Liz Truss hätte eine gute Premierministerin werden können

Von Jonas Kürsch |  Liz Truss muss sich nach ihrem Rücktritt als Premierministerin viele Vorwürfe gefallen lassen: sie sei verantwortlich für die wirtschaftliche Krise des Landes, sie habe die konservative Partei gespalten und ihre eigenen Wähler hintergangen. Diese sind Aussagen kurzsichtig, populistisch und extrem realitätsfremd. Für mich wird Liz Truss als idealistischste Premierministerin des 21. Jahrhunderts in Erinnerung bleiben und ich glaube auch weiterhin, dass sie das Potenzial gehabt hätte, die beste Regierungschefin innerhalb Europas zu werden. Letztendlich scheiterte die glücklose Premierministerin am korrupten Zeitgeist des 21. Jahrhunderts und nicht an ihren Überzeugungen.

Das Tory-Establishment hat Truss nie als Vorsitzende akzeptiert

Ich selbst befand mich in England, als die Wahlkampagne der damaligen Außenministerin Truss bereits in vollem Gange war. Daher konnte ich den erbitterten Wahlkampf zwischen ihr und Ex-Finanzminister Rishi Sunak in den Tageszeitungen mitverfolgen. Truss bewies in dieser Zeit viel Mut: Sie kämpfte für Steuersenkungen, ein soziales (aber nicht sozialistisches) Wohlfahrtssystem und für eine Regierungspolitik, die den Wert der Freiheit wieder in den Fokus ihres Handelns stellen sollte. Ihr Ziel war klar: sie wollte Politik für die Bürger des Landes machen. In der Parlamentsfraktion wurde sie für diesen volksnahen Kurs schon früh geschmäht, was sich unter anderem darin zeigte, dass sich nur etwas mehr als ein Drittel der Tory-Abgeordneten für Truss als Regierungschefin aussprach. 

Anders als Partei- und Medienliebling Sunak wollte Truss die Kosten der Krise nicht auf den britischen Steuerzahlern abwälzen. Sie setzte sich für eine Politik des wirtschaftlichen Wachstums ein und wollte das Geld der Briten da lassen, wo es am besten aufgehoben ist: im eigenen Portemonnaie! Die Parteibasis goutierte diesen Optimismus, wählte sie zur Parteivorsitzenden und machte sie damit zur neuen Premierministerin der vereinigten Königreichs. Ich empfinde es daher auch als zutiefst verachtenswert, dass die meisten Parteifunktionäre sich vom ersten Tage an gegen Truss positionierten und den demokratischen Willen der konservativen Basis mit Füßen traten. Unter anderem spiegelte sich dies auch im Verhalten Sunaks wider, der dem ersten Tory-Parteitag nach der Vorsitzendenwahl fernblieb, um seine Abneigung gegenüber der amtierenden Premierministerin zum Ausdruck zu bringen. Dieses Verhalten lässt sich nur als hinterhältig bezeichnen.

 Die „Trussonomics“ waren wirksamer als das „grüne Wirtschaftswunder“ in Deutschland

Die Premierministerin war mit dem Motto „Trusted to deliver!“ ins Amt gewählt worden – und dementsprechend handelte Truss auch! Anders als die deutschen Umfaller-Liberalen versuchte Liz Truss ihre Wahlkampfversprechen tatsächlich umzusetzen: Steuersenkungen und eine Ankurbelung der Wirtschaft durch Deregulierung standen ganz oben auf ihrer Agenda. Es ist daher sehr schade, dass im Grunde alle politischen und gesellschaftlichen Meinungsmacher vom ersten Tage an gegen die „Trussonomics“ gewettert haben, ohne den ökonomischen Rezepten der Premierministerin auch nur den Hauch einer Chance zur Entfaltung zu geben. Neben den Medien (rechts und links) sowie ihren eigenen „Parteifreunden“, kritisierte selbst der Internationale Währungsfond das Vorgehen der Premierministerin – und derartige Interventionen sind eigentlich ein absolutes No-Go. Man könnte die Anti-Truss-Rhetorik der vergangenen Wochen daher auch ganz plump als polemische Diffamierungskampagne bezeichnen.

Und ja, ich gebe natürlich zu, dass die britische Wirtschaft momentan nicht floriert. Aber jetzt mal ehrlich: ich finde es ein bisschen billig, dass gerade auch die deutschen Medien es bei einer heimischen Inflation von über 10% wagen, die (gerade erst ins Amt gewählte) britische Regierung für eine vergleichbare Rate zu schmähen. Während man bei Robert Habecks katastrophaler Wirtschaftspolitik immer noch vom „grünen Wirtschaftswunder“ berichtet, wurde Truss als eine Art „neoliberale Voodoo-Priesterin“ verunglimpft – geht’s noch? Nur selten wird hingegen erwähnt, dass sich die Unternehmensstimmung in Großbritannien im September wesentlich weniger schlecht unter Truss’ Regierung entwickelt hatte, als ursprünglich erwartet wurde. Auch wenn die Bilanz der Premierministerin alles andere als berauschend ist, muss man doch anerkennen, dass das finanzpolitische Chaos unter anderen Regierungschefs in Europa nicht viel besser ausfällt.

Schon Donald Trump hat während seiner Amtszeit bewiesen, dass niedrige Steuern gepaart mit wirtschaftlicher Deregulierung die Unternehmensbildung antreiben, wodurch sich wirtschaftsschwache Regionen langfristig erholen können. Allerdings ist dieses Ziel nicht vom einen auf den anderen Tag erreichbar. Kein Regierungschef der Welt hätte innerhalb von etwas weniger als 50 Tagen eine derartige Erholung der Wirtschaft bewirken können.

Truss wurde von ihren Parteikollegen gemeuchelt

Nachdem sich führende Funktionäre der Tories gegen Truss verschworen hatten, blieb ihr nichts anderes übrig, als eine Kehrtwende nach der anderen einzuleiten. Ihr einstiger Ruf als „zweite eiserne Lady“ war fort. Anders als Margaret Thatcher, die mit dem Schlagwort “the lady’s not for turning“ in die Geschichtsbücher eingegangen ist, wird Truss den Briten als Premierministerin der dutzenden U-Turns in Erinnerung bleiben. Allerdings ist das nicht allein ihre Schuld, schließlich konnte sie sich, anders als die echte Iron Lady, leider nie auf eine parlamentarische Mehrheit verlassen, die sie bei ihren Vorhaben unterstützen würde.

Medial wird sie inzwischen mit Julius Cäsar verglichen, allerdings nicht in Anlehnung an dessen starkes Auftreten oder sein Erscheinungsbild als politische Führungspersönlichkeit, sondern wegen seiner brutalen Entmachtung an den Iden des März; letztlich wurde die Premierministerin (symbolisch gesehen) ebenfalls von ihren Parteikollegen im Unterhaus gemeuchelt. Gut beschrieben wurden die Ereignisse von der zurückgetretenen Innenministerin Suella Braverman, die das innerparteiliche Verhalten zutreffend als „inszenierten Putsch“ bezeichnete.

Ich bedauere das sehr, denn Truss hatte viele überzeugende Ideen, mit denen sie das Land auf lange Sicht fundamental hätte erneuern können. Man hätte der Premierministerin die volle Karenzzeit von einem Jahr gewähren müssen, die jedem neugewählten Parteivorsitzenden der Tories eigentlich laut parlamentarischer Satzung zusteht. So hätte sich die wirtschaftliche Vision von Truss bis zur nächsten Parlamentswahl auch voll entfalten können. Schade nur, dass die Konservativen offensichtlich lieber mit Staatsschulden-Sunak oder der woken Penny Mordaunt ihre Politik des ewigen „Weiter-So“ fortsetzen wollen. Ihre alte Reputation aus Thatcher-Tagen wird die konservative Partei damit garantiert nicht zurückerlangen.




