Archiv: September 14, 2022

Der deutsche Staatsfunk ruft zum Sturz der britischen Monarchie auf

Von Max Roland | Die Queen ist tot – lang lebe der König! Während Großbritannien in tiefer Trauer um seine prägende Monarchin ist, besteht die britische Monarchie weiter, wie sie es seit Jahrhunderten tut.  Die Kontinuität des Königshauses ist der Stabilitätsanker Großbritanniens – die schwersten Krisen in der britischen Geschichte waren fast immer Krisen der Krone. In weltweit fast unvergleichlicher weise sind Krone und Demokratie in Großbritannien nicht Gegensätze, sondern garantieren einander. Das war einer der Gründe, warum der Faschismus in Großbritannien nie Fuß fassen konnte – anders als in Deutschland. 

Genau jene deutschen sind es aber nun, die den Briten aus der Ferne ungebetene Ratschläge erteilen wollen. Ausgerechnet der deutsche Staatsfunk ruft jetzt auf englisch zum Sturz zur Monarchie auf. Die „Deutsche Welle“, ein zu 100% nicht etwa über Gebühren, sondern direkt über Steuergelder finanzierte, staatliche Auslandsfunk der Bundesrepublik, erklärt den Tod der Königin in einem Meinungsbeitrag zur Chance für Großbritannien – die Chance, endlich eine „richtige Demokratie“ zu werden. Charles sei schwach, schreibt der „DW“-Autor Zulfikar Abbany in seinem Kommentar – deswegen sei die Gelegenheit gekommen, die Monarchie zu stürzen. Der Autor spricht von „royalen Resten“, die man jetzt beseitigen könne – zusammen mit der „undemokratischen Hierarchie“, die das Land beherrsche. 

Die „Deutsche Welle“ ist kein Regierungssprecher – aber eben doch staatlicher Rundfunk. Umso problematischer sind solche Kommentare – kommend aus einem Land, das erst demokratisch wurde, nach dem sich vor allem auch britische Soldaten bis zur Elbe gekämpft hatten. Die deutschen wollten immerhin schonmal die britischen Institutionen zerstören, weil sie ihren Nationalsozialismus für das bessere, fortschrittlichere System hielten. Es wird heute gerne vergessen, dass die Nazis, aber auch die Faschisten generell, sich als progressive Bewegung verstanden – und Monarchien ablehnten. Die Briten werden über solche Beiträge „not amused“ sein – those bloody germans again. 


Die Ära 9/11 ist vorbei

Von Leon Hendryk | Als sich im vergangenen Jahr die Anschläge vom 11. September 2001 zum 20. Mal jährten, gab es viele Gedenkveranstaltungen und ein großes Medienecho für dieses traurige Jubiläum. In fast allen deutschen und internationalen Medien wurde ausführlich berichtet. Nicht außergewöhnlich in Anbetracht der Auswirkungen, das dieses Ereignis damals auf die Welt hatte. 9/11 prägte die Wahrnehmung einer ganzen Generation von Amerikanern, und führte letztlich zum „Krieg gegen den Terror“.

Doch in diesem Jahr ist vieles anders. In den meisten deutschen Medien fand sich am Sonntag, dem Jahrestag der Anschläge, kaum ein Artikel der das Thema behandelte. Selbst in amerikanischen Medien war 9/11 ein Randthema, wichtiger waren Berichte über den Tod von Queen Elizabeth II und der ukrainischen Militäroffensive gegen die russischen Besatzer. Lediglich die konservative Nachrichtenseite Breitbart hatte einen Artikel über 9/11 als Aufmacher. Auch in den sozialen Netzwerken wurde diese Entwicklung mit etwas Verwunderung wahrgenommen. „This ist he least 9/11 I’ve ever seen“ twitterte etwa ein User und bezog sich damit auf die kaum vorhandene Berichterstattung in diesem Jahr. Über 350.000 Likes gaben ihm recht. 

https://twitter.com/YourMusicWhore/status/1569021633834147840

Selbst die meisten Politiker schien den Jahrestag kaum zu interessieren. Zwar hielt US-Präsident Joe Biden eine etwa viertelstündige Rede zum Andenken an die Opfer, doch viel Aufmerksamkeit generierte sie nicht. Im Vergleich zu den vergangenen 20 Jahrestagen, schien sich die westliche Öffentlichkeit in diesem Jahr kaum für das Thema 9/11 zu interessieren. Warum ist das so?

Die Antwort auf diese Frage ist eigentlich simpel: Die Welt hat sich in den vergangenen 21 Jahren dramatisch verändert. Insbesondere in den letzten 12 Monaten veränderte sich die innen- und außenpolitischen Verhältnisse in Amerika und Europa massiv. Der misslungene Abzug aus Afghanistan im vergangenen Spätsommer leutete das Ende der großangelegten Anti-Terror Kriegsführung ein, aus dem Irak war man schon ein Jahrzehnt früher abgezogen. Beide Kriegseinsätze können als gescheitert angesehen werden. Auch geopolitisch ist der Westen heute in einer völlig anderen Lage als noch im letzten Jahr. Der Krieg Russlands in der Ukraine war der Auftakt zu einem neuen kalten Krieg, zwischen dem westlichen und dem östlichen Machtblock, mit China an der Spitze des letzteren. 

Parallele dazu hat sich die Innenpolitik westlicher Staaten gewandelt. Das Thema Terrorbekämpfung ist schon lange nicht mehr in Mode. Stattdessen sorgt man sich auf beiden Seiten des Atlantiks um rasant steigende Lebenshaltungskosten und eine kommende Rezession. Vor 20 Jahren stand die Bevölkerung der meisten westlichen Staaten noch geeint gegen den islamistischen Terror. Filme, Bücher und Videospiele waren voll mit Terrorismus und der heldenhaften Bekämpfung desselben. Nun dominieren stattdessen identitätspolitische Themen die öffentliche Diskussion und Popkultur. All das hat zu einer beispiellosen Spaltung der Gesellschaft geführt. 

Dazu kommt, dass 9/11 für immer mehr Menschen schlichtweg ein historisches Ereignis darstellt. Denn 21 Jahre sind, in unserer schnelllebigen Zeit, sehr lange (zum Vergleich, es dauerte 21 Jahre vom Ende des ersten bis zum Anfang des zweiten Weltkriegs). Es ist völlig natürlich, dass selbst ein Ereignis von der Tragweite der Anschläge vom 11. September, über mehr als zwei Jahrzehnte einiges an seiner Aktualität verliert. Deshalb können die aktuellen Ereignisse das Gedenken an 9/11 mittlerweile so leicht überschatten. Die Anschläge haben an emotionaler Bedeutung verloren. Kombiniert man dies mit den drastisch veränderten Rahmenbedingungen unserer Welt, kommt man zu dem Schluss, dass das Thema 9/11 für viele Menschen langsam aber sicher abgeschlossen ist. Osama bin Laden flößt schon lange niemandem mehr Angst ein, was wohl der Tatsache geschuldet ist, dass er seit Jahren tot ist. Stattdessen fürchtet die Welt nun Putin, Xi und Konsorten. 

Das einstmals große nationale Trauma der USA ist also in diesem Jahr zum ersten Mal in den Hintergrund gerückt. Neue Probleme und Herausforderungen bestimmen das Weltgeschehen. Wie diese Entwicklung die Welt in den kommenden zwei Jahrzehnten prägen und verändern werden, kann niemand sagen. Sicher ist jedoch eines: Die Ära 9/11 ist mittlerweile unwiderruflich vorbei.




