26.09.2021 traurige Realität zu werden. Dank der fleißigen Arbeit der Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ stimmen die Berliner am Tag der Bundestagswahl per Volksentscheid ab – auf dem Spiel stehen mehr als 200.000 der 1,5 Millionen Mietwohnungen in ganz Berlin.
Jedem Menschen, der am 26. September sein Kreuz gegen zu hohe Mieten setzen will, sollte aber klar sein, auf wessen Initiative und dank welcher Motive und Mittel, wir nun das Vergnügen haben, über anderer Leute Eigentum zu entscheiden. Die linken – bis teilweise wohl linksextremen – DW-Enteignen-Aktivisten laufen nicht nur mit „Ganz Berlin hasst die Deutsche Wohnen“-Sprechchören durch die Straßen, sowie sie es von ihrer Mutterorganisation der Antifa gelernt haben. Einige Enteignungsverfechter zeigten schon Ende letztes Jahr, dass ihnen jedes Mittel recht ist, um ihr Anliegen durchzusetzen.
Mir ist bei der Arbeit damals ein Schreiben der Deutschen Wohnen in die Hände gefallen, dass mich stutzig machte. Im ersten Moment dachte ich noch: Na toll, jetzt ist es geschehen – das Immobilienunternehmen hat sich dem öffentlichen Druck gebeugt und sich selbst als ausbeuterischer Miethai an den Pranger gestellt. Doch schon nach ein paar Sekunden wurde mir klar, dass ich der Deutschen Wohnen unrecht getan hatte. Unbekannte Aktivisten hatten völlig ahnungslosen Mietern großflächig gefälschte Schreiben in den Briefkasten gesteckt – mit potentiell gravierenden Folgen.
Der auf den 27.11.2020 datierte Brief, sah auf den ersten Blick täuschend echt aus: Ein formelles Schreiben mit original Logo, Adresse und der echten Telefonnummer des Kundenservices. Nur der Text verriet, worum es sich hier wirklich handelte und welchem Milieu die Verfasser zuzuordnen sind:
„Sehr geehrte Mieter*innen, heute möchten wir uns ausnahmsweise mit einer guten Nachricht an Sie wenden. Die Pandemie trifft uns alle sehr hart und vielen unserer Mieter*innen sind wichtige Einnahmen ausgeblieben. Wir bei der Deutsche Wohnen konnten jedoch weiterhin große Gewinne machen und haben uns deshalb entschlossen, Ihnen etwas zurück zu geben. Es scheint absurd, dass Sie mehr als ein Drittel Ihres wohl verdienten Geldes an uns überweisen müssen, während bei uns nur die Buchhalter*innen und Sekretär*innen wirklich arbeiten 😉 Schon seit Jahren verlangen wir zu viel Geld von Ihnen und hätten schon wesentlich eher auf sie zukommen müssen. Endlich haben wir, in diesen sentimentalen Zeiten, unser Herz entdeckt und wollen Ihnen ein paar Brotkrumen vom Tisch fallen lassen. Schon bald werden wir ihre Miete drastisch senken und die Dachbodenetage so umbauen, dass sie dort regelmäßig Sitzungen ihres neuen Hausrates abhalten können! Ist das nicht supidupi?!“.
Auf der zweiten Seite, die „wichtige Informationen zur Transformation der Eigentumsverhältnisse auf dem Wohnungsmarkt“ enthalten sollte, folgt die Bestätigung des allzu Offensichtlichen. Der Mieter wurde dazu aufgefordert sich zu informieren und zu organisieren, wenn er AUCH keine Lust mehr hat „sich von geldgierigen Kapitalist*innen ausnehmen zu lassen“. Es folgen einige Informationen zum Mietendeckel und zuletzt noch ein entscheidender Satz: „Wenn Sie mithelfen möchten, die Wohnungen in Berlin wieder zurück unter öffentliche Kontrolle und in gemeinschaftliche Verwaltung zu holen, enteignen sie uns doch gleich!“.