Veni, vidi, vici: Meloni hat die Wahl gewonnen, verhandelt und die schnellste Regierung in der italienischen Geschichte gebildet

Von Elena Klagges | Nicht mal einen Monat nach den Wahlen in Italien am 25. September steht nun seit gestern die neue Regierung in Rom. Freitag Abend hatte der Staatspräsident Mattarella die Wahlsiegerin Giorgia Meloni mit der Regierungsbildung beauftragt; Samstag, den 22.10.2022 wurde sie im Quirinalspalast samt ihrer 24 Minister vereidigt.

Typisch italienisch war der Start etwas chaotisch: Nachdem Meloni die Liste der Minister verlesen hatte, verlautbarte man eine Stunde später die Meldung, dass zwei Posten falsch von alten Listen transkribiert wurden. Es handelt sich um die Posten im Ministerium für den ökologischen Übergang (Umwelt und Sicherheit der Energie) und im Ministerium für Öffentliche Verwaltung, die richtigerweise nun von Gilberto Pichetto Fratin und Paolo Zangrillo besetzt werden.

Im Übrigen fällt auf, dass Meloni sich nach einigen Diskussionen mit ihren Partnern Salvini von der Lega und vor allem dem Cavaliere Berlusconi durchgesetzt und eine Mannschaft zusammengestellt hat, deren Zusammenarbeit in der Zukunft planvoll und vertrauensbasiert für die ganze Legislaturperiode halten könnte. Man kann zwar vielleicht nicht von dem Dream-Team sprechen. Dennoch sieht man mit Ausnahme des politischen Veteranen und neuen Wirtschafts- und Finanzminister Giancarlo Giorgetti (Lega), der schon in den Kabinetten von Conte I, II und Draghi saß, viele neue Gesichter, die frischen Wind in Italiens Kurs bringen könnten.

Das Mitte-Rechts-Bündnis hat sich fairerweise für zwei Vize-Präsidenten entschieden: Zum einen Matteo Salvini (Lega), der nicht wie Anfangs teilweise erwartet erneut das Innenministerium übernimmt, sondern das Ministerium für Infrastruktur und nachhaltige Mobilität (auffällig sind einige Bezeichnungen der Ministerien vor dem Hintergrund der gegenwärtigen ,,Krisen’’ schon…). Und zum anderen der Außenminister Antonio Tajani (Forza Italia), der entgegen internationalen pre-Wahlkampf Pressestimmen einen atlantikorientierten und europafreundlichen Kurs einschlagen wird.

Auch die Wirtschaftssektoren wurden relativ gleichmäßig unter den Partnern verteilt, wobei Melonis Fratelli d’Italia mit dem Landwirtschafts- und Entwicklungsministerium und dem Ministerium für Tourismus den industriellen und produktiven Schwerpunkt übernehmen.

Im Gesundheitsministerium sitzt Prof. Orazio Schillaci, bisher weitgehend unbekannt in der politischen Öffentlichkeit, was auch ein Zeichen dafür sein könnte, wie man die Corona-Pandemie in Italien zukünftig sieht. Schon Tage nach der Wahl fielen erfreulicherweise weitere verpflichtende Gesundheitsregelungen, doch bleibt dies als rein vorausdeutende Einschätzung abzuwarten.

Nennenswert fällt auf, dass im Vergleich zu den erreichten Wählerstimmenanteilen des Mehrheitspartners Fratelli d’Italia mit 26%, die beiden unterrepräsentierten Allianzparteien Forza Italia und Lega mit jeweils knapp 8% überdurchschnittlich viele Ministerien zugesprochen bekommen haben.

Böse Stimmen deuten dies als Schwäche Melonis und auch die feministischen Lobgesänge blieben erstaunlicher aus. Komisch, vor dem Hintergrund, dass Giorgia die erste Frau im Posten des italienischen Ministerpräsidenten ist. Zumal sie es ohne Quotenregelungen aus eigenem Antrieb in diese Position geschafft hat und innerhalb kürzester Zeit die schnellste Regierung in der Geschichte Italiens seit 1945 bilden konnte. Doch auf der anderen Seite: Sie steht für den Geschmack der Linken auf der ,,falschen’’ ideologischen Seite und bei der Vereidigung ihrer Regierung wurden ausnahmslos Hosenanzüge geraten; kein einziger Rock ist auf dem Foto zu sehen, nicht einmal von einem Mann getragen (wie es Brad Pritt bei der Deutschlandprämiere seines Film ,,Bullet Train’’ doch so schön vorgemodelt hat).

Oppositionsstimmen aus dem linken Lager, die in den Medien auch weiterhin noch tief infiltriert sind und ihre Niederlage noch nicht akzeptieren können bzw. wollen, sagen der neuen Regierung nur eine kurze Überlebensdauer voraus und werden keinen Fehler ungenannt lassen. Ironischerweise sind es in den vergangenen Jahren allerdings die mit nur sehr knapper Mehrheit gebildeten Linksbündnisse gewesen, die durchschnittlich die kürzesten Regierungszeiten ausgehalten haben. Seit Ende des 2. Weltkrieges waren es vor allem Berlusconis Regierungszeiten von 2001 bis 2006 und von 2008 bis 2011, die von gewisser Stabilität geprägt waren.

International trafen Glückwünsche vom Präsidenten des Europäischen Rates Charles Michel, von Selenskyj, Biden, Victor Orban und scheinheilig auf italienisch von der europäischen Kommissionspräsidentin van der Leyen ein, nachdem sie noch im Wahlkampf gedroht hatte, man habe Instrumente, falls die neue rechte Regierung sich in eine schwierige Richtung entwicklen würde.

Schaut man mal auf die Europakarte, könnte Italien zukünftig mit den gleichgesinnten Staaten Schweden, wo seit letzter Woche (14. Oktober) ein konservativer Regierungskurs eingeschlagen wurde, und Ungarn die neue politische Banane neben der blauen Wirtschaftsbanane des französischen Geographen Roger Brunet bilden. Wobei die Franzosen auch dieses Mal mit von der Partie sein wollen. Schon heute, am Sonntag, den 23.10.2022 wird Macron nach Rom reisen und sich mit Meloni austauschen. Ein deutliches Signal und Symbol angesichts der angespannten Verhältnisse beider Länder gegenüber Deutschland wegen der staatlichen Energiesubventionierung in Höhe von 200 Milliarden Euro.