Filmstar Ingrid Bergman: Sie spielte noch Frauen, keine feministischen Kämpferinnen 

Von Anna Graalfs | „If you knew how much I loved you… How much I still love you”. Als Ingrid Bergman diese Worte in „Casablanca” (1942) sprach, verliebte sich die ganze Welt in sie. Aus der schüchternen Schwedin wurde eine 3-fache-Oscarpreisträgerin und ein Weltstar, der das Kino grundlegend veränderte. Am 29. August hat sich ihr Todestag zum vierzigsten Mal gejährt – also habe ich mir gedacht: Wann gibt es einen besseren Anlass, um den Apollo-Lesern eine meiner Lieblingsschaupielerinnen vorzustellen?

Bergmans Weg nach Hollywood

Ihre Anfänge im Kino hatte Bergman schon mit knappen 17 Jahren in ihrem Heimatland Schweden. 1932 machte sie ihre erste Erfahrung als Statistin im schwedischen Film „Landskamp” und war begeistert. Doch Hollywood war noch meilenweit entfernt. Es war eine Kundin des Blumenladens ihres Onkels, die schließlich Schwung in ihre Karriere brachte: Die schwedische Schauspielerin und Regisseurin Karin Swanström führte Bergman in die Welt der Schauspielerei ein – und schließlich war es so weit: Der legendäre Produzent David O. Selznick entdeckte ihr Talent und nahm sie mit in die USA. Aber eine Sache stand Ingrid Bergman noch im Weg: Sie entsprach nicht dem Schönheitsideal Hollywoods. Selznick meinte, man müsse grundlegend was an ihrem Aussehen verändern, wenn sie den Durchbruch in Hollywood erreichen wolle. Schließlich sei ihre Nase zu groß, ihre Augenbrauen seien zu buschig und ihr Name höre sich zu Deutsch an. Sie müsse auch viel mehr Make-up tragen. Doch das ließ Bergman nicht mit sich machen. Entschlossen feuerte sie zurück: „Auf gar keinen Fall! Mein Name ist Ingrid Bergman und das ist mein Look.” Hollywood wusste, dass sie das junge Talent an das schwedische Kino verlieren würden, wenn sie sie nicht doch so akzeptierten wie sie eben war. Und Gott sei Dank war das auch der Fall. Denn gerade die Natürlichkeit in Bergmans Auftreten macht doch ihren unvergleichbaren Charm aus.

Die größten Filme ihrer Karriere

Mit „Casablanca” (1942) gelang ihr der Durchbruch. An Seite von Humphrey Bogart verkörpert Ingrid Bergman hier die loyale Ehefrau eines tschechischen Widerstandkämpfers im Zweiten Weltkrieg. Ilsa Lund steht vor einem Dilemma: Sie muss mit ihrem Mann von den Nazis flüchten, doch der Einzige, der ihnen helfen könnte, Casablanca zu verlassen, ist ihr ehemaliger Liebhaber Rick Blaine, für den sie noch Gefühle hat… Guckt man den Klassiker heute, fällt einem sofort auf: Im Gegensatz zu heutigen weiblichen Hauptdarstellerinnen, ist Bergman als Illsa Lund keine makellose feministische Powerfrau, die immer alles besser weiß und deren einziges Problem ist, dass sie von sexistischen Männern unterdrückt wird. Nein, Bergman hält in einem Moment wie wahnsinnig die Waffe in der Hand und im anderen liegt sie weinend im Arm ihres Geliebten. Bergman verkörperte Frauen, die selbstbewusst, mutig und gewitzt sind – und sich dennoch verirren können. Sie zeigte eine Verletzlichkeit der Frau, die heute nicht mehr sein darf, aber doch eigentlich viel lebensechter ist, als das männliche Gehabe der Hollywood-Schauspielerinnen von heute.

Ein gutes Beispiel dafür ist auch der Film „Gaslight” („Das Haus der Lady Alquist” auf Deutsch), für den sie zum ersten Mal mit einem Oscar belohnt wurde. In diesem Psychothriller wird Paula Alquist, Ingrid Bergman, von ihrem Ehemann so psychisch manipuliert, bis sie glaubt, sie sei wahnsinnig geworden. Ihr Mann, gespielt von Charles Boyer, nutzt Paulas labilen Zustand aus, um ungestört auf dem Dachboden des Hauses nach Juwelen von Paulas Tante zu suchen, die er Jahre zuvor ermordet hatte. Jede Nacht hört Paula Geräusche auf dem Dachboden, doch ihr Ehemann versichert ihr, dass sie sich alles nur einbildet und es am besten sei, wenn sie sich zu Hause ausruht, abgeschottet von aller Welt… Der Film ist nicht ohne Grund mein Lieblings-Bergman-Film. Sie spielt diese Rolle so gut wie keine andere: In ihrem Gesicht kann man jede Emotion ablesen – als würde man mit ihr verschmelzen spürt man ihre Verunsicherung, ihre Angst und die sich aufdrängende Frage: Wem kann sie noch vertrauen? Es ist wirklich so: Wenn man Ingrid Bergman Paula spielen sieht, stürzt man gemeinsam mit ihr in den Wahnsinn.

Wiederaufbau ihres Images

Doch wie bei jeder guten Schauspielerin dauerte es nicht lange, bis Bergmans Karriere durch Veröffentlichungen aus ihrem Privatleben in die Krise geriet. 1949 wurde medial bekannt, dass Bergman eine Affäre mit dem italienischen Regisseur Roberto Rossellini hatte und von ihm schwanger geworden war. Eine verheiratete Frau, schwanger von einem Mann, mit dem sie nicht verheiratet war – damals einer der größten Skandale in Hollywood! Erst mit ihrer Titelrolle in „Anastasia” (1956) schaffte es Bergman langsam wieder zurück in die Herzen der Amerikaner und gewann dafür sogar ihren zweiten Oscar. Heute kann man diesen Wahnsinn kaum noch nachempfinden. Ich finde Ingrids Verhältnis zu Rossellini, welches nachher zur Ehe wurde, hat das Kino nur noch mehr bereichert. Schließlich hat sie durch ihn italienisch gelernt und sogar in einer Handvoll italienischen Filmen mitgespielt. Aber nicht nur italienisch konnte sie, Bergman war ein erstklassiges Sprachtalent: Sie konnte Schwedisch, Deutsch, Englisch, Italienisch und Französisch fließend sprechen. Sie hat außerdem in all diesen Sprachen geschauspielert. Auch darum ist sie für mich ein riesiges Vorbild.

Nach ihrem zweiten Oscargewinn feierte Bergman noch weitere Erfolge zusammen mit Cary Grant in „Indiscret” (1958) oder in der Adaption von Friedrich Dürrenmatts „Besuch der alten Dame” namens „The Visit” (1964). Und als würden ihr zwei Oscars noch nicht reichen, gewann sie 1974 ihren dritten, diesmal in der Kategorie der Nebendarstellerin in „Murder On The Orient Express” (1974), der Verfilmung des gleichnamigen, 40 Jahre zuvor erschienen Kriminalromans Agatha Christies. Dort spielt Bergman eine schüchterne, gottergebene Frau – doch die Rachsucht bewegt auch sie dazu, Teil eines schrecklichen Mordes zu werden…

In all den Jahren, die Berman von der Kamera stand merkte man immer: Sie war leidenschaftlich ins Schauspielern verliebt. Bis zu ihrem Todesjahr 1982, als sie an ihrem Geburtstag an Brustkrebs verstarb, spielte sie noch in zahlreichen Filmen und im Theater mit. Ihr Vermächtnis an uns sind 48 Filme einer 47-Jahre-langen Karriere, in denen man Zeuge puren Schauspieltalents wird. Ich habe „Gaslight” (1944) jetzt schon unzählige Male gesehen, doch jedes Mal, wenn ich einen emotionalen Ausbruch Paulas auf dem Bildschirm erlebe, zieht sich eine Gänsehaut über meinen ganzen Körper. Ich bin mir sicher: Ingrid Bergman wird als eine der bedeutendsten, außergewöhnlichsten Schauspielerinnen des 20. Jahrhunderts für immer unvergessen bleiben.