Die unbekannten Verfasser verkauften das vor Propaganda nur so triefende Schreiben in der Fußzeile (ganz klein: auf Arabisch, Türkisch, Englisch, Polnisch, Russisch und Bosnisch) zwar als Satire, die potentiellen Konsequenzen waren und sind für die Deutsche Wohnen UND für ihre Mieter aber alles andere als lustig.Grade alte, unter Umständen labile oder psychisch beeinträchtige Mieter – also eben die Armen und Schwachen, die man angeblich schützen will – könnten diesen schlechten Scherz für bare Münze genommen haben und wirklich denken, dass ihre Miete gesenkt wird oder dass sie sich auf elendig lange Bauarbeiten einstellen müssen. Mögliche Folgen sind Unsicherheit, Ängste und Wut, wenn die Freude über die angebliche Mietsenkung bitter enttäuscht wird. Damit könnte es den Aktivisten also gelungen sein, bislang völlig unbehelligte Bürger gegen ihren Vermieter aufzubringen und die Gesellschaft so immer tiefer zu spalten.
Die Deutsche Wohnen wurde derweil wahrscheinlich von Anfragen ihrer Mieter überflutet und musste dementsprechend ein Vielfaches an Zeit, Geld und Personal aufwenden, um die Angelegenheit richtig zu stellen. Als ich das gefälschte Schreiben an das Immobilienunternehmen geschickt und um Klärung gebeten habe, musste ich mehr als einen Monat auf die Antwort warten, dass es sich wirklich um eine Fälschung handelt, bereits rechtliche Schritte eingeleitet wurden und das Vorgehen zur Strafanzeige gebracht wurde. Auch das wird die meisten Mieter aber wahrscheinlich wenig beruhigt haben – wer sagt einem denn, dass die nächste Mieterhöhung oder die Änderung von Kontodaten nicht wieder von einem Betrüger stammen? Die Unsicherheit könnte sogar soweit führen, dass manche Leute ihre Miete nicht mehr bezahlen und so völlig unnötig Schulden anhäufen.
Dieser Brief war also keine rein gesellschaftskritische Satire. Die Verfasser nahmen den potentiell immensen Schaden der Mieter als Bauernopfer bewusst in Kauf, um ihren Klassenkampf gegen Unternehmen wie die Deutschen Wohnen voran zu bringen.
Jetzt stehen die Berliner vor der Wahl: Wollen sie solche dubiosen Anliegen wirklich unterstützen und den Heilsversprechen der Enteignungs-Aktivisten blind Glauben schenken oder gibt es selbst in unserer rot-grün regierten Stadt noch eine Mehrheit von Menschen, die etwas von Recht und Gesetz halten?
Von Selma Green | Sie nannten es Aufklärung, doch bei mir sorgte es für Verwirrung. Bis zur sechsten Klasse war das Thema der verschiedenen sexuellen Orientierungen für mich eher eine Grauzone. Für mich existierten allenfalls Jungen, wegen denen sich alle Mädchen gegenseitig die Augen auskratzten, oder auch die “gemeinen” Jungs, die der kleinen Selma ihre Spielzeuge klauten.
Das Thema habe ich in der sechsten Klasse im Aufklärungsunterricht näher behandelt. Dazu gehörten auch Workshops. In denen erzählten uns die meist homo- oder bisexuellen Leiter von den zig verschiedenen sexuellen Orientierungen und ließen mich etwas verwirrt und überfordert zurück. Warum man jetzt bi-, a- oder homosexuell sein sollte, habe ich nicht verstanden. Ich bin davon ausgegangen, dass mich das Thema in der Zukunft nicht weiter beschäftigen wird.
Für mich blieb es dabei: Die Jungs dürfen die Mädchen necken und der Zickenkrieg um den attraktivsten Jungen geht weiter. Wie dem auch sei, in meiner Generation blieb es nicht für alle dabei: Denn unter den Mädchen ist nicht mehr der attraktivste Junge DAS Thema, sondern wie sexistisch die doch sind, und die Jungs schweigen lieber, als die Mädchen zu necken. Sich entgegengesetzt zum eigenen Geschlecht zu verhalten oder sich als bisexuell zu bezeichnen, ist nämlich Mode geworden – das klingt jetzt etwas komisch…naja das ist es auch.