Exklusiv bei Apollo: Die Kunst des Beachings. Erkenntnisse aus 150 Strand-Studien

Von Larissa Fußer | Deutschland ist mal wieder im Panikmodus. Nach zwei Jahren Corona-Alarmzustand umgeben uns jetzt Preissteigerungen und Blackout-Angst. Für viele Deutsche Grund genug, dem Wahnsinn zu entfliehen und sich in den nächsten Billigflieger in die Sonne zu stürzen – so lange man es sich noch leisten kann. Doch auch ein Strandurlaub ist kein Zuckerschlecken (manchmal ist der Caipirinha an der Beach-Bar irritierend sauer) – das zeigen aktuelle Apollo Recherchen auf den Kanaren. Unsere Redaktion hat exklusiven Zugriff auf ein Dokument der deutschen Extrem-Beacher erhalten, das nun erstmals an die Öffentlichkeit gelangt. Lesen Sie hier exklusiv die Studienergebnisse jahrelanger Beaching-Studien der deutschen Beach-Bezwinger-Gesellschaft:

Exklusiver Report: „How To Beach“ – Wissenschaftliche Erkenntnisse aus 150 randomisierten doppelt-verblindeten Strand-Studien 

Seit Fernreisen auch für einkommensschwache Haushalte erschwinglich geworden sind, tummeln sich auf der ganzen Welt sonnenhungrige Strandbesucher aller Couleur und Klassen. Während die Mehrheit der Strandbesucher sich mit grundlegenden Beaching-Methoden à la Handtuch + Sonnenbrille begnügt, hat sich unter den ambitionierten Strandgängern die Kunst des Extrem-Beachings etabliert. Natürlich gewachsen aus dem inhärenten Perfektionsdrang des allgemeinen Beach-Bezwingers, wurden mit den Jahren zahlreiche Methoden entwickelt, die den Strandbesuch nicht zu einem zufällig schönen – sondern zu einem planbar fantastischen Erlebnis machen. Obgleich Extrem-Beaching eine Wissenschaft ist, die sich durch ständige Evaluierung neuer bahnbrechender Innovationen auszeichnet, konnte die deutsche Beach-Bezwinger-Gesellschaft in zahlreichen Studien erstmals den aktuellen Gold-Standard des Beachings ermitteln. In Folge werden die wichtigsten Forschungsergebnisse prägnant zusammengefasst. 

1. Das Mitführen eines Windzeltes ist nicht fakultativ, sondern zwingend

Es mag Amateur-Beacher überraschen, doch die Faktenlage ist bestechend: Ein Urlaub ohne Windzelt ist möglich, aber sinnlos. Egal ob leichte Brise oder starker Sturm – ein gutes Windzelt macht aus einer zugigen Angelegenheit verlässlich eine Brutzel-Wonne erster Klasse. Und es gibt noch weitere Vorteile: Einzelfallberichte weisen daraufhin, dass der Anblick von jungen Damen, die im Bikini ein Windzelt aufbauen, zumindest in nordischen Völkern beim männlichen Geschlecht zu Endorphinausschüttungen führt. Aber Achtung: Die Auswahl des Windzeltes ist mit äußerster Besonnenheit zu treffen. Empfohlen werden Zelte mit Stangen, die nicht erst zusammengesteckt werden müssen, sondern durch moderne Kordeltechniken mit einer Zugbewegung an einem Seil aufgestellt werden können. Heringe zur weiteren Befestigung des High-Performer-Windschutzes sind Pflicht. 

2. Die Wahl der Kopfbedeckung muss von Umweltfaktoren anhängig gemacht werden

Kaum ein Thema wird von Extrem-Beachern so kontrovers diskutiert wie die Wahl des Kopfschutzes. Während die einen überzeugt davon sind, dass nur ein unbedeckter Kopf eines Extrem-Beachers würdig ist, schwören andere auf Wind- und/oder Sonnenschutz durch Basecaps, Strohhüte und Bandanas. Gerüchten zufolge wurden unter Beaching-Koryphäen sogar  vereinzelt gewaltsame Auseinandersetzungen beobachtet: Die deutsche Beach-Bezwinger-Gesellschaft konnte einen Fall bestätigen, bei dem eine Extrem-Beacherin am Strand eine Kombination aus Bandana, Basecap und Sonnenbrille getragen hatte, um gleichermaßen gegen Sonne und Windsausen an den Ohren geschützt zu sein – daraufhin war ihre Kollegin so entrüstet gewesen, dass sie mit der flachen Hand in einer schlagenden Bewegung, die gemeinhin als „Klaps“ bezeichnet wird, den Oberschenkel der Bandana-Trägerin angriff. Um künftig eskalative Auseinandersetzungen wie diese zu vermeiden, empfiehlt unsere Expertenkommission folgende Kopfbedeckungs-Leitlinie: Sobald ein Vertreter des anderen Geschlechts im relevanten Alter in Sichtweite erscheint, sind sämtliche Kopfbedeckungen abzusetzen. Dabei ist darauf zu achten, dass sie nicht in theatralischer Manier dem Haupte entrissen, sondern vielmehr „wie nebenbei“ entfernt werden. Ausnahmen von dieser Regel sind bei besonders windigen Böen oder starkem Sonneneinfall möglich, müssen aber im Plenum der Extrem-Beaching-Gruppe besprochen und entschieden werden. 

3. Richtig Sitzen ist nur mit viel Übung und den geeigneten Hilfsmitteln möglich

Beaching-Beginner krümmen sich bis heute in unmenschlichen Positionen auf ihrem Handtuch zusammen, um ein Buch zu lesen oder Nachrichten auf dem Smartphone zu schreiben. Dabei ist unter Extrem-Beachern längst Konsens, dass eine gewisse Körperhaltungs-Awareness Grundlage eines jeden professionellen Beach-Besuchs darstellt. Die Wahl von Hilfsmitteln kann hier hilfreich sein. Zum Schreiben von wissenschaftlichen Arbeiten am Strand empfiehlt sich zum Beispiel ein Kissen, das im hinteren Gesäßbereich platziert wird und so längeres, wirbelsäulenschonendes Sitzen ermöglicht. Fortgeschrittene können auch einen Strandstuhl einsetzen – hier ist jedoch Vorsicht geboten. Werden Strandstühle von Extrem-Beachern unter 50 Jahren verwendet, darf dies nur mit einer gleichzeitig demonstrativ dargestellten Gelassenheit erfolgen. Diese als „Coolness“ bekannte Selbstdarstellung ist absolut notwendig, da ohne sie die Strandstuhl-Nutzung von anderen Strandbesuchern schnell als „cringe“ bezeichnet werden könnte. Dies muss unter allen Umständen vermieden werden.

4. Kühltaschen sind kein Luxus, sondern gehören zur Basisausrüstung

Ein wichtiger und über Generationen perfektionierter Teil des Extrem-Beachens ist die Planung der kulinarischen Strandversorgung. Zu diesem Zweck hat sich international die Methode „Kühltasche“ durchgesetzt. Nur durch diese innovative Möglichkeit der Speiselagerung können besonders Fleischwaren und Süßigkeiten problemlos auch nach mehreren Stunden Strandaufenthalt verzehrt werden, ohne dass Abstriche in der Konsistenz und Qualität der Produkte in Kauf genommen werden müssen. Wichtig ist hier die Beachtung des Taschendesigns – dem Erfahrungsbericht eines Extrem-Beachers zufolge, birgt zum Beispiel die Auswahl eines Modells in giftgrünen und knallvioletten Farben mit Vogel- und Palmen-Motiven ein eskalatives Konfliktpotential. Wie das langjährige Mitglied der Beach-Bezwinger-Gesellschaft berichtete, wurde seine Auswahl von anderen Beaching-Kollegen als „voll hässlich“ und „peinlich“ bezeichnet. Wer diese Vorwürfe nicht mit absoluter Überzeugung von sich weisen kann, sollte also bestenfalls schon beim Kauf der Tasche Rücksicht auf ästhetische Aspekte nehmen. 