Rabbi Homolka – Opfer einer Schmierenkampagne oder Übeltäter?

Von Simon Ben Schumann | Ist einer der führenden liberalen Juden im Lande  Opfer einer Schmierenkampagne? Seitdem ihm Machtmissbrauch und Vertuschung  vorgeworfen werden, lässt Walter Homolka seine Ämter ruhen.  Aber was ist wirklich dran an den  Anschuldigungen? 

Die Vorwürfe 

Walter Homolka spielte beim „Wiederbeleben“ des progressiven Judentums in  Deutschland eine große Rolle. Aus einer Familie mit jüdischen Wurzeln stammend,  konvertierte er schon mit 17 Jahren zur Religion. Nach der Gründung des Abraham Geiger-Kollegs in Potsdam war Homolka seit 2002 Rektor. An der jüdischen  akademischen Einrichtung leitete er die Ausbildung von Rabbinerinnen und Rabbinern. Außerdem hatte er mehrere Professuren und Dozentenstellen inne, z. B. an der Universität  Potsdam. 

Anfang Mai kamen Vorwürfe gegen seinen Ehemann, Hartmut Bomhoff, ans Licht.  Dieser war Dozent am Kolleg und dessen Pressesprecher. Er soll am 6. Juli 2019 ein  Video an den Studenten Itamar C. verschickt haben, in dem er sich selbst befriedigt.  Dieser Vorwurf gegen den Ehemann von Homolka ist Hauptthema des so bezeichneten  „Skandals“. 

Die Hintergründe des Videos sind indes völlig unklar. So erstattete der Student zwar  Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Potsdam; dies aber erst im November des Folgejahres. Die Strafanzeige wurde auch nicht weiterverfolgt. 

Falsche Verdächtigungen? 

Trotzdem folgte Entrüstung. Der AStA der Universität Potsdam verschickte im Mai eine  E-Mail an Studierende, in welcher er sich zum „Skandal“ äußerte. Darin wurden die  Vorwürfe zu Fakten erklärt und Homolka zum korrupten Egomanen. 

So heißt es in der Mail, dass Walter Homolka „allem Anschein nach“ Ermöglicher und  Dulder von sexueller Belästigung am Abraham-Geiger-Kolleg gewesen sei. Er habe durch  seine „toxische Personalunion“ verschiedener Ämter die Potsdamer Theologie völlig  unangebracht „im Griff“. Er hätte eine Kultur der Angst herbeigeführt, inklusive  Machtmissbrauch und Manipulation. Der AStA hoffe auf einen „unbeschwerten Neustart“ ohne eine „Monarchisierung“ durch Homolka. 

Unschön, jemandem etwas so Schwerwiegendes vorzuwerfen – wenn es überhaupt nicht  belegt ist. Nach einem Schreiben von Homolkas Anwalt David Geßner musste der AStA  alles richtigstellen. So stand eine „sexuelle Belästigung“ nie im Raum. Stattdessen ging es  um eine – nicht weiterverfolgte – Anzeige wegen Verbreitens pornographischer Inhalte gegen Bomhoff. Laut Geßner sei der Welt-Artikel, in dem Homolka am 6. Mai zuerst  „angegriffen“ wurde, von der Pressekammer des Landgerichts Berlin in Teilen für  rechtswidrig erklärt worden. Außerdem hat sich Homolka bereits im November 2020,  nach der Strafanzeige gegen seinen Mann, für befangen erklärt.

Die Richtigstellung des AStA ging sodann auch an die Studierenden an der Uni Potsdam.  Zu Homolkas Gunsten, dessen Ämter weiterhin ruhen. 

Auch die Kantorin Avitall Gerstetter, die sich über Konvertiten sehr kritisch äußerte, ging  Homolka an. „Ein Neuanfang ist nicht nur in Potsdam dringend nötig, strukturell wie  personell.“, sagte sie der „Welt“. Dass aber „in dubio pro reo“ gilt, ließ sie außen vor.  Menschlich finde ich das schade. Zumal die Anschuldigungen zuvorderst gegen  Homolkas Mann gingen, nicht ihn selbst. 

Es scheint so, als ginge es hier nicht nur um die sogenannte „Causa Homolka“ – sondern  auch um politische und religiöse Fragen. Der orthodoxe Rabbi Walter Rothschild nahm  Homolka in der „Welt“ sogar als Beispiel für die Probleme, welche es mit Konvertiten  gäbe.  

Homolka selbst äußerte, er habe auf das Verhalten ihm nahestehender Personen keinen  Einfluss. Die Vorwürfe würden ihm weh tun, da er sich immer für das liberale Judentum  eingesetzt habe. 

Jeder muss selbst entscheiden, wem er hier Glauben schenkt – dabei ist es aber vielleicht  besonders wichtig, auf eine unvoreingenommene Betrachtung Wert zu legen.

 

 

 

Bild: Rabbi Homolka trifft den Papst. Foto: Ellenson via Wikimedia commons (Lizenz)


Jetzt für das nächste Apollo Seminar bewerben! 

Kennt ihr das KIZ-Lied „Hurra, diese Welt geht unter“? In letzter Zeit hat man das Gefühl, dass unsere Regierung sich diesen Song zum Motto gemacht hat. Von dauerhafter Corona-Panik sind wird direkt in die Energiekrise geworfen worden. Täglich lesen wir in den Nachrichten Aussagen und Anweisungen, die wir nie für möglich gehalten hätten. Der Chef der Bundesnetzagentur spielt mit dem Gedanken, privaten Haushalten vorzuschreiben, wie viel Gas sie verbrauchen dürfen. Grünen-Politiker raten uns zur Katzenwäsche mit den Waschlappen, um Energie einzusparen. Nicht selten hat man das Gefühl, nur noch von Wahnsinnigen umgeben zu sein. 

Wir von Apollo haben genug von dieser Panikmache. Wir wollen mehr von diesem Leben, als uns nur ängstlich zuhause auf dem Sofa zu verstecken, Kerzen anzuzünden und auf das Ende der Welt zu warten. Also machen wir uns an die Arbeit, ganz nach dem Motto: Umso irrer diese Welt wird, desto mehr gibt es für uns zu schreiben! 

Nächster Termin: 7. bis 9. Oktober

Um das weiter umzusetzen, treffen wir uns vom 7. bis 9. Oktober zu unserem nächsten Seminar! Tagungsort ist ein Hotel in der Nähe von Berlin. Diesmal auf dem Programm: Video-Journalismus. Zum ersten Mal werden wir bei einem großen Praxisblock gemeinsam journalistische Videobeiträge planen und produzieren. Jeder Teilnehmer wird in Gruppen oder allein an einem Videoprojekt arbeiten – Unterstützung gibt es von renommierten Journalisten und Publizisten. Das Seminar ist für die Teilnehmer kostenlos, Hotel und Verpflegung werden vom Veranstalter übernommen.

Du hast Lust, zusammen mit uns über irre Politik und wahnsinnige gesellschaftliche Entwicklungen zu lachen? Und das dann  grinsend aufzuschreiben? Du willst Twitter nach Best-Of Helge Lindh Fotos durchforsten oder Habeck mal erklären, was eine Einnahmen/Ausgaben-Rechnung ist? Du willst große Recherchen starten? Oder öffentlich machen, wie nervig es ist, in Schule und Uni nur noch von irren Grünen umgeben zu sein? 