Die Mädchen müssen wie Jungs sein und umgekehrt. Die Jugendlichen kleiden sich anders: Die Haare und die Augen sind durch eine Fischermütze verdeckt, ein bunter oder zumindest bedruckter Pulli hängt locker über eine Jeanshose an dessen Hosenbeinen abschließend ein Paar schmutzige, weiße Turnschuhe zu sehen sind. Als Accessoir verwenden viele eine Bauchtasche, in der sich eine Zigarettenschachtel und ein Feuerzeug verstecken. Die Jacken variieren zwar, jedoch sind alle einer Stilrichtung zuzuordnen, dem Ich-bin-professionelle-Obdachlose-Stil. So kleiden sich die Mädchen….und die Jungen. Hinzu kommt, dass sich viele Mädchen die Haare kürzen und die Jungs dafür immer seltener zum Friseur gehen. Röcke oder Kleider werden an den Mädchen ungern gesehen. Ich muss mindestens 10 mal hingucken, um zu erkennen, ob das Wesen da vor mir ein Junge oder ein Mädchen ist.
Dabei ging es im Kindergarten doch nur darum: Wer hat das hübscheste Kleid? Wer ist die schönste Prinzessin? Auch jetzt trage ich gern Röcke und Kleider. Ich fühle mich gut und hübsch darin. Außerdem möchte ich ja auch etwas Aufmerksamkeit des anderen Geschlechts auf mich ziehen. Mit Pullis und Hosen sehe ich doch wie ein geschlechtsloser Waschlappen aus. Wahrscheinlich ist das das Ziel: Jungs dürfen Mädchen nicht mehr hübsch finden. Aber ich finde es schön, meine Beine durch Röcke und Kleider zu präsentieren und sie nicht in irgendwelchen lockeren Hosen zu verstecken. Und als wäre die Mode nicht schon verwirrend genug, verändert sich das Verhalten und die Beziehung unter den Jungen und Mädchen. Anstatt mich oder andere Mädchen zu necken, sind die meisten Jungs still und schüchtern. Andere Jungs fangen an, sich mit Mädchen zu “befreunden”. Darunter verstehen sie das Auftragen von Gesichtsmasken und Mitfiebern beim Germanys Next Topmodel – Finale. Ich bekomme entweder eifriges Genicke von der einen Seite oder Schweigen von der anderen. Die meisten Mädchen werden lauter und überheblicher und warten doch nur auf eine Reaktion des anderen Geschlechts – vergebens. Mit der Zeit wird es ganz schön langweilig. Warum trauen sich die Jungs nichts mehr? “Auf der neuen Schule herrscht ein deutlicher Jungs-Überschuss”, war mein erster Gedanke nach meinem Wechsel von einem normalen Berliner Gymnasium auf ein Gymnasium mit mathematisch-naturwissenschaftlichem Profil. Dort besteht meine Klasse aus 22 Jungen und 5 Mädchen. Dabei kommt es auch mal vor, dass ein Junge die Mädchen mit der Jungsumkleide verwechselt oder mit auf Höhe der Brust ausgestreckten Armen „aus Versehen“ gegen ein Mädchen rennt. Es bleibt immer etwas aufregender.
Vor allem wenn man anstatt eifrigem Genicke auch mal ein: „Hä, was laberst du da?“ zu hören bekommt. Die Jungs sind etwas aufgeweckter und weniger verklemmt. Sie reißen Witze und Sprüche. Sie trauen sich sogar, mich “rassistisch“ zu verarschen: Anders als meine Sitznachbarin, eine typische, deutsche Kartoffel, bin ich eher eine deutsche Bratkartoffel. Jedenfalls fanden es mal zwei Jungs spannender, mich und meine Sitznachbarin während des Unterrichts mit Stiften abzuwerfen, als zu lernen. Wie Dartpfeile richteten sie die Stifte auf uns, ganz konzentriert und viel ruhiger, als ich sie gewohnt bin. Der eine Junge musterte mich, als berechne er die genaue Flugbahn und Kraft, die er aufwenden müsse, wie ein Dart-Profi. Während er mich mit seinem Blick fixierte, murmelte er zu seinem Freund: „Mal sehen… wer ins Schwarze trifft”. Nach diesem Satz spürte ich einen kurzen Pieks am Rücken und hörte noch ein “Yesss”. Im Gegensatz zu meiner alten Klasse, die aus 16 Mädchen und 15 Jungen bestand. Dort waren die Jungs immer still und schüchtern. Ich habe so gut wie nichts von den Jungs mitbekommen. Nach einem Jahr konnte ich mir vage ihre Namen merken. Also lautet mein Gedanke: Sind die Jungen in der Überzahl, sind sie gegenüber den Mädchen weniger scheu.