5. Beaching-Präventionsmaßnahmen sind nicht zu vernachlässigen

Bislang wurde von vielen angehenden, aber auch von vereinzelten fortgeschrittenen Beachern die Beaching-Vorbereitung stiefmütterlich behandelt. Zu Unrecht – wie die Schilderung einer Extrem-Beacher-Gruppe zeigt, die ihren Fall kürzlich bei einer Tagung der Beach-Bezwinger-Gesellschaft vorgestellt hat. Die drei Profi-Strandbesucher hatten sich für die Sommermonate vorgenommen, neue Beaching-Areale zu erkundigen. In langen Recherchen wurden unterschiedliche Beach-Locations abgewogen, Strände und Umgebung über Bilder auf Google Maps analysiert und Flüge und Unterkünfte mit großer Einsatzbereitschaft verglichen. Schließlich fiel die Wahl auf einen kleinen Ort in Griechenland. Motiviert und voll ausgerüstet mit Kopfbedeckungen, Tüchern und Strandkissen stürzten die Extrem-Beacher schließlich an den neuen Strand – und waren schockiert. Der ausgewählte Beach bestand ausschließlich aus großen Kieselsteinen – absolut ungeeignet für die importierte Beach-Ausrüstung der Profi-Beacher. Aufgebracht riefen sie die Google Bilder auf, die sie für ihre Recherche verwendet hatten – dort sah der Kies wie grober weißer Sand aus. Doch als die Beacher dann die Google-Kommentare aufriefen war die Ernüchterung groß – dort hatte Amateur-Strandbesucher eindeutig von den Kiesbedingungen berichtet. Die Extrem-Beacher hatten nun die Folgen ihrer mangelnden Beach-Entäuschungs-Prävention zu tragen. 

Ausblick: Extrem-Beaching goes global

Die genannten Erkenntnisse der Beaching-Forschung sind ein großer Fortschritt in der Kunst des Extrem-Beachings. Die deutsche Beach-Bezwinger-Gesellschaft hat es sich daher zum Ziel gemacht, ihr Wissen auch für Amateur-Strandgänger zugänglich zu machen. Besonders möchten wir unser Wissen auch außerhalb der europäischen Grenzen verbreiten – deshalb planen wir Kooperationen mit Thailand und der Dominikanischen Republik. Auf Seminaren sollen Themen wie „Professional Beach-Chairing“ und „Wind Defence“ gemeinsam erarbeitet und geübt werden. Interessenten können sich beim Sekretariat der Beach-Bezwinger-Gesellschaft melden. 


Der Niedergang von Liz Truss

Von Jonas Kürsch | Nach gerade einmal 6 Wochen im Amt gab die britische Premierministerin Liz Truss heute  ihren Rücktritt von der britischen Regierungsspitze bekannt. Sie erklärte, dass sie ursprünglich mit der Vision ins Amt gewählt worden sei, durch starke Steuersenkungen  ein hohes Wirtschaftswachstum zu generieren. Diesem Mandat habe sie nicht gerecht werden können. König Charles III. sei über ihren politischen Rückzug bereits informiert. Sie wird damit als kürzeste Regierungschefin in die Geschichte des vereinigten  Königreichs eingehen. 

Das Kabinett Truss stand von Anfang an in keinem guten Licht  

Schon zu Beginn ihrer kurzen Amtszeit sah sich die scheidende Premierministerin mit  einer ersten nationalen Katastrophe konfrontiert: Nur einen Tag nach ihrer Ernennung war die Queen im Alter von 96 Jahren verstorben. Im Rückblick erscheint das Ableben der  Monarchin fast schon wie ein düsteres Omen, denn fortan würde das Kabinett Truss in  keinem guten Licht mehr stehen.  

Der vom ehemaligen Finanzminister Kwarteng angekündigte Mini-Haushalt, die massiven  Pläne zur Steuersenkung und Truss’ Versprechen durch Deregulierung das  Wirtschaftswachstum in Großbritannien voranzutreiben, wurden vom ersten Tage an  medial zerrissen. Infolge von sinkenden Umfragewerten wurde die Regierungschefin  massiv von namenhaften Abgeordneten angegriffen. Um einer partiinternen Revolte zu  entgehen, versuchte Truss die Partei mit einer 180-Grad-Wende zu beschwichtigen und  ersetzte Kwarteng mit Jeremy Hunt, einem ihrer ärgsten Kritiker. Der neue Finanzminister strich kurzerhand ihre Steuerpläne und das Sparbudget, womit er dem Wirtschafts- und Finanzprogramm der Premierministerin de facto den Todesstoß versetzte. 

In den Reihen ihres eigenen Lagers führte dieser Personalwechsel zu massiver  Frustration. Auch konservative Hardliner wandten sich enttäuscht von der Premierministerin ab, zuletzt die Innenministerin Suella Braverman, welche erst gestern  Abend ihren Rücktritt eingereicht hatte. Sie begründete diesen Schritt unter anderem  auch mit eigenen Fehlern, stellte aber klar, dass sie vor allem über die vielen  Abweichungen vom konservativen Wahlprogramm nicht länger hinwegsehen wolle, unter anderem im Hinblick auf die Bekämpfung illegaler Migration. Zwar ersetzte Truss die Innenministerin schnell mit Grant Shapps, einem weiteren parteiinternen Kritiker, doch letztlich war es für die Premierministerin unmöglich geworden die Regierungsgeschäfte in  diesem Chaos zu leiten. 

Parteikollegen sprechen von „inszeniertem Putsch“  

Der erzkonservative Parteiflügel hatte zuvor bereits großes Entsetzen über den Umgang  mit der Premierministerin geäußert. Die zurückgetretene Innenministerin warf den  Zentristen gar einen „inszenierten Putsch“ vor. Darüber hatte Braverman sich besonders enttäuscht gezeigt. Es ist noch unklar, ob es nach diesen Entwicklungen zu Neuwahlen in Großbritannien kommen wird, im Moment gilt dies jedoch als unwahrscheinlich. Die Tories haben bereits angekündigt in den kommenden Wochen einen neuen Premierminister aus ihren eigenen Reihen wählen zu wollen. Wer genau das sein könnte, bleibt vorerst  ungewiss.




And the Winner is: Diversity und Ekel-Sexszenen. Kunstmensch Kim de l’Horizon gewinnt den deutschen Buchpreis

Von Elena Klagges | Am Montag wurde in Frankfurt der Deutsche Buchpreis 2022 verliehen. Der/Die/Das Gewinner*(in) ist Kim de l’Horizon für das Buch ,,Blutbuch’’. (Der Name ist natürlich ein Pseudonym – falls hier jemand auf dem Schlauch steht). Es ist im DuMont Verlag erschienen, wird als autofiktive Biographie und Familiengeschichte für rund 24€ verkauft und hat viel Diskussion in der Literaturszene und in den sozialen Medien ausgelöst.

Vorweg gebe ich ganz ehrlich zu: Ich habe den Roman nicht gelesen. Mir ist schon nach dem ersten Überfliegen einiger Textpassagen bereits im Vorhinein die Leselust an diesem Werk derart vergangen, dass ich keine weitere Sekunde mit diesem Buch verbringen wollte. Kostprobe gefällig? ,,Ich spüre meinen Körper nur, wenn ich ihn fortgebe, wenn ich ihn anderen anbiete, jemensch in mich eindringt, die selbst errichteten Grenzen meines Körpers durchdringt und sich dahinter hinterlässt. Ich habe nicht das Bedürfnis, Schwänze in mir zu spüren, ich habe das Bedürfnis, mich (sic!) zu spüren […]’’. Also ich weiß ja nicht, wie es euch geht, aber für mich ist das eine sprachliche Vergewaltigung, in dessen Vergleich der erotische Liebesroman ,,Fifty Shades of Grey’’ von E. L. James wie ein Goethe oder Schiller dasteht.

Wer die Lobhudelei liest, kriegt Kopfschmerzen

Doch die „Kunstszene“ sieht das offenbar anders. Sie hat Kim de l’Horizon mit Lob und Applaus überschüttet. Das Buch spiegele mit einer enormen Diversität an Sprachbildern den Pluralismus der Gesellschaft wider. So deutet schon der Titel ,,Blutbuch’’ eine familiäre Herkunftsgeschichte an. Die Blutbuche ist nämlich eine Mutation der Rotbuche, beides imposante Bäume aus der Familie der Fagaceae und Grundlage für das (angeblich anspruchsvollste) dritte Kapitel über ihre Naturgeschichte und das Phänomen der Stammbäume. 