Dann ist unser Apollo Seminar genau das Richtige für dich! Schreiberfahrung ist nicht notwendig. Jeder zwischen 15 und 25 Jahren mit Interesse am Schreiben ist willkommen.

Jetzt auf einen der letzten Plätze bewerben!

Also: Bewirb dich jetzt und ergattere mit etwas Glück einen der letzten freien Plätze. Schreib einfach eine Email an larissa.fusser@apollo-news.net – wir schicken dir dann alle weiteren Infos zu. Wir freuen uns auf dich!


Grüne Spree, gelber Stern & aufgebohrte LKW-Reifen – die irren Klima-Aktivisten kennen keine Grenzen

Von Simon Ben Schumann | Normalerweise sind Flüsse blau – trotz des Klimawandels. Doch jüngst war die Spree im Berliner Regierungsviertel plötzlich giftgrün. Nicht etwa, weil Gott zehn Plagen über Deutschland bringt, um Karl Lauterbach zum Aufgeben zu
zwingen. Nein: Es handelte sich um den genialen Protest einiger Klimaaktivisten.

Am Morgen des 7. Septembers schütteten die Angehörigen von „Extinction Rebellion“ eine färbende Chemikalie von einer Brücke aus in die Spree. Daraufhin verfärbten sich große Teile des Wassers in einem leuchtenden Neongrünton. Auf Twitter hieß es von Aussterbe-Gegnern: „Die grüne Spree steht für die Auswirkungen der #KlimaKatastrophe, die schon lange auf der ganzen Welt spürbar sind!“ Laut Eigenangaben hat man das Wasser mit Uranin gefärbt. Das sei „toxikologisch unbedenklich“. Wär ja noch schöner, wenn man ein wirksames Nervengift genommen hätte. Aber wahrscheinlich sogar „gerechtfertigt“ – Klimakiller Nummer Eins ist schließlich der Mensch. Ein paar Badende in der Spree weniger – schwupps, ist der CO2-Ausstoß reduziert.

Umweltschützer – oder Joker-Fans?

Eine Online-Recherche ergibt: Uranin wird unter anderem zur Markierung von unterirdischen Gewässern benutzt – weil die Farbe fluoresziert. Logischerweise sind bei ihrem Einsatz bestimmte Grenzwerte zu beachten und man sollte das Zeug nicht nach
Gutdünken ins Wasser kippen. In einem Online-Shop heißt es in der Artikelbeschreibung: „Laut Sicherheitsdatenblatt soll ein Einleiten in Gewässer vermieden werden.“ Meine Berliner Verwandten werde ich vorwarnen, die Spree erstmal zu meiden – es sei denn, sie haben Bock auf grüne Haartracht.


Bei der Spree-Färbung musste ich an den Film „Joker“ aus 2019 denken. In einer Szene erschießt der misanthropische, grünhaarige Antiheld live im TV einen Talkshow-Host mit den Worten „You get, what you fuc*ing deserve!“ Ähnliche Rhetorik fällt bestimmt im
Hauptquartier von Extinction Rebellion, wenn der nächste Aufstand geplant wird. Eine ähnliche Aktion gab es 2018: 3.500 Liter gelbe Farbe wurden im Kreisverkehr an der Siegessäule verschüttet. Der Grund für das Fiasko: Man wollte eine überdimensionale Sonne kreieren. Unzählige Fahrradfahrer rutschten umher, die Polizei ermittelte wegen „gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr“. „Nach dem ersten Regen ist das wieder weg.“, sagte ein Greenpeace-Sprecher. Am Ende musste Greenpeace 14.000 € (!) an die Berliner Stadtreinigung zahlen. Der Säuberungsaufwand war immens.

Nicht nur Natur und Straßenverkehr leiden unter den Aktionen. Es kann sogar richtig gefährlich werden. So blockieren die Extinction-Rebellion-Jünger regelmäßig Straßen. Letzten Sommer wurde die Bundesstraße B1 lahmgelegt. Schilder mit Sprüchen wie
„Entschuldigen Sie den Gesetzesverstoß, es geht ums Überleben!“ zierten die illegale Aktion. Aktivist Dominik Lange sagte vor Gericht, angeklagt wegen gemeinschaftlicher Nötigung: „Hier sitzt die falsche Person auf der Anklagebank. […] Ich übertrete bewusst Gesetze und Normen.“ Klar, denn im tugendhaften Umwelt-Utopia werden nur Fleischesser eingeknastet – es sei denn, sie sühnen ihre Schuld mit einem „gesunden“ Sojasteak.

Die „Aktivisten“ scheinen in Deutschland und in unseren Nachbarländern wirklich vor nichts mehr zurückzuschrecken. In. Südengland stürmte die Gruppe „Animal Rebellion“ vor kurzem das Gelände einer Milch-Fabrik und machte sich mit Bohrmaschinen und Bolzenschneidern an den Parkenden LKWs – genauer gesagt, an ihren Reifen – zu schaffen. Nach eigenen Angaben zerstörten die Klima-„Aktivisten“ die Reifen von 50 parkenden Fahrzeugen. Für die Firma bedeutet das einen gigantischen Schaden: Sie müssen ihre Produktionsabläufe stoppen, mit Lieferausfällen rechnen und vor allem müssen sie die zerstörten Reifen ersetzen –  je nach Fahrzeugtyp bedeutet das zwischen 300 und 1.000 Euro pro Reifen. Und das nur weil den selbsternannten Klima-Rettern von Politik und Polizei – in Deutschland und anscheinend auch in England – keine harten Grenzen gesetzt werden. 


Wir müssen uns wehren – Dänemark zeigt, wie es geht

Ein virales YouTube-Video dokumentiert, wie Vegan-Aktivisten einen McDonalds im dänischen Frederiksburg blockieren – weil er Fleisch anbietet. Mittlerweile hat der Clip Millionen Aufrufe. Die Aktivisten lassen keine Kunden mehr rein. Doch ein hungriger
Mann hat genug. „Ist mir egal“, antwortet er auf die Predigten der Blockierer und bricht durch die Menschenkette. Fairerweise muss man sagen, dass Mandelmilch halt keine Muskeln macht. Wenn wir alle solchen Protesten so entschieden entgegentreten, haben die Extremisten keine Chance. Und die Spree bleibt blau.


Kleine Schwester vs. großer Bruder – das große Apollo Battle

Lesen Sie hier: Das große Debattenduell. Selma gegen Simon. „Kleine Geschwister werden immer bevorteilt“ – „Nein, die Großen hacken immer nur auf den Kleinen rum!“ – Jeder, der eine Schwester oder einen Bruder hat wird diese Diskussion kennen. Wir tragen den Geschwister-Ur-Konflikt auf der virtuellen Bühne aus. Für wen fiebert ihr mit: Team Kleine-Schwester oder Team Großer-Bruder? 

ACHTUNG: Dieser Beitrag könnte Spuren von Humor enthalten. Weder kleine Kröten noch große Spielzeugdiebe wurden bei der Produktion dieser Kolumne ernsthaft verletzt. Dieser Austausch spiegelt in keiner Weise das Arbeitsklima bei Apollo News wieder, sondern dient schlichtweg Unterhaltungs- und Ausbildungszwecken. Seelsorgerische Unterstützung stand den Autoren zu jeder Zeit zur Verfügung.