Vielleicht liegt es auch an der Erziehung der Jungen und der Gesellschaft. Unter den Mädchen wird jede kleine Spitzfindigkeit als sexistisch und als in der Gesellschaft nicht duldbar gesehen. Dass ein Mann einer Frau hinterherpfeift, zählt zu einem dieser “sexistischen” Verbrechen. „Die sollten besser erzogen werden“, meinte eine Klassenkameradin. Die meisten Mädchen träumen von einem Jungen, der brav ist, bloß nichts Falsches sagt, ihnen bei allem zustimmt und am Wichtigsten: keine anderen Mädchen ansieht.
Solche Jungs gibt es auch schon. Das ist doch total langweilig. Dann kann ich mir genauso gut einen Papageien anschaffen, der mir jeden Tag in die Ohren krächzt, ich sei klug und hübsch. Ich stelle es mir mit der Zeit echt nervig vor. Erstens bin ich ja schon brav, da ist ein genauso braver Junge nicht interessanter. Zweitens ist mir ein Junge, der mir überall zustimmt, total unsympathisch. Ist das seine eigene Meinung, oder möchte er so dringend mit mir bei Allem übereinstimmen? Wenn ein Junge nicht mit anderen Mädchen flirtet, frage ich mich: “Ist der überhaupt interessiert an Mädchen?” Ich habe ein paar Eltern solcher Jungs kennengelernt. Die Väter hatten einen Kleidungsstil wie Hein Blöd aus Käpt’n Blaubär und oft weniger zu sagen. Die Mütter wirkten immer etwas dominanter auf mich. Mir ist aufgefallen, dass die Jungs in Serien und Filmen oft dargestellt werden, wie sie sich viele Mädchen wünschen: Der Junge in der Serie ist natürlich immer verständnisvoll und treu. Das finde ich anstrengend und öde, weil man weiß, dass der Junge das Mädchen nie betrügen wird. Das ist doch nicht mehr spannend. Hat seine Freundin in der Serie Probleme oder schlechte Gefühle muss er ihr einreden, wie toll sie ist. Damit geht es der Freundin besser, und sie sagt nochmal, wie verliebt sie in ihren Freund ist. So etwas will ich doch gar nicht von meinem Freund hören.
Mir wäre diese Situation total unangenehm. “Denkt der etwa, ich wüsste nicht, dass ich toll bin?” und “Redet da gerade mein Freund oder meine Mutter mit mir?”, würde ich mich fragen. Ich finde Jungs viel interessanter und aufregender, wenn sie nicht nach jeder Pfeife tanzen, mal frech sein können, mit Mädchen schäkern und mir widersprechen. An Jungs mag ich es, wenn sie gerade nicht wie Mädchen ordentlich sind, sondern sich raufen oder anders als Mädchen bei manchen Themen weniger emotional und sozial als sachlich argumentieren. Oder wenn Jungs auf kindische Ideen kommen und es damit endet, dass sich ein Junge im Sportunterricht zwischen Wand und Matratze quetscht, und die anderen drei Jungs sich abwechselnd gegen die Matratze werfen, und man als Mädchen zuerst versucht zu erklären, dass das doch weh tun muss, die Jungs darauf mit einem “Nö” antworten, und man am Ende daneben steht und nur noch kichert. Oder wenn Jungs versuchen Mädchen zu beeindrucken und in der Pause Armdrücken machen. Oder wenn Jungs während des Unterrichts lustige Kommentare in den Raum werfen, und selbst der Lehrer schmunzeln muss. Und dass ich, auch wenn ihre Witze noch so schlecht sind, fast immer darüber kichern muss.