Kriegt ihr auch Kopfschmerzen, wenn ihr sowas lest? Aber es ist leider noch nicht vorbei: Außerdem transferiere die Metapher der Großmutter als ,,Großmeer’’, aus dem sich das Kind als kleiner Fisch freischwimmt und im Verlauf der Geschichte sein freies ,,Ich’’ sucht, die – sehr langsam und komplexe – Loslösung von der hetero-normativen und dualistischen Geschlechterordnung. AHHHH, MIGRÄNE!

Falls hier jemand aus Hintertutzigen kommt und kein Wort von dem versteht, was ich hier wiedergebe: Kim versteht sich als sogenannter „non-binärer“ Mensch und hat über zwölf Jahre an diesem Debüt-Roman gearbeitet. Er/sie/es (das passende Pronomen hat Kim noch nicht mitgeliefert) ist schweizer Staatsbürger und hat neben Film- und Theaterwissenschaften in Zürich auch Germanistik (!) und Literarisches Schreiben an dem Literaturinstitut in Biel studiert. Auftreten tut diese Person äußerlich als Mann im Frauenkostüm, sehr akkurat und (to be fair) fast beneidenswert gut geschminkt.

Und dann rasierte er sich auch noch bei der Preisverleihung die Haare ab

Die Jury begründete ihre Entscheidung mit den Worten: ,,Mit einer enormen kreativen Energie sucht die non-binäre Erzählfigur in Kim de l’Horizons Roman „Blutbuch“ nach einer eigenen Sprache. Welche Narrative gibt es für einen Körper, der sich den herkömmlichen Vorstellungen von Geschlecht entzieht? […] Jeder Sprachversuch, von der plastischen Szene bis zum essayartigen Memoir, entfaltet eine Dringlichkeit und literarische Innovationskraft, von der sich die Jury provozieren und begeistern ließ.“

Doch damit nicht genug. Bei der Preisverleihung rasierte sich Kim plötzlich auch die Haare mit einem aus der Silbertasche herbeigezauberten Rasierer ab (bei der Google-Info heißt es, Kim habe auch Hexerei studiert), um wohl Solidarität mit den iranischen Frauen zu zeigen. Denn – so denkt er/sie/es wohl – nicht nur Frauen sollten das Recht haben, sich mit den iranischen Frauen durch die Haarschneide-Aktion zu solidarisieren. (Wie kann man nur so ekelhaft egozentriert sein).

Ich habe den Eindruck, dass der Deutsche Buchpreis 2022 nicht für literarische Leistung, sondern für woke Symbolpolitik im Zeichen der genderfluiden Toleranz verliehen wurde, bei der die Zugehörigkeit zu einer Minderheit als Qualitätsmerkmal gilt. Diese skandalöse Entscheidung wird für den sowieso schon angeschlagenen Buchhandel mit Blick auf die langsam näher kommende Weihnachtszeit kein Geschenk gewesen sein. 

https://twitter.com/das_topmoppel/status/1582283539956891648?s=61&t=lOhYk3fXG0o-nmE5tpv8fg

„Schaffen“ wir das nochmal?

Von Katharina Benjamine | Wir wohl später weinen und lachen über die aktuell verrückten Zeiten. Aber auch davor gab es schon Jahre, in denen Deutschland große Herausforderungen bewältigen musste, wie zum Beispiel im Jahr 2015 und alles deutet darauf hin, dass auch das nächste Jahr nicht ausgenommen ist. Obwohl Corona mit uns abgeschlossen hat, kommen unsere Politiker von ihren Trennungsängsten nicht los – dabei rollen schon die nächsten Krisen auf uns zu. Energiekrise, Wirtschaftskrise – Flüchtlingskrise? 

Da sich die Lage in der Ukraine immer weiter zuspitzt, warnen Migrationsforscher vor der Flüchtlingswelle, die uns im Winter überwältigen könnte. Sollte im Winter dort durch russische Angriffe die Strom- oder Wärmeversorgung nicht funktionieren, könnte dies einen weiteren Anstieg der Flüchtlingszahlen bewirken. Dieses Szenario ist nicht weit in der Zukunft und doch ist Deutschland nicht vorbereitet oder gar bereit, die nötigen Schritte zu gehen. Die ukrainischen Flüchtlinge sind weiter ungleich in Europa verteilt und nicht nur Bund und Länder, sondern auch allen voran Landkreise und Kommunen in Deutschland kommen an ihre Grenzen. Auch viele Ehrenamtliche Helfer werden wahrscheinlich aufgrund der immensen Kosten im Winter keine Flüchtlinge privat aufnehmen können. Dieses Jahr sind wieder so viele Menschen wie zuletzt 2015 nach Deutschland geflüchtet und nun leben mehr als 84 Millionen Menschen hier, weshalb die Infrastruktur erweitert werden müsste.

Die eigentliche Herausforderung liegt aber nicht an der Unterbringung und Versorgung ukrainischer Flüchtlinge, sondern an der massiven illegalen Einwanderung über die Balkanroute. Laut der Bundespolizei sind dieses Jahr ungefähr 56.800 Menschen illegal eingereist, was einen Anstieg von 60 Prozent im Vergleich zum vergangenen Jahr bedeutet. Alarmierende Zahlen, welche sogar unsere Bundesinnenministerin Nancy Faeser wachrufen. Plötzlich sehr besorgt, sollen Grenzkontrollen verlängert und die gemeinsame Verantwortung übernommen werden, um illegale Einreisende zu stoppen. Im März hat Faeser noch geschlummert und als der CDU- Vorsitzende Friedrich Merz äußerte, dass man nicht wüsste, wer genau an den Grenzen ankommt, appelliert Faeser an das Recht einer freien Bewegung für Flüchtlinge. Sie versicherte auch, dass Terroristen nicht versuchen würden, über die Ukraine nach Deutschland zu kommen – natürlich klopfen sie vorher an. Mittlerweile zeigen Berichte des Bundesnachrichtendienstes das genaue Gegenteil. Die Schleuser haben ihr Netzwerk vergrößert und bringen illegale Einreisende aus dem Nahen Osten, Afrika und Zentralasien nach Westeuropa.

Merz äußert sich in einem Interview mit t-online zu dem Thema und erklärt, dass das Problem der illegalen Einwanderung durch die Politik noch verschärft wird. Das Innenministerium setzt sich für die Abschaffung der Identitätsnachweispflicht ein und möchte stattdessen eine Versicherung an Eides statt, also die förmliche Bestätigung der Wahrheit der angegebenen persönlichen Daten. Merz meint dazu: „Die Rückführung von abgelehnten Asylbewerbern ist schon jetzt auf einem sehr niedrigen Niveau, von einer Ausweitung der Liste „sicherer Herkunftsstaaten“ ganz zu schweigen. Die Bundesregierung verwischt systematisch die Grenzen des Migrationsrechts.“. 

Ob das Resultat für unsere Ampel-Regierung auch mit einem Preis des UNHCR (United Nations High Commissioner for Refugees), wie für die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel belohnt werden wird, steht noch offen – allerdings wird die Rechnung, wie auch im Jahr 2015, nicht von den Politikern bezahlt werden.

Bildquelle: Wikimedia Commons via CC-BY SA 3.0




Lasst die Schuhe an und die Unis auf!