Längere Beine, stärkere Arme und dann noch Abzocke – große Geschwister sind kein Zuckerschlecken

Von Selma Green | Ihr großen Geschwister habt auch ein Talent fürs Jammern – ja Simon, ich meine dich: Oh nein, die kleinen Geschwister sind so eine Last, das ist total unfair, und so weiter. Tja, und ich dachte, ich wäre die Königin des Dramas, ich hab mich wohl geirrt. Lieber Simon, lass mich hiermit eines klarstellen: Es scheint vielleicht so, als hätten wir Kleinen manchmal die besseren Karten, aber das stimmt so nicht. Wir jüngeren Geschwister haben es ganz und gar nicht besser, als ihr Großen es habt. Und ich weiß, wovon ich rede: Ich habe eine 2 Jahre ältere Schwester und kenne mich bestens damit aus, wie es als kleines Geschwisterchen so ist.

Angefangen damit, dass ich als kleiner Furz immer das machen wollte, was die Großen machen. “Wollen” und “können” sind nur leider zwei unterschiedliche Dinge. Beim Fangenspielen war ich mit meinen kurzen Beinchen immer langsamer als meine Schwester. Nur zu gut kann ich mich daran erinnern, dass meine Schwester gekonnt über alle Hindernisse sprang und allen Ästen auswich. Ich hatte oft den einen Stein oder den anderen Ast übersehen. Das war dann nicht so schön. Ihr Großen wisst ja gar nicht, wie frustrierend das manchmal sein kann. Es ist überhaupt nicht einfach zu ertragen, dass man nicht alles mitmachen kann, was die Großen machen.

Tja, und dazu kommt, dass ihr Großen uns jeden Blödsinn einreden könnt, und wir glauben es euch. Meine Schwester hat mich schon in einige Fallen tappen lassen. Als ich gerade einmal 4 Jahre alt war, bekam ich zum ersten Mal mein Taschengeld, einen 10-Euro-Schein. Gerade als ich verliebt auf meinen Geldschein blickend in unser Kinderzimmer taumelte, kam auch schon meine Schwester um die Ecke. Sie zeigte mir ein paar 5 Centstücke und eine Ein-Euro Münze: “Hey, Selma willst du das Geld tauschen? Guck mal, das hier ist genauso viel wert wie dein Schein, die Münzen sind sogar noch viel mehr wert”, gaukelte mir meine Schwester vor. Und weil in allen Kindergeschichten die Schatztruhen ja mit Münzen und nicht mit Papier gefüllt waren, sah der Tausch für mich wie ein voller Erfolg aus. Ich stolperte ahnungslos in ihre Falle und tauschte meine kostbaren 10 Euro gegen ein paar Münzen, mit denen ich mir nicht einmal ein Eis holen konnte.

Und ihr Großen heult jetzt rum, dass kleine Geschwister so anstrengend und nervig sind? Aber Simon weißt du was: das Theater kaufe ich euch Großen nicht ab. Im Ernst jetzt und ich verrats auch keinem weiter: In Wirklichkeit findet ihr Großen uns doch gar nicht so blöd. Uns kleine Geschwister kann man so richtig schön verarschen, und ihr habt immer jemanden zum Spielen. Gut, es besteht eine klitzekleine Möglichkeit, dass wir kleinen Geschwister manchmal, aber ganz selten, ein bisschen nervig sind. Aber Ihr Großen habt doch immer eine super Idee parat, wie ihr Euch wehren könnt.

Meine geliebte Schwester richtete mir zum Beispiel in einer Holzkiste ein kleines Bettchen her. Sie schmückte die Truhe mit Decken, Kissen und viel Liebe. “Selma willst du dich nicht hier reinlegen?”, sie lächelte mich an. Ich konnte es gar nicht glauben. Womit verdiente ich nur diese Ehre? Völlig aus dem Häuschen kletterte ich also in die Kiste und machte es mir gemütlich, und gerade als ich mein Köpfchen auf das Kissen abgelegt hatte – BAMM – flog auch schon der Deckel der Kiste zu. “Hallo?”, murmelte ich unsicher und drückte mit den Händen gegen den Deckel, doch der ging einfach nicht auf. So hat mich meine Schwester ruhig gekriegt, sie hat sich auf die Kiste gesetzt, sodass ich nicht mehr heraus kam. Ich sage nur so: Das waren hässliche 10 Minuten in der Kiste und danach war ich still.

Wir kleinen Geschwister müssen uns jeden Blödsinn von euch Großen gefallen lassen. Und klar, wir jüngeren Geschwister wissen, dass wir euch manchmal nerven, aber große Geschwister zu haben, ist verdammt kein Zuckerschlecken.


Älter, weiser, klüger: Warum ich gerne großer Bruder bin

Von Simon Ben Schumann | Ich geb‘s zu: Die Überschrift ist nicht ganz ernst gemeint, nur zu 99,95, nicht zu 100 Prozent. Du hast recht Selma, es hat eine Menge Vorteile, das ältere Geschwisterteil zu sein. Und ich genieße das, trotz des Ärgers den einem kleine Geschwister einbrocken. Meine kleine Schwester ist 3 Jahre jünger als ich. Das ist zwar keine große Alterslücke, aber sie macht sich bis heute bemerkbar.

Ich erinnere mich verschwommen daran, wie sie auf die Welt kam. Meine Eltern hatten schon damals zukünftige Differenzen unter Geschwistern geahnt. Und so bekam ich „von meiner Schwester“ zu ihrem nullten Geburtstag ein Playmobil-Set geschenkt. Damit war ich erstmal beruhigt. In den nächsten Monaten musste ich dafür aber ein unablässiges Schreien menschlichen Ursprungs aus dem Nachbarkinderzimmer aushalten. Das war nicht nur verdammt nervig, mein 3-jähriges Ich hatte bei den gruseligen Schreien auch noch Angst, dass meine Schwester nachts ersticken könnte. Schließlich wurde sie 24/7 per Babyfon abgehört. Mir wäre es verdammt peinlich, wenn meine Schwester herumerzählen könnte, wie ich so als Baby war und dass meine Eltern mein Zimmer verwanzt hatten. Das ist zum Glück nicht möglich – 1:0 für ältere Geschwister.

Als wir beide älter waren, ging es dann los: Geschwisterzoff. Und meine Schwester hatte allen Grund zum Beschweren. Als älteres Kind hat und darf man nämlich alles früher. Das fing mit mehr Spielzeug an – „voll unfair!“ – und ging mit längerem Aufbleiben weiter. Später kam ein Plus an Taschengeld dazu. Als ich mal eine Tabelle mit Taschengeldempfehlungen nach Altersgruppe in der Zeitung fand, zeigte ich sie triumphierend meinem Vater. Vor meiner Schwester versteckte ich das Teil aber lieber, um keinen Stress zu riskieren. Älter sein hat Vorteile.

Und das jünger-Sein eine ganze Menge des Gegenteils. Ich bin jedenfalls froh, dass ich nicht ständig mit meiner Schwester verglichen wurde. Seien es das Ende der Babynahrung, das Seepferdchen (da war sie richtig sauer) oder die Einschulung: Meine Schwester war immer 3 Jahre später dran. „Und, kommst du auch bald in die Schule?“ muss eine unfassbar nervige Frage sein. Spätestens, wenn jemand mit „Und, willst du auch studieren?“ ankäme, würde ich ja austicken.

Kein Wunder, das Selma da anfängt rumzujammern und wütend mit dem Fuß aufstampft. Meine Schwester hat oft genug deutlich gemacht, was sie von diesen Benachteiligungen hält. Ich war ständig das Ziel von Sätzen wie: „Simon darf viel mehr als ich!“. Immer heißt es, dass wir Großen ja voll gemein sind und euch die Butter vom Brot klauen. Ja – das ein oder andere Mal habe ich meine kleine Schwester „veräppelt“. Einmal habe ich behauptet, sie müsse etwas abnehmen – natürlich aus Spaß. Danach war der Zank groß, meine Eltern sauer. Selma würde mir bestimmt vorwerfen, andere in die Magersucht zu treiben – dabei muss man sowas auch mal mit Humor nehmen! Schließlich werdet ihr sowieso immer mit Samthandschuhen angefasst.

Besser, dann schweigt man wie ein Grab und lässt eine Predigt der Eltern kommentarlos über sich ergehen. Ihr könnt ja eh kein Wässerchen trüben. Viele andere ältere Geschwister denken wohl, die Jungen seien arm dran oder hätten es besser. Da stimme ich auch teilweise zu. Denn die Jüngeren werden wirklich immer in Schutz genommen. Gab es einen Streit, war im Zweifel der Ältere (also ich) Schuld und „pubertierte“ mal wieder rum. Wenn was kaputt ging? Simon wars! Wenn meine Schwester mich geärgert hat und ich mich gewehrt habe? Simon war böse! Mit kleinen Geschwistern ist es doch immer dasselbe Spiel. 

Aber ehrlich gesagt habe ich damit kein Problem. Mit Alter kommt schließlich Weisheit, und die sagt: Halt auch mal die andere Wange hin. Deswegen bin ich gerne großer Bruder – aufgewachsen mit mehr Spielsachen, weniger Vergleichen, mehr Geld und der Möglichkeit, meiner Schwester nicht nur einen Riegel vorzuschieben, wenn sie frech wird, sondern im Fall der Fälle auch für sie da zu sein.


Die konservative Hoffnung(slosigkeit)

Von Leon Hendryk | Deutschland im Jahre 2022. Die Energieversorgung steht am Rande des Zusammenbruchs, die Inflation ist auf dem höchsten Stand seit 50 Jahren, der Russe droht mit Atomwaffen und man debattiert angeregt darüber, ob es neben Mann und Frau noch 64 andere Geschlechter gibt. Gleichzeitig wird das Land von einem Bundeskanzler regiert, der sich vor allem durch seine Entscheidungsscheue auszeichnet – ähnlich wie schon seine Vorgängerin. Zudem leidet er unter selektivem Gedächtnisverlust, insbesondere wenn es sich um seine Beteiligung an Steuervermeidungsaffären handelt. 

Jetzt ist die große Frage: Wer kann uns aus dieser misslichen Lage befreien? Gibt es einen Ritter in strahlender Rüstung, der Deutschland wieder auf den Pfad zu Wohlstand, Sicherheit und Anstand zurückführen kann? „Ja“, sagen manche, „es handelt sich um Friedrich Merz, die konservative Hoffnung der CDU“! – aber das scheint doch eher hoffnungslos.

 

Eher Blechbüchse, also konservativer Ritter

Schon seit einigen Jahren wurde Merz immer wieder als „kompromissloser Konservativer“ präsentiert, der der CDU nach 16 Jahren Merkel endlich wieder ein schärferes Profil geben würde. Allerdings hatte er noch 2021 die Wahl um den CDU-Vorsitz gegen den Merkel-Zögling Armin Laschet verloren. Doch nachdem dieser bei der Bundestagswahl eine spektakuläre Wahlniederlage kassierte, machte Laschet den Weg frei für Merz. Anfang dieses Jahres übernahm dieser den Bundesvorsitz der CDU und wurde damit gleichzeitig auch zum Oppositionsführer. 

Nun könnte man denken, dass der Job des Oppositionsführers in Anbetracht der, von innen- und außenpolitischen Krisen geschüttelten Ampelkoalition ein dankbarer wäre. Eine großartige Chance, um das Ruder in der CDU herumzureißen und zu echten konservativen Werten zurückzukehren! Doch dem ist nicht so. Merz, die „konservative Hoffnung“, entpuppt sich mehr und mehr als ganz und gar hoffnungsloser Fall. Wir werden im Folgenden einen Einblick in die Gedankenwelt des Friedrich Merz nehmen, anhand von Äußerungen, die er vor wenigen Tagen anlässlich des ARD-Sommerinterviews und einer darauf folgenden Zuschauer-Fragerunde tätigte. 

Statt knallhartem Konservatismus findet man bei seinen Antworten jede Menge Inkonsequenz und Politikerphrasen, die jegliche Verbindlichkeit vermissen lassen, sobald ein Thema auch nur im Ansatz kontrovers ist. So befürwortet Merz einen temporären Streckbetrieb der deutschen Atomkraftwerke, da diese seiner Aussage nach „sicherer sind als alle anderen die wir zurzeit auf der Welt haben“. Trotzdem lehnt er im nächsten Satz einen längerfristigen Weiterbetrieb der Atomkraftwerke strikt ab. Seltsam, wenn es sich doch um die sichersten Kraftwerke der Welt handelt. Auf die Frage ob er im Falle einer Regierungsbildung lieber mit der FDP oder den Grünen koalieren würde, verweigert er schlicht jegliche Auskunft. Und dies, obwohl die Antwort es für einen „konservativen Hardliner“ doch offensichtlich sein müsste. Angesprochen auf die von ihm unterstützte Frauenquote in der CDU sagt er zuerst, dass sie wichtig sei um die Partei jünger und weiblicher zu machen. Wenige Sekunden später schränkt er ein, dass es ja ohnehin keine „echte“ Frauenquote sei. Teilweise nimmt seine Aversion gegen klare Aussagen bizarre Züge an. Als man ihn zum Beispiel fragt, wie viele Geschlechter es gäbe, antwortet er kryptisch mit „mindestens zwei“. 

 

Merz zeigt sich überraschend ehrlich

Doch an anderer Stelle ist Merz überraschend ehrlich: Auf das Verhältnis der CDU zur Republikanischen Partei in den USA angesprochen, sagt er: „Wir sind nicht die deutschen Konservativen und die Konservativen in Amerika sind nicht unsere Schwesterpartei.“ Während der zweite Teil dieser Aussage noch verständlich sein mag, kommt der erste doch recht unerwartet. Wenn die CDU sich selbst nicht als die deutsche Konservative sieht, wer ist es dann? Eigentlich bleibt nur die AfD, gegen die sich Merz aber, so wird er nicht müde zu betonen, strikt abgrenzt. Doch auch für Konservative in den eigenen Reihen hat er nicht viel Sympathie, was zu sehen ist als eine Frage über CDU-Mitglied Hans-Georg Maaßen gestellt wird. Dieser spielt laut Merz ohnehin „keine Rolle“ in der Partei. Zur Sicherheit grenzt er sich im nächsten Satz trotzdem noch einmal mantrahaft gegen „Rechts“ ab, man kann ja nie wissen. 

Wenn man einmal von der erbärmlich wirkenden Abgrenzeritis absieht, hat Friedrich Merz an dieser Stelle ein offenes Geheimnis ausgesprochen: Die CDU ist tatsächlich nicht die Partei des deutschen Konservatismus. Und er ist definitiv nicht die „konservative Hoffnung“, als die er oft verkauft wurde. Überrascht sein sollte davon eigentlich niemand. Eine der höchsten Steuerbelastungen der Welt, ein übereilter Atomaustieg, eine dysfunktionale Bundeswehr, unkontrollierte Massenimmigration, die völlig verfehlte Euro-Politik sowie die Kapitulation auf so gut wie allen gesellschaftspolitischen Feldern sind die Bilanz von 16 Jahren CDU-geführter Regierungen. Als konservative Success-Story kann man das wohl eher nicht bezeichnen.