Von Elena Klagges | Semesterstart an den Universitäten in Deutschland und auf den ersten Blick scheint alles zur alten  pre-pandemischen Ausgangssituation zurückgekehrt zu sein. In der Rundmail des Rektors heißt es, dass die Lehrveranstaltungen im Wintersemester 2022/23 in der Regel in Präsenz stattfinden sollen. Zwar ist die Anwesenheitspflicht bei einigen Veranstaltungen durch die Corona-Epidemie-Hochschulverordnung (CEHVO) noch ausgesetzt, aber wenn man den Campus betritt, sieht man glücklicherweise viele alte Gesichter und die Studenten scheinen sich wieder nach dem persönlichen Austausch zu sehnen. Und auch den Erstsemestern wird der übliche Start in ihren neuen Lebensabschnitt ermöglicht. Vergangene Woche konnte man überall in der Stadt Grüppchen bei der Stadtralley beobachten und im Supermarkt hörte man interessierte Kennenlern-Gespräche, während ein Bierchen für den Weg gekauft wurde.

Soweit die gute Nachricht. Dann heißt es aber weiter in der Mail, die Uni sei verpflichtet, mindestens 20% des durchschnittlichen Energieverbrauchs der vergangenen fünf Jahre einzusparen. Grundlage dafür ist unter anderen die Kurzfristenenergieversorgungssicherungsmaßnahmenverordnung (EnSikuMaV); was die schöne deutsche Sprache der Dichter und Denker nicht alles ermöglicht! 

Zu den zentral organisierten Energiesparmaßnahmen zählen die Absenkung der Raumtemperatur auf maximal 19 Grad Celsius, ein eingeschränkter Schwimmbadbetrieb, aus den Trinkwasserhähnen soll nun ausschließlich Kaltwasser fließen und die Beheizung von Gemeinschaftsflächen, die nicht dem dauerhaften Aufenthalt dienen, muss ausgesetzt werden. Auch die Abschaltung der äußeren Beleuchtung von Gebäuden ist als Verbot in der Verordnung geregelt und noch einige Maßnahmen mehr werden aus Solidarität verordnet.

 

Meinetwegen, gewisse Beschränkungen mag man hinnehmen können; aber streiten lässt sich trotzdem über die Sinnhaftigkeit gewisser Regelungen.

Denn der Winter und die kalten Außentemperaturen kommen langsam, aber sicher; gleichzeitig damit die üblichen Erkältungen und – wie uns die Politiker niemals vergessen lassen – auch Corona wütet angeblich wieder mal verstärkt. Wenn man also von draußen kommt, setzt man sich nun in kalte Bibliotheken und friert für den Rest des Tages. Denn gerade wenn man viel lernt, senkt sich die Körpertemperatur schnell ab. Die Gefahr, dass man dann erst recht krank wird und für Tage ausfällt, ist somit deutlich gesteigert. Aber, Gott sei Dank tragen wir noch alle Maske, um gemeinsam durch die Krise zu kommen. Überall hängen Plakate mit solchen Sprüchen noch auf dem Gelände und es nervt. Die Wirksamkeit ist den Masken in verschiedenen Studien schon längst abgesprochen worden. Ein Zwang ist (noch) nicht wieder eingeführt und jeder soll freiwillig tun und lassen können, was er möchte; aber es wirkt wie eine perpetuale Standpauke.

Und wenn man sich zukünftig die Hände wäscht: Die kalten Finger werden mit einem Eisbad gereinigt werden müssen. Völlig konträr im Vergleich zum vergangenen Jahr, als uns Ursula van der Leyen doch so schön vorgesungen hatte, wie man sich die Hände anständig wäscht. Jetzt wird man nach dem Händewaschen kaum in der Lage sein, vernünftig einen Stift zu halten oder auch nur eine Zeile zu tippen. 

Aber warum beschwere ich mich anstatt dankbar zu sein, dass ich überhaupt (noch) in die Uni gehen kann. Ich sollte mir wahrscheinlich ein Bespiel an denjenigen nehmen, für die der Campus quasi wieder zum zu Hause geworden ist. Trotz der abgesenkten Temperaturen, ziehen sich einige die Schuhe aus und machen es sich gemütlich, während der Kopf qualmt. Zwar besteht kein direkter Zusammenhang, aber wieder mal kann man es mir nicht recht machen. Sorry Roger Cicero – aber Leute, lasst die Schuhe an und trennt bitte zwischen privatem Bereich und öffentlichem Auftritt. Der Lockdown ist vorbei, ihr sitzt nicht mehr unbeobachtet in der Quarantäne und abgesehen davon, dass die Böden nicht besonders sauber sind, keiner möchte eure Socken bewundern – selbst nicht, wenn es Happy Socks sein mögen. Behaltet einen gewissen Anstand und benehmt euch – zeigt bitte auch in dieser Hinsicht Solidarität euren Kommilitonen gegenüber.

 

Vielleicht muss ich mich über diese Tatsache aber gar nicht lange aufregen, denn als Sondermaßnahme hat meine Universität beschlossen, die Gebäude, vor allem die Bibliotheken, vom 24.12.2022 bis zum 08.01.2023 zu schließen. Während des sogenannten ,,Absenkbetriebs’’ sollen Beschäftigte der Universität sich prioritär Urlaub nehmen oder Überstunden abbauen und sind sonst aufgefordert, aus dem Home-Office zu arbeiten. Selbstverständlich arbeiten über die Zeit der höchsten christlichen Feiertage normalerweise nicht viele Leute, aber mich stören die entmündigenden ,,Empfehlungen’’, die den Bürgern eine eigenverantwortliche Entscheidung a priori abnehmen wollen und dabei gleichzeitig an die Moral appellieren. 

Für uns Studenten sind die Gebäude alle unbetretbar, ausschließlich ein gewisser Literaturbestand ist an einigen Standorten zugänglich. Auch hier: In den meisten Fällen wäre sowieso kaum jemand am Arbeitsplatz über die Weihnachtstage, aber gerade für Juristen, die bald darauf das Examen schreiben wollen, stellt diese überlange Schließung der Bibs schon eine große Belastung dar. 

In den Nachrichten heißt es, die Gasspeicher seien zu 95% gefüllt und mit einer gewissen Anstrengung schaffe man es durch den Winter. Also bitte, liebe Politiker, setzt eure Prioritäten richtig. Der Lehrbetrieb hat die vergangenen Jahre schon erheblich gelitten, Studien beklagen enorme Rückstände bei Schülern und deutlich gestiegene Zahlen bei Depressionen unter Jugendlichen. Es geht um die Zukunft Deutschlands, um unsere Bildung und die Konkurrenzfähigkeit im internationalen Vergleich.


Vom 9-Euro- zum 49-Euro-Ticket: Probleme nicht gelöst

Von Sven Justin Verst | Es ist nun offiziell, das Nachfolgeticket zum 9€-Ticket soll 49€ kosten und ab dem 1. Januar 2023 verfügbar sein. Damit wird dann wie bereits beim 9€-Ticket der gesamte deutsche Regionalverkehr nutzbar sein. Von den verantwortlichen Politikern der Bundesregierung wird es einheitlich als Erfolg gefeiert. 

 

So erkennt die Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Ricarda Lang, dass Menschen dadurch finanziell entlastet werde – richtigerweise. . Denn bei einem Blick auf derzeitige Ticketpreise lässt sich das nicht abstreiten. Auch Bundesfinanzminister Christian Lindner von der FDP freut sich über das neue Ticket. So teilte er seinen Followern auf Instagram den Versuch eines Memes: „Ihr wolltet ein Nachfolgeticket Ihr bekommt ein Nachfolgeticket“. Dabei sind es vor allem seine Wähler, welche nicht begeistert sind von der Performance der FDP in der Bundesregierung. So erzählte mir ein Erstwähler „Ich weiß gar nicht mehr, was ich davon halten soll“, er hat, wie viele andere die FDP für eine liberale Wirtschaftspolitik gewählt und nicht für grüne Umverteilungsfantasien. Die neusten Umfragewerte der FDP unterstreichen diese Aussage, denn die Partei kommt derzeit bloß auf 6 %, hat ihr Bundestagswahlergebnis also beinahe halbiert. Nicht nur Lindners Memes sind aus 2013 – seine Wahlergebnisse bald auch. 