 

Mann ohne Format

Friedrich Merz hat offensichtlich nicht das Format, diese Entwicklung umzukehren. Stattdessen fördert er sie noch weiter, zum Beispiel mit der von ihm unterstützten Einführung einer Frauenquote in der CDU. Anstatt nach dem Motto „opposition is opportunity“ die Schwächen der Ampelkoalition aufzugreifen und eine konservative Alternative zu präsentieren, versucht die CDU noch immer zu einer Light-Version der Grünen zu werden. Statt im Sinne des Wortes conservare zu bewahren, versucht man sich auf Biegen und Brechen dem Zeitgeist anzubiedern. Für Konservative stellt sich daher eher ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit ein, wenn Merz als „konservative Hoffnung“ präsentiert wird. 

 

 

Bild: Michael Lucan via Wikimedia Commons (Lizenz)

 




„Ich habe Angst im Dunkeln, weil ich leben will“

Von Elisa David | Der WDR kann so viele Studien missverstehen wie er will, es wird nichts daran ändern: ich habe Angst im Dunkeln. Der Post von Quarks reiht sich in eine systematische Aberziehung von „falschen Ängsten“ ein.

Das Bild von Quarks hat für viel Aufregung gesorgt: eine junge Frau, die durch eine dunkle Gasse geht, außer einer Straßenlaterne sind alle aus, sie sieht verängstigt aus. Über ihr, eine Gedankenblase: „Oh, alles dunkel! Ist das gefährlich, wenn ich unterwegs bin?“ Quarks antwortet: Eher unwahrscheinlich! Doch was ist das Interesse des WDR, Straßenlaternen für unnötig zu erklären? Ganz einfach, das ewige Thema: Strom sparen. Inzwischen kam raus: erstens hat der WDR 2019 Frauen selbst davon abgeraten durch dunkle Gassen zu gehen, zweitens zeigen die Studien, auf die Quarks verweist nicht das was man behauptet. Eine sagt sogar explizit aus, dass Straßenbeleuchtung sehr wohl einen positiven Effekt auf die Kriminalitätsrate hat.

Doch mir macht etwas anderes Sorgen: Wie schnell man inzwischen bereit ist, die Sicherheit von Frauen hinten anzustellen. Denn auch die Studien, die angaben, eine Korrelation von Straßenbeleuchtung und Kriminalität sei eher unwahrscheinlich, sagten alle klar aus: die meisten Menschen haben in dunklen Gassen Angst. Sollte das nicht schon genug sein? „Eher unwahrscheinlich“ als Begründung reicht mir nicht. Ich habe Angst im Dunkeln.

Unsere Redakteurin Pauline Schwarz hat auf Berlins Straßen mit Frauen über die Quarks-Grafik gesprochen

Und ich sehe auch nicht ein, warum Quarks mir das aberziehen sollte. Und irgendwelche Studien, die sich irgendwelche Zahlen anschauen und dann zu dem Schluss kommen, dass sie da noch nichts finden konnten, können mich da auch nicht umstimmen. Ich habe Angst im Dunkeln, weil ich leben will. Seit ich vier Jahre alt bin, hat man uns im Kindergarten beigebracht, dass man sich schützen muss, weil da draußen böse Menschen laufen. „Geht auf dem Bürgersteig nicht zu nah an parkenden Autos vorbei, damit man euch nicht ins Auto ziehen kann.“, „Glaubt niemals Leuten die behaupten eure Eltern zu kennen.“, Öffne nie die Tür, wenn du alleine zu Hause bist.“, „Wenn ihr doch mal angegriffen werdet, siezt den Angreifer, damit man nicht denkt, er wäre ein Bekannter.“ Später wurden wir in der Schule befragt, ob uns schon mal ein Erwachsener gegen unseren Willen umarmt oder geküsst hat. Wir müssen körperliche Nähe nicht zulassen, wenn wir es nicht wollen. 

Ich hatte eine unbeschwerte Kindheit, trotzdem war ich nie naiv. Ich wäre nie mit einem fremden Menschen mitgegangen, auch nicht für Plüschtiere. Es ist wichtig Kindern früh beizubringen, dass die Welt gefährlich ist. Nicht um ihnen Panik zu machen, sondern um sie daran zu gewöhnen, Selbsterhaltungstriebe als normalen Teil des Lebens zu akzeptieren. Denn viele Taten können verhindert werden. Leider mussten für diese Erkenntnis erst Kinder in Autos gezogen, von angeblichen Bekannten der Eltern entführt werden, in ihrem eigenen Zuhause misshandelt werden, weil sie dem Falschen die Tür aufgemacht haben. Heute macht man Kindern Angst vor dem Klimawandel und Corona  – nicht nur Angst, sondern Panik. Das ist nicht das gleiche. Kein Kind sollte in Panik aufwachsen, weil Erwachsene ihre politische Agenda möglichst schnell und prägend weitergeben wollen. Erziehung sollte sich immer nach dem Wohl des Kindes richten. Heute bin ich Erwachsen. Jetzt haben es andere Menschen auf mich abgesehen. 2016 wurde ich daran erinnert, dass ich auch jetzt noch auf mich aufpassen muss. Damals war ich gerade 15 geworden, es war Sommer und heiß und ich hatte auf dem Weg zur Schule kurzes Kleidchen an. Und prompt wird ich von einem arabisch aussehendem Mann bespuckt. Mir hätte weitaus schlimmeres passieren können. Andere Mädchen hatten nicht so viel Glück.

Die Studentin Sophia L. 2018 zum Beispiel. Sie war per Anhalter zu einem fremden Mann in den LKW eingestiegen und wurde später als verbrannte Leiche in Spanien gefunden. Mir wurde immer gesagt, dass ich niemals zu Fremden ins Auto steigen darf – niemals. Doch das hatte man ihr nicht gesagt. Sie wurde mit dem Glauben an das Gute im Menschen erzogen und das hat sie zu leichter Beute gemacht. Morde werden von Mördern begangen. Vergewaltigungen von Vergewaltigern. Ich will auf keinen Fall die Schuld auf das Opfer abwälzen. Sie trifft keine Schuld. Doch hätte man sie gewarnt, hätte diese Tat verhindert werden können. Und wenn wir schon sie nicht retten konnten, sollten wir diese schreckliche Tat wenigstens als Warnung nutzen und jedes Mädchen in Deutschland warnen: Steig niemals zu Fremden ins Auto. Stattdessen nutzte Heinrich Bedford-Strohm ihre Trauerveranstaltung, um die Sätze zu sagen: „Vielleicht wäre sie noch am Leben, wenn sie aus dem Mißtrauen heraus gelebt hätte“ und dann: „Aber wäre das das bessere Leben gewesen?“ Diese Worte machen mich noch heute so unglaublich wütend. Das war damals für mich der Moment, in dem ich aufgehört habe, nur im Alltag auf meine Sicherheit zu achten und angefangen haben, politische Texte wie diesen zu schreiben. Denn damals wurde mir klar: Mein Leben interessiert niemanden. Wenn ich sterbe, nutzt man das aus, feiert sogar, dass ich brutal ermordet wurde, weil ich ohne Vorurteile durchs Leben gegangen bin. 

Doch Vorurteile sichern mein Überleben. Im Dunkeln ist für mich alles gefährlich. Jedes Rascheln, ob es nun ein Mörder ist oder ein Eichhörnchen. Jeder fremde Mann kann mich potentiell mit bloßen Händen umbringen oder aber beschützen. Wahrscheinlich sind die meisten Menschen ungefährlich, aber wenn ich einmal dem falschen nicht aus dem Weg gehe, könnte ich das mit meinem Leben bezahlen. Ich kann nicht wissen wer mich vergewaltigen will und wer nicht. Aber da ich diejenige bin die eine Fehlentscheidung mit dem Leben bezahlen kann und nicht so ein alter Sack wie Heinrich Bedford-Strohm, habe ich beschlossen, dass nur ich entscheide, ob und wie mein Leben etwas wert ist. Die zwei Sätze haben mir damals klar gemacht, dass ich mich nicht auf das Gute im Menschen vertrauen kann. Am Ende muss ich mich selbst beschützen, im Dunkeln bin ich ganz auf mich gestellt. 

Ich habe eine Zeit lang in einer ziemlich runtergekommenen Gegend in Rostock gelebt. Jeden Tag musste ich dort eine lange einsame Straße entlanglaufen. Kurz bevor ich dort hingezogen bin, gab es in dem Stadtteil einen Axtmord. Mir sind schon Männer hinterhergelaufen, haben mir am Supermarkt aufgelauert, komische Dinge hinterher gerufen, mich aggressiv gefragt, ob ich mit zu ihnen wollte. Im Winter wird es im Norden früh dunkel, den Tag musste ich die stockdunkle Gasse lang laufen. Um mich sicher zu fühlen, habe ich immer meinen Schatten der Straßenlaternen beobachtet. Wenn mir irgendjemand von hinten zu Nahe kommen sollte, würde ich das sehen. Ich würde wissen wann ich laufen muss und dafür musste ich nicht den ganzen Weg nach hinten über die Schulter schauen und mit ängstlicher Körpersprache womöglich signalisieren, dass ich leichte Beute bin. Ich konzentrierte mich immer auf meinen Schatten und hörte auf jedes Geräusch. 

Dieser Post vom WDR hat mich wieder an diese Sätze von damals erinnert, die all das in mir ausgelöst haben und die der Grund sind, weshalb Sie mich kennen. Und ich verspüre wieder diese Wut von damals. Dieses Mal ist es nicht die Nächstenliebe sondern „die Wissenschaft“, die mir aus ideologischen Gründen den Überlebenstrieb abgewöhnen wollen. Und sie hat nur ein „eher unwahrscheinlich“ zu bieten. Dafür soll ich potentiell mein Leben opfern, wenn ich gezwungenermaßen Abends von der Uni nach Hause durch eine dunkle Straße muss und den Mann mit dem Messer im Hauseingang nicht sehe. Unwahrscheinlich, ja. Aber trotzdem will ich, dass jedes Mädchen weiß: steig niemals zu Fremden ins Auto, gehe nie mit Fremden mit, wenn du bei einem Mann ein schlechtes Gefühl hast, wechsle die Straßenseite, hab Angst im Dunkeln. Das ist nicht irrational, das ist Selbstschutz. Es ist egal, ob du dann die Befindlichkeiten irgendeines Mannes verletzt – dein Leben ist das wert.


Unsere Chef-Redakteurin Elisa und unsere Redakteurin Pauline haben bei „Achtung Reichelt“ klargestellt, was sie von der „Quarks“-Kampagne halten. Das ganze Video findet ihr hier

 

Fotos von Luka Ljubicic


Zwischen Schießbefehl und Volksaufständen: Warum die Politik die Proteste diffamiert

Von Jonas Aston | Baerbock, Faeser, Scholz & co wird es langsam zu bunt. Das liegt nicht etwa daran, weil die Bundesregierung die Straßen farbenreich bestrahlen lassen möchte. Vielmehr liegt es an der Bevölkerung, die angesichts ihrer bald hineinflatternden Stromrechnungen mit den Hufen schart.  Die Bundesregierung hat zunehmend Angst vor „Volksaufständen“ und fürchtet sich vor einer „Delegitimierung des Staates“. Wer also heute von seinem per Grundgesetz gewährten Recht Gebrauch macht und auf die Straße geht, der ist ab sofort kein Demonstrant mehr, sondern ein „Delegitimierer“.

An dem Delegitimierungsbegriff wurde vieles zurecht kritisiert. Es bleibt festzuhalten, dass der Staat sich am Ende nur selbst delegitimieren kann. Fakt ist aber auch, dass immer mehr Bürger diese Regierung nicht mehr für legitim halten. Ich habe bei Apollo schon vor 6 Monaten einen Artikel über die Macht und die Legitimität des Staates geschrieben. Beide Begriffe gehören zueinander: niemals gibt es Macht ohne Legitimität und Legitimität nie ohne Macht. In diesem Sinne sinkt die Legitimität der Bundesrepublik schon seit einigen Jahren und hat insbesondere im letzten Corona-Winter abgenommen.

Damals hat der Staat die Kontrolle über Millionen von Bürgern verloren. Viele ließen sich nicht impfen, und dass obwohl den Ungeimpften über Monate die Luft abgeschnürt wurde, obwohl ein Klima von Hass und Hetze aufgebaut wurde. Jeden Montag gingen sogar weit über 100.000 Bürger auf die Straße. Die Bundesregierung hat vergangen Herbst und Winter einen Geist aus der Flasche gelassen, den sie nicht mehr einfangen kann. Für Ungeimpfte wurde künstlich eine existenzbedrohende Krisensituation aufgebaut, die viele weit vom Staat entfremdet, aber dafür umso mehr zusammengeschweißt hat. Inzwischen gibt es Demonstrationsstrukturen in jeder Kleinstadt. Menschen haben sich vernetzt, Routinen wurden etabliert. Hierdurch könnten in diesem Herbst und Winter die Proteste sehr schnell sehr hohe Dimensionen annehmen.

Im Umgang mit diesen Protesten hat die Politik im Kern nur zwei Möglichkeiten. Entweder man tritt mit den Demonstranten in den ernsthaften Dialog und ändert die Politik oder man versucht die Proteste mit allen mitteln zu diffamieren. Aus diversen Gründen wird die Politik nicht den inhaltlichen Austausch mit den Demonstranten suchen. Dafür ist die geäußerte Kritik viel zu grundsätzlich. In nahezu sämtlichen Themenbereichen haben die beiden Parteien, Demonstranten und Bundesregierung, die genau gegensätzliche Meinung. Wenn die Bundesregierung auch nur in einem Punkt Recht gibt, wäre dies zugleich ein Geständnis grundlegende Fehler gemacht zu haben. Das passt aber nicht in das Kontinuitätsprinzip und den inneren Logiken, den die Parteien anhängen. So werden natürlich immer mal wieder kleinere Fehler gemacht, im großen und ganzen habe man seine Sache aber gut gemacht. Und wenn doch mal etwas nicht klappt, dann liegt das natürlich nur an den Umständen… Putin zum Beispiel.

 

Die Politik macht sich also daran, die Demonstranten zu diffamieren und den Druck auf sie zu erhöhen. Nur so kann sie (versuchen) ihre eigenen Fehler zu kaschieren. In dieses Bild passt es, dass Nancy Faeser forderte, Protest ohne Demonstration auszudrücken. Der Verfassungsschutz erklärt die Demonstranten zu „Delegitimierern“ und Annalena Baerbock macht deutlich, dass man bloß nicht demonstrieren solle, weil dort mit „Volkasuafständen“ zu rechnen sei. Zum Glück haben wir noch Olaf Scholz. Der erklärte: „Niemand in diesem Land hat vor, dass auf Demonstranten geschossen wird“. Hoffen wir, dass es dabei bleibt. Bis dahin werde ich mir noch einige Walter Ulbricht-Reden anhören.