 

Aus der Opposition gibt es Kritik. Die AfD bemängelt vor allem eine fehlende Entlastung für Autofahrer und Menschen im ländlichen Bereich, welche meist auf ihr Auto angewiesen sind. Des Weiteren wünscht man sich „mehr Qualität und mehr Pünktlichkeit der öffentlichen Verkehrsmittel“. Aus dem linken Spektrum, darunter auch Grünen Mitglieder, hagelt es auch Kritik. Selbsterklärter Fahrradaktivist Ingwar Pero, bezeichnet das Ticket als zu teuer. Andere legen nach und beschreiben es als Ticket, welches sich nur Privilegierte ausdenken und bezahlen könnten. Dabei wird immer wieder der Hart-IV-Satz für Mobilität angeführt. Zudem würde es niemanden entlasten, was evident falsch ist. Zwar mag die Entlastung unterschiedlich ausfallen, jedoch werden Abonnenten eines Monatstickets am Ende mehr Geld in der Tasche haben.

Während die Einen feiern und die Anderen kritisieren, ist die genaue Finanzierung weiterhin unklar. Vor allem die steigenden Energiekosten müssen in der Finanzierung berücksichtigt werden. Eigentlich plante die Deutsche Bahn, ihre Ticketpreise zu erhöhen, dies wird dann allerdings nur den Fernverkehr betreffen. Durch das 49€-Ticket werden zudem beinahe alle anderen Monatstickets hinfällig, da sie teurer und eine geringere Reichweite haben.

Dahingehend sind zwei Dinge klar. Pendler, die bereits den Regionalverkehr nutzen, werden durch das neue Ticket entlastet. Hiervon profitieren Menschen in Ballungsgebieten wie Berlin oder dem Rhein-Ruhrgebiet deutlich mehr als die Landbevölkerung. Außerdem ist spätestens seit dem 9€-Ticket für alle klar, dass der Regionalverkehr nicht adäquat auf eine deutlich höhere Nachfrage reagieren kann und im Zweifelsfall Fahrgäste zurückgelassen werden. Diese strukturellen Probleme werden durch die Einführung des Tickets nicht gelöst, sondern verschlimmern die bereits schwierige Lage des Regionalverkehrs in den Ballungsräumen.




Das neue Sprach-Diktat: „Pssscht! Das darf man nicht mehr sagen!“

Von Jonas Aston | Seitdem es Sprache gibt, wird versucht, den Adressaten durch die Wahl der Worte zu lenken. Insbesondere Herrschende wollen so die Meinungen und Ansichten der Beherrschten beeinflussen. Beispiele hierfür gibt es zuhauf. Die legendären Sätze Angela Merkels „scheitert der Euro, dann scheitert Europa“ und „wir schaffen das“ stehen dafür sinnbildlich. Wer den Euro kritisiert, ist gleich gegen Europa. Wer eine stringentere Migrationspolitik anmahnt, macht sich moralisch verdächtig – ist er doch nicht bereit, sich hinter das große Projekt der Integration zu stellen und stört dabei auch noch die gute Ordnung. Solche Sätze dienen dazu, Sachverhalte moralisch aufzuladen und die gewünschte Sicht der Dinge durchzusetzen, ohne inhaltlich argumentieren zu müssen. Sprache wird damit schnell zum Instrument von gedanklicher Bevormundung.


Sprachgebote ohne Sinn und Verstand

Derzeit wird die Kontrolle von Meinungen über die Sprache immer weiter auf die Spitze getrieben. Gewisse Sachverhalte werden beschwiegen und bemäntelt, über andere zerreißt man sich. Sinn und Zweck der Sprache ist die Kommunikation und das Vermitteln von Informationen. Genau das möchte die Politik erschweren und behindern. So bleibt das 100-Milliarden-Sondervermögen von Christian Linder ein Haufen Schulden, auch wenn begrifflich suggeriert wird, dass das Geld vom Himmel gefallen ist. Die gesetzten Sprachgebote haben längst den gesamten politischen Alltag erfasst. Die Wahrnehmung der Realität soll verändert werden – möglicherweise glaubt man sogar über Sprachregelungen die Tatsachen ändern zu können.

So wurde etwa der Begriff „Zigeuner“ aus dem Sprachgebrauch getilgt. Dies war die klassische Bezeichnung für Volksgruppen, die vor rund 1000 Jahren Indien verließen und seitdem in Europa leben. Ersetzt wurde der Zigeunerbegriff durch „Sinti und Roma“. Ein Begriff, der unzutreffend ist, werden mit Sinti und Roma doch nur zwei der zahlreichen Zigeunerfamilien beschrieben. Nach dem Fall des Ostblocks und der Öffnung Osteuropas, gab es eine verstärkte Zuwanderung dieser Volksgruppen nach Mittel- und Westeuropa. Dies brachte auch vermehrte Probleme mit illegaler Prostitution, Diebstahl und Betteln mit sich. Durch die Tilgung des Wortes Zigeuner hoffte man wohl auch das negative Bild dieser Völker tilgen zu können. Doch die grundlegenden Probleme wurden nicht gelöst.


Probleme verschwinden nicht, weil man sie aus der Sprache tilgt

Nach einer kurzen Zeit der Verwirrung etablierten sich die gleichen negativen Assoziationen, die man einst mit Zigeunern verband, auch mit den Sinti und Roma. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass nie angestrebt wurde, die Juden anders zu bezeichnen. Und dass, obwohl diese die meist diskriminierte Gruppe des 20. Jahrhunderts waren. Dahinter liegt ein einfaches Prinzip. Jeder gruppenbezogene Begriff, der negativ besetzt ist, wird aus dem Sprachgebrauch verbannt. Und in dem Moment, in dem der neue Begriff die gleichen Assoziationen weckt, wird auch dieser getilgt. Deswegen ist es auch nur eine Frage der Zeit bis man sich für „Sinti und Roma“ einen neuen Begriff einfallen lässt – die Probleme sind schließlich nicht verschwunden.

Ein anderes Beispiel ist die Bezeichnung als „Flüchtling“ von all jenen, die 2015 nach Deutschland eingewandert sind. Zutreffender wäre der Begriff „Wirtschaftsmigrant“ – immerhin hatten die meisten Zuwanderer bekanntermaßen keinen Fluchtgrund im engeren Sinne, sondern sind wegen finanzieller Aspekte ausgewandert. Über jene Zuwanderer sollte man sich nicht moralisch erheben, schließlich übertreffen die wirtschaftlichen Möglichkeiten hierzulande, die ihrer Heimat bei weitem. Aus Sicht deutscher Interessen sollte diese Zuwanderung aber unterbunden werden. Natürlich kann man auch wollen, dass der deutsche Sozialstaat sämtliche Zuwanderer aus aller Welt alimentiert, dann sollte man das aber auch so benennen. Ansonsten werden Tatsachen suggeriert, die nicht der Faktenlage entsprechen.

Besonders lächerlich ist das politisch korrekte Umschreiben von Kinderbüchern. So wurde zum Beispiel Ottfried Preußlers „die kleine Hexe“ weitgehend geändert. Begriffe wie „Chinesinnen“, „Neger“ oder Türken“ sollten ausgemerzt werden. Der Verleger Klaus Willberg erklärte, dass er nur „veraltete und politisch nicht mehr korrekte Begrifflichkeiten“ verbannen wollte. Eine logische Grenze, die es dann verbietet Gemälde von Rembrandt oder Picasso zu übermalen gibt es aber nicht.

 

Willkommen bei Orwell!

In die gleiche Richtung geht die Debatte über die Neuverfilmung von Winnetou. Es sei nicht gestattet, Filme zu drehen, in denen die Ureinwohner Amerikas auch nur Vorkommen. Dies sei gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, so die Kritiker. Solche Eingriffe sind de facto Eingriffe in das geistige Eigentum der Künstler. Sinn und Zweck kann nur die Umprägung von Kindern sein, die die Welt nicht so sehen sollen, wie sie ist, war oder wie sie zumindest der Künstler gesehen hat.

Zugleich erinnert dieses Vorgehen an Orwells Buch 1984. Dort arbeitet der Protagonist Winston Smith im „Ministerium für Wahrheit“. Seine Aufgabe ist es, Texte der Vergangenheit so umzuschreiben, dass sie in das gegenwärtige Weltbild passen. In dem Roman ist die Sprachverwandlung schon so weit fortgeschritten, dass Sprache nichts mehr ausdrückt. Den Menschen ist es etwa unmöglich, von Freiheit zu sprechen. Jeder Begriff, der dies ausdrückt, wurde getilgt. „Frei“ kann lediglich im Zusammenhang mit „frei von Problemen“, jedoch nicht im Sinne von politischer oder geistiger Freiheit gebraucht werden. „Krieg ist Frieden“, „Freiheit ist Sklaverei“ und „Unwissenheit ist Stärke“, sind die Slogans der herrschenden Partei.

 

Gendern ist Realitätsverweigerung

Die Realität schlicht verweigern wollen auch all jene, die die Gendersprache in der Gesellschaft etablieren wollen. Sie verneinen zwei Fakten: Erstens, dass Menschen ganz überwiegend als Mann und Frau geboren werden, zweitens ignorieren sie die Grammatik und die historische Entwicklung unserer Sprache. In fast allen Sprachen werden Wörter einem Geschlecht zugeordnet (er, sie oder es). Unsere Sprache in dem Sinne umpolen zu wollen, dass letztlich alle zahlreichen Geschlechter, die es angeblich geben soll, ist zum Scheitern verurteilt. Es würde auch in den Lebensrealitäten von Frauen oder Transsexuellen nichts ändern. Die Türkische Sprache kennt lediglich das Neutrum. Nichtsdestotrotz ist die rechtliche Stellung von Frauen und Transsexuellen hierzulande deutlich ausgeprägter als in der Türkei. Richtig ist, dass die europäische Sprache eine vergangene männliche Vorherrschaft abbildet. Doch dies wird ganz von selbst seinen sprachlichen Ausdruck finden, ohne dass dies staatlich verwaltet werden müsste.

So verschwand im Deutschen das Wort „Fräulein“ und im Englischen das Wort „Miss“. Die logische Folge der Entkopplung von Geschlechtsverkehr und Ehe. Sprache wächst und entwickelt sich organisch von unten. Nie können Sprachregelungen und Gebote von oben aufdiktiert werden, zumindest nicht dauerhaft. Dies hat schlicht damit zu tun, dass sich die Sprache den Tatsachen und der gegenwärtigen Situation anpasst und nicht die Realität durch die Sprache gemacht wird. Immer wenn versucht wird auf die Sprache einzuwirken, Wörter zu verbannen und neue zu etablieren, geht es darum die Gedanken der Beherrschten zu steuern. Denn es kann nur das gedacht werden, was ausgedrückt werden kann.


Neues Abkommen im nahen Osten: Wenn Gas für Verständigung sorgt

Von Simon Ben Schumann | Das historische Abkommen wurde am Mittwoch  unterzeichnet: Israel und der Libanon, zwei verfeindete Nationen, trafen eine  Vereinbarung. Beide Staaten erkennen die gemeinsame Seegrenze an – womit sich neue  wirtschaftliche Möglichkeiten ergeben. 

Die beiden Länder haben in der Vergangenheit erbittert gegeneinander gekämpft. Im  israelischen Unabhängigkeitskrieg bis Juli 1949 stand der Libanon auf der Seite der arabischen Armeen, die den neuen Staat vernichten wollten. Auch im Jom-Kippur-Krieg  1973 unterstützte der Libanon zumindest die anti-israelischen Kräfte. Nach der Aufnahme  zahlreicher Palästinenser ist die Stimmung im Libanon nicht besonders pro-israelisch,  wobei dies auf Gegenseitigkeit beruht. Schließlich schlägt Israel aus dem Libanon wenig  entgegen, außer dem Wunsch der Existenzvernichtung. 

Wenn Gier zu Annäherung führt 

Es ist vielleicht etwas ironisch, aus welchen Motiven Israel und der Libanon ihre  gemeinsame Seegrenze nun doch anerkannt haben. Nicht etwa, weil beide Länder akzeptiert hätten, dass Kriege und Feindseligkeiten mal beigelegt werden  sollten. Nein, es geht ums liebe Geld – und darum, dass die Klimaanlagen in Beirut und Tel Aviv  nicht zu horrenden Stromrechnungen führen. Ob man jetzt Abraham oder Ibrahim  heißt: Keiner hat Bock, dass die Stadtwerke einem zum Monatsende mit der Horror-Rechnung kommen.  

Die Energiekrise führt dazu, dass besonders der Libanon leidet. Seit 3 Jahren schon ist das  Land von einer Wirtschaftskrise betroffen, die auch die Energiepreise weiter anziehen  lässt. Schon verlockend, wenn hochlukrative Gasfelder vor der Küste schlummern. Das  Offshore-Gasfeld Kana kann durch das Abkommen vom Libanon mithilfe des Konzerns  Total erschlossen werden. Die Karisch-Gasplattform liegt nun in israelischen Gewässern.  Israels Ministerpräsident Lapid kündigte „Milliardeneinnahmen“ an – da würde ich mich  auch freuen. Und der Libanon will sich laut Präsident Aoun mithilfe des Abkommens „aus  dem Abgrund“ ziehen. Klingt beides ziemlich geil. 

Europa als Friedensprofiteur 

Doch auch wir Deutschen können feiern. Denn das Gas und Öl, welches jetzt gefördert  werden könnte, kann in flüssiger Form übers Mittelmeer importiert werden. Wann es  losgeht, ist unklar – der Libanon wird für die Erschließung wohl etwas brauchen. Israel will aber schon jetzt loslegen.  

Und das Beste kommt noch: Sogar Hisbollah-Chef Nasrallah ist für das Abkommen und will ein Stück vom Kuchen. Bisher hat keine amoklaufende Terror-Miliz Einwände gegen günstigere Energiepreise gezeigt; keines der heiligen Bücher hat was gegen eine kürzere Gasrechnung. Egal, wie wörtlich man sie nimmt. 

Die Zeder auf der Flagge des Libanon entstammt dem 92. Psalm: „Der Gerechte wird  wachsen wie eine Zeder auf dem Libanon.“ Der Hisbollah-Chef ist wahrscheinlich nicht  die Inkarnation der Gerechtigkeit – aber ich denke, dem lieben Gott ist Frieden aus  Geldgier immer noch lieber als Krieg aus demselben Grund. Die Wahrscheinlichkeit für  einen Atomkrieg ist gesunken, und die Klimaanlagen von Israelis, Libanesen und  vielleicht auch Europäern könnten nächsten Sommer für lau auf Anschlag laufen. In diesem Sinne: Gott sei Dank für dieses Abkommen.